21
Natürlich wusste das noch niemand.
Und wenn es nach mir ging , würde es auch niemals jemand erfahren.
Schließlich hatte ich ihn nicht umgebracht.
Nachdem es eine Minute lang still gewesen war , löste sich die Schülermenge langsam auf.
Mir lief kalter Schweiß den Rücken runter und ich kam nicht umhin , als mich zu fragen: wo war nur mein normales Leben geblieben?
Vor vielleicht einem Monat , war alles noch normal gewesen.
Jetzt stand ich schon unter Mordverdacht.
Zwei Wochen an dieser Schule hatten mich an meine Grenzen getrieben.
Nein...schon davor war ich an meine Grenzen gestoßen.
Als ich einen Mann auf einem Spielplatz in die Luft gesprengt hatte.
Als ich das halbe Schulegebäude zerstört hatte.
Das "Wiedersehen" mit Großvater.
Der "Sprung" von der Klippe.
Meine Begegnungen mit diesen Kreaturen.
Das alles hatte mich bereits an meine Grenzen getrieben.
Und bald würde diese Grenze nicht mehr existieren.
Denn sie wird ebenfalls zerstört sein.
Fragt sich , was dann noch von mir übrig bleiben wird.
"Halloooo. Erde an Cassandra."
Ich zuckte zusammen.
"Ja..."
"Meine Fresse. Ist alles in Ordnung mit dir?"
Mylo und Kora waren inzwischen wieder zu uns gestoßen , obwohl ich mich nicht vom Fleck gerührt hatte.
Mylo streckte die Hand aus und fühlte meine Stirn.
"Du bist Schweißnass" , rief er erschrocken.
"Ich schätze , dass war das erste mal für sie , eine Leiche zu sehen."
Wir alle fuhren erschrocken herum und blickten in das dunkle Gesicht von Roman Osborne.
Obwohl seine Haut eher bronzefarben war.
Er ließ kurz seine grell weißen Zähne aufblitzen und neigte den Kopf zur Seite.
"Ist doch so , oder?"
Die Paar Schüler , die sich noch in der Eingangshalle herum drückten , blieben stehen und spitzen neugierig die Ohren.
Es dauerte einige Momente , bis ich mich wieder der Sprach bemächtigte.
"Äh..ja..."
Nicht gerade sehr konservativ.
"Nun , es gibt für alles ein erstes mal....nicht wahr?"
Seine Pechschwarzen Augen bohrten sich in meine.
Man konnte noch nicht einmal die Pupille erkennen. Unheimlich.
Noch unheimlicher war es , dass er seinen Blick nicht eine Sekunde von mir abwendete.
Es war , als warte er nur darauf, das ich als erste einknickete.
Warst du es?
Diese Frage schlug mich wie eine Faust in den Magen.
Hatte er etwa einen Verdacht?
O bei den...was wenn er wirklich wusste das...vielleicht sollte ich einfach gestehen. Immerhin war ich es nicht. Ich würde zwar immensen Ärger wegen unbefugtem betreten der Bibliothek bekommen , aber damit wäre ich aus dem Schneider und sie könnten sich auf den wahren Mörder konzentrieren.
Doch was war dann mit Ignis?
Würde er nicht auch Ärger bekommen?
Immerhin hatte er mir geholfen.
Meine Knie fingen an zu zittern.
"Was ist den? Du zitterst ja ganz schön."
Romans Stimme war dunkel und weich.
Er wusste das ich gleich auspacken würde.
"Sieht denn hier niemand , dass sie gleich in Ohnmacht fällt , wenn sie weiterhin in der Nähe dieser Leiche bleibt."
Die ganze Halle hielt den Atem an.
Sogar die von der LEX blieben wie erstarrt stehen.
Alle wendeten ihre Köpfe Richtung Treppe , die zum ersten Stock führte.
Die Eingangshalle war groß und zwischen uns und der Treppe lag ja noch ein Brunnen , aber alle , so schien es , hatten die Worte gerade klar und deutlich verstanden.
Obwohl der Sprecher an dem obersten Absatz der Treppe stand.
U
nd alle schienen ihn auch zu erkennen und nahmen darauf hin sofort Haltung an (selbst die vom LEX)!
Gemächlich kam Ignis die Treppe hinunter.
Ein Wink mit der Hand und die noch herumstehenden Schüler , außer uns Fünf plus Roman , machten sich aus dem Staub.
"Ignis." Roman schien der einzige zu sein , der nicht einen Stock verschluckt hatte.
Er ging Ignis entgegen und die beiden tauschten einen komischen Handschlag miteinander aus.
Die beiden mussten ziemlich gute Freunde sein.
"Müsstest du nicht bei deinem alten Herren sein? Soweit ich weiß wollte er doch einen Videoanruf machen."
"Verschoben" , war alles , was Ignis sagte.
Bis jetzt hatte er meinen Blick gemieden , jetzt aber blickte er kurz in meine Richtung.
Roman sah gut aus , keine Frage.
Aber neben Ignis ging er einfach unter.
Jetzt, beim Tageslicht und von der nähe , haute mich sein Aussehen noch mehr um.
Kora und Lyla konnten ebenfalls ein Quitschen nicht unterdrücken und ihre Wangen waren unnatürlich Rot.
Ich musste wohl eher wie eine Statue rüber kommen.
