Kapitel 18 ࿐ excuse
CHARLES
„Papa, du hast mich rufen lassen?"
Ich schloss die Tür zum Wintergarten hinter mir und ließ mich auf den goldenen Gartenstuhl nieder, den mir ein Bediensteter zurückschob, sodass ich mich setzen konnte. Ausnahmsweise schien erneut die Sonne, die den Wintergarten wundervoll beleuchtete. Schon in der Ferne hatte ich jedoch einige dunklen Wolken erkennen können.
Mein Vater lächelte und führte auf einer Gabel ein Stückchen Schokoladentorte in seinem Mund. Als er dieses verzehrt hatte, tupfte er sich den Guss mit einer Servierte ab, legte diese zur Seite und stützte seine Ellenbogen auf dem ebenfalls goldenen Tischchen ab, ehe er ansetzte:
„Charles... wie geht es dir?"
„Mir geht es gut", entgegnete ich und zuckte mit den Schultern. „So wie immer... weshalb fragst du mich dies?"
Mein Vater stieß einen Seufzer aus. „Bald schon zählst du 20 Jahre auf unserer Erde... du wirst du einmal meinen Platz einnehmen..."
Ich hatte ein ungutes Gefühl bezüglich der Sache, auf welche er hinauszuwollen schien, und hoffte, dass er mir nicht erklärte, dass er todkrank sei und ich bald der nächste Herzog von Savoyen-Piemont werden würde. Denn ich war lange noch nicht bereit dazu.
„Und deshalb... da du mir so glücklich erscheinst und dies meines Erachtens nur an einem Mädchen liegen kann... habe ich beschlossen, dass du dich vermählen sollst."
„Du verlangst... dass ich heirate." Ich nickte langsam und kratzte mich am Kinn. Nun gut, dies hatte ich nicht erwartet. Ob diese Nachricht nun schlecht war, konnte ich schwer bestimmen.
„Die Braut, die ich für dich vorgesehen habe, wird dir auch sicherlich gefallen", erwiderte er eiligst.
Wahrscheinlich hatte er bereits erwartet, dass ich nicht allzu begeistert sein würde. „Erst hatte ich die Prinzessin von Neapel im Kopf gehabt, sodass sich unser politisches Verhältnis zu König Francesco I. verbessert... anschließend sah ich aber, wie gut du dich mit Marie-Leopoldine von Österreich verstehst. Und da ich weiß, wie sehr du ihr gefällst..."
„Du möchtest, dass ich sie heirate?" Ich lachte augenblicklich auf. „Du hast stets gesagt, dass wir uns unsere Partner selbst aussuchen können! Was sagt Maman überhaupt dazu?"
Ich hatte mich erhoben und versuchte meinen Atem zu zügeln. „Sie weiß noch gar nicht über meinen Vorschlag Bescheid, mein Sohn. Ich glaubte bloß, dass du eine bessere Partie nicht machen kannst. Sie ist die Tochter von Franz II... dem Kaiser des Heiligen Römischen Reiches! Außerdem gefällt sie dir! Oder etwa nicht?"
„Darum geht es nicht, Papa!", erwiderte ich ernst. „Ich habe stets alle deine Ratschläge und Anweisungen ernst genommen und befolgt. Aber findest du nicht, dass du mich in dieser Angelegenheit selbst entscheiden lassen solltest?"
Mein Vater hatte ein schwaches Lächeln auf den Lippen.
„Charles, ich sage nicht, dass du es tun musst. Jedoch wäre ich glücklich, wenn du es tun würdest. Du weißt doch, wie es finanziell um uns steht. Eine Vermählung dieser Art würde uns helfen. Aliénor und Marie Brienne sind vorerst noch etwas zu jung. Außerdem spekuliert deine Mutter bei deiner ältesten Schwester darauf, dass sie in einigen Jahren die Gemahlin des französischen Kaisers wird... was meiner Meinung nach sicherlich nicht geschehen wird!"
„Diese Erklärung macht es mir nicht gerade leichter."
