Kapitel 27 ࿐ confessions
FLORENTINA
„Soll ich lieber die rosafarbenen oder die roten Rosen in diese Ecke des Raumes stellen? Och, Flora ich kann mich nicht entscheiden...", quengelte Aliénor und hob zwei dünne Vasen mit dicken Blumensträußen gefüllt in die Höhe.
„Möglicherweise beide? Du könntest beide Farben in einer Vase kombinieren", schlug ich vor und sah zu, wie ihre Augen groß wurden. „Das ist genial! Ich Dummerchen... normalerweise weiß ich stets, was ich möchte, aber bei solchen unbedeutenden Sachen kann ich mich nie entscheiden!"
Sie lachte und zeigte mir dabei ihre strahlend weißen Zähne, ehe sie mit der Dekoration ihres Gemachs fortfuhr.
Aliénor und ich hatten es endlich geschafft, ein gemeinsames Treffen in die Tat umzusetzen. Somit konnte ich mich das erste Mal in ihrem Zimmer umsehen. Es war in Rosa- und Goldtönen gehalten, besaß eine luxuriöse Ausstattung und war von Licht durchflutet. Ein großer Kronleuchter hing über unseren Köpfen und ihr Himmelbett stand in der Mitte des Raumes; weitere Türen führen zu einem Bad, Vorraum und Balkon.
Ich mochte den Raum recht gerne, auch wenn er mir zu mädchenhaft vorkam. Es war angenehm gemütlich hier. Aliénors Gegenwart war wie immer sehr erfrischend.
Ich hatte sie nach den letzten Wochen wirklich in mein Herz geschlossen. Sie war zwar naiv, da sie wie ich noch sehr jung, herzensgut und aufgeschlossen war.
Bis auf ihren freundlichen Geist schien ich tatsächlich das vollkommene Gegenteil von ihr zu sein. Sie war beliebt, offen, wunderschön und hatte ihren eigenen Stil. Ich hingegen war ein Mädchen, welches sich kaum integrieren konnte, wie jemand aus dem 18. Jahrhundert gekleidet war und in der Masse unterging. Ein langweiliges Gesicht, ein langweiliger Charakter.
„Ich bin so glücklich, dass es deiner Schwester wieder gut geht", trällerte sie gutgelaunt und verteilte einige rote Blütenblätter auf ihrer Kommode.
„Ja... es ist toll, dass sie auf dem Weg der Genesung ist. Wir hatten schon alle mit dem schlimmsten gerechnet. Es war wie ein Wunder", erwiderte ich seufzend und durchblätterte ein Magazin, welches auf einem Tischchen lag.
„Eine meiner jüngeren Schwestern hat es damals nicht überlebt...", meinte Aliénor dann und schien seit langer Zeit sogar sehr ernst zu sein.
Mir machte es wenig aus, dass sie plötzlich mit diesem bedrückenden Thema anfing. „Selbstverständlich erreichen nicht viele Kinder das Erwachsenenalter", erklärte sie mir. „Jedoch waren Mamans erste Kinder - also Charles, Brienne und ich - gesund. Als Adelaïde zur Welt kam, war ich sieben Jahre alt. Ich liebte es, mich um sie zu kümmern. Bis sie mit drei Jahren an den Blattern starb."
„Das tut mir leid", sprach ich mein Beileid aus und realisierte, dass sie ebenfalls aufgrund des gleichen Vornamens unserer Schwestern auf ihren Tod gekommen sein musste. „Ich könnte mir nicht ausmalen, Adelina zu verlieren... oder auch Amalia..."
„Dies wünsche ich auch niemanden... Adelaïde wäre nun so alt wie ich damals... Als ich versuchte, mich um Pauline, die nach den Zwillingen das Licht der Welt erblickte, kümmerte, war es ein komisches Gefühl. Jedoch habe ich gelernt, damit zurechtzukommen." Sie lächelte schwach. „So... und jetzt genug mit diesen traurigen Geschichten."
Aliénor ließ sich in einen Sessel plumpsen. „Du wolltest mir doch noch irgendetwas erzählen..."
„Ach ja genau..." Ich klemmte mir eine lose Strähne hinters Ohr, ehe ich etwas beschämt zu ihr hochsah: „Aber bitte mach dich nicht über mich lustig..."
„Was denkst du von mir?", wollte sie aufgesetzt beleidigt wissen. „Wenn ich jemanden auslache, dann sind es meine Schwestern, Charles oder mein Vater - bei meiner Mutter würde ich mich dies niemals trauen -, aber du bist ein ehrlicher Mensch und meine Freundin... also schieß los!"
Sie lächelte mich aufmunternd an und ich stieß einen erneuten Seufzer aus: „Also... ich höre in manchen Nächten Geräusche aus den Wänden. Ch-Charles erzählte mir, dass sich Geheimgänge im Schloss befinden, die jedoch nicht mehr in Nutzung sind. Könntest du dir vielleicht denken, was die Geräusche auslösen könnte?"
