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Was machst Du hier?!

Tyler und ich sitzen noch eine Weile im Wohnzimmer und reden über alles Mögliche, auch über Abby. Ich mag Tyler, er ist wirklich nett und witzig. Ich kann schon verstehen, warum Abby sich in ihn verliebt hat. Ich habe eher das Gefühl, neben meinem großen Bruder zu sitzen. Ich habe schon lange nicht mehr so gelacht und das erste Mal seit sechs Monaten fühle ich mich wirklich befreit. Es ist fast so, als würde das Herz in meiner Brust wissen, wer hier neben mir sitzt.

Wir werden erst von Laura unterbrochen, die mit einer halb schlafenden Amilya auf dem Arm hineinkommt. Tyler springt sofort auf, nimmt seine Tochter entgegen. „Ich lege sie oben schlafen. Danke Laura.", sagt er leise und küsst seine Schwiegermutter kurz auf die Wange, schenkt mir noch ein entschuldigendes Lächeln. „Es hat mich wirklich sehr gefreut. Ich hoffe, dass war nicht das letzte Mal." Ich nicke ihm zu und winke Amilya, die tatsächlich mit halb geschlossenen Äuglein zaghaft zurückwinkt.

Ich halte den Ordner eng an meine Brust gedrückt. Ich werde mir Tylers Worte zu Herzen nehmen und versuchen, Abbys Wunsch ohne schlechtes Gewissen nachkommen. Allerdings werde ich mich dem Schatz in meinen Händen erst in einer ruhigen Minute widmen. „Er hat es dir gegeben.", stellt Laura mit einem Blick auf den Ordner fest. Ich nicke leicht, drücke das Stück noch enger an mich. Laura lächelt leicht, doch auch in ihren Augen blitzt für einen kurzen Moment schmerzliche Trauer auf.

Allerdings schüttelt sie diese recht schnell wieder ab. „Hast du vielleicht Lust auf ein Stück Kuchen?", fragt sie wieder mit der Unbeschwertheit in der Stimme, mit der sie uns begrüßt hat. Ein bisschen Zucker wird mir jetzt ganz bestimmt guttun, weshalb ich nicke und Laura in die Küche folge. Dort fördert sie aus dem Kühlschrank einen Kuchen zu tage. Er ist mit hauch dünnen Zitronenscheiben verziert und erinnert mich an die Zitronentorte meiner Grandma. Mir läuft schon bei dem Gedanken daran das Wasser im Mund zusammen. „Warte. Lass mich die Liste kurz in meine Tasche packen, dann helfe ich dir Laura!", sage ich schnell und ehe sie protestieren kann, gehe ich mit schnellen Schritten auf die Veranda hinaus, wo Mum und Marshall sich angeregt unterhalten.

Als die beiden mich bemerken, blicken sie auf. „Hey Oliv, alles in Ordnung?", fragt Mum lächelnd, aber ich stecke mit Mühe den Ordner in meine zum Glück heute größere Tasche und lege beides vorsichtig auf den freien Stuhl neben dem meinen. „Keine Zeit. Es gibt Kuchen.", sage ich schnell und eile wieder nach drinnen, kann aber Mums Lachen noch hören. Sie kennt mich. Bei Kuchen kann ich einfach nicht widerstehen.

Zurück in der Küche hat Laura schon kleine Teller mit Gabeln auf die Anrichte gestellt und ist gerade dabei, den Kuchen in Stücke zu schneiden. Als sie mich bemerkt, nickt sie mir kurz über die Schulter zu, widmet sich dann wieder ihrem Kuchen. „Ich hoffe, ihr mögt Zitronencreme. Habe ich heute Morgen frisch gemacht." Da lag ich also mit meinem Tipp gar nicht so verkehrt. „Ohja, sehr sogar. Das ist der Lieblingskuchen meiner Grandma. Ich liebe diesen Kuchen.", seufze ich und kann meine Vorliebe für süßes Gebäck einfach nicht verstecken.

Laura lächelt nur und legt das Messer in die Spüle, um es abzuwaschen. „Mein Sohn liebt diesen Kuchen auch. Wie mir scheint, bist du eine genauso große Naschkatze wie Grayson.", schmunzelt sie und ich spüre wie meine Wangen warm werden. Erwischt! Um meine roten Wangen zu übergehen, greife ich mir schonmal die Teller mit den Gabeln und als Laura den Kuchen und noch einen Heber hochnimmt, gehen wir gemeinsam nach draußen zu Mum und Marshall. Mum zwinkert mir zu, als sie meine geröteten Wangen sieht und als die beiden anderen nicht hingucken, strecke ich ihr schnell die Zunge raus.

„Laura, der Kuchen ist so lecker!", stöhne ich als ich mich nach meinem zweiten Stück in meinem Stuhl zurücklehne. Eigentlich könnte ich sogar noch eines vertragen, aber das wäre wohl etwas zu dreist. „Das freut mich! Möchtest du noch ein Stück?", fragt sie und zeigt auf meinen leeren Teller. Zaghaft schüttle ich den Kopf. „Nein, schon gut, danke." Vielleicht hätte sie mir geglaubt, wenn ich nicht einen nahezu sehnsüchtigen Blick auf den Zitronenkuchen in der Mitte des Tisches geworfen hätte. Ohne auf meine Ablehnung zu hören, legt Laura mir noch ein weiteres Stück auf den Teller. „Danke.", murmle ich, schnappe mir aber die Gabel und schiebe mir gleich ein Stück in den Mund.

Mir entgehen die Blicke der anderen am Tisch nicht, aber bevor ich Mum auch nur einen bösen Blick zuwerfen kann, höre ich, wie die Haustüre lautstrak ins Schloss fällt. „Mum!?" Die Stimme, die erklingt, jagt mir einen angenehmen Schauer über den Rücken. Schwere Schritte kommen immer näher und als sie fast genau hinter mir stoppen, drehe ich mich leicht nach hinten, um in das Gesicht des Mannes zu schauen, dem die weiche, tiefe Stimme gehört.

Grayson.

Das wird mir sofort klar, als ich ihn sehe, denn mit dem dunklen Shirt, der verdreckten Jeans und den wilden blonden Haaren sieht er genauso aus wie auf den Bildern im Wohnzimmer. Er sieht verdammt gut aus, sogar in Arbeitskleidung. Allerdings verschwindet die aufkommende Wärme auch wieder ganz schnell, als ich seinem Blick begegne. Seine tiefblauen Augen funkeln mich mit einer gefährlichen Mischung aus Trauer und Wut an. Das Herz in meiner Brust zieht sich schmerzhaft zusammen, kann den kalten Blick aus Graysons Augen nicht ertragen.

„Grayson, mein Schatz! Möchtest du was essen?", fragt Laura ihren Jüngsten zur Begrüßung, doch der wendet seinen Blick von mir ab, nur um ihn dann seiner Mutter aufzuerlegen. „Was soll das hier?!", fragt er durch seine zusammengepressten zähne, schaut zwischen seiner Mutter und seinem Vater hin und her. „Grayson, das ist" – „Ich weiß wer sie ist! Was macht sie hier?" Er wirkt ehrlich aufgebracht, teilweise sogar wütend. Doch das leichte Zittern in seiner Stimme verrät ihn. Er ist verletzt.

„Das haben wir dir doch erzählt. Du weißt, dass Abby" Wieder unterbricht er seine Mutter, diesmal allerdings in einem sehr viel barscheren Ton. „Wag es ja nicht! Wag es nicht, sie da mit reinzuziehen!" Bevor er sich noch weiter aufregen kann, wirft er mir einen letzten Blick zu, der das Herz fast stoppt. Mir wird geradezu kalt und das ändert sich auch nicht, als Grayson sich umdreht und im Haus verschwindet. Laura lässt den Kopf hängen und will ihrem Sohn folgen, doch ihr Ehemann hält sie davon ab. „Ich mach das schon Liebling."

Marshall küsst seine Frau kurz auf den Scheitel, entschuldigt sich und folgt Grayson nach drinnen. Laura lässt sich wieder in ihren Stuhl sinken. „Das tut mir leid. Er... Er hat seine Schwester sehr geliebt, mehr als irgendjemanden sonst. Die beiden... Nichts und niemand konnte sie trennen. Ich glaube, ihn hat Abbys plötzlicher Tod am aller schlimmsten getroffen." Sie schaut mich entschuldigend an, wendet ihren Blick erst ab, als Mum eine Hand auf die ihre legt.

„Schon in Ordnung. Es ist doch nur verständlich. Er hat seine Schwester verloren. Ihr alle habt sie verloren.", spricht sie beruhigend auf Laura ein, die mit immer noch leicht hängenden Schultern nickt. „Er ist sonst nicht so. Grayson ist eigentlich schon immer der Ruhige und Besonnene gewesen. Kaum etwas konnte ihn aus der Ruhe bringen. Doch seit Abby nicht mehr da ist..." Sie kann nicht weitersprechen, denn aus dem Haus ertönt erneut Graysons Stimme, diesmal allerdings um einiges lauter.

„Nein Dad! Verdammt, ich habe euch gesagt, ich will mit dem ganzen Scheiß nichts zu tun haben!" Er ist kurz still, wahrscheinlich redet sein Vater auf ihn ein, allerdings so leise, dass ich nicht verstehe, was er sagt. Doch Graysons Worte vernehme ich nur all zu deutlich. „Nein! Sie hat hier nichts verloren! Sie soll verdammt nochmal verschwinden! Wie könnt ihr sie einfach so ersetzten?!" Bei seinen letzten Worten bricht seine Stimme fast und ich halte es nicht mehr aus. „Entschuldigt mich.", sage ich leise und verlasse schnellen Schrittes die Veranda, laufe um das Haus herum und einfach immer weiter.

Das war eigentlich schon eher sie Reaktion, mit der ich gerechnet hatte. Ich habe überhaupt nicht mit so viel Wärme und Zuneigung gerechnet, wie sie mir Laura, Marshall und sogar Tyler entgegenbringen. Grayson hat da schon eher meine Vorstellung – obwohl, eher meine Ängste – erfüllt. Und doch schmerzen seine Worte, mehr als ich es mir eingestehen möchte.

Ich laufe einfach blind umher, versuche endlich wieder Luft zu bekommen. Zum Glück folgt mir niemand, denn ich will gerade nur allein sein, niemanden um mich haben. Mir über die Augen wischend werden meine Schritte langsamer, bis ich letztlich sehen bleibe und mich das erste Mal umsehe.

Das Haus sehe ich nicht mehr, es dürfte hinter der Scheune verschwunden sein, die ich umrundet habe. Menschen sehe ich keine, dafür aber ein anderes, einfach nur bildschönes Geschöpf. Ich gehe weiter, völlig gebannt von dem Tier in dem etwas abgelegenen Auslauf. Es ist ein kleiner Stall, mit ein wenig Wiese drum herum und einem angrenzenden Sandplatz. Der Metallzaun darum ist so hoch wie ich, doch wenn sie wollte, würde dieser die wunderschöne Stute darin nicht von einem Ausbruch abhalten.