Ich fuhr mir durch mein hellbraunes Haar. „Ich werde es mir durch den Kopf gehen lassen, einverstanden?"
Er nickte und stocherte widmete sich seinem Tortenstück. „Tu' dir keinen Zwang an."
Ich verließ den Wintergarten und atmete gestresst aus. Keinen Zwang? Das ich nicht lache! Nun gut, er erlaubte mir, selbst eine Gemahlin zu wählen. Ich hatte mir stets vorgenommen, die Frau zu heiraten, die ich und die mich wollte.
Aber nun spukte das finanzielle Problem unseres Landes in meinem Kopfe herum. Ich würde nichts lieber tun, als unserer Familie zu helfen.
Dafür sollte ich jedoch die österreichische Prinzessin heiraten? Natürlich war sie freundlich, gebildet und hübsch. Jedoch verkörperte sie nicht das Mädchen, was ich suchte.
„Prinz Charles?"
Ich drehte mich zu dem Besitzer dieser weiblichen, unverwechselbaren Stimme um. Florence stand schwach lächelnd vor mir und hielt einen Brief in den Händen.
„Prinzessin Florence." Ich atmete erleichtert aus.
„Habt Ihr für einige Minuten Zeit für mich? Es gibt etwas, was ich Euch zeigen muss... zumindest denke ich, dass Ihr die einzige Person seid, der ich es anvertrauen kann."
Sie senkte die Stimme. „Es geht um meinen Verlobten."
Ich seufzte. Auch das noch... war es denn nicht genug, dass ich im Zwiespalt über meine Zukunft war? Oder weshalb wollte nun die Prinzessin, der ich doch eigentlich fernbleiben wollte (was ich bis jetzt sehr gut in die Tat umsetzt hatte), mit mir über König João reden?
„Ich weiß nicht, ob ich die passende Person für Euer Problem bin. Vielleicht erzählt Ihr es lieber Eurer Mutter...; außerdem muss ich dringend etwas erledigen."
Das Gesicht, welches sie nach dieser Antwort machte, ließ mich vor Scham nahezu ihm Boden versinken - so enttäuscht und traurig sah sie aus. „O-Oh... dann verzeiht, dass ich Euch zu nahe getreten bin. Ich will Euch nicht aufhalten."
Sie machte auf der Stelle kehrt und schritt mit schnellen Schritten hinfort, ehe draußen ein Donnerrollen ertönte.
Ich biss mir auf die Unterlippe und schloss die Augen. Hatte ich sie eben tatsächlich abgewiesen? Und auf diese respektlose Art und Weise?
Seufzend legte ich meinen Kopf in den Nacken. Ich war ein Feigling und ein Idiot noch dazu.
~*~
FLORENTINA
„Wärst du so freundlich und würdest mir ein Glas Wasser reichen?" Adelina strich sich eine lockere Strähne hinters Ohr und wischte sich daraufhin mit einem Tuch den Mund ab.
Erneut hatte sie sich übergeben müssen. Schnell reichte ich ihr somit ein Glas, welches sie mit zitternden Händen entgegennahm. „D-Danke."
Im Großen und Ganzen sah meine drei Jahre ältere Schwester schlimm aus. Sie war käsebleich im Gesicht, hatte ungewaschene Haare und war zu wackelig auf den Beinen, um überhaupt zwei Schritte vernünftig gehen zu können.
Es hatte sie stark erwischt, und es nahm mich richtig mit, sie so schwach zu sehen. Obwohl es in ihrem Zimmer stank und man ständig Angst hatte, sich anzustecken, fühlte ich mich an ihrer Seite jedoch wohl. Ich wollte ihr möglichst oft und lange beistehen.
Erst hatte ich überlegt, sie über die Angelegenheit bezüglich des Briefes aufzuklären, nachdem Charles sich nicht dazu bereit erklärt hatte, mir zu helfen. Ich hielt es aber inzwischen für besser, sie nicht noch weiterhin zu beruhigen.
Selbstverständlich hatte ich nach wie vor Angst. Aber würde mir beispielsweise mein Vater meine Vermutung abkaufen? Wohl kaum. Ich wäre im Nachhinein die undankbare Tochter, die Lügen über ihren Verlobten verbreitet, um ihn nicht heiraten zu müssen.
