Kapitel 29 ࿐ different
FLORENTINA
Als er seine Lippen auf die Meinen drückte, war ich unfähig, auch nur irgendetwas zu tun, außer meine Augen aufzureißen.
Mein Herz hämmerte wie verrückt gegen meine Brust und ich drohte, ohnmächtig zu werden, so überrascht und hingerissen war ich von seiner Geste. Seine Lippen fühlten sich weich an und ich hätte nie geglaubt, dass es sich so anfühlen würde, jemanden auf den Mund zu küssen. Egal, wie ich es mir vorgestellt hatte - das hier war tausendmal anders, und... auch millionenmal schöner.
Da ich seinen Kuss nicht erwiderte, löste sich Charles langsam wieder von mir. Er atmete schwer und öffnete langsam seine Augen, um mich anzusehen.
Nervös schluckte ich den Kloß in meinem Hals hinunter. Wieso habe ich nichts getan? Bestimmt sieht er dies jetzt als Beleidigung an...
Ich öffnete meinen Mund einen Spalt breit und schaute auf den Boden, da ich ihn vor Aufregung kaum ansehen konnte. Die ganze Situation war einfach nur unangenehm.
„E-Es tut mir leid", meinte er dann schlicht. Für eine kurzen Moment sah ich in seine etwas betrübt und sogar verzweifelt dreinblickenden Augen, ehe er sich erhob und ausatmete.
„Charles." Reflexartig nahm ich seine Hand und gab ihm damit zu verstehen, dass er nicht gehen sollte. Mir fiel auf, dass ich ihn noch nie bei seinem Vornamen angesprochen hatte und befeuchtete meine trockenen Lippen, da er mich so durchdringend anblickte.
Dann nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und hob meinen Oberkörper langsam an, um mich aufzusetzen. Währenddessen setzte er sich wieder, während sein Blick an mir klebte. Nun waren unsere Köpfe auf einer Höhe und ich schluckte, während mein Blick auf seinen vollen Lippen ruhte.
Lange saßen wir beide dort und Charles ließ mir Zeit, bis ich mich einfach zu ihm hinüberbeugte und ihn vorsichtig küsste.
Anscheinend schien ich gar nicht so schlecht zu sein, denn der Kronprinz erwiderte augenblicklich. Der Kuss war sehr sanft und zärtlich und ich schmolz nahezu hinweg. Er roch und schmeckte ungemein gut.
Charles setzte zu einem nächsten Kuss an und drückte mich dabei vorsichtig in das dunkle Polster des Sofas, während er in den Kuss seufzte und wir diesen anschließend vertieften.
Nach einiger Zeit lösten wir uns dann keuchend. Charles sah mich voller Zufriedenheit und Hingabe an. Er legte eine Hand auf meine Wange und strich mir mit seinem Daumen die Träne hinfort, die mir während des Kusses über mein Gesicht gerollt war. Dann lächelte er mir aufmunternd zu und zog mich in eine Umarmung.
Wir saßen lange zusammen vor dem Kamin und sprachen kein Wort. Er hatte einen Arm um meinen Oberkörper geschlungen, während ich meinen Kopf auf seiner Schulter platziert hatte.
Auch wenn ich noch traurig, geschockt und verängstigt aufgrund meines Verlobten war, hätte ich keine bessere Aufmunterung erhalten können. Charles gab mir Kraft, sprach mir Mut zu und hatte er mir sogar etwas Liebe geschenkt.
Ich überlegte: Konnte es tatsächlich sein, dass er für mich schwärmte oder gar verliebt in mich war? Dass er nicht so wie ich vollkommen verschossen in mich war, war mir klar; aber die Vorstellung, dass er mich nicht nur als eine gute Freundin betrachtete, ließ mich nur noch lächeln.
Beruhigt atmete ich aus und drückte mich etwas näher an ihn. Niemals hätte ich geglaubt, dass ich nach solch einer Demütigung und derartigen Schmerzen, die mir mein portugiesischer Verlobter hinzugefügt hatte, glücklich sein könnte.
„Ich bringe Euch zu Bett, in Ordnung?", war das erste, was er sagte. Ich nickte langsam und hielt mir dann die Hand vor den Mund, da ich merkte, wie müde ich doch war.
Langsam versuchte ich mich auf die Beine zu stellen und scheiterte dabei unsäglich, wobei Charles mir sofort zur Hilfe kam. „Vielleicht ist es besser, wenn ich Euch trage."
