Out In The Darkness
Verwirrt stolperte ich in die Bar, komplett in Gedanken "Hol noch eben fix die Schürze Sam!", murmelnd. Die Tatsache, dass ich eine auf dem Besen reitende Megs durchaus in Betracht zog, zeigte mir die Absurditäten der letzten Wochen auf. Kopfschüttelnd ging ich nach vorne - und blieb wie vom Donner gerührt stehen
"Lafayette?!"
Meine Stimme musste sich bestimmt um drei Oktaven überschlagen haben. Arlene und Sam sahen mich an, als hätte ich nicht mehr alle Tassen im Schrank (womit sie gar nicht mal so falsch lagen) als ich Lafayette in einem Anflug überschwänglicher Freude um den Hals fiel.
"Uff, Gott chill Hooker!", stieß dieser daraufhin aus, erwiderte meine Umarmung jedoch kräftig.
Obwohl er per se aussah wie immer (glitzerndes Tuch um den Kopf und Augenmake up, dass meine "Make-Up Künste" um ein leichtes in den Schatten stellten), fiel mir doch als erstes ins Auge, wie fahl er wirkte. Mit einer Hand unter seinem Kinn drehte ich sein Gesicht hin und her und musterte ihn skeptisch. Aufgebracht schlug er meine Hand weg. Ich wollte den Mund aufmachen und weiter brabbeln wie froh ich war ihn zu sehen und das er allem Augenschein nach wieder auf den Beinen war, doch er wirbelte mich herum und schubste mich Richtung Küche.
"Wa-",mehr bekam ich nicht raus. Erst in der Abstellkammer hielt er an.
"Kein. Wort!"
"Deinem Bein geht es gut, ich dachte Eric-"
Er hielt mir den Mund zu und Angst stand in seinem Blick.
"Shh"
Wut kochte in mir hoch.
Nicht weil er mir den Mund zu hielt (was auch nicht gerade toll war), sondern weil er ganz offensichtlich nicht okay war. Wundersam geheiltes Bein hin oder her, da waren eindeutige Indizien, dass er schlimme Wochen hinter sich hatte. Seine Augen quollen ihm vor Angst geradezu aus dem Kopf und er wirkte schmächtig, beinahe unterernährt.
"Da ist keine Schusswunde, weil nichts gewesen ist, verstanden" , zischte Lafayette mit Nachdruck, während er sich umblickte.
"Ich war auf einer Cruise!"
"Cruise?"
"Einer Kreuzfahrt. Schwulen Kreuzfahrt. Was auch immer..."
"Aber Eric-"
"Fuck nochmal Ash! Du bist doch sonst nicht so langsam. Northman ist fucking MÖRDERISCH. Ein falsches Wort und er zerreißt mich in Stücke!"
Ich musste unbewusst skeptisch eine Augenbraue hochgezogen haben, denn Lafayette schlug aufgebracht mit geballter Faust gegen die Tür des Kühlerraums.
"Fuck nein, dass hast du von ihm." Lafayette ging die Luft aus wie aus einem Gummiboot mit Loch. Er fiel geradezu in sich zusammen. "Scheiße Ash, dass ist kein Spiel. Und Eric in seiner hübschen Verpackung kein Engel. Eher Lucifer höchstpersönlich!"
Das Lafayette mit mir sprach wie mit einem kleinen naiven Kind ging mir gegen den Strich.
"Das weiß ich doch!"
"Tust du das?"
"Natürlich!"
Unerwartet zog Lafayette mich wieder an sich und drückte mich. Als er jetzt sprach, flüsterte er mir eindringlich ins Ohr.
"Also kein Wort mehr. Es ist nie passiert!"
Ich wand mich aus seinem Klammergriff.
