
Kapitel 2
Mein Gehirn realisiere nur ganz langsam was das alles bedeutet.
Eigentlich war jetzt der Moment, in dem ich nach vorne gehen sollte.
Doch ich konnte nicht, meine Beine bewegten sich einfach nicht.
Ich stand nur total verloren da.
Ich sah die Blicke der Leute, ein paar Mitleidige, eine paar erleichterte, eine paar genervte.
Myra, die vor mir stand drehte sich zu mir um. Ihr Blick war voller Leid. „Ich glaube du solltest nach vorne gehen", flüsterte sie mir zu.
Ich nickte leicht, nahm die Schultern nach hinten, ballte meine Hände zu Fäusten und stampfte los.
Aus den Augenwinkeln sah ich mich auf den riesigen Bildschirmen.
Es war mir egal, dass meine Schuhe schmutzig waren und meine Frisur aussah als ob ich gerade mit jemandem gekämpft hätte. Als würde das noch einen Unterschied machen.
Ich ging die Treppe welche zur Bühen führte hoch.
Celentha empfing mich mit einem zuckersüßen Lächeln und zog mich neben sich.
Die Leute fingen an zu Klatschen und Jubeln. Die meisten mit einem gequälten Gesichtsausdruck oder eher halbherzig.
Ich fingen den Blick meiner kleinen Schwester Pricella auf. Sie stand ganz dicht neben meinem Vater und klammerte sich an ihn. Ihre Augen waren vor Entsetzen geweitet und eine Träne rollte ihre Wange hinunter. Ich würde sie jetzt so gerne in den Arm nehmen und sie trösten, obwohl mir selber zum heulen zumute war.
„Kommen wir zu den Jungen", Celentha stolzierte zu der andern Glaskugel. Ich wusste sofort, dass ich den, den sie gleich aufrufen würde wohl umbringen werden musste um zurückzukehren, wenn niemand anderes es tat. Mein Blick schweifte zu den Jungen, die genau wie die Mädchen in einer Gruppe dastanden. Ich würde es nicht übers Herz bringen, einen von ihnen zu töten. Die meisten kannte ich aus der Schule und auch generell wollte ich eine solche Grolltat nicht vollbringen müssen.
Da endeckte ich Francis. Er warf mir einen aufmunternden Blick zu. Seine Lippen formten ein stummes "Du schaffst das"
Wie gerne würde ich jetzt die Zeit zurück drehen und mit ihm in unserem Baumhaus sitzen.
Mich richtig verabschieden. Ihm sagen wie viel er mir bedeutet und wie dankbar ich ihm für alles war.
Celentha hatte einen Namen gezogen und tänzelte zurück zum Podest. „Der männliche Tribut aus Distrikt 5 ist..." Wieder machte sie diese kleine, dumme Pause, um die Spannung zu steigern. „Francis Rutherford."
Moment, was?
Es dauerte einen Moment, bis diese Nachricht bei mir ankam.
Das konnte doch jetzt nicht wahr sein!
Nicht Francis, nicht mein bester Freund.
Bitte nicht.
Es konnte nur einer von uns überleben.
Ich oder er.
Oder wir starben beide, noch schlimmer, aber so würde es leider sein.
Und ich wusste, dass ich mich ohne nachzudenken für ihn opfern würde.
Ich war nicht traurig, ich war einfach nur wütend.
Auf die blöden Spielmacher, die Leute im Kapitol und auf unseren nur so nach Macht gierenden Präsident Coriolanus Snow.
Ich hasste sie, ich hasste sie so sehr. Gerade mehr als je zuvor und das sollte etwas heißen.
Aber ich musste jetzt stark sein.
Ich durfte mir nicht vor allen Menschen etwas anmerken lassen.
Einfach gleichgültig in die Menge blicken. So wie alle es taten.
Francis kam zu mir auf die Bühne. Sein Gesicht war undurchdringlich, sah aber nicht mehr annähernd so zuversichtlich aus wie vor einigen Minuten noch.
Unsere Blicke trafen sich, und für einen Moment gab es nur noch uns beide. Es war komisch, aber seit er auf der Bühne war, fühlte ich mich stärker und nicht mehr so alleine. Obwohl der Augenblick, die Situation und die Tatsache, dass wir auf dem direkten Weg in den Tod waren, nicht so passend waren, lies mich seine Anwesenheit etwas entspannen und herunterkommen.
„Finch Featherstone und Francis Rutherford sind die beiden Tribute aus Distrikt 5", verkündigte Celentha und die Mege klatsche laut. Vereinzelt lagen sich Familien in Armen und ältere Jugendliche, für die es wohl die letzte Ernte gewesen war, waren sichtbar erleichtert. Ihr Leben würde ab jetzt weniger beängstigend sein.
Etwas was ich wohl nie über meines sagen würde.
Sie gab uns ein Zeichen, dass wir uns nun an die Hände nehmen sollten. Francis Hand war warm und sein Handruck fest.
Auch wenn ich mich für diesen Gedanken hasste, war ich froh, dass er auch ausgewählt wurde und wir das zusammen durch stehen würden. Wie wir seit der 4. Klasse alles gemeinsam durchstanden.
-
Die Verabschiedungen fielen mir sehr schwer. Vor allem von Pricella. Sie hatte ihre Arme fest um mich geschlungen und wollte mich nicht mehr loslassen.
„Pass gut auf Darcy auf", flüsterte ich ihr zu.
Darcy war unsere kleine Schwester.
Sie war erst 15 Monate und hatte gerade einmal gelernt zu laufen.
Ich fühlte mich schuldig, dass ich sie alleine ließ und einer 11 jährigen, die gerade mal so auf sich selbst aufpassen konnte, die Verantwortung für ein Kleinkind übergab. Etwas, was nicht mal in meiner Macht liegen sollte.
Doch auf meine Eltern konnte ich nicht zählen. Meine Mutter würde so gut es ging versuchen sich zu kümmern, aber sie war seit der Geburt von Darcy ans Bett gefesselt und mein Vater... es grenzte an ein Wunder, dass er heute nicht komplett betrunken war und noch normal gehen konnte. Was was nicht sehr oft der Fall war.
Aber wenigstens kam immer mal wieder eine Frau aus der Nachbarschaft, um nach dem rechten zu sehen. Sie war früher eine gute Freundin meiner Eltern gewesen und hatte uns immer sehr unterstützt.
Genauso wie mein älterer Bruder, der aber jetzt verheiratet war und nur noch selten zu Besuch kam.
„Mach ich," versprach mir Pricella schluchzend. Mir machte es nichts aus, dass mein Oberteil bereits ziemlich nass von ihren Tränen war. Wenn es das letzte Mal war, dass wir uns umarmten, dann war es das alle mal wert.
„Alles wird gut."
Ich wusste nicht ob ich das zu ihr oder zu mir selber sagte.
Die Wahrscheinlichkeit, dass ich da heil raus kam, war gering. Sehr gering.
Und trotzdem hoffte aus tiefsten Herzen, dass ich Recht hatte.
Ich betete, dass es wirklich gut werden würde.
Hi,
Wie fandet ihr das zweite Kapitel?
Wieder vielen Dank an @-elementewolf- fürs korrigieren ❤️
Liebe Grüße
Hooly ❤︎
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro