*Schnips, schnips*

Ich zuckte zusammen. Sookie wedelte und schnippte vor meinen Augen herum.

„Huhu Aaaaaash. Aufwachen. Alles gut? Wir sind da!"

Benommen schüttelte ich meinen Kopf, welcher sich auf meinen Schultern schwer und träge anfühlte.

"Jaja...Sorry, ich scheine noch ein bisschen fertig von meiner Schicht gestern zu sein."

"Schicht gestern?"

"Im Merlotte's?"

"Ash, du hattest gestern keine Schicht. Arlene hat gestern ihre Verlobungsfeier im Merlotte's gehabt. Wo wir dich übrigens vermisst haben..." Besorgt schaute sie mich an. "Bist du sicher da es dir gut geht?"

Ich hatte einen ganzen Tag verschlafen? Ohne es zu merken? Mein eingefrorenes Lächeln musste alles andere als überzeugend wirken, denn Sookies Sorgenfalte vertiefte sich nur weiter, während ich angestrengt versuchte an gar nichts zu denken. Fernsehrauschen. Vogelgezwitscher. Alles, nur nicht, wieso mir diese Müdigkeit gefolgt von Kopfschmerzen so bekannt vorkamen...

"Ashley Simmons, muss ich mir Sorgen um dich machen? Wieso werde ich das Gefühl nicht los, dass noch etwas ganz düsteres versteckt liegt?"

„Raus auf meinem Kopf", schnauzte ich sie an als sie gerade dabei war weiter zu bohren. Wohl bedacht schloss sie ihn wieder und änderte was sie gerade hatte sagen wollte in ein „Wir sind da!"

„Blendend!"

Ich war in der Stimmung aus jemandem ein paar Informationen zu schütteln.

„Nicht vergessen, wir stellen nur ein paar Fragen!"

Ich grummelte tief. Dann setzte ich mich überzeugendstes neu erlerntes Südstaatenlächeln auf.

„Alrighty sweetie pie"

Sookie sah aus als würde sie noch etwas sagen wollen als ein mir wohlbekannte Truck hinter uns hupte.

Sam steckte den Kopf aus dem Fenster wie in Hund um Fahrtwind zu genießen. Sookie schaute mich mit großen Augen an und prustete ehe sie sich beschwingt Sam zuwandte. „Hi Sam, danke fürs Kommen."

Bildete ich mir das ein oder hatten ihre Wangen tatsächlich gerade ein bisschen Farbe bekommen? Sam schaute kurz zu mir wobei er mir zur Begrüßung freundlich zunickte und grinste dann  Sookie breit an, sodass ich mich plötzlich fühlte, wie das dritte Rad am Wagen.

„Lasst uns einen Mörder fangen Mädels!"

So viel Elan, supi. Wer weiß, wenn das gut lief könnte ich ja versuchen die zwei für weitere Verbrechensjagten ein zu spannen. Sookie, Sam und Ashley. SamSookAsh, AshSamSook, AshSookSam...

„Da ist es." Vor uns tat sich ein wie ein Kuchen geformtes Kaffee auf. Big Patty's Pie House

„Da war aber jemand sehr kreativ..." murmelte ich sarkastisch.

Sam warf mir einen irritierten Blick zu und ich setze erneut mein Südstaaten Lächeln auf, dass mir entglitten zu sein schien.

„Sollen wir?"

Ich musste dringend zusehen, dass ich meine innere Ruhe wieder fand. Ashleys Simmons schien mir mehr und mehr zu entgleiten. Stattdessen kam New Yorker Ash hervor.

Sein irritierter Blick wich einem stirnrunzelnd mit dem er uns die Tür aufhielt, welche unter einem Klingeln auf schwang und uns nach Kuchen duftende Luft entgegen wirbelte. Mein Magen knurrte.

„Haudi miteinander!" warf sich Sookie sich direkt mitten ins Geschehen und zog den noch immer verwirrten Sam hinter sich her.

„Mein Verlobter und ich haben von Freunden gehört die soll der beste Kuchenlieferant im ganzen Süden der USA sein und da habe ich ihm direkt gesagt ‚Schatz, da holen wir unseren Hochzeitskuchen.' Die Freunde hatten uns erzählt wie lieb sie von einer jungen Frau Namens Cindy beraten wurden, und da hatte ich gehofft sie wäre vielleicht heute wieder da und könnte uns weiterhelfen?"

Sookie sah Sam bedeutsam an, der direkt in ihre Geschichte mit einstieg und brav nickte. Bei dem Wort verlobter grinste er noch breiter. Mir war unverständlich, dass Sookie nicht zu sehen schien, wie verschossen er in sie war. Das Mädchen am Tresen schaute die beiden nett, jedoch nicht wie die hellste Kerze auf dem Kuchen an. Dann glitt ihr Blick zu mir.

"Brautjungfer?"

