Kapitel 41 ࿐ murder and flowers
CHARLES
Tick. Tack. Tick. Tack.
Unruhig trommelte ich mit meinen Fingern auf den Schreibtisch, während ich immer wieder zu der großen Wanduhr sah.
Neben mir lag ein Haufen von Büchern, die ich bestimmt schon zum zwanzigsten Mal an diesem Tag angefangen, zugeklappt und daraufhin wieder weggelegt hatte. Direkt daneben stand eine Tasse mit abgekühltem Tee und ein Tablett mit meinem Abendessen.
Ich würde nicht sagen, dass es mir aufgrund der Anschuldigung unbedingt schlecht ging. Mir war es zwar untersagt, mein Zimmer zu verlassen und mit irgendwem zu reden. Ansonsten wurde mir zumindest nichts getan und ich konnte mich hier frei bewegen.
Innerlich fluchte ich auf, als mir ein weiterer Blick zur Uhr verriet, dass erneut nur einige Minuten vergangen waren. Mein Schreibtisch erzitterte, als ich meine Faust ruckartig auf diesen fallen ließ und ich schloss verzweifelt die Augen, bevor ich mich erhob.
Ich wollte nicht länger hier eingesperrt sein. Ich wollte zu Ende bringen, was ich angefangen hatte. Ich wollte, ich musste zurück zu ihr, zu der einzigen Person, die ich brauchte.
Langsam richtete ich mich vollständig auf und horchte, als ich ein Knarzen vernahm. Es klang wie kleine Schritte, die über mein Parkett tapsten.
Normalerweise hätte ich mir nun meinen Dolch geschnappt, wäre mir dieser nicht entwendet worden. Ich drehte mich augenblicklich in die Richtung der Geräusche, schon König João oder seine Wachen erwartend, als sich meine Muskeln augenblicklich entspannten.
„Florence..."
Normalerweise wäre ich auf sie zu gelaufen und hätte sie in meine Arme geschlossen. Doch ihrem leicht abweisenden Gesichtsausdruck nach zu urteilen, musste sie es erfahren haben. Deshalb machte ich keine Anstalten, auf sie zuzugehen.
Stattdessen nahm die Schnelligkeit meines Herzschlags mit jedem Schritt, den sie mir näher kam, zu, während ich nach wie vor in meiner Position verharrte. Ihren Augen galten den Meinen, ihr Brustkorb hob und senkte sich.
„B-Bitte, Florence...", meinte ich mit ernster Stimme und hob sachte meine Hand, da mir bewusst war, dass sie Angst haben musste. „Hör mich-"
Dann stockte ich augenblicklich. Sie umarmte mich. Vorerst war ich unfähig, etwas zu tun, bis ich ihre Umarmung erwiderte und ihren zierlichen Körper verlangend an mich drückte.
„Ich habe keine einzige Sekunde an deine Schuld geglaubt, Charles...", hauchte sie schließlich leise. Ich schloss beruhigt die Augen, bevor ich meine Finger hinter ihrem Rücken verschränkte und meine Nase in ihren Haaren vergrub.
„Es tut mir so leid, Mignonne", meinte ich dann mit zitternder Stimme. „Ich habe alles zunichte gemacht..."
Florentina von Neapel hob ihren Kopf an, sodass wir uns ansehen konnte und öffnete dann verblüfft ihren Mund: „A-Aber weshalb? Du hast nichts getan... das ist wahrscheinlich nur einen zusammengesponnene Geschichte meines Vaters, der deine Familie verabscheut. Es wird alles gut werden."
Sie drückte mir einen kleinen, innigen Kuss auf die Lippen. Diesen konnte ich jedoch nur teilweise erwidern - zu sehr graute es mir vor unserer Zukunft.
„Es war nicht dein Vater, der mich beschuldigte, deine Schwester vergiftet zu haben. Es war König João." Starr schaute ich über sie hinweg ins Nichts, ehe ich schluckte. „Der Brief ist zerstört. Seine Majestät hat mich abends besucht und ihn gefunden."
