Upsidedown
Es dauerte einen Moment, bis ich wieder klarkam.
Wenn ich es jemals würde zugeben müssen, würde ich wahrscheinlich lieber sterben als Erics Ego noch einen weiteren Push zu geben, doch was auch immer er da mit mir angestellt hatte, es hatte mich aus der Bahn geworfen - und zwar so richtig. Meine Beine waren zittrig und Butterweich, mein Puls hämmerte so stark, dass ich ihn selber lautstark in meinen Ohren pochen hörte und was den Rest meines Körpers anging... nun, sagen wir einfach eine kalte Dusche alleine würde das nicht wieder in Ordnung bekommen. Vielleicht ne kalte Badewanne.
Trotz allem, sprich dem Blutverlust, dem ganzen Trauma und all den Kämpfen, Tod und Schlafmangel fühlte ich mich dennoch energiegeladen, konzentriert und stark. Unbesiegbar. Begehrenswert.
Hilfe, ich fühlte mich wie nach großartigem Sex. Nur ohne den Sex-Teil wohlbemerkt. Naja, so ziemlich. In meinen Venen pulsierte noch immer das Blut. Sein Blut. Ich konnte verstehen, wie man nach diesem Gefühl süchtig werden konnte. Nach seinem Blut, seinem Körper, seinem ... Doch das war nicht der Punkt.
Ich schüttelte den Kopf und schimpfte mich selber.
Himmel Herrgott nochmal, wir waren in einem Kampfgefecht und ich konnte nicht aufhören an Sex und Eric zu denken. Oder Sex mit Eric. Der bestimmt gut sein würde. Großartig sogar, wenn dieser kleine Vorgeschmack ein Indiz sein sollte.
„Krieg dein Gehirn aus der Schmuddelecke!", schimpfte ich mich selbst nachdem ich erschrocken zusammenzuckte, als ein knurrender Vampir zu meiner linken gegen die Wand geschleudert wurde. Aus dem Raum vor mir hallte ein zufriedenes Lachen. So selbstgerecht wie es klang war ich mir sicher, es gehörte zu Eric. Der Mistkerl der gerade gehört hatte, was ich gesagt hatte, womit ich sein Ego gepush hatte. Soviel dazu.
Wunderbar Ashley, einfach toll machst du das heute wieder.
Ich schloss die Augen, nur für einen kurzen Moment und spürte die Energie durch meine Venen jagen. Als ich die Augen ein weiteres Mal öffnete war ich endlich fokussiert und sah mich im Raum um, um heraus zu finden, wie ich mich nützlich machen könnte. Doch viel zu tun gab es scheinbar nicht mehr. Monroe und Eric schleuderten sich wieder gegenseitig durch das Zimmer. Teure Vertäfelungen, Wandgemälde und geschmackloser Stuck wurden zerstört und purzelten durch das Zimmer.
Auf dem Marmorboden verteilt lagen dann und wann Glibber und Schleim. welche meiner Interpretation nach die Überreste von mehreren Vampiren darstellen mussten und in der Mitte des Raumes kämpfte sich Pam geradezu lässig durch die neu ankommenden Vampire, die versuchten den Raum zu stürmen. Wüsste ich es nicht besser, würde ich behaupten die Kämpfe wären geradezu langweilig für sie, wäre da nicht das Vampirzähne flechtende Grinsen das sie verriet.
Immerhin hatte eine hier seinen Spaß.
Das Mädchen, für welches wir die Tortur auf uns genommen hatten, war tatsächlich nicht länger zu sehen. Ich betete, dass sie es raus geschafft hatte und bangte zugleich, dass sie nun alleine und ohne Schutz durch die Straßen der Stadt schlich. Sollte ich es jemals hier raus schaffen, würde ich nach ihr suchen, beschloss ich. Auch wenn ich keine Ahnung hatte, an welcher Stelle ich da ansetzen müsste. Ich ließ meinen Kopf weiter schweifen und bemerkte, das Tom und James waren ebenfalls nirgends zu sehen waren.
Hier waren meine Gefühle sehr gespalten. Zum einen wollte ich, dass sie dem Glibber zu meinen Füßen zugeordnet werden konnte, zum anderen waren sie die einzige Familie die ich je besessen hatte. Zu sagen, es sei kompliziert, wäre also untertrieben gewesen.