"Du kannst doch nicht- "
"Shh-"
"Aber dein Bein-"
"Hmm!-"
Lafayette starrte mich warnend an während er seine Finger zusammengeführt hatte wie ein Dirigent der sein Orchester zum Verstummen bringen wollte. Die Geste war eindeutig. Ich sollte die Klappe halten. Ich schmollte, sagte aber nichts weiter.
Lafayette seufzte.
"Zu unser beider wohl, hm?" Dann drückte er mich ein letztes Mal und ging zurück an die Arbeit. Das Gespräch und damit auch das Thema waren für ihn beendet. Ich knirschte mit den Zähnen und sah ihm hinterher, stark mit meiner Selbstbeherrschung kämpfend.
Kaum hatte er die Tür des Vorratsraumes aufgestoßen, hörte man das Gewusel aus der Bar wieder. Ich stöhnte. Schön doof von mir, an meinem freien Abend freiwillig in die Bar zu kommen. Schnell band ich meine Schürze um und folgte Lafayette nach vorne. Der Lärm war geradezu ohrenbetäubend.
"Ich warte noch immer auf meine zwei Bier Tara!", zickte Arlene Tara an, die hinter der Theke zu rotieren schien. "Würde ich so arbeiten wie du, wäre ich schon längst gefeuert worden. Zu dumm, dass ich nicht mit meinem Boss schlafe!"
"Hey!", mischte sich jetzt auch noch Sam ein und die Spannung in der Luft stieg weiter. Als ein Kind, dass durch das Pflegesystem das Vergnügen hatte, gleich in mehrere unzufriedene/ dysfunktionale Familien zu kommen, war ich nicht besonders gut mit Konfliktsituationen. Insbesondere mit Menschen, die mir am Herzen lagen. Das sich meine kleine Ersatzfamilie hier in der Bar gerade gegenseitig an die Gurgel ging, brachte mein Herz zum Rasen. In der Regel versuchte ich Streit aus dem Weg zu gehen, denn wenn ich dann doch einmal die Kontrolle verlor, ähnelte das einer ausgewachsenen Naturkatastrophe. Ich spürte bereits, wie die Stimmung sich auf mich zu übertragen schien und versuchte das Weite zu suchen, doch im vollen Merlotte's war mir der Weg für den Moment versperrt.
"Die falschen Menschen vögeln Arlene, da solltest du doch ganz besonders eine Ahnung von haben!", mischte Tara's Cousin sich ein und spielte damit auf René an. Arlenes Gesicht bekam die Farbe ihrer Haare. Als sie jetzt antwortete zog sie geradezu eine Show ab und erhob ihre Stimme, um sicher zu stellen, dass nun auch die Gäste in der näheren Umgebung sie hören konnte.
"Vielleicht habe ich, wie alle Menschen, in meinem Leben auch den ein oder anderen Fehler begangen, aber immerhin waren es menschliche Fehler!", schnalzte sie mit der Zunge und musterte Lafayette und jetzt auch mich von oben bis unten mit einem abwertenden Blick. "Ihr bekommt alle das, was ihr verdient."
Das Gemurmel um uns wurde lauter, während Lafayette trotz seiner dunkeln Haut blass zu werden schien. Sein Blick gefror und wurde leer. Ich war mir nicht ganz sicher, ob er mit seinen Gedanken noch anwesend war oder ob er nur eine leere Hülle für uns zurück gelassen hatte, während sein Geist sich in die Traumata der Vergangenheit zurück zog und in ihnen verlor - etwas, das niemand jemals erleben sollte. Ich knurrte. Hätte ich Ohrringe getragen und das wäre ein Film, würde ihr diese nun in Kampfvorbereitung rausnehmen und meine Knöchel knacken lassen.
Okay Bitch, dass reicht!
Meine Nase kribbelte und eine Gänsehaut breitete sich von meinen Fußsohlen bis in meine Haarspitzen aus. Anscheinend sah auch Arlene nach einem Blick in meine Richtung ein, dass sie ein Grenze überschritten hatte - wobei man ihr zu gute halten musste, dass sie wahrscheinlich von Lafayette's letzten Wochen nichts wusste. Doch anstatt schlau zurück zu rudern, reckte sie stur ihr Kinn vor und setzte noch einen drauf.