Huch, das klang jetzt mehr wie eine Frage oder ein Vorschlag. Egal, Dummchen hinterm Tresen war es nicht aufgefallen.

Sookies mahnender Blick durchbohrte mich. Südstaaten Lächeln. Ich wurde richtig gut darin.

Die Bedienung "Harley" zuckte nur die Schultern. "Nun, das tut mir Leid, Sir ich kenne keine Cindy. Aber ich empfehle den gebackenen Apfelkuchen, die gefrorene Hawaii Torte, die Schokoladen-Pekannuss-Pralinen Torte, die Schachtorte, die sieben lagige..."

Gott, so würde das doch niemals was werden. Ich drehte mich wieder um und betrachtete die Kuchenauslagen. Aus dem Augenwinkel konnte ich sehen, wie auch meine zwei Begleiter sich einen Blick zuwarfen, der die Zurechnungsfähigkeit der Angestellten in Frage warf.

Sam und Sookie verwickelten erst die Kassiererin, dann einen im Kaffee sitzenden älteren Herren in ein Gespräch. Ein Grinsen stahl sich auf meine Lippen als auch der Mann mir zustimmte, die Bedienung sei in jungen Jahren wohl einmal zu häufig auf dem Kopf gelandet. Ich hörte ihnen auf die Entfernung zu, schweifte dabei jedoch weiter durch den Laden und betrachtete die Kuchen. Sie sahen wirklich zum Anbeißen aus. Ich würde ein Stück Karottenkuchen mitnehmen. Und Zitronenkuchen. Vielleicht auch noch Kürbis...

Der Mann erzählte den beiden von einer Angestellten, die vor ein paar Monaten leider verunglückt sei. Und sie hatte einen Bruder!

"Er hieß... irgendwas mit D...Dave? Ne... Drew! Drew Marshall"

Aber allen Anschein nach hatte wohl auch sie sich mit Vampiren eingelassen, was ihrem Bruder gar nicht gefallen hatte.

"Vampire! Sie soll sich mit Vampire eingelassen haben."Kaum fiel mein Stichwort, drehte ich mich wieder um und gab ihnen meine volle Aufmerksamkeit. Vorsichtig hielt Sam Sookie im Blick. Wohl überlegt, wie sich zeigte, denn kaum eine Sekunde später musste er sie auch schon zurückhalten. "Aber ich hab das nicht geglaubt. Ich meine, welche Frau würde sowas tun?"

Sookies Augenbrauen schossen in die Höhe und einzige Sams beruhigende, wenn auch ermahnende Hand auf ihrer Schulter hielten sie noch auf ihrem Platz. Auch ich warf ihr einen warnenden Blick zu. Eine sich in Rage redende Sookie brauchten wir gerade nicht. Sie schloss die Augen, atmete einmal tief durch und verzog ihren Mund zu einem harten Strich. Der Mann hatte von alledem nichts mitbekommen und schaute stattdessen irritiert auf seinen Kuchen.

"Harley, das ist ein Texas-Spezial-Kuchen! Ich wollte Peacan-Pie!"

Und damit war das Gespräch der drei beendet. Aber meine Gedanken waren sowieso bereits abgestreift. Gab es überhaupt irgendeinen Vampir in ganz Amerika der nicht gleich alles besprang was nicht bei drei auf'm Baum war? Andererseits gab es allem Anschein nach ja auch genügend willige Opfer. War mir unverständlich das Ganze...

Wirklich?

Die leise Stimme in meinem Hinterkopf klang mir einen Hauch zu sarkastisch und als hätte sie eine Lesebrille nach vorne auf die Nase geschoben um mich mit hochgezogener Augenbraue darüber hinweg zu verurteilen.

Nicht mal vor mir selbst wollte ich zugeben, dass es die Anziehung zu einem gewissen groß gewachsenen Vampir gab. Ich war nur einfach chronisch untervögelt. Genau. Das war's! Spontan beschloss ich mir mal wieder einen Abend in einem Pub zu erlauben. Oder einer Bar. Der Ort war eigentlich egal -  Sinn des ganzen war es, wen danach mit nach Hause zu nehmen und dann hoffentlich wieder einen klaren Kopf zu haben.

"Oh, ich komm mit. Aber bitte nicht Merlotte's!", stieg Sookie direkt enthusiatisch ein.

"Sookie, du solltest dich doch aus meinem Kopf raushalten!"

"Schätzchen, du hast laut mit dir selber geredet. Das ist nun wirklich nicht mehr meine Schuld!

Mist. Eigentlich hatte ich gehofft diese lästige Angelegenheit abgelegt zu haben mit meiner neuen Id...Sookie's große braune Augen durchbohrten mich und erneut spürte ich, wie sie versuchte in meinen Gehirnwindungen herumzukramen. Als wechselte ich den Gedankengang:  Idyllischen Yoga Lebenswandel.
So. Mal sehen was du damit anfangen kannst.

Sookie verdrehte die Augen über meine Albernheit.

