Kapitel 11 ࿐ night party
FLORENTINA
Sein Lächeln verschwand allmählich, als er zu einer Antwort ansetzte. Meine Hände zitterten, während ich in seine hellbraunen Augen blickte, mein Herz mir nahezu bis zum Hals klopfte und ich an dem Band meines Morgenmantels herumfummelte.
„Ich finde einfach, dass ein Herr eine Mademoiselle nicht auf diese Art und Weise behandeln sollte. Schon gar nicht seine zukünftige Gattin."
Ich hielt die Luft an, als er sich aus dem Sessel erhob und seufzte. „Es ist schon spät", meinte er schließlich und ich sah enttäuscht zu ihm hoch, ehe ich mit dem Kopf schüttelte: „N-Nein!"
„Nein?" Er zog die Stirn kraus und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich bin doch gerade erst gekommen", brabbelte ich weiter und wurde mit jedem Wort, dass meine Lippen verließ, leiser, bevor ich diese aufeinander presste. Was war in mich gefahren?
Charles - galant wie er war - schmunzelte und vergrub die Hände in den Hosentaschen. „Eben wolltet Ihr noch gehen. Oder habt Ihr etwas Wichtiges mit mir zu bereden?"
„Ich möchte einfach nur mit Euch reden. Über Euch. Wir haben stets nur über mich gesprochen", antwortete ich schüchtern und bereute sogleich diese Worte von mir gegeben zu haben. Sicherlich wirkte ich auf ihn erneut wie ein kleines, naives Mädchen, das Stimmungsschwankungen hatte.
Als sich sein Lächeln jedoch vertiefte, begann ich ebenfalls meine Mundwinkel hochzuziehen. Anschließend nickte er in eine hintere Ecke der Bibliothek, in welcher auf einer Erhöhung ein weißer Flügel stand.
„Könnt Ihr spielen?"
Ich schüttelte den Kopf. „Mein Vater hasst Musik."
„Gibt es eigentlich etwas, was Euer Vater nicht hasst?", wollte er schmunzelnd wissen. „Bestimmt, aber es sind sicherlich nicht viele Dinge", antwortete ich seufzend.
„Das tut mir leid... soll ich Euch ein paar Dinge beibringen?" Er reichte mir seine Hand.
„Ich weiß nicht, ob dies eine so gute Idee ist. Bestimmt hört man uns", wisperte ich und wandte den Blick ab.
Bestimmt war es auch keine gute Idee... allein aus dem Grund, dass ich mit ihm zusammen an einem Flügel sitzen und er mir irgendwelche Stücke beibringen würde. Und seine Gegenwart war für meine Wenigkeit nicht gut, wenn ich meinen Kopf behalten wollte.
„Die meisten Gemächer sind weit von der Bibliothek entfernt. Und dämpfen die Wände die Musik. Habt keine Angst." Sanft lächelte er, sodass ich schließlich langsam meine Hand in Seine legte und meine Angst ebenso stetig schwand.
Es war ein schönes Gefühl, als er mich zum Flügel geleitete und ich mich auf dem schwarzen Hocker niederließ. Charles selbst zog sich einen gepolsterten Stuhl heran.
„Das hier ist eine Oktave."
Er maß mit zwei Fingern den Abstand zwischen etwa acht Tasten ab. „Es gibt sieben Töne. C, D, E, F, G, A und H. Anschließend fängt das ganze Prozedere von vorne an. Der Klang ist dann bloß höher oder eben tiefer."
„Und wozu sind die schwarzen Tasten?", wollte ich wissen, auch wenn ich eher damit beschäftigt war, mir seine schönen, großen Hände anzusehen.
„Damit Ihr einen halben Ton höher und niedriger spielen könnt. Einen Ton höher nennt man beispielsweise D-Kreuz." Er drückte auf eine schwarze Taste. „Vorzeichen gibt es also zwei... einmal Kreuz und einen halben Ton niedriger nennt man Be."
„Könnt Ihr mir etwas vorspielen?", wollte ich zaghaft wissen. „Natürlich. Darf ich?" Er deutete auf meinen Hocker. Ich erhob mich, um für ihn Platz zu machen und stellte mich neben den Flügel.
„Hm...", überlegte er laut und strich sich durch das hellbraune Haar. „Wie wäre es mit den 32 Variationen über ein eigenes Thema von Beethoven? Ja, ich glaube das ist ganz gut."