"Ich will euch doch nur warnen ihr Süßen! Den "Bitte-fick-mich" Blick, den du Northman jedes mal zuwirfst wenn er in die Bar spaziert, bringt dich und alle die du liebst nochmal in Gefahr-"
Heiß schoss mir das Blut durch die Adern während meine Augen sich zu schlitzen verengten. Tatsächlich knackten sogar ein paar der Finger, welche ich zu einer Faust geballt hatte. Sie sollte wirklich aufhören zu reden. Doch sie tat es nicht.
"- Und irgendwann ist deinetwegen jemand Tod, den du liebst."
ZUMM.
"Was zum-", erstaunt ließ ich die angehaltene Luft aus meinen Lungen entweichen, alles wir plötzlich im Dunkeln standen. Die Glühbirne über uns war durchgebrannt und das Licht aus. Ein lauter Knall draußen vor der Bar ließ die Gäste und, wie ich zu meiner Befriedigung hörte, auch Arlene erschrocken aufschreien.
"Alles gut. Nur die Ruhe. Das war die alte Sicherung draußen vor dem Haus!", erhob sich Sams Stimme durch die Bar wonach sich die erschrockenen Stimmen langsam wieder in empörtes Gemurmel wandelten.
"War ja typisch!"
"Alles runtergekommen hier."
"Bei so einem Service zahle ich aber nicht für mein Bier!"
Ich verdrehte die Augen.
"Bleibt einfach alle wo ihr seid und ich drehe die Sicherung wieder rein!", rief Sam nun lauter und machte sich zielstrebig auf den Weg zum Hinterausgang. Er musste die Bar wirklich kennen wie seine Westerntasche: er lief nicht ein einziges Mal gegen eine Tischkante oder eine auf dem Boden stehende Box. Als wir nach einer Minute immer noch im dunklen standen, wurden erste Stühle scharrend zurückgeschoben und die Gäste leuchteten sich mit ihren Handys den Weg zum Ausgang.
"Hey, Sie müssen noch zahlen!", schrie Arlene eine Gruppe Frauen mittleren Alters (gekleidet wie Teenies) hinterher, doch sie ignorierten sie.
Langsam aber sicher löste sich die Menge im Merlottes auf, als nach 10 Minuten noch immer kein Licht und keine Musik, ganz besonders aber auch keine Ventilatoren in der Bar liefen. Manche hatten noch den Anstand, Geld auf dem Tisch liegen zu lassen, doch die meisten verschwanden sang und klang los im Schutz der Dunkelheit. Ich konnte es ihnen nicht verübeln.
Die unerwartete Unterbrechung hatte die erhitzte Stimmung im Merlotte's abkühlen lassen, doch anstatt der geladenen Spannung zeigten sich jetzt alle die kalte Schulter. Arlene war davon gestürmt und sammelte das Geld von den Tischen ein. Die Neue, reckte den Kopf und schien aus dem Fenster zu schauen. Dann stolzierte sie durch die Tür davon. Tara nahm ihre Schürze ab und verschwand unter einem gemurmelten "Fickt euch doch alle", durch den Hinterausgang.
"Tja, da wares es nur noch zwei.", versuchte ich die Stimmung wieder etwas aufzuheitern und stieß Lafayette freundschaftlich mit dem Ellbogen in die Seite. Doch Lafayette war gar nicht zu lachen zu mute. Seine Lippen waren zu einem dünnen Strich zusammengepresst und sein Gesicht war versteinert. Ein dünner Schweißfilm überzog seine Haut. Es war warm, schon, aber es war auch Abend. Und Lafayette, der beim Kochen in einer 40 Grad warme, feuchten Küche nicht ins schwitzen geriet, sah jetzt aus als wäre er einen Marathon gelaufen. Vorsichtig fasste ich ihm an die Schulter.