"Ist ja gut, ich lass dir deine kleinen Geheimnisse!"

Und mit der Aussage spürte ich, wie sie sich zurück zog. Als würde ich mir lauwarmes Wasser über die Kopfhaut gießen um eine Kurpackung auszuspülen. Sie hielt also ihr versprechen.

"Also bitte Ash, lass uns Ausgehen!", drängelte sie weiter.

"Sook, eigentlich wollte ich alleine losziehen. Ein bisschen Dampf ablassen...", vielleicht einen Kerl aufreißen...

"Ash, zwing mich nicht meine "Alle-meine-geliebten-verlassen-mich" Karte zu spielen. Meine Oma ist Tot, mein Bruder ein Idiot und gerade erst gestern hat mich die erste und bislang einzige Liebe meines Lebens auf dem Parkplatz vor dem Merlotte's verlassen. Und da das ja alles noch nicht reicht, habe ich auch noch einen Killer der hinter mir her ist und versucht das alles meinem Bruder anzuhängen"

Sie redete sich immer weiter in Rage und stapfte am Ende sogar mit dem Fuß auf.

"Und jetzt, da keine Tränen mehr da sind, bin ich einfach nur noch verdammt angepisst. Ich werde mir heute Abend sowas von berechtigt die Kante geben, da bist du quasi verpflichtet auf mich aufzupassen und mich vor einer Blutvergiftung zu bewahren."

Ich stöhnte und rollte den Kopf nach hinten.

"Saaaaaam"

Treu kam er angetrottet, ein Stück Kuchen auf seinem Teller und setzte sich zu uns.

"Ja?"

"Sookie spielt mit unfairen Mitteln!"

"Ja, dass kann sie gut. Ich hab gelernt mich einfach zu beugen und zu überlegen welche Kämpfe es sich lohnt zu auszufechten!"

Sookie setzte an um zu widersprechen, schnaubte aber nur als sie Sams breites zufriedenes Grinsen sah. "Sam Merlotte, ich spiele nicht mit unfairen Mitteln!"

"Nicht?"

"Nein, ich habe nur halt einfach ständig recht!"

Ich musste schmunzeln. Auch wenn Bill sich Sookie gegenüber soweit ich sagen konnte immer anständig verhalten hatte, so machte ich mir ein wenig Sorgen um sie. Sie war unfassbar lieb und offenherzig und süß. Und leider auch so unglaublich naiv.

Das Geplänkel der beiden heute war irgendwie anders als sonst. Ständig sahen die zwei sich an, streichelten einander. Flirten? Und Sookie's Grinsen war echt. Leicht. Sonnig.

Völlig aus dem Bauch beschloss ich die Pläne für heute Abend noch ein wenig anzupassen. Ganz uneigennützig von mir natürlich... Allerdings...wäre Sookie abgelenkt wenn wir Sam mitnehmen würden...

"Sam, wir gehen heute Abend aus. Kommst du mit?"

"Ihr wollt ausgehen? Obwohl ein Mörder in Bon Temps rumläuft und versucht die gesamte Belegschaft meiner Bar umzubringen?"

Sookie und ich schauen uns an. Dann nickten wir.

"Ich denke dann bin ich wohl gezwungen mitzukommen und auf euch aufzupassen..."

Er seufzte theatralisch, doch in seinen Augen konnte ich sehen das ihm die Idee mit Sookie auszugehen gefiel.

"Und wo geht's hin?"

"Bitte nicht Merlotte's!", wiederholte Sookie.

"Was spricht denn gegen meine Bar wenn ich fragen darf?" pikiert stemmte Sam seinen Ellenbogen auf dem Tisch ab und nahm sich Gabel und Serviette aus dem Besteckkörbchen der auf jedem der Tische verteilt war.

"Nichts für ungut Sam, aber da ich gefühlt jeden Abend der Woche in deiner Bar arbeite, möchte ich an meinen freien Tagen meine Zeit nicht schon wieder dort verbringen!", erklärte ich.

Sookie zog ebenfalls aus Besteckkorb vor uns eine Gabel und steckte sie mit Schwung in Sam's vor uns stehenden Kuchen.

"Hey!"

Breit grinsend und genüsslich schob sie sich den Happen in den Mund.

"Ash hat Recht. Lass uns mal raus gehen. Die Konkurrenz betrachten!", nuschelte sie mit vollem Mund.

Ich hab einen Gutschein fürs Fangtasia, schoss es mir durch den Kopf. Doch ich sagte nichts. Es gab bestimmt noch was anderes im Umkreis von 50 Kilometern...

Meine blonde Sitznachbarin hatte inzwischen aufgegessen.

"Nicht so gut wie der von meiner Oma, aber wirklich auch nicht schlecht."

Sie wischte sich mit einer Serviette ein paar Krümel aus dem Mundwinkel, ehe sie Sam weiter aufzog.

"Ich schätze das wird unser Hochzeitskuchen!"