Andeutend ließ er den Teil seines nicht vorhandenen Jacketts - so wie es Komponisten stets taten - über den Hocker fallen.
Ich musste lachen. Und dann... dann begann er zu spielen. Das gesamte lange Klavierstück hatte etwas Aufgewühltes an sich, ehe es an einigen Stellen sehr unbeschwert und beruhigend erklang. Ich merkte gar nicht, wie ich meine Unterarme auf dem Flügel absetzte, um Charles zuzusehen, wie er konzentriert die Tasten drückte und immer wieder die Zettel umblätterte.
Während die Musik im Hintergrund spielte, musterte ich Charles. Eigentlich hatte ich mich wirklich ausschließlich auf die Musik konzentrieren wollen.
Wie der Kronprinz jedoch voller Gefühl die Tasten betätigte und in diesem lockeren Hemd so unkompliziert und selbstbewusst dort saß, ließ mich alles um mich herum nahezu vergessen.
Irgendwann - viel zu schnell meiner Meinung nach - nahm das Stück sein Ende. Charles drückte sanft in die Tasten und ließ die letzten Töne erklingen, ehe er keuchend, aber zufrieden zu mir aufsah.
Ich stellte mich augenblicklich wieder vernünftig hin und applaudierte begeistert, ehe er sich andeutend verbeugte. „Das war echt anstrengend, auch wenn es nicht so aussah..."
„Ihr wart sehr konzentriert... man hat Euch angesehen, dass Ihr alles gegeben habt", erwiderte ich schnell und strich mir eine braune Strähne hinters Ohr. „Und man hat gesehen, dass es eine Eurer Leidenschaften ist."
Charles erhob sich und schob den Hocker zurück, ehe er sich gegen den Flügel lehnte: „Eine sehr Große sogar. Neben dem Reiten, dem Lesen und meiner Familie ist es eine der wichtigsten Dinge in meinem Leben - wenn man die Vorbereitung auf mein späteres Dasein als Herzog außen vor lässt."
Mir fiel wieder auf, dass Charles der Kronprinz des Herzogtums war. Wenn sein Vater irgendwann nicht mehr unter uns sein würde, sollte er diesem auf den Thron folgen.
„Freut Ihr Euch schon, irgendwann einmal Herzog zu sein?", wollte ich vorsichtig wissen, um darauf sofort hinterher zu setzen: „Also mir ist selbstverständlich bewusst, dass Ihr Euch nicht auf den Tod Eures Vaters freut... das wollte ich gar nicht sagen, nur-"
„Das weiß ich doch", unterbrach er mich lachend und schüttelte mit dem Kopf. „Macht Euch keine Sorgen... ich schätze Euch nicht als bösartige Prinzessin mit sadistischen Zügen ein."
Erleichtert atmete ich aus, ehe Charles mir zuvorkam: „Und um Eure Frage zu beantworten... ich weiß die Antwort auf diese Frage noch nicht recht. Zwar fühle ich mich gut auf meine Position vorbereitet... es ist sehr schwierig auszudrücken... ich denke, dass ich trotz alledem noch zu jung bin. Als einen Monarchen stelle ich mir eher einen älteren Herrn mit Bart vor, der sein Land weise und gerecht regiert... und keinen 19-jährigen Freigeist."
„Freigeist? Du? Charles, du bist mit Abstand der spießigste Adelige, den ich kenne!"
Wir beide wirbelten herum und sahen zum Eingang, in dem Aliénor in ihrem rosafarbenen, seidenen Morgenmantel und mit ihren blonden Locken zu einem Dutt gebunden stand.
„Was machst du hier?", fragte Charles plötzlich sehr ernst und schritt schnell um das Sofa auf seine jüngere Schwester zu, die unbeeindruckt und mit verschränkten Armen einige Schritte in die Halle trat.
„Dasselbe könnte ich dich auch fragen. Hast du Flora hierher geschleppt und sie mit deinen langweiligen Autoren unterhalten?" Sie winkte mir freundlich lächelnd zu, ehe sie wieder mit erwartungsvollem Blick in die Augen ihres größeren Bruder sah.
„E-Es ist nicht seine Schuld, Aliénor!", ergriff ich schnell das Wort, ehe Charles etwas erwidern konnte.