"Lala?"
Ich verpasste uns einen Stromschlag und wir beide zuckten erschrocken zusammen. Lafayette sah mich mit weit aufgerissenen Augen an.
"Lauf Ash. Lauf, so lange du noch kannst!"
Und damit drehte sich auch mein letzter Kollege um und verschwand. Konnte nicht ein einziges Mal jemand in diesem verdammten Dorf einen Gedanken zu Ende fassen und mich nicht immer (wortwörtlich) im Dunkeln stehen lassen. Aufgebracht schrubbte ich den Tresen den ich vor mir vermutete und wartete darauf, dass sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnten.
Als Sam schlussendlich gute 20 Minuten später wieder kam, war die Bar so gut wie leer. Freundschaftlich legte er mir einen Arm um die Schulter
"Geh du auch nach Hause Ash, ich komm schon klar!"
Sein Blick wanderte dabei an mir vorbei zum Billiard Tisch an dem, wie ich fand, beinahe billig aufreizend die neue Bedienung leere Bierflaschen vom Rand sammelte und sich immer wieder kokett über die Schulter nach Sam umsah. Das war also Sache. Er wollte mit der Neuen alleine sein. Ich seufzte und verdrehte die Augen.
"Alles klar Sam!"
Wahrscheinlich gut für ihn.
Er knirschte mit den Zähnen.
"Danke fürs Einspringen heute, Ash. Ehrlich"
Ich nickte ihm zu.
"Klar Sam. Jederzeit!"
Und damit machte ich mich auf den Weg zu meinem Auto, im Dunkeln über den verlassenen Parkplatz. Anscheinend hatte der komplette Stromkasten aufgegeben. Halb blind tastete ich mich zu meinem Auto vor und stieß erleichtert die Luft aus, als ich mich auf den quietschenden Sitz fallen ließ. Der Alkohol in meinem Blut hatte sich abgebaut und mich mit Kopfschmerzen zurück gelassen, meine Nacht mit wenig Schlaf auf Arlenes Sofa forderte seinen Tribut und meine merkwürdige Gefühlsachterbahn hatte mich ausgelaugt zurück gelassen. Endlich nach Hause!
"Verfluchte Schei-"
Weiter kam ich nicht, ehe ein mir bekanntes glucksen auf meinem Beifahrersitz gepaart mit einem leider ebenso bekannte klicken einer scharfen Pistole zu meiner linken ertönte. Ich erstarrte.
"Freu mich auch, dich wieder zu sehen Ace-Schätzchen. Ich hoffe du hast deinen Urlaub so weit genossen!", säuselte James sarkastisch, während er sich über die Lippen leckte.
"Uh, ich muss schon sagen, dieser Merlottes hat einen guten Geschmack wenn es um Arbeitsuniformen geht!", plauderte er weiter, während er mit der Pistole vor sich hinwedelte als wäre es eine Fernbedienung und keine Mordwaffe.
"Aber jetzt ist der Urlaub vorbei! Ran an die Arbeit!"
Erics POV:
Wie ein nerviges Summen blubberten in ihm die Gefühle der kleinen Kellnerin aus Bon Temps immer mal wieder hoch. Er hatte allem Anschein nach dem Menge des Blutes unterschätzt die er ihr gegeben hatte, denn ihre Emotionen waren erschreckend intensiv zu spüren. Was nicht zwangsweise immer schlecht war.
Gerade letzte Nacht schien sie ein sehr, SEHR schönen Traum gehabt zu haben. Wahrscheinlich über ihn. Die Wirkung des Blutes müsste sich mit seinen Nebenwirkungen jetzt in ihr entfaltet haben. Wäre er nicht Meilenweit entfernt gewesen, hätte er sich eventuell dazu verleiten lassen, seinerseits noch einmal vorbei zu schauen, um zu sehen, ob er bei ihrem Problem Abhilfe hätte schaffen können.