Denn in dem Auslauf steht eine riesige, schneeweiße Shire Horse Stute. Sie hat den Kopf gesenkt, zupft hier und da ein paar der Grashalme ab. Ihre lange Mähne fällt ihr dabei über den Kopf und in die Augen, weshalb sie den Kopf immer wieder kaum merklich schüttelt. Ich bin vollkommen fasziniert von diesem Giganten, dass ich bis an den Zaun herantrete und meine Arme auf einer der Querstreben ablege, meinen Kopf darauf abstütze.

Die wenigen Geräusche, die ich von mir gebe, scheinen die Aufmerksamkeit des Riesen auf mich zu lenken. Sie hebt den Kopf, ihre Ohren wackeln nervös und sie fixiert mich. Ich bleibe, wo ich bin, schaue sie nicht direkt an und beobachte einfach nur, ihre fahrigen Bewegungen. Sie scheint verängstigt und als sie ein paar Schritte zurück geht, sehe ich die Striemen auf ihrer Seite. Peitschenhiebe. Teilweise schon vernarbt, mal älter, mal frischer. Ich hoffe inständig, dass niemand hier ihr das angetan hat. Denn dann hätte ich mich furchtbar in diesen Menschen getäuscht.

„Was tust du hier?"

Seine Stimme lässt mich und auch die Stute zusammenzucken. Während die Weiße sich weiter nach hinten in den Schutz der kleinen Hütte verzieht, wage ich einen kurzen Blick links neben mich, wo jetzt Grayson steht. Mit vor der Brust verschränkten Armen lehnt er mit dem Rücken am Zaun, betrachtet mich nur kurz ehe er seinen Blick senkt. „Ich... Ich brauchte kurz etwas Zeit für mich.", antworte ich heiser, wende meinen Blick schnell wieder der Stute zu. Diese steht nahe ihrem Stall, behält uns aber immer im Auge. Sie wird schon wissen warum.

„Das meine ich nicht. Was machst du hier?", fragt er erneut, betont seine Worte diesmal aber so, dass ich tatsächlich verstehe, was er meint. „Abby hat es so gewollt.", ist mein Antwort, denn einen anderen Grund gibt es nicht. Ich bin es ihr schuldig, ganz einfach. Ihr diesen letzten Wunsch zu verwehren, wo sie mir doch diese neue Chance geschenkt hat – wenn auch unfreiwillig und unter tragischen Umständen- wäre mehr als ungerecht.

Grayson sagt nichts, doch ich spüre immer wieder seinen Blick auf mir. Allerdings traue ich mich nicht, ihn anzusehen. „Was ist mit ihr passiert?", frage ich einfach, meinen Blick immer noch auf die Schönheit vor mir gerichtet. Sie beäugt uns immer noch misstrauisch, traut sich aber tatsächlich wieder ein paar Schritte hervor. „Mit Abby?!", fragt Grayson bitter. Schnell schüttle ich den Kopf, zeige auf die Stute im Auslauf. „Nein, ich meine sie."

Grayson dreht sich um, nimmt dieselbe Haltung ein wie ich, nur das er sich oben auf dem Zaun abstützen kann. Er ist bestimmt zwanzig, wenn nicht sogar noch mehr. Aber bei nicht mal 1,60 ist das auch keine Kunst. „Sie hat vor knapp neun Monaten ihren Besitzer in ihrer Box zu Tode getrampelt." Erschrocken blicke ich ihn an, kurz treffen sich unsere Blicke und ich erkenne, dass das sein vollkommener Ernst ist. Ich kann nicht glauben, dass ein eigentlich so friedliebendes du genügsames Tier so etwas ohne Grund tun sollte.

„Man wollte sie einschläfern lassen, doch Abby wollte das nicht zulassen. Einige der Farmmitarbeiter gaben an, dass der Mann nicht gerade... nennen wir es liebevoll mit seinem Tier umgegangen ist. Man brauch sich nur ihre rechte Flanke anzuschauen, um zu sehen, dass es die Wahrheit ist." Ich nicke. Doch verstehen kann ich es nicht. Wieso tun Menschen so etwas? Das habe ich noch nie verstanden.

Mum hat mal zur Pflege einen Hund mit nach Hause gebracht. Er war einfach vor der Praxis abgesetzt worden und da er weder Halsband noch einen Chip hatte, wusste niemand, wem der wuschelige Riese gehört. Doch wer auch immer es war, hat ihn furchtbar gequält und misshandelt.

Sein Körper war übersäht mir alten und neuen Wunden, eines seiner Hinterbeine musste amputiert werden. Er wollte sich nicht mal von irgendjemandem anfassen lassen. Sie mussten in betäuben, haben ihn operiert und anschließend versorgen wollen, doch niemand konnte sich ihm nähern. Mum hat aber nicht aufgegeben, bis sie es letztendlich schaffte, ihn wenigstens füttern zu können.

Sie nahm ihn mit zu uns, um ihn zu pflegen und ich mit meinen damals gerade einmal elf Jahren konnte einfach nicht fassen, wie man einem Lebewesen so etwas hatte antun können. Ich habe stundenlang am Rande seines Auslaufs in unserem Garten gesessen, versucht sein Vertrauen zu bekommen. Es hat ganze vier Tage gedauert. Nach vier Tagen, legte er sich neben mich, am achten Tag nahm er das erste Mal Futter aus meiner Hand und am elften Tag legte er seinen Kopf in meinen Schoß und ließ sich streicheln.

