xxii. GEHEIMNISSE
Kurz war ich aus der Fassung gebracht. Doch dann fing ich mich. Ich wusste, dass er, nachdem er etwas zu ahnen schien, einfach ein Kommentar darüber machen hatte müssen, denn sonst wäre Snape nicht Snape.
"Weil ich da ja als erstes zu Ihnen kommen würde", murmelte ich.
Er musterte mich abschätzend, und ich wartete immer noch, dass der altbekannte Hass, mit dem er mich früher immer gemustert hatte, zurückkehren würde, doch es passierte einfach nicht. Wollte er mich täuschen? Nein. Snape war einiges, aber ein Lügner war er nicht, keineswegs.
"Er hat mir einen Brief geschrieben. Die anderen Todesser wollen mich angreifen, wenn wir nach Hogwarts fahren. Draco sagt, ich solle nicht hinfahren", sagte ich, und lehnte mich an den Schreibtisch. Snape musterte mich bedauernd.
Ich kniff die Augen zusammen. Was passierte mit ihm? Wieso war er auf einmal so - menschlich. Entweder er plante etwas, oder er hat begonnen mich zu mögen. Zweiteres klang zwar total absurd für mich, aber ersteres konnte ich mir einfach nicht vorstellen. Er hatte mich sowieso im Griff - auf beiden Seiten, Dumbledore und Voldemort.
"Aber ich kann Dumbledore nicht sagen, dass ich es von Draco weiß. Die eine Hälfte würde anzweifeln, was Draco sagt, die andere wäre misstrauisch, warum er es mir sagt", sagte ich, und es war mir äußert unangenehm, darüber mit Snape zu sprechen. Aber diesmal musste ich Remus rechtgeben - es ging um Leben und Tod, um weitaus mehr als Beziehungsprobleme.
"Nun, warum sagt er es Ihnen denn?", fragte Snape mich.
"Woher soll ich das denn wissen?", fragte ich abweisend.
"Und was wollen Sie von mir?", fragte er gelangweilt.
"Keine Ahnung", sagte ich, weil ich mir viel zu dumm dabei vorkam, "Einen Ratschlag", zu sagen. Ich hätte mir die Situation vorher vielleicht ausmalen sollen, denn dann wäre ich zu dem einzigen vernünftigen Schluss gekommen - und zwar nicht mit Snape drüber zu sprechen.
"Sie wollen von mir, dass ich Dumbledore anlüge, und ihm sage, ich hätte diese Informationen erlangt", fuhr Snape also ohne zu Zögern fort.
Ich spürte, wie mir das Blut in die Wangen schoss, und verfluchte mich dafür. Ich sagte nichts.
"Ich werde sehen, was ich tun kann, und wenn sie jetzt nicht eine wirklich brilliante, neu erlangte Information auf Lager haben, dann verschwinden sie sofort von hier", sagte Snape eiskalt.
"Danke, Sir", sagte ich, mit einem sarkastischen Grinsen auf den Lippen.
Ich hatte eine neue Erkenntnis erlangt. Wenn man wusste, wie man mit Snape umgehen musste, war er ganz okay. Früher hatte ich mich immer von ihm einschüchtern lassen. Harry hingegen war immer schnippisch zu ihm gewesen, und ihm nur Hass entgegengebracht - auch wenn ich mir sicher war, dass es nicht der elfjährige Harry gewesen war, der damit begonnen hatte. Doch wenn er einen nicht abgrundtief hasste, sondern nur so, wie jeden anderen Durchschnittsschüler auch, und zufällig einmal darauf angewiesen war, sein Leben zu retten, musste man nur die richtige Umgangsweise haben, damit er einen nicht gleich aufspießte.
xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx
Die nächsten zwei Tage bangte ich darum, ob Snape wirklich tun würde, was er angedeutet hatte. Dumbledore war nie hier, und wenn schon, dann schien er mich zu ignorieren, obwohl ich ihn unbedingt fragen wollte, ob ich in den Orden konnte.
Schließlich, am dritten Tag der Weihnachtsferien, konnte ich ihn, bevor er ging, gerade noch abfangen.