Doch er hatte bereits die Nacht zuvor den Weg nach Bon Temps hinter sich gebracht (als Vampir der fliegen konnte eigentlich nicht so der Rede wert, doch er hatte dringlichere Termine als die einfältigen Bewohner des keinen Dorfes). Lafayette hatte er nur dazwischen geschoben, weil sein Bein ihn wirklich noch in Schwierigkeiten hätte bringen können.
Fucking Ginger. Fucking Menschen.
Wer hatte ihr bloß verraten, wo die Pistole aufbewahrt wurde? Ihr waren wirklich die letzten Gehirnzellen von Vampiren geraubt worden. Fast hatte er ein schlechtes Gewissen. Aber nur fast, dafür war ihre grenzenlose Ergebenheit einfach zu nützlich - außer sie schoss mal wieder auf Menschen, die noch von Bedeutung für ihn waren. So wie Lafayette. Zumindest redete er sich das ein. Nach den aufgebrachten Besuchen von Sookie UND Ashley hatte seine Behandlung des Drogendealers ihn beschäftigt. Nicht sehr. Doch wie ein nerviger kleiner Wecker waren ihm immer wieder Gedanken an Lafayette durch den Kopf geschwebt. Er war über tausend Jahre alt, er traf seine Entscheidungen bedacht und kalkuliert, hatte er sich immer wieder vor Augen geführt. Das er sich auf den Weg zu ihm gemacht und ihn mit seinem Blut geheilt hatte, war allerhöchstens Lafayettes Nutzen in der Drogenszene zu verdanken. Natürlich nur aus Selbsterhaltungstrieb und um unnötige Investigationen abhalten zu können, redete er sich selber wieder und wieder ein. Er hatte niemandem Gefallen wollen. Schon gar nicht den blonden Kellnerinnen im Merlottes.
Wo fand der Gestaltwandler die nur immer? Wenn er an seine Bedienungen in der Bar dachte, wie sie sich willig zu seinen Füßen legten, musste er alleine im Gedanken daran ein Gähnen unterdrücken. Vielleicht hatte das kleine Dorf ja doch was für sich. Mit halben Ohr hörte er der Frau sich gegenüber zu, die in einer Tour redete und seine Aufmerksamkeit zu bannen versuchte.
Er schloss die Augen und zwickte sich in den Nasenrücken.
"Alles klar, danke, das reicht!", bellte er und sie erhob sich und verließ den Raum. "Pam?"
Ohne die Stimme weiter zu erheben hatte sein Schützling ihn gehört und kam ins Zimmer gesaust."Ja Meister?"
Mit etwas mehr Respekt, als er es die letzten Jahre von ihr gewohnt war, neigte sie zu ihm den Kopf und wartete auf seinen Befehl. Auch sie musste gemerkt haben, dass in den letzten Tagen mit ihm etwas nicht stimmte. Noch mehr nicht stimmte. Bestimmt hatte es mit dem Verschwinden seines Schaffers zu tun. Godircs verschwinden hatte ihn in die hintersten Ecken von Dallas geführt, wo er nun in einem Hotel auf weitere Vorgehensweisen warten musste. Warten: Das war noch nie seine Stärke gewesen. Er war ein Mann der Taten, nicht des Wartens. Ja, dass musste es sein.
"Pam, rekrutiere bitte unseren lieben Mr. Reynolds für weitere geschäftliche Beziehungen!", befahl er und ignorierte ihre hochgezogene Augenbraue. Sie war schlau genug ihm nicht zu widersprechen. Er war geladen.
"Nimms nicht so schwer", hörte er geradezu die Stimme der undurchschaubaren Ashley Simmons in seinem Ohr und biss sich auf die Unterlippe.