„Was? Aber... wie?" Fassungslos sah sie mich an und zog mich schließlich auf mein Bett, wo wir uns nebeneinander niederließen, während ich beschämt auf meine Hände blickte und mich an den gestrigen Abend zurückerinnerte.
( r ü c k b l i c k )
„Ihr feiges Schwein!" Voller Hass hob ich den portugiesischen König, der sich etwas von meinem Faustschlag erholt hatte, am Kragen in die Höhe. Er grinste benebelt und ich spürte, wie das Blut aus seiner Nase begann auf meine Fäuste zu tropfen.
„Glaubt Ihr wirklich, dieses kleine Stückchen Papier hätte Euch etwas genutzt? Niemand hätte Euch geglaubt..." Ich presste die Lippen aufeinander, da ich ganz genau wusste, dass diese Behauptung - zumindest bezüglich Florence' Vater - der Wahrheit entsprach.
„Schöne Blumen habt ihr hier übrigens... sind die auch für meine zukünftige Gemahlin?", plapperte er weiter, als würden wir uns bei einem Kaffeekränzchen befinden, und mein Blick folgte dem Seinen. „Ach, wartet... diese Neunmalkluge hält ja nichts von ihnen. Wisst Ihr aber, welche die arme Schwester meiner Verlobten am liebsten hatte?"
Er wartete gar nicht erst auf meine Antwort, sondern strich mit seinen Fingern über meine Wange, woraufhin ich diese angewidert abschüttelte. Er lachte: „Keine Angst, kleiner Prinz, ich gebe mich nicht mit Leuten, wie Ihr es seid, ab... Die Prinzessin liebte die Iris. Und wisst Ihr was? Beim Verzehr der kleinen Blumen führen sie zu unglaublichen Magenproblemen. Und in einer bestimmten Menge können sie sogar tödlich sein."
Langsam ließ ich diesen ekelerregenden Monarchen, der viel kleiner als ich es war, los und schaute ihn entgeistert an, während mein Gehirn augenblicklich zu arbeiten begann.
„Aber über die Vorlieben meiner leider verstorbenen Schwägerin wisst Ihr selbstverständlich kaum etwas... schließlich vögelt Ihr ja nur meine Verlobte..."
Es knackte, als meine Faust erneut in seinem Gesicht landete, sodass der Portugiese nun Blut spuckte und sich lachend den Kiefer hielt.
„Ihr habt sie getötet", spuckte ich die Worte geradezu aus und atmete tief durch, während ich mich zurückhalten musste, ihn nicht noch kurz und klein zu schlagen.
„Hm...", schmunzelte er und sah mit zwei blauen Augen und einen blutigen Gesicht zu mir auf. „Ich hätte gedacht, dass Euch das früher auffällt. Ihr seid schließlich so intelligent durch Eure Bücher", meinte er sarkastisch und räusperte sich lachend.
„Aber eines müsst Ihr mir lassen... mein Plan ist doch sehr schön durchdacht. Erst lasse ich stets eine kleine Menge in die Speisen der Prinzessin geben, sodass sie krank wird. Meine arme Verlobte leidet Tag und Nacht mit ihrer Schwester mit... dann wird sie wieder gesund, jedermann ist glücklich... doch dann? Dann wird sie plötzlich tot aufgefunden."
Dramatisch schlug er sich die Hand vor den Mund. „Einfach so. Und meine Verlobte ist am Boden zerstört, sodass sie herumrennt wie der lebende Tod. Zum Glück hat ihr Vater die passende Lösung parat und beschließt, dass seine Familie schnellstmöglich abreisen muss, sodass die Vermählung schneller stattfinden kann."
„Ihr seid so krank." Ich schüttelte angewidert mit dem Kopf und trat an ihn heran. „So krank..."