Ein neuer Schwall Wachpersonal betrat das Zimmer, Menschen und Vampire gemischt. Pam war bereits dabei sich auf die Menge zu stürzen und ich beschloss ihr zu helfen und mich der Menschen anzunehmen. Ein Mann um die 30 kam direkt auf mich zugelaufen und war dabei einen Taser zu ziehen. Ein gezielter tritt gegen die Milz setzte ihn dann jedoch augenblicklich außer Gefecht und er sackte zusammen wie ein zu schwerer Sack Mehl. 1:0 für Ash
Adrenalin rauschte durch meine Venen und ich spürte wie sich ein Lächeln auf meinen Lippen ausbreitete.
„Bitch!", schrie ein anderer Mann, weshalb ich mich leider instinktiv zu ihm umdrehte und bereits im nächsten Moment seine Faust in meinem Gesicht hatte.
Ich gab zu, das tat weh. Was mich an einem anderen Tag jedoch wahrscheinlich auf die Matte befördert hätte, konnte ich heute abschütteln. Mein Kampftraining übernahm meine Handlungen und mit einem gezielten Griff ließ ich den Mann über Kopf gehen und hielt sein Handgelenk in einem unangenehmen Winkel gegen seinen Rücken schlagen. Der Mann fluchte und spuckte.
„Abschaum wie du hat es verdient zu sterben.", schrie er. „Du und alle, die zu dir halten."
In meinen Augen war das die falsche Antwort und ich drehte seinen Arm noch ein wenig weiter, bis das Gelenk mit einem zufriedenstellendem Plop und einem Schrei seinerseits aus seiner Schulter sprang.
„Tut weh, nech?", schrie ich zu ihm hinunter und leckte das Blut auf, dass mir dank seines Schlags aus meinem Mundwinkel geflossen war, von meinem Finger.
Dann trat ich dem Mann so auf die Pulsader, dass er ohnmächtig wurde und ich hob den Kopf um nach weiterer Gefahr Ausschau zu halten. Mein Blick streifte Erics in dessen Augen ein Feuer loderte ehe er weiter damit beschäftigt war den wütenden Angriffen Monroes auszuweichen. Pam war nicht ganz so beschäftigt und sie musterte mich neugierig.
In einem Satz war sie bei mir.
„Vielleicht kann ich doch sehen, was meinen Master so an dir fasziniert!", säuselte sie und trat noch näher ehe sie unerwartet und schnell mit ihrer Zunge meinen Mundwinkel und das heraustropfende Blut ableckte. Ich war zu perplex um zu reagieren. Ihre Augen wurden noch größer.„Oder schmecken!"
Eine ganz neue Art von Hunger trat in ihre Augen und ich gefror überfordert an Ort und Stelle fest. Pam beugte sich erneut vor als ein wütendes Knurren die Spannung durchbrach.
„Pamela!"
Sie hielt inne und ich atmete flach. Sie musterte mein Gesicht, verdrehte die Augen, atemte seufzend aus, murmelte etwas wie „Immer darf nur er seinen Spaß haben. Egoistischer Mistkerl!", und war dann in einer fließenden Bewegung wieder im Kampfgeschehen.
Ich brauchte noch einen Moment. Warum wollten mich heute denn alle verdammt nochmal küssen? Ich rieb meine Lippen aneinander. Mein Blick huschte zurück zu Eric, der Pams Verführungsversucht unterbrochen hatte, der noch immer durch Pams überfall verstimmt wirkte. Ein Blick in die Runde verriet mir, dass sich der Kampf langsam aber sicher einem Ende näherte.
Der Raum war ruiniert, der Boden bedeckt mit so vielen unterschiedlichen ekelhaften Flüssigkeiten, dass ich, sollte ich hier jemals wieder rauskommen, einen ganzen Monat in der Badewanne verbringen würde, und die Anzahl weiterer Wachen wurde immer geringer. Viele waren Tod, der Rest schien zu fliehen.
Ich war bereits dabei erschöpft und erleichtert aufzuatmen als ein plötzlicher scharfer Schmerz an meinem Hals mich erschrocken aufschreien ließ. Schnell wurde der schrille Schrei gurgelnd und die Lichter um mich herum gedämmt. Hatte jemand für stimmungsvolle Beleuchtung gesorgt? Wie absurd.
Ein unmenschliches Fauchen, ein Knurren, ein starker Ruck nach hinten und ich schlug mit meinem Kopf auf dem ekelhaften Boden auf.
Aua.
Das Dröhnen war schmerzhaft, doch es fühlte sich zugleich am als käme es von weiter Ferne, sodass ich einfach liegen blieb und mich davon treiben ließ. Ein widerliches, unnatürliches, finsteres Lachen ertönte und meinen ganzen Körper überzog eine Gänsehaut des Ekels.
„Niemand durchkreuzt mir meine Geschäfte Mr. Northman!", fauchte die Stimme zu der das unnatürliche Lachen gehörte. Es hörte sich metallisch und hohl an. Monroe. „Wenn ich sie nicht kriege, dann bekommt sie keiner."
Mein unter Blutverlust leidendes Gehirn brauchte einen Moment um zusammenzusetzen, was passiert war.Die Kurzfassung: Ich starb. Mal wieder.
Monroe musste sich in einer unachtsamen Sekunde während des Kampfgefechts auf mich gestürzt, mir meine Hauptarterie am Hals aufgerissen und getrunken haben und mich dann als Eric zur Hilfe geeilt war, auf den Boden zu schleudern. Etwas hatte unnatürlich geknackt. Jetzt wurde mein Haar und mein Hinterkopf ganz feucht. Das war kein gutes Zeichen. Um den Kopf zu heben und dem weitern Geschehen zu folgen, fehlte mir schlichtweg die Kraft. Alles wozu ich noch im Stand war, war zuhören. Das war noch weniger gut. Schneller und schneller schwanden meine Kräfte. Aber mit ihnen auch der Schmerz. Ich hieß das Ende willkommen.
Mehrere Knurren, ein Knall. Die Kampfgeräusche gingen weiter. Doch diesmal ohne mich.
„Lass dich fallen mein Schatz!", hörte ich stattdessen eine bekannte Stimme neben meinem Ohr. Tränen stiegen mir in die Augen. Ich hatte sie vermisst.
„Oma?", flüsterte ich überrascht. Ich war nicht sicher ob ich die Worte mit meinem Mund und in meinen Gedanken ausgesprochen hatte.
„Ich bin hier."
Ein Gefühl der Geborgenheit durchzog mich. Schwarze Ränder verengten mein Blickfeld und die Tränen sorgten dafür, das Rest undeutlich wurde.
„Lass dich fallen!", wiederholte sie. Ich meinte ihre Finger über meine Wange streichen zu spüren. Ich wollte es tun. Wirklich. Mich fallen lassen. Doch ich war noch nicht fertig. Meine Aufgabe, meine Ziel. Die Schuldigen zu Rechenschaft ziehen...
Mein flacher Atem stockte, während mein Herz panisch versuchte, mit starken Schlägen, mich am Leben zu erhalten.
Wer war überhaupt der Schuldige?
Ich hatte den Überblick verloren. Eric hatte niemanden getötet. Niemanden der mir Nahe stand zumindest. Er war gewiss nicht unschuldig, aber schuldig war er auch nicht. Tom? Mein Herz verkrampfte sich schmerzhaft, schlug dann weiter. Es war erschreckend selbst zu hören, wie die Herzschläge schwächer und langsamer wurden.
Tom...Tom war ein verlogener, dreckiger, hinterhältiger Mistkerl. Meine erste Liebe. Er hatte mich im Glauben gelassen, gestorben zu sein. Sich einem Kinderschmugglerring (oder was auch immer für eine kranke Scheiße das gewesen war) angeschlossen und mich an den höchst bietenden verkauft. Aber war er ein Mörder? War er schuldig?
Mein träges Hirn wollte der Schlussfolgerung nicht zustimmen. Hass war so anstrengend, kostete Energie. Ich wollte nicht länger hassen. Meine Glieder fühlten sich erschreckend leicht an, als ich die Entscheidung traf, den Hass gehen zu lassen. Hass, den Wunsch nach Rache, all meine Ängste und Hoffnungen und Träume und Erwartungen... Sie waren allesamt unbedeutend.Ich spürte, wie meine Großmutter lächelnd auf mich hinab sah.
„So ist es gut mein Schatz. Lass los..."