Damit war es offiziell. Die Sorge um seinen Schöpfer ließ ihn noch verrückt werden. Hoffentlich hatten Sookie und der lästige Bill Compton bereits Fortschritt in ihren Untersuchungen gemacht. Ein weiteres Mal fragte er sich, ob Sookie wirklich all die Mühen die er bereits in sie investiert hatte, wert war. Nur selten hatte er sich so bemühen müssen, um zu bekommen, was er wollte. Wahrscheinlich war das auch Teil des Reizes. Wie die Tatsache, dass sie seinen Bezirzungen widerstehen konnte. Das war ihm wirklich noch nicht oft untergekommen. Fünf, vielleicht sechs Mal in seinem Leben. Und selten war es gut ausgegangen.
Krampfhaft schnürte sich seine Brust zu und eine Sekunde war es beinahe, als würde sein totes schweigendes Herz schlagen. Er kannte diesen Schmerz. Er hatte ihn über die Jahre kennen gelernt, sich aber noch immer nicht an ihn gewöhnt: Vampire trauerten nicht. Nicht wie Menschen es taten wenn sie jemanden verloren. Die Menschlichkeit ging einem Zwangsweise verloren, je älter man wurden, doch manchmal, so hatte er in den letzten 100 Jahren seiner Existenz gelernt, erinnerte sich der Körper. Die Muskeln. Das Gehirn.
Sie erinnerten sich an den Schmerz der längst vergangenen Tage und das Gefühl eines gebrochenen Herzens. Es fühlte sich an, als würde er mitten in zwei gerissen ehe sein Untoter Körper sich selbst wieder heilen konnte. Eric holte tief Luft, sog den Sauerstoff ein, den er nicht benötigte, und das beengende Gefühl löste sich langsam aber sicher wieder auf.
Nicht oft hatte er es in 1000 Jahren bedauert, keinen Alkohol mehr zu sich nehmen zu können, doch jetzt verlangte es ihm nach einen Drink!
Es klopfte an der Tür und ein kleines Mädchen kam herein.
"Ein Kompliment des Hauses Sir!", piepste sie mit ihrer Stimme und wagte es nicht einmal ihm in die Augen zu sehen, während sie ihm zitternd eine Nachricht hinhielt.
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Sehr geehrte Herr Northman,
wir hoffen Sie genießen Ihren Aufenthalt im Dallas, dem wohl vampirfreundlichsten Hotel des Staates. Das Mädchen ist ein Kompliment des Hauses
Bitte beehren Sie uns bald wieder
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Sie konnte nicht einmal 11 Jahre alt sein. Einer ihrer geflochtenen langen Zöpfe war dabei sich zu lösen während sie schlotternd vor ihm stand. Eric drehte sich der Magen um. Gerne hätte er behauptet eine solche Gräultat sei ihm in seinem Leben noch nicht unter die Augen gekommen, doch in seinen 1000 Jahren erreichte dies noch nicht einmal die Top Ten. Tatsächlich, so wusste er, war Jungfrauenblut, insbesondere das von Kindern, ein hochgehandeltes Gut in Kreisen der Vampirgemeinschaft. Auch ihm waren vermehrt Vorräte für die Bar angeboten worden.
Doch da zog er die Grenze - selbst wenn andere ihn dafür verspotteten.
So behutsam wie möglich bewegte er sich auf das Mädchen zu und kniete sich vor ihr hin. Mit seinen breiten Schultern so unscheinbar wie möglich auszusehen, war an sich eine Herausforderung.
"Wie heißt du?", fragte er ruhig und versuchte, ihren Blick auf sich zu lenken. Sie war gut geschult worden und wich seinem Blick mit der Fähigkeit sie zu hypnotisieren aus.
"Madeleine, Sir!", antwortete sie atemlos mit blassen Lippen. Tiefe Schatten lagen unter ihren Augen und ihre Haut schien fahl. In Vampirgeschwindigkeit sauste Eric zu der Minibar und schnappte sich etwas, das unter der Beschriftung "Obst" in seinem Kühlschrank gelegen hatte.