"Professor!", rief ich ihm hinterher.
Er blieb stehen, und drehte sich zu mir um. "Was kann ich für dich tun, Grace?", fragte er mich freundlich, und irgendetwas an seiner Tonlage ließ mich annehmen, dass er den Grund schon wusste, wieso ich ihn sprechen wollte.
Ich erzählte ihm alles, was ich auch Remus erzählt hatte. Dass es wichtig wäre, falls ich wirklich Visionen hatte.
"Du kannst gerne bei den Treffen dabei sein", sagte er schlicht, und zwinkerte mir zu.
Meine Augen weiteten sich. "Wirklich? Ich - ". Ich war sprachlos.
"Du musst nur eines schwören", flüsterte er.
Ich hob meine Augenbrauen.
"Du darfst niemandem etwas, auch nur IRGENDetwas davon erzählen", sagte Dumbledore, mit so ernster Miene, dass er mich etwas verunsicherte. Wenn Harry, Ginny, oder Luna etwas davon erfahren würden, wäre es kein Weltuntergang, oder? Immerhin war Harry irgendwie mitten drin in allem. Ginny natürlich auch, ihre Eltern waren im Orden, und ihre Familie wohnte vorübergehend hier. Luna - war zwar ein wenig eigen, aber trotzdem war sie gut, und ihr Vater stand auch auf unserer SEite.
"Ich - ja, ich meine - klar!", stotterte ich, immer noch verwirrt.
Dumbledore schüttelte traurig den Kopf. "Ich glaube, du weißt nicht wovon ich spreche, oder?".
Er sah mir tief in die Augen. Und dann verstand ich. Meine Kinnlade fiel hinunter.
"Ja. Ich spreche von Draco Malfoy", bestätigte Dumbledore meine Annahme.
Ich warf die Hände über meinen Kopf. "Ich schwöre, ich erzähle ihm nichts". Die Worte kamen schnell aus meinem Mund, obwohl sie mir eigentlich nicht leicht über die Lippen gingen.
Dumbledore zögerte, nickte mir dann aber zu, und verschwand.
Ich atmete aus, und sofort fiel ich in mich zusammen. Ich raufte meine Haare. Hatte Snape ihm davon erzählt? Die Vorstellung, dass er davon wusste (wovon auch immer, ich wusste es selbst nicht), behagte mir gar nicht.
Doch ich konnte es nicht ändern.
"Draco Malfoy, also?".
Ich fuhr herum. Sirius lehnte ihm Türrahmen.
"Was ist mit Draco Malfoy?", zischte ich.
"Das sollte ich dich wohl fragen".
"Wieso denn? Er hat mit mir in letzter Zeit genau zwei Mal gesprochen. Und hat damit eventuell mein Leben gerettet", protestierte ich.
Sirius stieß sich vom Türrahmen ab, und kam mit immer noch verschränkten Armen auf mich zu.
"Hör zu, mit den Malfoy solltest du nichts zutun haben. Er führt bestimmt etwas im Schilde. Vertraue ihm nicht! Er ist kein Freund, er ist ein Feind", sagte er, und versuchte nicht beleidigend zu klingen.
"Das weißt du nicht - nur weil Lucius Malfoy sein Vater ist, heißt das nicht, dass er auch so ist!", fauchte ich.
Sirius musterte mich abschätzend. "Leg's nicht drauf an", sagte er, "Denk dran, dass es der Junge ist, der dich jahrelang schikaniert hat".
Er drehte sich um, und ging.
Ich stöhnte auf. Am liebsten hätte ich ihm hinterher geschrien, dass er mich geküsst hatte, und ich bezweifelte, dass das Teil eines Plans war. Es war einfach zu echt gewesen. Und außerdem würde Draco sich durch nichts auf der Erde zwingen lassen, mich zu küssen, hätte er es nicht wirklich gewollt.
Ich vergrub das Gesicht in den Händen.
Geheimnisse, sie bringen uns alle auseinander. Sie sind der Grund für den Absturz.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro