Kapitel 40 ࿐ danger
FLORENTINA
„Bist du hier, Flora?"
Der Kopf meiner jüngeren Schwester tauchte neben der Tür auf und ich nickte gähnend, bevor ich mich aufsetzte. Ich hatte versucht zu schlafen und war dabei gescheitert.
Amalia entdeckte mich und zog traurig die Mundwinkel in die Höhe, ehe sie auf mich zukam und mich in den Arm nahm. Seufzend schmiegte ich mich an meine zwei Jahre jüngere Schwester, die schon bald so groß wie ich sein würde.
„Geht es dir besser?", fragte sie dann leise und ohne mich loszulassen. Als ich vor einigen Tagen angefangen hatte, etwas mehr mit meiner kleinen Schwester zu unternehmen, war es irgendwie eigenartig gewesen, mit ihr zu reden.
Als Kinder hatten wir Tag und Nacht miteinander verbracht, da wir als mittlere Kinder - Adelina als ältestes Kind und Ferdinando als Jüngster und Thronfolger hatten selbstverständlich die meiste Aufmerksamkeit erhalten - vor allem von unserem Vater gerne zur Seite geschoben worden waren.
Dann wurde ich langsam zur Frau und wir lebten uns auseinander. Nun hatte uns der Tod unserer Schwester jedoch wieder zusammengeschweißt, und ich machte mir bereits Vorwürfe, mit meiner Schwester zu wenig Zeit verbracht zu haben, da meine Heirat bevorstand.
Aber Charles und ich waren zumindest in dem Besitz des Briefes, und ich klammerte mich geradezu an diesen. Er war unsere einzige Hoffnung, sodass ich nicht bis an mein baldiges Lebensende in Portugal verweilen musste.
„Ich denke, dass ich den Schock schon recht gut verkraftet habe", erzählte ich ihr wahrheitsgemäß und strich über ihr rotes Haar. „Aber ich werde wohl noch lange brauchen, um zu realisieren, dass ich nun die Älteste bin und Lina nie wiederkommen wird."
Während mir ein weiteres Mal die Tränen in die Augen stiegen, begann Amalia hingegen zu lächeln. Manchmal beneidete ich sie darum, dass sie nicht so emotional wie ich war. Ich flennte jedes Mal und sie blieb stets tapfer. „Zumindest konnte sie die Liebe ihres Lebens erfahren und noch einmal Zeit mit ihm verbringen. Sie waren zwar nicht verheiratet und uralt, aber zumindest starb sie glücklich."
„Ihre Augen spiegelten das pure Entsetzen wieder, als ich sie entdeckte", hauchte ich und schluckte, als ihr Anblick erneut vor meinem inneren Auge auftauchte. „In dem Moment war sie auf keinen Fall glücklich... Aber ich weiß, was du sagen möchtest. Sie hat gelernt, jemanden unendlich zu lieben. Nur um Friedrich August tut es mir leid."
„Habt ihr noch einmal miteinander geredet? Es schien so, als wäre er - ohne ein Wort mit jemanden zu wechseln - zurück nach Dresden aufgebrochen."
„So war es auch." Ich fuhr mir durch mein offenes Haar, ehe ich mit den Händen auf meine Oberschenkel klatschte und mich schließlich erhob.
„Ich gehe noch kurz-" Ich brach ab, da mir auffiel, dass ich mir keine Gedanken darüber gemacht hatte, wen ich als Alibi benutzen sollte, um Charles zu besuchen. Denn diesen vermisste ich schon seit gestern Abend, sodass ich ihn besuchen wollte, nachdem ich den ganzen Tag hatte lernen müssen.
„Zu?" Amalia hob eine Augenbraue an. „Warum legst du eine Pause ein?"
„Ich wollte sagen... Ich gehe zu Vater", meinte ich dann schließlich und flocht mir meine Haare eiligst zu einem Zopf. Sie nickte bloß und erhob sich dann ebenfalls. „Ich begleite dich noch zur Tür."
„Wie du möchtest."
Durch das Vorzimmer meines Schlafgemachs gelangten wir bis zur Tür. „Gute Nacht schonmal", verabschiedete ich mich seufzend von ihr und bog rechts ab.
„Aber zu Vaters Gemächer geht es doch in diese Richtung!"
„Ach ja, genau..." Ich lächelte unsicher und machte kehrt, um die andere Richtung einzuschlagen. Damit meine Schwester keinen Verdacht schöpfte, ging ich recht zügig voran und bog schließlich erneut um eine Ecke. Ich ließ einige Minuten verstreichen und entschloss mich dann zurückzugehen.
Dabei kam ich mir nun wirklich wie ein Geheimagent vor. Bis ich durch eine Tür das Geschrei meines Vaters vernahm: „Das kann nicht so weitergehen! Wir sind hier doch in ständiger Gefahr!"
