···XIII···
Er beugte sich zu mir und unsere Lippen berührten sich beinahe. Dann stach der Gedanke daran, was Felix jetzt von mir denken würde, tief in mein Herz, als mir klar wurde, dass ich mich gerade selbst auch nicht wiedererkannte.
Eigentlich wollte ich ihn nur provozieren. Ich wusste, dass ich nichts mehr von ihm wollte. Er war bei mir unten durch. Was er getan hatte war unverzeihlich. Und doch tat ich es auch für mich, um mich für einen kurzen Moment unwiderstehlich zu fühlen, um zu spüren wie viel Macht ich ihm gegenüber plötzlich hatte um ihn leiden zu lassen, nachdem ich gelitten hatte.
Er war die Mühe aber einfach nicht wert. Also holte ich aus und gab ihm eine Backpfeife im letzten Moment.
,,DU hast uns weggeworfen! Du wirst meine Lippen NIE... NIE wieder berühren!'', sagte ich bestimmt, um auch alles für mich nun abzuschließen. Ich wusste, dass es natürlich nicht so einfach WÄRE- vorallem nicht für ihn - aber ich wollte es. Einen kurzen Abschluss und alles wäre gegessen.
Er starrte mich nur verwirrt an.
Ich konnte das überraschte 'Was zur Hölle' förmlich aus seinem Gesicht lesen.
Ich war todernst plötzlich. Und da hatte er wohl auch schnell begriffen, dass ich wohl nicht so besoffen war. Zumindest nicht so wie ich es vorgespielt hatte zu sein.
Ich verspürte nur noch Ekel ihm gegenüber. Alles mit ihm fühlte sich einfach nur noch falsch an. Erinnerungen, unsere Beziehung, seine Liebe.
Alles was ich und Felix in so kurzer Zeit aufgebaut hatten war seltsamerweise viel intensiver und offener und fühlte sich so perfekt und richtig an.
Ich stolperte ein paar Schritte zurück und lief wieder zu den Anderen, die noch am trinken waren und sich in einen gemütlichen Kreis gesetzt hatten. Ich verabschiedete mich von allen mit einer Umarmung, verließ dann die Party und rannte zur nächsten Bushaltestelle. Dann rief ich schnell meine Mom an. Ich schämte mich so dafür so dumm gehandelt zu haben. Ich brauchte dringend einen mütterlichen Rat und etwas Beruhigung.
,,Hey mein Schatz, alles ok? Ich kann gerade nicht lange reden, muss gleich weiterarbeiten und komm dann nach Hause.'', sagte meine Mom direkt nachdem sie abnahm.
,,Hey, kein Problem, Mom. Hab nur gerade einen kleinen Nervenzusammenbruch... Ich hab kindischen Mist gemacht und versteh gerade nicht so ganz ob das normal ist. Sowas hätte ich sonst nie getan.'', antwortete ich.
,,Ich weiß zwar noch nicht, was du getan hast. Aber dass du schon drüber nachdenkst und dich schlecht fühlst heißt doch, dass du zumindest vernünftig bist und weißt das bestimmte Sachen Fehler sind. Uuund du weißt, dass man manchmal durch bestimmte Entscheidungen auch Fehler macht, durch die man lernt, Maja.'', versuchte sie mich schon zu beruhigen.
,,Ich... Ich habe meinen Ex Julian gerade fast geküsst... Ich wollte Rache, Mom. Ich bin... Ich war so wütend und ihm zeigen, dass man sowas niemals tut, er mir echt weh getan, und dass er alles kaputt gemacht hat und nicht ich. Ich wollte ihm zeigen was er weggeschmissen hat irgendwie. Aber ja ich weiß es war falsch und ich weiß, dass ich es nie wieder tun werde und sollte.''
Stille. Sie schien kurz aufzuatmen.
,,Ich hatte schlimmeres erwartet. Ach Bienchen. Da ist ja nichts passiert und Felix wird das bestimmt verstehen. Rächen ist meistens der erste Gedanke bei sowas, vorallem wenn man sehr enttäuscht und wütend ist. Aber es ist auch sehr kindisch, da hast du Recht. Trotzdem bin ich echt froh, dass du weißt, dass es falsch war und ist. Das ist das Wichtigste. Wir reden später weiter, mein Schatz. Muss weiterarbeiten. Hoffe ich konnte dich bisschen besänftigen. Rede einfach jetzt sofort mit Felix darüber.''