Es war schwierig, bei der Erwähnung Charles' nicht augenblicklich rot anzulaufen. Ich hoffte, dass wenn meine Wangen gerötet waren, Aliénor es nicht bemerkte. Doch sie schien ganz in Gedanken versunken zu sein. „Wann hast du diese Geräusche das letzte Mal vernommen?"
„Das letzte Mal vor einigen Tagen...", antwortete ich nach kurzer Überlegung. „Das erste Mal hörte ich sie in der ersten Woche unseres Aufenthaltes."
„Deine Familie kam in der Woche an, in der ebenso der französische Kaiser hier eintraf, nicht wahr?", fragte sie weiterhin. „Seine Majestät kam, als wir einige Tage hier waren..." Ich verstand nicht ganz, worauf sie hinaus wollte.
Aliénor nickte langsam und ihr Mund öffnete sich langsam: „Oh... ich glaube, ich weiß, was der Auslöser dieser Geräusche war."
„Und was? Ein Geist?", fragte ich neugierig nach. Plötzlich begann sie zu lachen. Verdattert blickte ich sie an. Sie schien gar nicht mehr aufhören zu können und hielt sich den Bauch. Lachte sie mich nun doch aus? Unsicher schluckte ich den Kloß in meinem Hals hinunter.
„V-Verzeih'", erwiderte Aliénor, und holte tief Luft. „Wirklich, es tut mir so leid... wir wollten dir keinen Schrecken einjagen..."
„Was meinst du mit Wir und keinen Schrecken einjagen?"
„Rafael und ich sind nahezu jedes Mal, als er in Valençay war... naja in den Gängen herumgerannt..", erzählte sie schließlich und sah mich peinlich berührt an. „Wir haben dort ein bisschen... naja... du weißt schon. Also haben wir ganz vergessen, dass die Gänge an einigen Stellen sehr nah an die Gästezimmer grenzen..."
Auch wenn mich der Gedanke, wie Rafael und Aliénor durch die Gänge tollten, im ersten Moment etwas verstörte, fiel mir zugleich ein riesengroßer Stein vom Herzen.
Aliénor schien zu merken, wie erleichtert ich sein musste, und zog mich nach wie vor etwas grinsend in eine Umarmung. „Oh Flora, es tut mir so leid...", säuselte sie. „Wir wollten dir wirklich keine Angst machen.."
„Es ist alles in Ordnung", winkte ich ab. Ich war viel zu glücklich, dass es sich nicht um irgendwelche verstorbenen Schlossbewohner handelte, als dass ich erzürnt darüber sein konnte.
~*~
Die Arme vor der Brust verschränkt, atmete ich die kühle Abendluft ein, während ich dem französischen Reiter nachsah, wie er sich vom Schloss entfernte.
Ich hatte es also wirklich getan. Ich hatte einen Brief, in dem ich jede Einzelheit über das Gespräch zwischen König João und seinem Philippe berichtet hatte, an den Kaiser von Frankreich geschickt.
Überraschenderweise fühlte ich bei der Sache sehr gut, und ich war gespannt, was als nächstes geschehen würde. Erst hatte ich nämlich nicht recht gewusst, was ich mit den Informationen anfangen sollte - schließlich konnte ich dem Kaiser schlecht berichten, dass der portugiesische König plante, seine Verlobte - also mich - umzubringen, da dies ja geheim bleiben sollte. Da es jedoch ein grundlegender Beweis für seine Schuld war, hatte ich mir etwas anderes überlegt.
Ganz simpel hatte ich Seiner Majestät geschrieben, dass der König einen Mord an seiner zukünftigen Frau, die er gedachte zu heiraten, im Sinn hatte.
„Ich wusste gar nicht, dass Ihr Kontakte außerhalb des Hofstaates pflegt."
Die Stimme meines Verlobten an meinem Ohr zu hören, führte augenblicklich dazu, dass sich mein Magen zusammenzog. „Weshalb?", fragte ich ihn schlicht, ohne ihn dabei ansehen zu können und sah weiterhin in die Ferne des violett-gefärbten Himmels.
„Ihr habt jenem Boten einen Brief übergeben. Und ich wüsste nicht, dass Ihr irgendwelche kleinen Freunde habt, denen Ihr etwas von Eurem aufregenden Leben zu berichten hättet." Die Ironie in seiner Stimme war kaum zu überhören, und ich drehte mich wortlos um, ehe ich an ihm vorbei zurück in mein Gemach schritt.
„Ich würde nun ganz offen vermuten, dass es etwas mit dem Gespräch zwischen Euch und diesem Botschafter zu tun hätte...", meinte König João weiterhin und folgte mir.
„Ihr irrt Euch. Ich kommuniziere bloß mit einer alten Freundin in Neapel", antwortete ich.