„Natürlich ist es seine Schuld!", meinte die Blondine seufzend, ehe sie zu dem geöffneten Flügel sah. Ihr schien plötzlich ein Licht aufzugehen und sie setzte zu ihren endlosen Erzählungen an: „Ah, jetzt verstehe ich! Ihr schmeißt eine Fete! Und das ohne mich! Also Charles, ich hätte wirklich nicht erwartet, dass ausgerechnest du auch noch mit - für dich - ,fremden Leuten' feierst! Vielleicht hat dich ja Flora bekehrt und du bist jetzt nicht mehr so ernst!"
Charles schien die Beiträge seiner Schwester alles andere als lustig zu finden und stellte sich ihr in den Weg, ehe Aliénor noch weitere Schritte in die Bibliothek treten konnte. „Aliénor!"
„Was ist denn? Nur weil ich herausgefunden habe, dass Ihr beide miteinander befreundet seid? Existiert da ein Problem?" Sie zog eine Augenbraue in die Höhe, ehe ich tief durchatmete und meinen Morgenmantel enger zog.
Charles' und meine Blicke trafen sich. Er sah recht beunruhigt und ratlos aus. Mir erging es nicht anders. Wenn wir Aliénor erzählten, dass wir nicht befreundet sein durften, würde sie wissen wollen, weshalb dies der Fall war. Wenn wir erklärten, dass wir befreundet seien, würde sie möglicherweise diese Information an einigen Leute weitergeben. Dann hätten wir den Salat.
„Es ist so, dass-"
„Natürlich existiert kein Problem", erhob ich meine Stimme, und begab mich ebenfalls zum Eingang. Als ich den Geschwistern gegenüber stand, versuchte ich möglichst gefasst zu bleiben und nur Aliénor in dessen hellblauen Augen zu blicken. „Ich habe deinen Bruder heute Nacht zufällig getroffen... und wir haben uns gut verstanden, Aliénor."
Sie öffnete den Mund, um etwas zu sagen, schloss diesen jedoch wieder und nickte dann, um mir zu verstehen zu geben, dass sie meine Information angenommen hatte.
„Verzeih mir, dass wir dich geweckt haben", entschuldigte ich mich weiterhin. „Gute Nacht."
Ich nickte Aliénor und Charles ein letztes Mal zu. Der Prinz sah betreten und mit zusammengepressten Lippen auf die Fliesen.
„Nichts ist geschehen. Gute Nacht, Flora", antwortete Aliénor und lächelte schwach, ehe ich seufzend und mit einem letzten Blick zu den beiden Geschwistern die Bibliothek verließ.
Schuldgefühle, da ich Aliénor direkt ins Gesicht gelogen hatte, plagten mich auf dem Weg zurück in mein Gemach. Nur einige Kerzen erleuchteten die Gänge des Schlosses. Ich fluchte innerlich, den Kerzenständer in der Bibliothek vergessen zu haben, war jedoch ebenso nicht sonderlich erpicht darauf, zurückzugehen und diesen zu holen.
Mit pochendem Herzen erstarrte ich, als ich erneut ein Rumpeln aus der Wand vernahm. Es verblieben nur noch einige Schritte bis zu meinem Gästezimmer, als ich wie angewurzelt stehen blieb und zu meiner Rechten sah, um fast aufzuschreien.
Als ich bemerkte, dass die Gestalt neben mir mein Spiegelbild gewesen war, fasste ich mir erleichtert ans Herz und sah mir zu, wie ich ein und ausatmete.
So schnell das Rumpeln jedoch eingesetzt hatte, war es auch wieder vorbei. Das einzige, was ich noch hörte, war mein unregelmäßiger Atem, ehe ich die letzten Schritte zu meinem Gemach lief und mit zitternden Händen die Klinke zu meinem Zimmer hinunterdrückte, um in diesem zu verschwinden.
Jetzt galt es neben der Sache, dass Aliénor ihre neuen Erkenntnisse hoffentlich nicht herumposaunen und Charles hoffentlich nicht sauer auf mich sein würde, nur noch daran zu glauben, dass ich aufgrund des wenigen Schlafes unter Wahnvorstellungen litt und keine Geister in diesem Schloss herumspukten.
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Übersetzungen
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( TITEL ) → Nachtfeier
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