Kapitel 19 ࿐ gettin' closer
FLORENTINA
Als ich aufwachte, fühlte ich mich ausgeschlafen wie schon lange nicht mehr. Ich war glücklich, dass Charles mich eingeladen hatte, und war sehr aufgeregt. Wohin wir wohl fahren würden?
Allein der Gedanke, dass wir beide alleine in einer Kutsche sitzen würde, ließ mich nervös werden. Verträumt sah ich meiner Zofe im Handspiegel zu, wie sie meine Zöpfe öffnete und begann, meine Haare zu bürsten, ehe sie zu den Spangen griff.
„Ich möchte heute lieber etwas offenere Haare, Sophie", teilte ich ihr gutgelaunt mit.
„Wie Ihr wünscht."
Nachdem ich etwas Schmuck umgetan und meine Zofe mich geschminkt hatte, bekam ich ein schlichtes Kleid übergezogen. „Oh und Sophie? Es wäre freundlich, wenn Ihr niemanden erzählen würdet, dass ich erst einmal fort bin", meinte ich, als sie schon dabei war, mir hohe Schuhe zurechtzulegen.
Bei dem Weg zum Flur hielt ich inne. Ein Strauß mit vielen Blumen aller Art lag vor meinen Füßen. Ich entdeckte Rosen, Margeriten, Nelken, Sonnenblumen, Tulpen, Veilchen und Narzissen und kniete mich - so gut es mit dem Kleid möglich war - hin, um ihn hochzuheben.
Ich hoffe, sie gefallen Euch, Mignonne.
Ich rümpfte die Nase. Schon wieder Blumen? Wahrscheinlich hatte João mir diese zukommen lassen. Was hatte er schon wieder vor?
Ich schloss meine Augen, als mir der Brief von Joãos Liebhaber einfiel. Er hatte ihn noch nicht erhalten. Bestimmt hatte einer der beiden sich schon gefragt, weshalb er keine Antwort von dem jeweils anderen erhielt.
Schließlich reichte ich die Blumen Sophie und trug ihr zudem auf, den originalen Brief, den ich gestern erhalten und anschließend Wort für Wort abgeschrieben hatte, unter Joãos Tür schieben zu lassen.
Zum Frühstück war ich spät dran. Jedermann saß schon auf seinem Platz an dem langen Tisch, Diener wuselten hin und her und transportierten von Eierspeisen bis tropischem Obst etliche Speisen auf goldenen Tabletts.
„Du bist zu spät", murrte mein Vater wie immer schlecht gelaunt und führte seine Tasse zu Mund. „Selbst diese hellblonde Dumpfbacke von Prinzessin schafft es, pünktlich zu erscheinen."
Ich wusste sofort, dass mein Vater nur auf Aliénor anspielen konnte, da diese nicht selten zu spät kam. Zudem hielt mein Vater sowieso die gesamte herzogliche Familie für geistig minderbemittelt.
Charles saß recht weit entfernt von mir am anderen Ende des Tisches und unterhielt sich ernst mit einem Mann in dem Alter meines Vaters. Ich seufzte innerlich. Er war eine so vernünftige und gütige Person.
João hingegen erzählte komische Dinge und lachte wie ein grusliger, alter Mann.
CHARLES
Die ersten Sonnenstrahlen fanden ihren Weg durch die dichte Wolkendecke, als Florence schüchtern lächelnd über den gepflasterten Weg von der Terrasse zum Haupthof unseres Schlosses schritt. Mein rechter Mundwinkel zog sich automatisch in die Höhe.
Ich hatte diesen Sommer noch keinen guten Tag erlebt. Mein Vater würde es am liebsten sehen, dass ich heiratete und ich war mir unsicher, was zu tun war. Die Gegenwart der neapolitanischen Prinzessin ließ mich zumindest besser fühlen.
„Guten Morgen." Ich senkte meinen Kopf, als sie in einem Hofknicks versank. „Wie geht es Euch?"
„Ich denke ganz gut", entgegnete sie. „Wie geht es Euch?"
Prinzessin Florentina trug ein schlichtes, helles Kleid, welches sie sehr schmal erschienen ließ.
Ich hatte es stets gehasst, wenn die Damen in unserer Gesellschaft mit tausend Diamanten und Schleifen in ihren Haaren, auf ihren Kleidern und am Hals überladen herumrannten. Und auf Festlichkeiten war es manchmal so schlimm, dass man sie mit Möchtegern-wohlhabenden Wahrsagerinnen verwechseln könnte, die einem irgendwelche dubiosen Kräuter andrehen wollten.
Florence' Aufmachung war hingegen sehr dezent. Dafür war sie jedoch auch zehnmal intelligenter und herzlicher als sie alle zusammen.
„Mir geht es ebenso gut... Dort wartet unsere Kutsche", teilte ich ihr mit und stellte mich neben sie, um ihr unser Transportmittel zu zeigen. Sie atmete erleichtert aus und ich schmunzelte. „Habt Ihr etwas anderes erwartet?"
„Ich hatte Angst, dass Ihr wir auf Pferden reiten müssen", erwiderte sie ohne mich anzusehen.
„Oh nein, Reiten wäre etwas anstrengend... eine Kutschfahrt empfand ich als etwas entspannter. Gut, dass Ihr dies auch so seht", meinte ich gut gelaunt und hielt ihr die Tür zu unserem Gefährt auf, ehe ich ihr meine Hand reichte.
Ihre grün-braunen Augen wanderten über diese zu meinem Gesicht, ehe sie meine Hand vorsichtig entgegennahm. Ihre Eigene war recht warm, weich und zudem sehr klein und schmal.
Als ich hinter ihr einstieg, schüttelte ich mit dem Kopf. Nun inspizierte ich nach den verschiedenen Grüntönen in ihren Augen auch noch ihre Hände. Wohin sollte das noch führen?
Ich machte die Tür eigenhändig hinter uns zu und gab dem Kutscher Bescheid, dass es losgehen konnte. Wir fuhren durch das Tor über die Straße des Schlosses in den Wald. Der Weg wurde holpriger und es ruckelte kurz, woraufhin Florence kurz zusammenzuckte.
„Stimmt etwas nicht?", fragte sie mich etwas irritiert und riss mich somit aus meinen Gedanken. „Wieso das?"
„Ihr seht mich die ganze Zeit so eigenartig an...", murmelte sie so leise, sodass ich es gerade noch verstehen konnte. „Oh... ich überlegte bloß, was Ihr mir gestern erzählen wolltet, ehe ich Euch so unhöflich unterbrach. Möglicherweise wollt Ihr es mir nun mitteilen?" Ich lehnte mich zurück.
„Ach so, ja..." Sie kramte etwas in ihrem kleinen Perlen-Handtäschchen herum, ehe sie einen kleinen Zettel hinauszog. Ein kleiner Seufzer verließ ihre Lippen und sie presste das Schreiben an ihre Brust. „Versprecht Ihr mir, mit niemanden darüber zu sprechen?"
„Selbstverständlich", antwortete ich augenblicklich, ohne groß nachzudenken. Ich würde niemals Geheimnisse ausplaudern. Dies wäre keineswegs edelmütig von mir. Außerdem rutschten mir selten wichtige Informationen heraus.
„Nun gut." Schließlich reichte sie mir das Schreiben. „Es ist eine Kopie eines Briefes, der an König João gerichtet war."
Ich faltete ihn auseinander.
„Mein Geliebter?", zitierte ich die erste Zeile und zog die Stirn kraus, ehe ich zu ihr aufblickte. „Liest ihn am besten einfach", murmelte sie sogar etwas beschämt , woraufhin ich dies auch tat. Ausgiebig nahm ich die Informationen aus dem Brief auf. Als ich schließlich fertig war, ließ ich das Schreiben sinken und nickte langsam. „Wie ist dieses Schreiben in Eure Hände gelangt?"
„Ein Bote hat es mir gebracht. Er meinte, es wäre für Seine Majestät bestimmt, jedoch sagte er ebenso, dass es in Ordnung sei, dass ich - als seine Verlobte - ihn entgegennehme... Ihr müsst wissen, dass ich ihm aus Versehen berichtete, ich sei die zukünftige Gemahlin des Königs."
zUküNfTiGe GeMahLiN.
Ich konzentriere mich wieder auf den Inhalt ihrer Aussage und den des Briefes, und strich mir mit dem Daumen über meine Unterlippe.
„Dann scheint der Geliebte Eures Verlobtens also ein Mann und zudem sehr unverantwortlich zu sein, da er erlaubt, solch ein Schreiben Euch zukommen zu lassen.... abgesehen von der Tatsache, dass einige Aussagen am Ende einem Mordplan nahe kommen."