Schmierig lächelte er mir - so wie er es stets tat - zu und schüttelte mit dem Kopf, ehe er auf mich zuging. Mein Brustkorb hob und senkte sich, als ich schließlich mit dem Rücken gegen meinen Bettpfosten stieß und er nun genau vor mir stand.
Plötzlich umfasste seine Hand fest meinen Kiefer und seine Schweinsäuglein sahen mich misstrauisch an, während seine Tonlage sofort verriet, dass er wieder schlechte Laune zu haben schien: „Wie schon gesagt... Ihr dummes Ding habt keine Freunde! Also hört auf, mich anzulügen!"
„Ihr lügt doch ständig", erwiderte ich gehässig und so mutig wie noch nie.
Er zeigte seine gelben Zähne. „Wollt Ihr etwa auf Eure Fantasiegeschichten hinaus, die Euch dieser Prinz eingeredet hat?"
Ich blieb stumm. Mit einem Mal ließ er mich los, um seine Hand mit voller Wucht gegen meine Wange zu schlagen. Mein Kopf flog zur Seite und ein brennender Schmerz zog sich über die Stelle, an der er mich berührt hatte.
„Das ist dafür, dass Ihr törichtes Gör' die Unverfrorenheit besitzt, mir so etwas zu unterstellen!"
„Aber es-"
Klatsch! Seine andere Hand traf meine rechte Wange und ich wimmerte unmittelbar auf.
„I-Ich habe Euch gesehen... ich weiß, was für Kontakte Ihr pflegt", meinte ich mit bemüht fester Stimme, in der Hoffnung, er würde Panik bekommen und aufhören, mich zu schlagen. „Und Ihr? Sicherlich habt Ihr wieder Streit mit ihm und lasst es nun an mir aus. Was ist dieses Mal geschehen? Hat er sich zu viele Perlen gekau-?"
Dieses Mal traf seine Faust mein Gesicht und mein Kopf schlug gegen den Bettpfosten. Mit aller Kraft versuchte ich mich aufrecht zu halten und hielt mir keuchend die Hand über das rechte Auge.
„Und das ist dafür, dass Ihr uns einfach belauschtet!", zischte er mich voller Hass an. „Es ist übrigens lustig, dass Ihr - ohne auch nur groß nachzudenken - einen meiner Briefe entgegen nimmt. Als ob ich je zulassen würde, dass irgendein Schreiben in Eure Hände gerät, dummes Mädchen!"
„Und weshalb der Brief?", hauchte ich, während Tränen über meine Wangen liefen.
„Weil ich es lustig fand, zu sehen, was für eine falsche Schlampe Ihr seid. Ihr seid eine kleine Dirne, die Ihren Verlobten nicht schätzt und glaubt, sie könnte etwas in der Welt bewirken... seht mich verdammt nochmal an, wenn ich mit Euch rede!"
Brutal packte er mich am Unterarm und scheuerte mir eine, ehe ich verheult zu ihm aufblickte. Mein Körper schmerzte und Gefühle der Angst, des Scham und der Verzweiflung durchflossen meinen Körper, während ich in diese verhassten Augen blickte.
„Ich glaube, Ihr werdet es niemals verstehen, nicht wahr?", meinte er plötzlich sehr sanft, als wäre er geisteskrank.
„Ihr werdet so oder so meine Gattin. Wenn meine letzte Gemahlin noch leben würde, könntet Ihr sie fragen... die Gemächer der Königin sind wirklich sehr schön, es wird Euch sehr gefallen..."
Seine Hand strich über meine gerötete Wange.
„Und sobald Ihr mir einen Thronfolger geboren habt, seid Ihr so oder so erlöst. Ihr seid mich vollständig los. Ich werde Euch kaum besuchen, allein da ich somit Euer hässliches Gesicht nicht länger ertragen muss!"
Mit einem Mal ließ er mich los und anschließend achtlos wie ein Taschentuch zu Boden fallen, bevor er sich etwas Tee in eine Porzellantasse goss.
„Das wird Euch mein Vater niemals verzeihen", keuchte ich mit letzter Kraft.
João nahm einen Schluck, ehe er sich an mich wandte und falsch lächelte: „Es wird Euch niemand glauben, mein Blümchen. Das ist ja das Witzige."
Er stellte seine Tasse zur Seite, bevor er sich zu mir hinunterbeugte und mein Kinn anhob.
„Und lasst Euch eines gesagt sein: Von mir aus könnt Ihr in den paar Tagen, in denen wir hier sind, ficken, wen Ihr wollt. Sobald wir in Portugal sind, herrschen andere Regeln. Und versucht gar nicht erst, mir irgendwie zu entfliehen. Ihr werdet meine Gemahlin und daran wird auch kein wichtigtuerisches Prinzlein etwas ändern können!"
Mit diesen Worten drehte er sich auf dem Absatz um und verschwand aus meinen Gemach.
♚ . ♚ . ♚
Dedem.
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Übersetzungen
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( TITEL ) → Geständnisse
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