Nach sechs Monaten fand sich eine Familie, die ihn aufnehmen wollte. Es dauerte allerdings noch lange, bis er auch ihnen so weit vertraute, dass er bei ihnen einziehen konnte. Natürlich war ich mehr als traurig, als der Dicke ausziehen musste, doch ich weiß, dass er es dort guthat. Naja, hatte. Immerhin war er schon vier Jahre alt, als er zu uns kam, knapp fünf als er in seine Familie kam. Doch die restlichen sieben Jahre seines Lebens war er ein vollkommen glücklicher Hund.

Wieso also tun Menschen so etwas?

„Ich kann es dir nicht sagen." Graysons Worte reißen mich aus meinen Gedanken. Verdammt, habe ich laut gedacht?! Doch Grayson übergeht es einfach, erzählt einfach weiter. „Abby und Tyler haben sie letztlich hergeholt. Doch wie man sieht, kommt eigentlich niemand an sie heran. Männer schonmal gar nicht. Mum und Abby können sie wenigstens füttern, aber anfassen lässt sie sich nicht."

Traurig betrachte ich das schöne Geschöpf, dass sich langsam ein wenig entspannt und wieder zu grasen beginnt. Ihre Ohren sind allerdings immer noch in unsere Richtung geneigt. Die Arme. Steht hier, ganz allein und das nur, weil ein Mann scheinbar Gefallen daran hatte, sie zu quälen. Wie ungerecht die Welt doch ist...

Immer mal wieder spüre ich Graysons Blick auf mir, doch ich werde einen Teufel tun und diesen erwidern. Er hasst mich. Ok, vielleicht ist hassen ein zu starkes Wort dafür, doch eines steht fest. Wenn es nach ihm geht, wäre ich schon längst wieder weg und würde auch nicht wieder zurückkommen.

„Du bist ihr nichts schuldig. Du kannst einfach gehen und nicht nochmal herkommen." Seine Worte bestätigen mir eigentlich nur das, was ich selbst gerade gedacht habe und trotzdem verletzten sie mich. Er wendet sich von mir ab und geht, ohne ein weiteres Wort zu sagen. Mein Blick ist weiterhin auf das Tier im Auslauf gerichtet, welches plötzlich den Kopf hebt und nervös schnaubt. Ich folge ihrem Blick und sehe einen Mann mit angewetzter Jeans und einem ärmellosen Shirt, der in den Auslauf klettert. Er hält Zaumzeug und noch andere Dinge in der Hand, ich kann nicht genau erkennen was. Was ich aber erkenne ist, dass das Pferd wahnsinnige Angst vor ihm hat.

„Grayson?" Ich rufe leise nach ihm, doch als ich mich umdrehe ist er schon ein ganzes Stück weit weg. Mein Blick schwingt wieder zum Auslauf, wo sich der Mann mit festen Schritten dem Tier nähert. Die vollkommen falsche Herangehensweise bei einem so traumatisierten Tier. Doch dass die weiße Stute immer weiter zurückweicht, scheint den Mann nicht weiter zu interessieren. Bei dem was Grayson mir aber gerade erzählt hat, könnte es ziemlich gefährlich für ihn werden.

Ohne also nochmal nachzudenken, laufe ich Grayson hinterher, bekomme sein Handgelenk zu packen. „Hey, was soll" – „Da ist ein Kerl bei ihr im Auslauf. Es sieht nicht so aus, als wüsste er was er tut.", unterbreche ich ihn schnell und als meine Worte zu ihm durchdringen, dreht er sich um und läuft mit mir im Schlepptau zurück. Dass ich dabei immer noch sein Handgelenk festhalte, scheint ihm herzlich egal zu sein.

Gerade als wir fast am Zaun angekommen sind, sehe ich wie der Mann den freien Arm hebt und jetzt sehe ich auch was er festhält. Eine Gerte! Der größte Fehler, den er machen konnte, denn jetzt hat er das Shire Horse so sehr in die Ecke gedrängt und ihr Angst gemacht, dass sie sich nicht mehr anders zu helfen weiß und beginnt zu steigen und zu treten. „Fuck!", flucht Grayson und ich kann ihn gerade noch schnell genug loslassen, als er mit einem Satz am Zaun hochspringt und sich darüber schwingt.

Ohne zu zögern, klettere ich ebenfalls über den Zaun und als ich auf der anderen Seite wieder den Boden berühre sehe ich, wie die Stute den Kerl mit einem Vorderhuf böse an der Schulter erwischt und er zu Boden geht. Grayson will zu ihm und ihn von dem Pferd wegziehen, begibt sich damit aber selbst in Gefahr.

Sofort laufe ich ebenfalls zu dem am Boden liegenden Mann, bleibe aber etwas weiter links stehen und versuche die Aufmerksamkeit der völlig verängstigten Stute auf mich zu lenken. „Hey meine Große! Hey, hey." Ich spreche nicht laut, nur so laut, dass sie mich hört und hebe nur leicht die Hände. Es dauert einen Moment, bis sie wieder alle Viere auf dem Boden hat und sich in meine Richtung dreht, gleichzeitig aber zurückweicht. Immerhin genau das, was ich erreichen wollte. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Grayson mich geschockt anschaut, dann aber den Verletzten irgendwie packt und ihn zum Zaun zieht.