Mir wurde bewusst, was für eine Angst sie begleiten musste. Ihr Verlobter würde sie nicht nur aufgrund seines Charakters sondern nun bezüglich seiner Vorliebe niemals auch nur im Entferntesten liebevoll behandeln können. Außerdem plante er mit seinem Betthäschen ihren Tod.
Ich fühlte mich noch schlechter, sie zurückgewiesen zu haben. Wahrscheinlich hatte sie niemanden, dem sie diese Information mitteilen konnte und war voller Furcht zu mir gekommen - und ich hatte sie abgewiesen.
„Ich hätte Euch nicht so behandeln sollen", sprach ich meine Schuldgefühle aus.
„Das ist nicht schlimm", flüsterte sie leise. „Es ist schlimm", entgegnete ich. Ihr habt niemanden, der Euch Glauben und Hoffnung schenkt, ist es nicht so?"
Bedrückt beugte ich mich zu ihr hinüber. Lange schaute sie auf ihren Schoß, als eine kleine Träne über ihre Wange rollte. Dann nickte sie stumm.
Wir schwiegen uns lange an. „Eigentlich sollte es mir eine Ehre sein, dass Ihr mich auswähltet, Euer Freund in dieser Angelegenheit zu sein. Und dieser will ich auch sein."
Allgemein sollte es mir eine Ehre sein, dass sie überhaupt mit mir sprach. Florentina von Neapel war eine ruhige Person, und ich empfand es als sehr schmeichelnd, dass sie ausgerechnet mich als ihren Gesprächspartner auswählte.
Sie schniefte leise auf. „Ist das Euer Ernst?"
„Wieso sollte ich es nicht ernst meinen?"
„Manchmal habe ich das Gefühl, dass Ihr gar nicht mit mir befreundet sein wollt."
Diese Worte ließen mein Herz nun vollständig zerbrechen. „Florence...", wisperte ich entschuldigend. „Wie kommt Ihr denn darauf?"
Eigentlich wusste ich die Antwort auf meine Frage ganz genau. Schließlich hatte ich ihr stets wechselnde Anzeichen bezüglich meiner Empathie ihr gegenüber gegeben. Dies hatte sie sicherlich irritiert. Verdammt, weshalb hatte ich nicht bedacht, dass meine kindischen Sinneswandlungen sie verwirren und offensichtlich auch verletzen würden?
Sie schüttelte mit dem Kopf. „Ich weiß nicht recht, was ich tun soll..."
„Das kann ich verstehen", antwortete ich schnell. „Vergesst nur nicht, dass Ihr nicht alleine seid. I-Ich bin immer da, wenn Ihr mich benötigt und ich werde mit meinem Vater, dem Herzog, reden. Wir werden diesen Philippe und König João zur Rede stellen-"
„N-Nein!", unterbrach sie mich panisch und schüttelte mit dem Kopf. „Bitte sagt es nicht Eurem Vater! Und auch Seine Majestät, mein Verlobter, darf nicht erfahren, dass ich es weiß."
„Verzeiht mir... bloß was sollen wir sonst tun? Ein Mordkomplott ist im Gange und wie ich König João einschätze, wird er diesen sicherlich in die Tat umsetzen." Ich war, um ehrlich zu sein, viel zu besorgt.
„Ich weiß es nicht... b-bloß sagt es bitte vorerst niemanden. Ich wollte einfach mit jemanden - mit Euch - darüber reden, damit Ihr es wisst und..."
Sie stockte. „... damit ich Euch beschützen kann", beendete ich ihren Satz und sprach damit aus, was ich eigentlich immer vorgehabt hatte: Florence, die verlassen und verzweifelt war, zu helfen. Denn sie brauchte Hilfe, wie sonst niemand hier.
Ihre Wangen färbten sich rot und sie sah aus dem Fenster in den Wald. „Es wird nur etwas schwierig... zwar sucht mich König João kaum noch in meinen Gemächern auf. Aber ab und zu läuft mir Seine Majestät über den Weg und dann bekomme ich stets Geschenke wie hässliche Blumensträuße... pardon... von ihm geschenkt. So wie heute und..."
Sie brach erneut ab. „Sowieso könnten seine Komplizen leicht Wege finden, mir etwas anzutun..."
„Hässliche Blumensträuße? Fandet Ihr den, den ich Euch heute zukommen ließ, denn auch so hässlich?"
