x. WIR SIND VERLOREN
Den nächsten Tag wurde ich rund um die Uhr verhätschelt. Sirius, Remus, McGonagall, und Mrs. Weasley umsorgten mich, und sogar Snape schaute bei mir vorbei. Er konnte nicht viel mit mir reden, weil immer einer der Anderen anwesend war, und aus seinem Gesichtsausdruck wurde ich nicht schlau. Das wurde man bei ihm nie.
Die offizielle Geschichte war, dass ich von einer umhüllten Gestalt angegriffen wurde, deren Gesicht wir nicht erkennen hatten können. Sie hat mich mit einem Schwert verletzt, und wir gingen davon aus, dass es vielleicht nur ein harmloser Straßenräuber gewesen war. Natürlich machte das Snape nicht gerade beliebter bei den Mitgliedern des Ordens des Phönix. Remus war nicht der einzige gewesen, der dafür gesorgt hatte, einmal mit mir alleine sprechen zu können, und zu versuchen die Wahrheit aus mir herauszukitzeln – vergeblich. Ich log so vielen Leuten ins Gesicht, dass ich es irgendwann selbst glaubte. Die Meisten – sogar fast alle, schienen es geschluckt zu haben. Es gab keinen Grund, dass ich Snape sonst decken würde. Mir tat das alles sehr leid. Klar war Snape nicht die Gutherzigkeit in Person, aber das hatte er nicht verdient, nicht so. Er hat versucht, mein Leben zu retten, ob er es für mich oder Voldemort getan hat, sei dahingestellt, aber dennoch war ich ihm mittlerweile sehr dankbar dafür, denn McGonagalls Worte haben mich zur Besinnung gebracht. Ich musste leben, um eine Waffe zu sein.
Eine ganze Woche lang war ich ans Bett gefesselt. Ginny wich mir nicht mehr von der Seite, obwohl sie nicht gern bei mir gesehen wurde, denn Remus hat mir, sehr zweifelnd, erzählt, dass beschlossen wurde, mich bei den Sitzungen des Ordens des Phönix miteinzubeziehen. Ginny war noch so jung und unschuldig, sie sollte nichts damit auf dem Hut haben. Die einzige Verbindung war ich – abgesehen von ihrer Familie. Doch von der Familie war man Geheimisse gewohnt. Denke ich. Ich hatte nie eine Familie. Naja, vielleicht konnte man die Malfoys als so etwas bezeichnen. Eine schreckliche Familie, aber dennoch Familie. Sie lebten ihr Leben, ich lebte meines, manchmal musste ich zwar putzen, aber das war es auch schon. Von Bellatrix war ich so einen Luxus nicht gewohnt. Sie würde ich nie und nimmer als Familie bezeichnen, nicht einmal als Schrecklichste überhaupt. Diese Wort war in Verbindung mit ihr einfach vollkommen fehl am Platz, lieber würde ich mir die Zunge aus dem Mund schneiden lassen, als dass ich sie so nennen würde.
An dem letzten Tag, an dem ich Bettruhe hatte, beschloss ich, schon zu gehen. Mein Zimmer war sowieso fast nebenan, es würde mich nicht umbringen. Ich hievte mich aus meinem Jogginganzug hinaus, und quetschte mich in meine Jeans und mein T-Shirts. Erschrocken stellte ich fest, dass die Jeans mir fast wieder hinunterrutschte, obwohl sie mir vor ein paar Wochen noch gepasst hatte. Schnell eilte ich zu einem Spiegel. Ein abgemagertes Mädchen, deren Wangenknochen kantig hervortraten sah mir entgegen, ihre Haare waren zersaust, und ihre Augen wurden von tiefen Augenringen untermalt. Ich ging näher auf sie zu, streckte meine Hand nach ihr aus, und sie tat dasselbe.
Ich trat wieder zurück, und vergrub mein Gesicht in den Händen. Ich musste duschen, essen, und mich schminken, oder mich würde jemand nach St. -Mungos schicken wenn er mich so sehen würde.
Gesagt getan. Als ich fertig war, fühlte ich mich gleich viel wohler. Jetzt musste ich nur noch essen. Ich stieg die Treppen hinunter, und fragte mich, wieso alles so ausgestorben wirkte. Ein paar wenige Auroren trotteten durch den Raum, kamen und gingen, bis ich schließlich alleine war. Ich hörte Schritte, und drehte mich um. Sirius stand hinter mir.