Es war als würde ich an vielen kleinen Fäden sanft nach oben gezogen. Ich ließ die schwere zurück, dass Gewicht, dass mich am Boden hielt. Luft entwich meinen Lungen.
Kurz bekam ich Panik. Halt.
Das unabässige Knurren um mich herum war noch nicht verstimmt. Knochen brachen, Fauchen und schreie ertönten. Monroes höhnisches Lachen. Der Hass wabberte geradezu durch seine Stimme als er nach einem erneuten Knacken und stumpfen stöhnen gurgelnd von sich gab.
"Zwanzig Jahre hat mich die Suche gekostet. Sie hatten sie gut versteckt, dass muss man ihnen lassen."
Er spuckte auf den Boden, seine Stimme wurde deutlicher was meinen schwindenden Sinnen jedoch nur bedürftig half. Es war bereits, als spräche er aus weiter ferne. Ein Rauschen im Hintergrund meines langsamer werdenden Herzschlages.
Monroe lachte erneut. Ein trockenes, ungläubiges Lachen. "Man sollte meinen Kinder in Pflegesystemen wären leichter zu finden, da sich niemand einen Dreck um sie scherrt, nicht schwerer...", sinnierte er. "Doch tatsächlich macht sich nicht einmal jemand die Mühe, die Vermittlungen zu dokumentieren."
Er sprach die Wahrheit, doch sie versetzte mir einen Stich. Seine Worte nahmen mir meinen Frieden und hielten mich damit fest an diesem grausamen, schmutzigen Ort. Ich wollte wieder fliegen, wollte wieder aufsteigen. Verschwinden. Bitte Eric, bitte mach einfach das er aufhört. Monroe soll die Klappe halten, den Kopf hochstrecken und du ihn dann einfach entfernen...
Er seufzte theatralisch. "Immerhin hatte ich so eine neue Einkommensquelle an Kindern für meine Geschäfte gefunden...", sinnierte er. Erics Knurren schwoll an, Monroe kreischte auf. Laut vor Schmerzen.
Meine Gedanken schweiften bei den Worten zu dem kleinen Mädchen. Das kleine blonde Mädchen in Erics Haus, welches nun geflohen war. Welches wahnsinnige Angst gehabt hatte, Albträume. Welches James wiedererkannt hatte. Und Tom. Und Monroe. Wie ich befürchtet hatte, war es war: Das Mädchen war Ware. Eine lebendige Blutquelle für Vampire. So wie sie. Es kam aus dem Pflegesystem. So wie sie. Und es wurde an den Höchstbietenden versteigert und verliehen. Darum war es die ganze Zeit gegangen. Geld.
Glühend heiß schoss mir die Wut ein letztes Mal durch die Adern. Mein Körper richtete sich ohne mein zutun auf, meine Gliedmaßen, schwer und ohne Anspannung, hingen an ihm hinab. Ich schlug die trägen, schweren Augen auf. Ich sah rot. Wortwörtlich. Die ganze Welt war in ein tiefes, untrügliches Blutrot getaucht, das sich aus meiner Wunde in meinen Augen verteilt haben musste.
"Bring den Mistkerl um!", knurrte ich. Meine eigene Stimme war mir fremd, wie sie von den Wänden widerhallte und schwer die Geräusche des Raumes durchschnitt.
„Zu doof, wenn man als Geschäftsleitung kopflose Entscheidungen fällt!", zischte Eric bedrohlich. Ein reißen ertönte. Etwas flog durch die Luft. Ich spürte wie ein zufriedenes Grinsen sich auf meine Lippen legte, als Monroes Kopf zu meinen Füßen rollte. Füßen, die nicht länger den Boden berührten, sondern über ihm schwebten. Dann spürte ich, wie das letzte bisschen Hass, dass mich animiert, mir Kraft gegeben hatte, meinen Körper verließ.
"Jetzt kannst du loslassen!", flüsterte meine Großmutter erneut zu meiner Seite. Ich konnte sie sehen. Sah, wie sieh mich mit ihren weisen Augen und ihrem herzlichen Lächeln betrachtete. Ich lächelte sie an, sah ein letztes Mal zu Eric der geschockt in unsere Richtung starrte und tat wie von ihr befohlen. Mein Herz machte einen letzten kraftvollen Schlag. Dann drehte sich der ganze Raum auf den Kopf und ich sackte in mir zusammen.
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