Dort sehe ich auch schon Menschen stehen, doch ich wende meinen Blick nicht von dem weißen Giganten vor mir ab. Ihr Stockmaß dürfte bei bestimmt 1,80 liegen, sie überragt mich um Längen. Doch ich habe keine Angst vor ihr. Ich will ihr nichts tun und genau das lasse ich sie auch spüren. Ich zeige ihr meine Hände mit den Handflächen nach oben, sodass sie sieht, dass ich nichts in der Hand habe, womit ich sie verletzen könnte. Dann gehe ich ein paar Schritte zurück, bedränge sie nicht. Trotzdem rede ich weiter mit leiser Stimme mit ihr.

„Alles gut Große. Siehst du, ich will dir nichts tun." Sie schnaubt und scharrt mit den Vorderhufen. Sie traut mir nicht, doch sie beruhigt sich langsam. Ich lasse die Hände sinken, bleibe einfach wo ich bin und vermeide direkten Augenkontakt. Ich nehme zwar wieder am Rande war, dass jemand außerhalb des Zaunes spricht und auch versucht meine Aufmerksamkeit zu bekommen, doch ich bleibe ruhig stehen, warte darauf, dass die Große sich beruhigt.

Keine Ahnung wie lange ich einfach so dastehe mit leicht hängenden Schultern und gesenktem Blick. Die Stute umrundet mich nun schon zum bestimmt sechsten Mal in gebührendem Abstand und beäugt mich. Doch diesmal ist es anders. Sie kommt näher, läuft hinter mich, bis ich sie nicht mehr sehen kann. Ich weiß, das ist gerade mehr als gefährlich. Doch ich will, dass sie mir vertraut und dazu muss ich ihr vertrauen.

Genau dieses Vertrauen zahlt sich aus. Denn plötzlich spüre ich ihren warmen Atem an meinem Nacken, kann ein kleines Kichern nicht unterdrücken. Sofort tritt sie wieder einige Schritte zurück, doch es dauert nicht lange, da nähert sie sich wieder und beschnuppert mich, berührt mich sogar vorsichtig mit ihrer riesigen Nase an der Schulter. So geht sie noch einmal um mich herum und langsam hebe ich eine Hand, die Handfläche nach oben.

Erst ist die Weiße skeptisch, doch dann beschnuppert sie auch diese und langsam werde ich mutig. Ich drehe die Hand und hebe sie noch etwas höher, bis ich sie etwas über meiner Kopfhöhe der wirklich riesigen Stute hinhalte. Sie schnuppert nochmal und ich denke schon sie will wieder zurückweichen. Doch sie überrascht mich, indem sie ihre breite Stirn gegen meine Handfläche drückt.

Ein warmes Gefühl durchströmt meinen Körper und ich kann einfach nicht mehr aufhören zu lächeln. Ich bewege mich nicht, lasse einfach meine Hand an ihrem großen Kopf liegen. „Siehst du Große, alles in Ordnung.", flüstere ich und sehe, wie ihre Ohren sich in meine Richtung drehen. Sie steht zwar schwer atmend, aber dennoch ruhig vor mir und drückt ihren Kopf etwas fester gegen meine Hand.

Ich beginne diese ein wenig auf und ab zu bewegen, bis ich tatsächlich ihre ganze Nase auf und ab streicheln kann. Es ist einfach so überwältigend, wie sanft dieser Riese sein kann und wie stark das Vertrauen zwischen Mensch und Tier sein kann. Denn sie würde sich nicht von mir anfassen lassen, wenn sie mir nicht vertrauen würde. Dieses Gefühl verstärkt sich noch, als sie einen vorsichtigen Schritt auf mich zu macht und letztlich ihre Stirn gegen meine Schulter drückt. Meine Hand rutscht so an die Seite ihres gewaltigen Kopfes und ich streiche dort in sanften Kreisen über das weiche Fell.

Ich könnte wahrscheinlich ewig so hier stehen, aber so langsam schlafen mir die Füße ein und das lange Stehen macht mein Kreislauf noch nicht ganz wieder mit. Langsam gehe ich rückwärts, aber nur so langsam, dass meine Hand noch ihren Kopf oder ihre Stirn berühren. „Na komm meine Große." Sanft rede ich auf sie ein, kann sie tatsächlich dazu bringen mir zu ihrem Stall zu folgen.

Dort lenke ich sie zu dem Trog, der mit Wasser gefüllt ist. Sie fühlt sich so sicher, dass sie einfach beginnt zu trinken und ich kann mich langsam von ihr entfernen. Ohne sie aus den Augen zu lassen durchquere ich langsam den Auslauf, hebe dabei den Strick und die Gerte auf und gehe mehr rückwärts in Richtung Zaun. Kaum bin ich dort angekommen, werde ich gepackt und über den Zaun gehoben.

Etwas grob werde ich herumgerissen und schaue direkt in Graysons aufgebrachtes Gesicht. In seinen Augen tobt ein Sturm, in den sich eindeutig Wut, Trauer aber auch Sorge und ein Funke Zuneigung mischen. „Bist du verrückt geworden! Sie hätte dich treffen können! Sie hätte dich ernsthaft verletzten können! Sie hätte dich auch töten können! Du bist vollkommen wahnsinnig!", brüllt er, seine Hände umklammern fest meine Arme. Zu fest. Ich bin viel zu überrascht, um mich zu wehren, doch Marshall und ein Mann mit blondem Haar kommen mir zur Hilfe, ziehen Grayson von mir weg.