„Wo sind denn alle?", fragte ich stirnrunzelnd.
Er sah mich unentschlossen an. „Sirius!", sagte ich. „Sie holen Harry", sagte er.
Ich atmete laut aus. Verdammt, das hatte ich vergessen. Ich habe IHN vergessen.
Ich stürzte in die Küche, um mir was zu essen zu machen, noch bevor sie zurückkamen. Ich brat Eier, schnitt mir mehrere Scheiben Brot hinunter, und setzte mich zum Tisch. Ich stopfte vor Hunger alles in mich hinein, bis ich kurz davor war mich zu übergeben. Schnell spülte ich alles mit Orangensaft hinunter, und stand auf, um das Geschirr und Besteck wegzuräumen. Ich setzte meinen Fuß auf die erste Treppe, als ich Stimmengewirr wahrnahm. Die Auroren – und vor allem Harry, waren angekommen. Schnell lehnte ich mich mit dem Rücken gegen eine Wand, damit sie mich nicht sahen. Ich sah Harry an mir vorbeigehen, doch er nahm mich nicht wahr. Er hatte nur Augen für Sirius, und fiel im glücklich in die Arme. Auf einmal hörte ich das Geschrei von Ms. Black. Ich verdrehte meine Augen, und schlich mich unauffällig hinauf in mein Zimmer. Wenig später kam Remus in mein Zimmer. Er holte mich für die erste Sitzung.
Als ich die Halle betrat, herrschte Totenstille. Alle schauten gebannt auf einen kleinen Podest, der sich weiter vorne erhob.
Auch ich starrte nun dorthin, warum auch immer. Plötzlich formte sich in der Luft ein Feuerball, und ein Vogel schwebte in der Mitte – eine kleine Explosion ereignete sich, und Dumbledore stand seelenruhig auf dem Podest.
„Willkommen", verkündete er.
Ich merkte, dass sie einige Mitglieder zurückhalten mussten, nicht in Applaus auszubrechen.
„Da wir ein neues Mitglied haben, dass ein sehr wichtiges Glied abgeben wird, möchte ich unsere derzeitige Lage wiederholt erläutern", begann er. Ich spürte, wie es Geflüster gab, und Unruhe entstand, ein paar warfen mir abschätzige Blicke zu. Ich spürte wie Hitze in meine Wangen stieg, doch Remus neben mir bewahrte Ruhe. Er beruhigte mich, und gleich waren alle Augen wieder auf Dumbledore gerichtet.
„Es gibt eine Prophezeiung, auf der die ganze Geschichte beruht. Sie besagt Dinge, die Voldemort nie erfahren hätte dürfen. Doch das hat er. Sie ist daran schuld, was in der Halloweennacht passiert ist. Voldemort hat nur einen Teil davon erfahren, und nun will er sein Wissen um den fehlenden Teil erweitern. Diese Prophezeiung darf er niemals in Erfahrung bringen. Niemals", sagte Dumbledore.
Ich schluckte.
Totenstille herrschte, bis sie von keinem anderen als Mrs. Weasley unterbrochen wurde. Sie sprang auf, warf Dumbledore einen Blick zu, wie ich ihn noch nie von ihre gesehen habe, und stapfte aus dem Raum. So viel Wut und Missfallen lag darin, dass es selbst für Snape eine Leistung gewesen wäre, so dreinzublicken. Er könnte sich eine Scheibe bei ihr abschneiden. Dumbledore sah ihr traurig hinterher, und wandte sich dann wieder seiner Ansage zu.
„Das war genug für heute, an alten Informationen. Kommen wir zu dem, was Sache ist. Die Ministeriumsabteilung wird weiters bewacht. Voldemort hat bis jetzt keine weiteren Versuche gestartet, die Prophezeiung zu bekommen. Natürlich werden wir sie im Auge behalten", erklärte er. Noch ein paar Organisatorische, unwichtige Dinge wurden geklärt, und als ich den Raum verließ, klingelte mir der Kopf. Ich taumelte nach oben, und trat mit fahlem Gesicht in mein Zimmer. Hermine, Ron, Ginny, und Harry befanden sich darin. Völlig fertig sah ich in die Runde, und war überwältigt dass sie alle da waren. Mein Tag war einfach nur schrecklich gewesen. Ich stammelte irgendetwas, und ging schnurstracks hinaus, auf den Gang, und ließ die Tür zufallen.
Ich lehnte mich verzweifelt an die Wand. Ich war verloren. Wir alle waren verloren.
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