Er hatte keine Ahnung, was er sich da geschnappt hatte, hatte er doch die letzten Jahrhunderte keinen Gedanken mehr an menschliches Essen verschwendet. Zumindest so gut wie gar nicht. Auch hier gab es dann und wann unter bestimmten Umständen natürlich wieder ausnahmen.
Eric reichte dem Mädchen das etwas, wobei ihre Augen groß wurden.
"Eine Orange?", fragte sie und freute sich geradezu so sehr, dass Eric nun wirklich wütend wurde. Wann um Himmels Willen hatte das Mädchen etwas anständiges zu Essen bekommen? Durch seine Geste dermaßen überrascht hatte sie den Fehler begangen hochzuschauen und Eric konnte ihren Blick gebannt halten. Er hörte wie in der Stille des Hotelzimmers ihr flatterndes Herz schneller schlug, als sie ihren Fehler bemerkte. Sie versuchte sich ihm zu widersetzen, wieder weg zu schauen.
"Hab keine Angst!", sagte er ihr als erstes und ihr Herzschlag beruhigte sich.
"Sehr gut.", er reichte ihr erneut die Orange, die ihr unter der Hypnose aus der Hand gerollt war und lächelte sie beruhigend an. "Du kannst sie gerne essen wenn du magst!"
Dankbar lächelte sie zurück und begann die Orange zu schälen, brach jedoch dabei nicht den Blickkontakt.
"Danke!"
Ihr blonder Zopf hatte sich auf der rechten Seite derweilen komplett gelöst weshalb Eric auch das linke Haarband rausnahm und es wegsteckte. So war es besser.
"Kannst du mir sagen, was du hier machst?", fragte er das Mädchen und ihre Lippen verzogen sich zu einem schmalen Strich.
"Monroe sagt, wir dürfen niemandem etwas sagen.", spulte sie eine vorgefertigte Antwort ab. Eric hatte diese Art der Reaktion schon öfter erlebt. Seit in der Menschenwelt die Existenz der Vampire bekannt geworden war, aber auch schon davon in gehobenen, der Geheimhaltung verschrieben Kreisen der Vampirgesellschaft, war eine Methode entwickelt worden, Menschen im Anstellungsdienst der Vampire vor den Bezirzungen, ja dem Glamour andere Vampir zu schützen, indem ihre Gedanken mit Hilfe von Gehirnwäsche vorprogrammiert wurden.
Dies war ein langwieriger, aufwendiger und für den betroffenen Menschen nicht zu vergessen zum Teil auch schmerzhafter Prozess. Eric knirschte mit den Zähnen. Und dieser war auch bei dem Mädchen durchgeführt worden. Er versuchte einen anderen Ansatz, suchte nach Schwachstellen.
"Wie alt bist du?"
"So alt wie sie mich möchten Sir."
Eric rümpfte die Nase.
"Und wie lange arbeitest du schon für Monroe?"
Sie wurde blass. Ihre Stirn legte sich in Falten. Sie schien zu versuchen sich zu erinnern. "Ich... ich weiß es nicht. Sir, bitte. Ich..."
Ihr kleines Herz begann wieder zu flattern, trotz der starken Bezirzung, die er ihr aufgelegt hatte. Sie sollte ihm ruhig und willig antworten können. Stattdessen brach sie in Schweiß aus und sah aus, als würde sie quälen erleiden.
"Vielleicht kann ich ihn ja direkt fragen? Ich würde gerne mal mit diesem Monroe reden!", erklärte er weiter und das Mädchen schaute ihn panisch an.
"Mit Monroe darf man nicht reden!", sie fing beinahe an zu weinen. "Bitte, nicht mit Monroe reden!"
Es wurde eindeutiger, dass aus dem Mädchen nicht mehr rauszuholen war. Es war traumatisiert und verängstigt. Und nicht zu guter letzt komplett ihrer Erinnerungen entzogen.