,,Oh man Mom. Danke. Hab dich lieb. Bis heute Abend. Du bist echt toll.'', sagte ich sichtlich entspannt und stieg in den Bus, der endlich ankam, zeigte mein Ticket vor und setzte mich hin.
,,Gerne. Danke, dass du mit mir über sowas sprichst. Hab dich auch lieb. Bye!'', meinte sie knapp aber ich spürte ihr Lächeln. Dann legte sie auf.
Im Bus nutzte ich die Zeit wieder zu planen, was ich nach dem Abi zuerst tun würde. Jetzt plante ich eine Zeit mit Felix. Denn ich konnte momentan kaum noch ohne ihn was machen. Ich vermisste ihn schon jetzt und meine Gedanken waren immer bei ihm. Seit dem Moment auf der Party. Den Augenkontakt. Seine Lippen, so weich, auf meinen.
Ich dachte an ein freiwilliges soziales Jahr in einem Behindertenheim, Waisenheim oder einem Altersheim in Österreich, hier in Deutschland oder sogar in Tschechien. Mein Traum wäre es Sozialpädagogik zu studieren. Wenn nicht sogar direkt ein duales Studium zu machen. Dann hätte ich auch direkt die Praxis dabei.
Eltern wünschen sich oft, dass ihre Kinder einen Job später finden, der ihnen Spaß macht und genug Geld einbringt, dass sie ein erfülltes Leben leben können. Andere wiederum wollen Medizinerkinder und üben einen enormen unangenehmen Druck auf ihre Kinder aus. Sowas macht oft die Psyche und den Körper kaputt. Ich war froh, dass meine Eltern meine Entscheidungen immer respektierten, solang sie auch wirklich realistisch beziehungsweise nachvollziehbar waren.
Felix stand vor meiner Haustür und wollte gerade Klingeln. Ich lief aus dem Bus achtsam über die Straße und rief ihm winkend zu. Er sah mich, strahlte und ich sprang auf ihn in eine feste Umarmung.
Gott das hatte ich heute gebraucht.
Das schönste Gefühl überhaupt. Und wieder bewiesen diese Gefühle bei ihm, dass es richtig war. Denn ich hatte dieses Gefühl nicht bei Julian.
Es zeigte auch, dass wohl dieser ganze Mist passieren musste oder irgendwas musste mir zeigen, dass es nicht richtig ist und war mit Julian, damit ich und Felix zueinander fanden. Leoni hatte doch schon irgendwie was richtig gemacht. Vielleicht war das auch ihre Absicht. Vielleicht wollte sie, dass alles so kommt... Dieser plötzliche Erkenntnis-Gedanke kam mir zu zufällig und nicht ganz klar vor. Eher unrealistisch. Oder ?
Naja vieles wies darauf hin, dass ich Leoni ja nicht so gut kannte, wie ich immer dachte. Und Julian definitiv nicht meine Liebe des Lebens ist. Das erste Mal wäre wahrscheinlich ok gewesen aber er wäre nicht der Richtige gewesen. Und vielleicht wäre er dann so oder so mit Leoni irgendwann fremd gegangen. Wer weiß.
Felix sah mich mit hochgezogen Augenbrauen an und hatte wohl einen Sensor für meine unterbewusste Unruhe. Ich stöhnte auf, schloss die Tür auf, gab ihm einen Kuss und erklärte :
,,Komm rein, ich koch' was für uns und erklär alles, ok?''
Er nickte und ich hatte Angst, was er danach von mir denken würde. Aber er musste es wissen, denn ich wollte diese Beziehung ehrlich beginnen und genauso aufrecht halten. Keine Lügen und keine Geheimnisse.
Ich hatte wohl Ängste ihn zu verlieren, was ich zu dem Zeitpunkt sehr heftig spüren konnte. Ich liebte ihn wohl wirklich sehr.
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