Die ganze Zeit hatte ich seine und er meine Hand nicht losgelassen und ich schaute verlegen auf diese herab.
„Wenn das kein Problem für Euch ist." Ich lächelte schwach, was er mit seinem schönsten Lächeln erwiderte, ehe er mich sachte in die Höhe hob und ich mich an ihn klammerte.
Das Gefühl von Sicherheit durchströmte meinen Körper, als er mich leise zurück zu meinem Zimmer trug. Auch wenn es dunkel war, hatte ich keine Angst und atmete leise aus, während ich mich an ihn schmiegte.
Er brachte mich bis zu meinem Bett und kühlte anschließend meine Rötungen mit einem feuchten Tuch. „Ihr seid so lieb zu mir...", hauchte ich schließlich leise und nahm seine Hand in die Meine, ehe er diese sanft küsste.
„Versprecht mir, dass Ihr trotz alledem morgen ein Arzt aufsucht. Einfach um sicher zu gehen. Am liebsten hätte ich Euch gleich zu unserem Hofarzt gebracht, aber ich respektiere Euren Wunsch selbstverständlich." Er schmunzelte und strich mit seinem Handrücken über meine Wange, woraufhin ich - ein Keuchen unterdrückend - zu ihm hochblickte.
Dann beugte er sich zu mir hinunter und hauchte mir einen Kuss auf die Stirn, ehe er meinen Kopf mit seinen Armen umschloss und ich mich lächelnd in diese einkuschelte.
„Ich will Euch am liebsten gar nicht allein lassen", murmelte er dann. „Jederzeit könnte Euch dieser Banause etwas antun."
„Er sagte doch, dass er mich vorerst nicht töten will", erwiderte ich leise und schloss meine Augen, um seinen Geruch einzuatmen.
„Aber er ist gewalttätig. Stellt Euch vor, dass er in Zukunft ein weiteres Mal wütend oder genervt sein wird, weil er aufgrund seines Geliebten gefrustet ist." Ein Seufzer verließ seine Lippen und er drückte mir einen weiteren Kuss auf den Scheitel. „Er würde Euch noch mehr Leid hinzufügen."
„Vielleicht sollten wir vorerst darüber schlafen", wisperte ich gegen seinen Oberarm und schaute in seine dunklen Augen, die mich so besorgt musterten.
Dann stieß er einen Seufzer aus und legte seinen Kopf in den Nacken, wobei sich seine Halsschlagadern im Schein der Kerzen zeigten, ehe er langsam nickte. „Nun gut."
Schwach lächelnd presste ich meine Lippen aufeinander. „Dann gute Nacht... u-und ich danke Euch für alles, was Ihr mir gebt."
Ohne seine Mimik auf irgendeine Art und Weise zu verändern, nahm er mein Gesicht in seine Hände und küsste mich letztendlich zärtlich auf meine leicht angeschwollenen Lippen.
„Gute Nacht, Florence", hauchte er leise und erhob sich, den Blick auf mir ruhend.
„Gute Nacht." Ich sah ihm zu, wie er rückwärtsgehend den Raum verließ. Bevor er die Tür schloss, lächelte er mir noch ein letztes Mal zu und mein Herz setzte einen Moment aus. Er war ein wahrer Sonnenschein. Und ein attraktiver, liebevoller und intelligenter Mann dazu. Ich zog mir die Bettdecke bis zu meinem Kinn und schmunzelte sanft, bevor ich die Augen schloss und ins Land der Träume fiel.
~*~
Ich schlief sehr gut und seit langer Zeit wieder tief und fest. Als ich von meiner Zofe geweckt wurde, hatte ich Joãos Handgreiflichkeiten vom gestrigen Tage schon beinahe vergessen. Ein entsetzter Aufschrei seitens Sophie ließ meine Träumereien über Charles jedoch vor meinem Augen verpuffen: „Große Güte, Prinzessin... Hoheit!"
„Ich bin die Treppe hinuntergefallen", erwiderte ich, nachdem ich mich vor Schreck kerzengerade aufgesetzt hatte. „Aber macht Euch keine Sorgen, ich weise keine Verletzungen auf."
„Verzeiht mir, wenn ich das sage, aber Ihr seht aus, als hätte eine Faust Euer Auge getroffen... u-und Eure Unterschenkel, Eure Beine!" Schockiert blickte die Angestellte mich an.