Ihre leicht geröteten Augen weiteten sich augenblicklich. „I-Ihr wart das?"
Ich musste lachen.
„Ja... eine zweite kleine Entschädigung für gestern Abend. Und da ich nicht wusste, welche Blumen Ihr am liebsten mögt, nahm ich von jeder Art welche."
„V-Verzeiht, ich wollte nicht sagen, dass diese sehr hässlich waren. Bloß glaubte ich, sie wären von meinem Verlobten... und da ich Blumen allgemein nicht sonderlich mag, e-empfand ich sie als... naja... schrecklich? Abstoßend?" Sie sah mich beschämt an.
„Florence, ich bin Euch nicht sauer", winkte ich locker ab und lächelte. „Aber... jedes Mädchen - vor allem jede Prinzessin - hat doch eine Lieblingsblume. Eine Blume, die sie beschreibt, die ihren Charakter widerspiegelt, an dessen Schönheit und Geruch man sich erfreuen kann... wie kann es sein, dass Ihr Euch keiner zuordnet?"
„Natürlich sind sie schön... a-aber es sind nur Blumen."
Sie zuckte mit den Schultern. „Es sind zwar wundervolle Lebewesen und ein Beweis der Zuneigung, wenn man sie geschenkt bekommt. Trotz alledem sind sie zugleich nur leblose Gegenstände für mich."
„Ihr meint, dass Worte mehr aussagen, als ein paar schöne Blumen?" Sie nickte. So hatte ich diese Pflanzen tatsächlich noch nie wahrgenommen. Sie waren schön, rochen gut... aber sonst machte sie nichts Weiteres aus.
Die Kutsche hielt an. „Wir sprechen bei der Rückfahrt über eine Lösung, einverstanden?"
„Einverstanden", sagte sie schwach lächelnd. „Wo sind wir?"
„Kommt mit", meinte ich bloß und reichte ihr meine Hand, ehe ich sie hinausgeleitete. Augenblicklich hellte sich ihr Gesichtsausdruck auf und sie strich sich die Träne aus dem Augenwinkel.
„Gefällt es Euch?", fragte ich sie und sah, wie ihr Blick über den See wanderte. „Le lac d'Annecy."
„Ihr wisst nach wie vor, dass ich die See liebe?", hauchte sie, während der Kutscher den Picknickkorb zum Ufer trug. „Eine Vorliebe, die wir beide teilen", erzählte ich ihr, als wir ebenfalls hinunter zum See schlenderten. „Die Luft, die Farbe und der Duft sind nahezu wie am Meer", murmelte ich verträumt und lächelte.
FLORENTINA
Während gesamten Ausflugs verspürte ich nach einer langen Zeit endlich wieder das Gefühl, vollkommen zu sein. Ich war an der frischen Luft, saß am Ufer eines Sees und aß mit Charles Kleinigkeiten im Gras, während ein angenehmes Lüftchen wehte und die Sonne über unseren Köpfchen schien.
Wir schlenderten zusammen über den Sand, unterhielten uns und lachten zusammen. Ich hatte ein gutes Gefühl, ihn über Joãos Geheimnis unterrichtet zu haben und vertraute ihm.
Er war die Person, dessen Gegenwart ich über die aller anderen stellen und jedes Mal bevorzugen würde. Wenn er anwesend war, fühlte ich mich gut.
Als es bereits Nachmittag wurde, fiel Charles leider ein, dass es Zeit wurde zu gehen. Dass man sich fragen würde, wo wir waren... daran dachte ich kaum. Zurück in der Kutsche setzte ich mich glücklich gegenüber von ihn und schaute durch das Fenster ein letztes Mal auf den Lac d'Annecy.
„Ich hoffe übrigens, dass ich Euch etwas ablenken konnte", meinte der Kronprinz anschließend, als wir zurück in den Wald fuhren. „Das habt Ihr sehr gut geschafft", erwiderte ich strahlend.
Just in diesem Moment ertönte wie aus dem Nichts ein ohrenbetäubender Schuss.
„Was war das?", wollte ich keuchend wissen, als die Kutsche zu rütteln begann. Panik stieg in mir auf. Die Kutsche geriet immer weiter aus dem Gleichgewicht und ich hielt mich an dessen Seiten fest, als ein erneuter Schuss und das Wiehern von Pferden ertönte.
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wow endlich mal ein ganzes charles x florence kapitel hehe
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Übersetzungen
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