"Setz dich aufs Bett und guck Fernsehen!", wies er das Mädchen an, dass unsicher vor ihm stand. Sie bewegte sich nicht. Dachte wahrscheinlich, dass wäre eine Falle.
"Na los!", schnaufte er.
Schnell setzte sie sich in Bewegung. Eric seufzte und kniff sich erneut gegen die Nasenwurzel. Wirklich nicht die Art Abend, die er gerne gehabt hätte. Hätten sie ihm nicht einfach irgendeine Frau im volljährigen Alter schicken können? Er wollte seine Opfer überzeugen, nicht durch schiere Überlegenheit übervorteilen. Das war unsportlich und hinterließ nicht zuletzt einen schlechten Geschmack im Mund.
Er ging zur Minibar und nahm sich eines der widerlichen Tru Blood aus dem Kühlschrank. Unter normalen Umständen hätte er sich eine Frau ins Zimmer bestellt, eine Runde gevögelt und sich an ihrer Femoralaterie bedient, doch er hatte weder die Zeit, noch glaubte er, das kleine Mädchen auf seinem Sofa, dass nun zusammengekauert auf dem Bett die Orange mit einem Maß an Zufriedenheit aß als sei es ein Eisbecher, ein weiteres Trauma verkraften würde. Etwas, das ihn eigentlich wirklich nicht weitere interessieren sollte: Es aber aus unerfindlichen Gründen trotzdem tat. Er hielt in seiner Bewegung inne und verzog das Gesicht vor Ekel als die klebrige Pampe seinen Hals hinab lief. Seit wann kümmerte es ihn, was er anderen zumuten konnte? Es war bestimmt, weil es ein Kind war. Kinder waren schon immer seine Schwäche gewesen. Schon immer seit seine eigenen...
Peng.
Da war es wieder.
Der Schmerz in seiner Brust. Zwei mal an einem Tag. Er musste hier raus. Runter in die Bar!
"Bleib so lange wie du willst!", rief er dem Mädchen über die Schulter zu, die beim Ertönen seiner Stimme beinahe aus ihrer Haut gefahren war. Mit großen Augen sah sie ihn an, auf dem Sofa festgefroren, in Erwartung auf etwas, das kommen könnte. Ihre blonden nun wirren Haare umspielten ihr Gesicht. Dann wandelte ihr Ausdruck sich von schierer Panik zu vertrauen.
Er knallte die Tür hinter sich zu, lauter als wahrscheinlich notwendig, und knurrte. In Gedanken ärgerte er sich darüber, was ihm gerade bewusst geworden war. Verdammt: Er hatte sich einen weiteren Streuner aufgesammelt und musste zusehen, wie er das Mädchen nun aus den Fängen ihrer Besitzer bekam.Dies war wirklich nicht sein Abend.
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A/N:
Ugh, puh. Sorry Leute. Das Kapitel ist verdammt düster geworden. Anstatt an meiner Hausarbeit zu sitzen, habe ich mich lieber Wattpad gewidmet und dabei hat sich die Geschichte etwas verselbstständigt.
Ihr fragt euch, wer Eric vor hundert Jahren einmal das Herz gebrochen hatte: Schaut vorbei bei der Prequel: IN ANOTHER LIFE
https://www.wattpad.com/743855358-in-another-life-part-1
Aber Achtung: Sie ist ein bisschen mehr steamy als diese kleine Geschichte und deshalb mit der Einstellung 18+ versehen. Hauptsächlich wegen Smut. Aber sowas nicht mag, muss es ja nicht lesen, nech :) Ansonsten, viel Spaß dabei!
Tatsächlich bin ich sehr zufrieden wie langsam alle zusammengeführt werden kann. Ich bin wahnsinnig gespannt ob euch das Kapitel auch so gefällt wie mir. Lasst es mich wissen ;)
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