„Krank? Ich? Nein, Prinz Charles. Ihr seid doch derjenige. Ihr liebt meine Verlobte so sehr, dass Ihr in der Lage wart, für sie zu töten. Damit sie traurig wird und Ihr ihr gebrochenes Herz heilen könnt. Und da Ihr sie so sehr verfolgt habt, seitdem Ihr sie das erste Mal saht, wisst Ihr auch, dass ich mit ihr verlobt bin, und seid so unendlich eifersüchtig auf mich, dass Ihr mich schon fast zu Tode prügelt..."
Verwirrt sah ich ihn an.
João, ganz offensichtlich amüsiert, dass ich ihn nicht verstand, legte den Kopf schief. „Was? Kennt Ihr diese Geschichte nicht? Tja, nachdem Eure dummen Pläne, mich auszuschalten, wenig funktioniert haben, ist dies das, was ich jedem erzählen werde. Es wäre anders für Euch ausgegangen, wenn Ihr Euch eine bessere Geliebte als diese kleine, italienische Hure ausgesucht hättet!"
Meine nächste Entscheidung traf ich binnen Millisekunden: Ich griff nach meinem Degen, welches an meinem Gürtel befestigt war, und zog es aus seiner Halterung, ehe ich zum Schlag ausholte.
„Ein letztes Wörtchen, bevor Ihr diese Erde verlasst?" Schweratmend verstärkte ich den Griff um den Säbel, jederzeit bereit, Florence zu rächen.
João, der nach wie vor wenig beeindruckt war, schnalzte mit der Zunge: „Ja... nämlich, dass Ihr ein gottverdammter Dummkopf seid. Wachen!"
Die Türen zu meinem Gemach flogen auf und zwei von Joãos portugiesischen Wachen stürmten herein. Der eine Mann hob seinen Arm in die Höhe, es ertönte ein lauter Knall und ich fiel - das Gesicht vor Schmerz verzerrt - zu Boden.
( - )
FLORENTINA
Mir fiel das Verband an seinem Arm auf und ich schnappte unmittelbar nach Luft. „Charles..."
„Es ist nichts, wirklich. Es war nur ein Streifschuss, aber er hat mich daran gehindert, das durchzuführen, was ich schon so lange tun wollte", gab er mir zu verstehen und meine Augen weiteten sich.
Natürlich hasste ich meinen Verlobten - nachdem ich nun wusste, dass er Lina... getötet hatte - inzwischen Befalls mehr als je zuvor. Mir wäre aber niemals in den Sinn gekommen, dass Charles schon viel länger daran gedacht hatte, João zu töten. Ich hatte es als voreiligen Schluss seinerseits abgestempelt.
Jedoch fragte ich nicht, wie lange er diesen Plan gefasst hatte, weil ich viel zu erschöpft war. Der Tod und die anschließende Beerdigung meiner Schwester, Charles' Anschuldigung, die Nachricht, dass wir bald abreisen sollten, die Angst vor Eric - alles war einfach zu viel.
„U-Und nachdem sie dich angeschossen haben, hat João es wahrscheinlich als Notwehr ausgegeben und allen weisgemacht, dass du so vernarrt in mich wärst, sodass du sogar meine Schwester getötet hast, nicht wahr?", hauchte ich beklommen und sah auf unsere Füße hinab.
„So ist es. Als Entschuldigung für die anwesenden Wachen erklärte er unseren Vätern daraufhin, dass er bereits zuvor meine Intention vermutet hatte, und er diese somit vorsichtshalber mitgenommen hätte."
Seine Stimme klang ungemein schwach und kraftlos. Ich spürte, wie meine Augen erneut feucht wurden. „Zum Glück stellte mein Vater die Ereignisse in Frage - schließlich war es Aussage gegen Aussage. Jedoch hatte João eine Zeugin, deine Zofe."
„Sophie?"