Allerdings wird er gleich von Mum ersetzt. Sie legt ihre Hände um mein Gesicht, mustert mich Zentimeter für Zentimeter und scheint erleichtert als sie nichts findet. „Gott Olivia ich hab mir Sorgen gemacht. Wie konntest du uns denn bitte fast zwei Stunden einfach ignorieren?!" Sie klingt furchtbar besorgt und das tut mir auch wahnsinnig leid, doch ihre Aussage verwirrt mich etwas. „Wie Stunden?!", frage ich verwundert. Ich kann doch nicht zwei Stunden in diesem Auslauf gestanden haben.

„Ja, zwei Stunden. Als wir Grayson haben um Hilfe brüllen hören sind wir hergekommen und da hast du vor diesem Pferd gestanden. Wir haben gerufen du sollst langsam zum Zaun gehen, aber du hast einfach nicht reagiert.", erklärt mir Mum und langsam entspannt sie sich wieder. Auch von mir fällt eine mir bisher gar nicht bewusste Anspannung von den Schultern und jetzt merke ich auch, dass mir die Füße weh tun und mein Kopf etwas duselig ist.

„Wir mussten Grayson mehrfach davon abhalten, einfach zurück zu klettern und dich da raus zu holen.", wirft Laura ein und ich bin mehr als überrascht. Gerade mault er mich in bester Manier an und davor wollte er mich retten? Obwohl ich nicht gerettet werden musste. Er hätte es wahrscheinlich nur schlimmer gemacht. Laura scheint zu merken, dass ich etwas verwirrt bin und fährt fort.

„Ghost hat einiges durchgemacht." Ich unterbreche sie gleich „Ghost?!" Laura deutet auf den Auslauf, wo die weiße Stute in ihrem Unterstand steht. „Ein schöner und echt passender Name für sie.", erwidere ich. „Grayson hat mir davon erzählt. Nur deshalb sind wir ja dazwischen gegangen." Laura und Mum schauen mich fragend an. Ich schaue zwischen den beiden hindurch. Ein Stück entfernt wird der verletzte Kerl von vorhin von zwei Sanitätern noch immer behandelt. Mit seinem unverletzten Arm gestikuliert er wild.

„Der da.", beginne ich und deute auf den schimpfenden Mann. „Er ist zur ihr rein. Es hat ihn gar nicht interessiert, dass sie Angst hat. Und als er dann auch noch die Gerte erhoben hat, ist sie durchgedreht." Laura starrt mich entsetzt an, doch ihr Ausdruck wandelt sich ganz schnell in Wut. „Er hat was?!" Ich nicke nur nochmal, um meine Aussage zu bestätigen und im nächsten Moment stampft Laura wütend zu der kleinen Gruppe rüber. Sie ist fuchs Teufels wild und gestikuliert ebenfalls wild mit beiden Händen. Sie schreit ihn an, solange bis Marshall zurückkommt und sich zu ihr stellt.

Mum und ich stehen jetzt etwas abseits. „Geht es dir wirklich gut Äffchen?", fragt sie besorgt und ich lehne mich für einen Moment mit geschlossenen Augen an ihre Schulter. Mum legt ihre Arme um mich und hält mich. „Ich bin nur müde, Mum. Alles gut." Sie streicht mir über mein Haar, aus dem sich mittlerweile immer mehr Strähnen gelöst haben und meinen Nacken kitzeln.

„Hey alles in Ordnung?", ertönt nach ein paar Minuten Marshalls Stimme neben uns. Ich nicke an Mums Schulter, habe aber keine Kraft mehr mich noch großartig zu bewegen. „Sie ist bloß müde. Der Tag war wohl doch ein wenig viel für sie.", antwortet Mum für mich und schiebt mich an ihre Seite. Marshall fährt sich durch sein dunkles Haar. „Das verstehe ich. Wisst ihr was? Lasst uns schonmal zum Haus zurück gehen. Dann mache ich dir eine Kleinigkeit zum Essen, ehe du uns hier noch zusammenklappst. Einverstanden?"

Wieder nicke ich und um ehrlich zu sein, würde mir etwas zu essen nach der Aufregung guttun. Mein Kreislauf wird es mir danken. Also lasse ich mich von Mum zurück zum Haus der Tellers führen. Ich gebe zu, mir war gar nicht bewusst, wie weit ich gegangen bin. Natürlich brauchen wir jetzt etwas länger, weil ich einfach nicht mehr so schnell kann.

Im Haus parkt Marshall uns im Wohnzimmer und bringt uns zuerst etwas zu trinken. Gierig leere ich mein Glas in einem Zug und mit einem Lächeln hält mir Mum auch das ihre hin. Dieses trinke ich nur zur Hälfte aus und gebe es ihr zurück. Nur zwei Minuten später kommt Marshall zu uns zurück, in der Hand einen Teller mit einem Sandwich darauf. Als er es mir vor die Nase stellt greife ich auch schon danach und als ich den ersten bissen abbeiße, merke ich wie sehr ich das gerade brauch. „Danke", murmle ich mit vollem Mund, Marshall winkt aber ab.

„Ach was, nicht der Rede wert. Ich kenne das noch. Schon kleine Dinge können einen eine Menge Kraft kosten. Aber ich kann dir versprechen, es wird besser." Er zwinkert mir zu und setzt sich zu uns. „Also, auch wenn das echt gefährlich war... Wie hast du das mit Ghost gemacht?! Ich meine, sie hat nicht mal Abby oder Laura so nah an sich herangelassen.", beginnt er nach ein paar Minuten. Ich zucke mit den Schultern, antworte aber erst als ich auch den letzten Bissen heruntergeschluckt habe.