Trotz alledem musste ich mit einer Person darüber reden. Da Charles recht desinteressiert zu sein schien (was ich ihm aber nicht übel nahm) und Adelina wie meine Mutter, die mit Aliénors Mutter ein paar Tage in dem Stadtpalais der Familie in Turin verbrachte, ausfiel, musste ich mir wohl oder übel jemand Anderen suchen.
„Ich glaube aber, dass es mir schon etwas besser geht. Auch wenn Federico mich lieber nicht so sehen sollte...", meinte Lina und stellte ihr Glas zur Seite. „Inzwischen kann ich schon etwas essen. Zwar kommt dies nach einiger Zeit wieder hoch... aber zumindest habe ich wieder Hunger."
„Das ist doch toll." Ich lächelte sie an. „Bald bist du wieder auf den Beinen, da bin ich mir sicher."
━━
Als ich ihr Gemach verließ, war die Sonne beinahe vollkommen untergegangen. Es blitzte und donnerte, der Regen peitschte gegen die Fenster. Es wurde definitiv Sommer.
Als ich die Bibliothek passierte, entdeckte ich zum zweiten Mal an diesem Tage Charles. Ich blieb für einen kurzen Moment stehen und beobachtete, wie er über ein Buch gebeugt in einem Sessel saß.
Ausgerechnet in diesem Moment blickte er zu mir auf, bemerkte mich und legte sein Buch zur Seite. Eiligst setzte ich meinen Weg fort, als ich seine Rufe bereits von Weitem vernahm. „Florence! F-Florentina! Wartet!"
Ich presste meine Lippen aufeinander und blieb schließlich stehen. Charles holte mich ein und kam keuchend hinter mir zum Stehen. Langsam drehte ich mich um. „Was ist geschehen ?", wollte ich müde wissen und war wie sonst in seiner Gegenwart ziemlich aufgeregt.
„Ich wollte mich entschuldigen, da ich heute morgen so unhöflich zu Euch war", erläuterte er schließlich und nickte. „Ich war etwas in Rage und habe Euch deshalb schlecht behandelt. Somit bitte ich Euch, mir zu verzeihen."
Meine Mundwinkel zogen sich in die Höhe. „A-Ach ist schon in Ordnung, ich bin Euch nicht sauer." Es war fast schon gruselig, wie schnell er Zufriedenheit bei mir auslösen konnte.
Auch auf Charles Lippen bildete sich ein Lächeln. „Gut. Hättet Ihr am morgigen Tage vielleicht Lust - als eine kleine Entschädigung - mit mir einen kleinen Ausflug zu unternehmen? Dann könnt Ihr mir Euer Problem ganz in Ruhe berichten."
Ich musste träumen. Lud mich Charles tatsächlich ein? Mein Herz pochte mir nahezu bis zum Hals. „Nur mit mir?"
„Nur wenn Ihr wünscht." Er senkte seinen Kopf, um eine Verbeugung anzudeuten. „Und wohin?", wollte ich wissen und strahlte ihn an.
Er musterte mich für einen kurzen Moment, um eine Antwort zu formen: „Lasst Euch überraschen." Ich zog die Stirn kraus. „Und keine Angst, ich werde Euch schon nicht entführen", fügte er hinzu, als er meine Reaktion bemerkt hatte.
„Ach so... nein... das würde ich niemals von Euch denken!", erwiderte ich schnell. Er schmunzelte. „Dann bis morgen. Wir treffen uns am großen Eingangstor... um 9 Uhr? Ansonsten wünsche ich Euch noch eine Gute Nacht, Hoheit."
„Gute Nacht." Verträumt blickte ich ihm hinterher, und begab mich, nachdem er hinter der nächsten Ecke verschwunden war, zurück in mein Gemach.
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- glaubt ihr, charles zieht es wirklich in erwägung, die österreicherin zu heiraten?
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Übersetzungen
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( TITEL ) → Entschuldigung
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