„Sie beteuerte, mich morgens unbekleidet neben dir im Bett aufgefunden zu hatte. Ich hätte dich gegen deinen Willen gezwungen, mit mir zu schlafen und anschließend - aufgrund meiner kranken Liebe zu dir - die ganze Nacht neben dir verbracht. König João behauptete jedoch, dass es in seinen Augen nicht schlimm sei, dass du keine Jungfrau mehr bist. Er sei ein gerechter König und wüsste ja, dass du nichts für diese Schandtat könntest..."
Verzweifelt sah ich zu ihm hoch und blickte in seine trostlosen, dunklen Augen, ehe ich mich schluchzend an ihn schmiegte: „Aber..."
Alles in mir schien mit einem Mal zusammenzubrechen. Die Untreue meiner Zofe, dessen Nähe ich stets gemocht hatte, gab mir den Rest. Ich begann krampfhaft zu weinen, während Charles seine Arme um mich schlang, um mich an sich zu drücken.
„Es tut mir so leid, Mignonne", wisperte er entschuldigend und lehnte seine Wange an meinen Kopf.
Lange weinte ich in seine Brust und genoss seine Nähe, die mir in dieser aussichtslosen Situation Kraft schenkte, ehe ich inne hielt und an unsere letzten Konversationen zurückdachte.
„Hör auf", wimmerte ich dann leise und drückte ihn mit einem Mal von mir los.
„Verzeihung, ich-", begann er ein weiteres Mal, ehe ich in erzürnt und voller Trauer zugleich unterbrach: „Hör endlich auf, dich tausendmal zu entschuldigen!"
Erstaunt und gekränkt zugleich sah er mich an.
„Verstehst du nicht?", wisperte ich schließlich leise und gefolgt von weiteren Tränen, die den Weg über meine Wangen fanden. „Ich bin an allem Schuld! Wäre ich nicht da, würde meine Schwester noch leben, da kein Verlobter existieren würde, der mich leiden sehen will! Wäre ich nicht da, würdest du nicht diese ganzen Probleme am Hals haben! Versteh doch... Ich bin es, die sich entschuldigen sollte! Bei dir, bei Adelina, bei Friedrich August, bei meinen Eltern..."
Meine Stimme brach und ich blinzelte eine kleine Träne hinfort, bevor ich mich beschämt von Charles abwandte.
Ein Schluchzen seinerseits ließ mich wieder aufblicken. Es war das erste Mal, dass ich Charles tatsächlich weinen sah. Irritiert, aber geduldig zugleich sah ich ihn an.
Trotz alledem zog er schwach seine Mundwinkel in die Höhe, ehe er mein Gesicht in seine Hände nahm. „Was kannst du dafür, dass du einen verrückten Verlobten hast? Was kannst du dafür, dass du für ihn ausgewählt wurdest? Was kannst du dafür, dass Prinz Friedrich August von Sachsen sich unsterblich in dich verliebte und wie ich es ebenso tat?"
Mit seinem Daumen strich er eine Träne von meiner Wange. Durch seinen darauffolgenden Blick kam es mir vor, als würde direkt in meine Seele blicken. Als würde er mich vollends verstehen, mit mir fühlen.
„Ich bereue nicht, dich kennengelernt zu haben. Das habe ich keine Sekunde lang getan, Mignonne. Und auch ich würde am liebsten mit dir fortrennen und nie wieder zurücksehen würde", fuhr er dann fort und legte seine Stirn zitternd an die Meine, ehe er mir einen letzten, liebevollen Kuss auf meine Lippen drückte. „Jedoch kann ich nun nichts mehr für dich tun..."
„Ich will dich nicht verlieren", wimmerte ich voller Verzweiflung und Furcht, ehe ich mich an ihn schmiegte, wir uns ein letztes Mal in den Armen hielten und zusammen um unser bitteres Schicksal weinten.
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Übersetzungen
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( TITEL ) → Mord und Blumen
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