Der Tonart und Lautstärke nach zu urteilen, schrie er entweder seine Höflinge oder seine Minister an. Dann ertönte aber plötzlich die Stimme des Herzogs von Savoyen und ich hielt die Luft an: „Majestät, ich versichere Euch, dass mir dieses Ereignis wahnsinnig leid tut. Wie schon gesagt ermittelt unsere Polizei bereits. Wir hätten auch niemals gedacht, dass in unserem kleinen Schloss-"
„Euer Mitleid hilft mir wenig weiter. Erst ein Mordanschlag auf meine jüngere Tochter, dann wird meine Älteste ermordet! Was kommt als nächstes? Wird mein Thronfolger nun als Geisel genommen?", brüllte er geradezu.
Ich war echt überrascht, dass er die Stimme vor Louis II. so stark erhob. Immerhin war dieser ein hochangesehender Herzog und kein lausiger Freiherr oder Ritter - auch wenn mein Vater nicht gerade viel von ihm hielt.
„Ihr seid doch immer noch sauer aufgrund der Geschichte unserer Familie!", fuhr mein Vater fort. „Tut so, als wärt Ihr auf Frieden aus, und interessiertet Euch nicht dafür, dass die Spanier Euch Sardinien nahmen. Nun habt Ihr aber eingesehen, dass es sich als Herzog doch etwas zu langweilig lebt und trachtet nun meinen Kindern nach ihrem Leben, um meine Dynastie, die nur noch aus diesen besteht, auszulöschen, und dann selbst Anspruch auf den Thron Neapels zu erheben, damit Ihr Euch wieder König nennen könnt!"
„Bei allem Respekt, König Francesco, aber dass einzige, was ich möchte, ist Euch und Euer Familie zu helfen. Ich denke, es gibt jemanden, der Euch schaden will. Es existieren stets Personen, die einen mächtigen Monarchen wie Euch aus dem Weg haben wollen.
Vor allem aus dem Grund, dass Ihr damals konvertiertet. Aber solche alten Streitereien möchte ich begraben und mit Euch Freundschaft schließen. Aufgrund einer irrelevanten Sache wie zwei verschiedene Konfessionen, möchte ich mich nicht streiten."
Das hätte er wohl eher nicht sagen sollen.
„Religion? Irrelevant?", wiederholte mein Vater und klang dabei unheimlich belustigt, bevor seine Stimmung augenblicklich wieder umschwang: „Ich halte mich nun schon seit nahezu zwei Monaten in diesem alten Gemäuer auf. Mir reicht es! Meine Familie ist in Gefahr und wird zudem durch Euren Thronfolger bedroht!"
Ich schlug mir entsetzt die Hand vor den Mund. Wir sollten abreisen?! Und was war mit Charles?
Ich hörte, wie dumpfe Schritte der Tür näher kamen und flüchtete hinter eine Kommode. Keine Sekunde zu früh: Mein Vater kam mit der Stimme des Herzogs in den Ohren hinausgestürmt und wandte sich augenblicklich an seine Wachen.
„Sagt allen Generälen, sie sollen von nun an noch härter durchgreifen. Mein Volk stellt sich mir nicht mehr in den Weg. Wenn wir in drei Tagen abreisen, möchte ich wieder Ruhe und Ordnung in meinem Land haben. Wer sich dem Befahl widersetzt, wird augenblicklich hingerichtet!", bellte er und die Soldaten traten ab.
In drei Tagen...
Zitternd zog ich mich an der Kommode hoch und sah meinem Vater zu, wie er in seinem Gemach verschwand.
Ich versuchte die Angst, es nicht zu schaffen, meine Verlobung aufzulösen, zu verdrängen und ging mit seinen Worten in meinen Ohren hallend zurück. Etwas Weiteres, Schreckliches musste geschehen sein, sodass mein Vater nun auch noch Hinrichtungen befahl. Jetzt schon betete ich für die Seelen derjenigen, die bloß starben, weil sie sich benachteiligt fühlten.
Wie in Trance sah ich schon von Weitem Charles' Gemach und erinnerte mich an Vaters Worte: „Bedroht durch Euren Thronfolger."
Ich sollte schon bald erfahren, was es damit auf sich hatte, als mir zwei Wachen vor Charles' Tür auffielen. Erst dachte ich mir nichts dabei und wollte anklopfen, als die beiden Männer ihre Lanzen kreuzten, um mir zeigen, dass mir der Zutritt verwehrt blieb.
„Wieso darf ich nicht hinein?", fragte ich so mutig wie in dieser Situation möglich und schaute abwechselnd zu den Wachen, die jedoch bloß starr geradeaus blickten. „Niemand darf eintreten."
„A-Aber...", begann ich, doch der Soldat ergriff erneut das Wort: „Der Zutritt zu den Gemächern Seiner Hoheit, dem Thronfolger, ist für alle die, die nicht zu seinen Eltern oder dem Militär gehören, strengstens untersagt. Der Kronprinz steht unter Verdacht, die älteste Tochter des neapolitanischen Königs getötet zu haben."
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drama.
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Übersetzungen
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( TITEL ) → Gefahr
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