„Ich habe einfach instinktiv gehandelt. Zuerst wollte ich sie nur von Grayson und dem Idioten ablenken, aber dann wollte ich sie beruhigen. Sie war total verängstigt. Naja, also habe ich sie nicht bedrängt und gewartet. Ich habe ihr die Zeit gegeben, die sie braucht um mir zu vertrauen." Denn mehr habe ich nicht getan. Ich habe mich von meinem Instinkt und meinen Gefühlen leiten lassen und letztendlich hat es ja das bewirkt was ich wollte. Die große Stute schenkte mir ihr Vertrauen und beruhigte sich.

„Wow... Ich weiß nicht was ich sagen soll. Hast du eigentlich eine Ahnung was du geschafft hast?!", fragt Marshall und klingt ehrlich beeindruckt. Ich zucke allerdings wieder nur mit den Schultern. „Ich habe bloß das getan, was ich für richtig gehalten habe." Marshall beugt sich vor, stützt seine Unterarme auf seinen Beinen ab. „Olivia... Abby hat Stunden in diesem Auslauf verbracht. Ghost ist niemals näher als zwei Meter an sie heran gegangen. Niemand konnte sich ihr nähern, geschweige denn sie anfassen. Du hast in nur zwei Stunden das geschafft, was keiner von uns in Wochen geschafft hat."

Mit großen Augen starre ich ihn an, kann irgendwie nicht glauben, was er da sagt. Was soll ich denn getan haben?! Ich habe doch einfach nur gewartet... Ich wollte ihr doch nur helfen. Und es hat ja geklappt. Und da war etwas... „Woran denkst du?", fragt Mum und lässt mich den Blick heben. „Naja... Eigentlich habe ich ja nichts gemacht. Aber als sie ihre Nase in meine Hand geschmiegt hat, da... Es war wie eine Verbindung... Ach, das klingt total bescheuert!" Verzweifelt werfe ich die Arme in die Luft, lasse mich dann in die weiche Couch zurücksinken.

Marshall lehnt sich ebenfalls zurück, schüttelt lachend den Kopf. Was ist denn jetzt so witzig?! „Eine Verbindung. Ein tiefes Vertrauen, ein Band durch das du irgendwie mit ihr verbunden warst. Ihre Gefühle, vor allem aber ihre Ruhe spüren konntest." Ich starre ihn wieder an, komme aber nicht umhin zu nicken. „Ja... irgendwie schon. Woher weißt du das?", frage ich leise, denn was er sagt ist genau das, was ich gespürt habe.

„Grayson.", Ist alles was er sagt. Ich verstehe nicht, was er mir sagen möchte. „Es sind seine Worte. Vor acht Jahren bekamen wir einen zweijährigen Quarter Horse Hengst. Er kannte nichts. Kein Zaumzeug, keinen Stall, nichts. Er war wild, total vernachlässigt. Laura und ich wollten ihn eigentlich nicht. Doch Grayson wollte ihn unbedingt. Nach zwei Tagen, die er bei Ares auf der Weide verbracht hat, konnte er ihn tatsächlich anfassen. Er hat es genau so beschrieben. Seine Verbindung zu diesem Tier ist einmalig... dachte ich zumindest. Doch du und Ghost, ihr scheint eine ähnlich starke Verbindung zueinander zu haben."

Am liebsten möchte ich lachen. Ich soll etwas mit dem Mann gemeinsam haben, der mich ganz offensichtlich verabscheut. Und das, weil ich lebe und seine Schwester sterben musste. Außerdem klingt das, was Marshall da redet, doch totaler Quatsch. Eine tiefe Verbindung zu einem Tier... Er beschreibt es fast schon als etwas Übernatürliches... etwas Magisches. So etwas gibt es nicht.

„Glaub es ruhig.", lacht er und ich zucke ertappt zusammen. „Was?!", quieke ich, was Marshall noch viel mehr zum Lachen bringt. „Du denkst ich rede Quatsch. Aber das ist es nicht. Du hast es selbst gemerkt. Denk einfach darüber nach Olivia. Niemand kommt an Ghost heran. Wenn du möchtest, kannst du gerne wieder herkommen." Was er mir da anbietet, macht mich sprachlos.

„Das überrascht mich nicht. Olivia hatte schon immer eine enge Verbindung zu Tieren. Manchmal denke ich, sie kann mit ihnen sogar besser als mit Menschen.", wirft Mum ein und ich schaue sie schief von der Seite an. Doch es stimmt. Mit Tieren kam ich als Kind schon besser klar als mit Menschen und als Teenager erst recht. Tiere hintergehen einen nicht. Sie lieben dich bedingungslos. Sie lassen dich nicht links liegen, weil du krank bist.

Ich lehne mich wieder zurück und reibe mir über meine Schläfen. Das alles bereitet mir gerade irgendwie Kopfschmerzen. „Überleg es dir Olivia. Du bist hier jederzeit herzlich willkommen. Doch eines musst du noch wissen, bevor du deine Entscheidung triffst." Er hält kurz inne, atmet schwer. „Abbys Tod war ein Unfall... Sie wurde von einem steigenden Pferd mit dem Vorderhuf so heftig am Kopf getroffen, dass ihr Gehirn anschwoll und irreparablen Schaden nahm... Dieses Pferd, Olivia, war Ghost.", sagt Marshall noch, bevor er sich erhebt und uns noch etwas zu trinken holt.