„Mir geht es gut", beruhigte ich sie. „Möglicherweise könnt Ihr mir etwas zum Kühlen reichen und die Unreinheiten überschminken?"
„S-Selbstverständlich.. aber wollt Ihr nicht lieber noch einen Arzt aufsuchen?" Ich dachte an Charles' Worte und nickte. „Ja... könntet Ihr Monsieur Masson, den Hofarzt, herbei bestellen?"
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Die Untersuchung dauerte nicht lange an. Wie meine Zofe hatte auch Monsieur Masson mich recht perplex gemustert, mir aber glücklicherweise nur wenige Fragen gestellt. Für die dunklen Flecken empfohl er mir eine natürliche Salbe zur Beruhigung der Haut. Zudem sollte ich jede Art von schweren körperlichen Belastungen unterlassen. Das war jedoch recht einfach, da ich mich sowieso kaum sportlich betätigte.
Während des Frühstücks bemerkte ich König Joãos irritierte Blicke aufgrund meiner Fröhlichkeit und meiner Gesundheit kaum; musste dafür aber etwas betrübt feststellen, dass Charles nicht am Bankett teilnahm.
Trotz alledem guter Hoffnung aß ich mein Broiche, dass mit leckeren Früchten bestückt worden war, in Windeseile auf und nippte an meinem Tee, während Mama mich schmunzelnd musterte: „Du scheinst ja heute prächtiger Laune zu sein."
„Ja... ich habe das Gefühl, dass heute ein grandioser Tag werden wird", erwiderte ich verträumt und tupfte mir den Mund mit einer Servierte ab.
„Noch grandioser wird er, wenn ich heute Abend von all deinen Lehrern hören würde, dass du dich seit letzter Woche gebessert hast. Viele der Professoren sagten, dass du unkonzentriert seist. Das darf nicht sein!", erwiderte mein Vater patzig und sah mich lustlos an.
„Ich fühlte mich nicht sonderlich wohl... nun hat sich meine Gesundheitszustand wieder normalisiert", erwiderte ich höflich. „Hm", grunzte er bloß und wandte sich von uns ab, um sich mit seiner Mätresse zu unterhalten.
„Wollen wir heute nach deinem Unterricht etwas in den Gärten spazieren gehen?", wollte meine ältere Schwester, die wieder vollkommen auf den Beinen war, von mir wissen und lächelte strahlend.
„Gerne", erwiderte ich zufrieden. Ich konnte es gar nicht erwarten, wieder Zeit mit Adelina zu unternehmen.
Wie durch ein Wunder war sie wieder gesund geworden und stand nun an meiner Seite. Dass sie lebte, war neben Charles und der Hilfe meiner Mutter, einer der Gründe, weshalb ich überhaupt noch glücklich sein konnte. Und doch... nun war alles anders als zuvor. Durch Charles von Savoyen-Piemont wurde die ganze Situation in ein anderes Licht getaucht.
~*~
Auf dem Weg zu meinem Geographie-Unterricht lief mir mein Retter endlich über den Weg. Nervös zupfte ich an meinem Kleid herum und drückte meine Bücher gegen meine Brust.
Charles schien es eilig zu haben, und ich seufzte innerlich auf. Wie stattlich er über den goldenen Teppich auf mich zukam... Seine Füße steckten erneut in seinen Stiefeln, dazu trug er hohe Hosen und ein blaues mit Orden besticktes und goldenen Schulterteilen besetztes Oberteil. Sein Hals war von einem hohen Stehkragen umschlossen, während die hellbraunen Haare etwas unordentlich auf seinem Kopf lagen und seine Augen ernst nach vorne schauten.
Ich öffnete schon den Mund, um etwas zu sagen, als er sich einfach an mir vorbeischob, ohne mich auch nur anzusehen. Seine Augen huschten nur für einen kurzen Moment über mein Gesicht und mein Herz rutschte mir zeitgleich in die Hose.
Mit offenem Mund und einem Finger leicht in die Höhe gehoben, sah ich ihn schließlich in Richtung des Nordflügels verschwinden.
Zwei junge Frauen, die etwas älter als ich zu sein schienen, begannen zu kichern und hielten sich die kunstvoll bemalten Fächer vor ihre Gesichter, während ich wie eine Närrin in dem hell erleuchteten Flur stand.
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Übersetzungen
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( TITEL ) → Anders
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