Ich bin geschockt. Denn, obwohl ich weiß, dass weder Abby noch die große Stute etwas dafür konnten... Ghost hat zu Abbys Tod geführt. Und nun bietet mir ihr Vater quasi an, wieder herzukommen und mich um Ghost zu kümmern.

„Äffchen?" Erschreckt drehe ich meinen Kopf zu Mum, welche mich ein wenig besorgt, aber mit einem gewissen Stolz in ihrem Blick anschaut. „Ich bin stolz auf dich meine Kleine.", sagt sie leise, streicht mir eine locke aus der Stirn. Ich bringe ein müdes Lächeln zu Stande. Für heute habe ich echt genug. Für heute möchte ich einfach nur noch nach Hause, mich in mein Bett kuscheln und alles andere auf morgen verschieben.

Eine Stunde später verabschieden wir uns dann auch von allen. Laura kam zwischenzeitlich zurück, immer noch sehr aufgebracht teilte sie und mit, dass sie Victor, wie der Kerl heißt, vom Hof verwiesen und gleich noch gefeuert hat. Tyler konnte sich nicht persönlich verabschieden, weil er immer noch mit Grayson unterwegs war. Auch wenn Graysons Verhalten mir irgendwie schmerzt, so kann ich es ihm nicht übelnehmen. Ich verstehe ihn ja...

Marshall wiederholt nochmal sein Angebot und auch Laura ist hin und weg von der Idee. Ich verspreche beiden, in den nächsten Tagen darüber nachzudenken. Auch Laura erzählt mir nochmal Ghosts ganze Geschichte und auch von dem Unfall, der Abby das Leben gekostet hat. Aber sie erzählt mir auch, dass sie die große weiße Geisterstute nicht aufgeben werden, denn Abby hätte das auch nicht getan.

Natürlich werde ich zum Abschied nochmal herzlich gedrückt. Ich mag die beiden. Sie sind so herzliche Menschen, man muss sie einfach mögen.

Auf dem Weg nach Hause reden wir nicht viel, ich bin einfach viel zu müde. Mein Kopf surrt, alles darin geht drunter und drüber. All die Liebe und Freundlichkeit, Graysons Hass und natürlich die Geschichte mit Ghost haben mir einiges abverlangt. Es dauert auch gar nicht lange, da hat mich das leise Schnurren des Motors mich einschlafen lassen. Erst als wir daheim ankommen, weckt Mum mich auf. Im Haus brennt natürlich noch Licht und als wir rein gehen, kommt sofort Grandma um die Ecke, möchte sofort alles wissen. So sehr ich sie auch liebe, für eine solche Unterhaltung fehlt mir einfach die Kraft. Deshalb entschuldige ich mich und vertröste Grandma schweren Herzens auf morgen.

Nach einer schnellen Dusche krieche ich nur noch in mein Bett. Doch obwohl ich furchtbar müde bin kann ich nicht schlafen. Wieder und wieder wandert mein müder Blick zu dem Ordner auf meinem Schreibtisch. Irgendwann halte ich es nicht mehr aus, knipse meine Nachttischlampe an und schwinge doch noch meine Füße aus dem Bett. Ich hole mir den Ordner und lege mich damit zurück ins Bett.

Behutsam fahre ich erneut die filigranen Muster auf dem Umschlag nach. Ich kann einfach nicht anders. Ich öffne den Ordner und auf dem Deckblatt steht in der Schrift einer sechsjährigen steht:

Traumliste von Abby Teller

Das Blatt ist mit einer Menge Zeichnungen von Pferden und Blumen verziert – alles so, wie es eine Erstklässlerin eben malt. Außerdem ist über alles eine Menge Glitzer gestreut. Allein diese Seite lässt mich lächeln. Ganz behutsam schlage ich die folgenden Seiten um, schaue mir ihre Liste Punkt für Punkt an. Manchmal ist bloß ein Häkchen dahinter, manchmal noch ein Smiley dazu.

Es gibt auch Punkte, zu denen sie Notizen gemacht hat. Zum Beispiel bei ihrem ersten Kuss. Neben dem Häkchen sind ein Sternchen und dahinter eine Notiz.

„Weiß nicht, ob der zählt... Merken: Logan Fellow küsst wie ein Hund!"

Mit ihren Notizen bringt sie mich immer wieder zum Lachen und Seite für Seite erfahre ich mehr über Abby und unser Herz. Manchmal hat sie auch Fotos auf die Rückseite einer Seite geklebt. Fotos von ihr mit Freundinnen bei einem Rodeo, von ihr und Grayson, von sich und Tyler. Am meisten berührt mich das Foto von ihrer Hochzeit. Abby sah wunderschön aus in dem weißen, schmal geschnittenen Kleid. Ihre langen roten Haare hatte sie offen und sie sehen auf dem Kleid aus wie flüssiges Feuer.

Je weiter ich nach hinten blättere, desto weniger Punkte haben ein Häkchen. Auf der letzten Seite stehen bloß drei Dinge. Sie sehen recht frisch aus, sie kann sie nicht lange vor ihrem Tod aufgeschrieben haben. Alle drei haben kein Häkchen. Von Punkt zu Punkt schwindet mein Lächeln mehr und mehr. Beim letzten Punkt aber kommen mir die Tränen.

Mum und Dad zum 25. Hochzeitstag endlich mal nach Paris schicken

Ghost berühren

Meinem kleinen Blümchen ihre ersten Worte entlocken

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