Versteinert versuchte ich meinen Blick auf etwas hinter Ignis zu fokussieren.
War er hier , um mich anzuschwärzen.
Niemand würde mir wohl wirklich glauben , dass er mir geholfen hatte.
"Du siehst nicht gut aus."
Mein Kopf ruckte zu Ignis.
Seine Augen durchbohrten mich förmlich.
"Bringt sie endlich mal jemand auf die Krankenstation."
Wie bitte?! Er reichte mir wieder seine Hand...
Doch diesmal hinterfragte ich es nicht. Jedenfalls nicht jetzt.
Und außerdem fühlte ich mich ja wirklich nicht gut.
Die Krankenschwestern konnten mir vielleicht etwas verschreiben, womit ich ohne Träume schlafen könnte.
Ich nickte und hielt mir den Kopf.
Ich spürte wie Kora besorgt einen Arm um meine Mitte schlang.
"Komm."
Wir wollten schon losgehen, doch Roman hielt uns zurück.
"Ich denke nicht..."
Ignis fiel ihm ins Wort.
"Ich denke sehr wohl, dass sie schnellstens auf die Krankenstation gebracht werden sollte. Geht."
Das letzte Wort sagte er mit so viel Nachdruck, dass mich nicht nur Kora , sondern auch Mylo und Lyla bis ins Krankenzimmer begleiteten.
"Gütiger Himmel ,Mädchen , du siehst aus als wärst du gerade von den Toten wiederauferstanden" ,rief die Schwester bei meinem Anblick erschrocken aus.
Sie stand auf und kam um einen mit Papierkram überquellenden Schreibtisch herum.
"Nein" , erwiderte Lyla humorlos. "Dafür aber den ersten Kontakt mit einem toten."
Das Gesicht der Schwester wurde bleich.
"Verstehe. Der gute Harrison..." , sie schluckte hart. "Komm her Mädchen. Ich gib dir etwas zur Beruhigung."
"Könnte ich mich vielleicht einfach ein bisschen hinlegen?" , fragte ich kleinlaut.
Die Schwester wirkte überrascht, nickte aber.
"Das dritte Zimmer ist frei liebes. Und ihr anderen geht schön wieder in den Unterricht."
"Wir sehen uns dann beim Abendessen."
Kora drückte mich kurz und die anderen beiden hoben die Hand.
Ich ging an der Schwester vorbei, die sich wieder an ihren Schreibtisch gesetzt hatte , und öffnete die Tür recht von ihr.
Diese führte mich in einen Korridor mit jeweils Zehn weiteren Türen.
Das erste mal , dass ich hier gewesen bin , war an meinem ersten Tag gewesen. Nach meiner Bekanntschaft mit dem Monster im See.
Dieser Raum sah genauso aus , wie der erste in dem ich gewesen war.
Vielleicht war es auch derselbe.
Ich zog die Schuhe aus und legte mich auf die Tadesdecke drauf.
Mir war zu warm , als das ich unter die Decke schlüpfte.
Ich zog meinen Blazer und meine Strumpfhose auch noch aus und streckte alle vier von mir.
Meine Augenlider flatterten , aber ich wollte einfach nicht einschlafen.
Ich schwitze am ganzen Körper und plötzlich sehnte ich mich nach einer kalten Dusche.
Kurzerhand öffnete ich die Knöpfe meiner Bluse und krämpelte die Ärmel hoch.
Vorsichtshalber legte ich mich mit dem Rücken zur Tür , wenn jemand kurz reinguckte , würde er nur meinen bekleideten Rücken sehen.
Ich musste wirklich kurz eingenickt sein , denn ich wurde von dem Geräusch, der sich wieder schließenden Tür geweckt und kurz darauf wurde das Licht angemacht.
Erschrocken fuhr ich hoch.
Hatte ich etwa doch bis zum Abend geschlafen und womöglich sogar das Nachsitzen verpasst?! Das würde Ärger geben.
Doch es war nicht die Schwester , die mich aufwecken wollte.
Mit großen Augen starrte ich in ein paar goldener Augen.
"Präsident Ignis. Was...äh wollen...willst du denn hier?"
Ignis aber sagte gar nichts und schien zu Stein erstarrt.
Tatsächlich zuckte sein Blick immer kurz nach unten.
Starte er mir etwa auf den Busen , wollte ich empört denken.
Aber da wurde mir mein Fehler bewusst.
Hastig und mit hochroten Kopf knöpfte ich meine Bluse wieder zu.
Peinlicherweise hatte ich ausgerechnet den Hautfarbenden an gehabt , der wie eine zweite Haut saß.
Das Gold seiner Augen schien sich verflüssigt zu haben und brannten förmlich Löcher in meine Haut.
Dann wurden sie wieder dunkel und ich sah den altbekannten Hass und die tobende Wut aufflammen.
Er schluckte hart und sein Adamsapfel hüpfte.
Bis jetzt hatte ich seine Musterung still über mich ergehen lassen.
Aber das hier war schließlich kein verdammtes Museum.
"Schon mal was von anklopfen gehört?!"
Seine Augen verengten sich zu Schlitzen.
Zwei lange Schritte und er war bei mir.
Ich landete auf den Rücken und wurde runter gedrückt.
"Hey..."
Sein Gesicht schwebte über mir.
"Was hast du in der Bibliothek zu suchen gehabt?" , zischte er.
"Wie bitte? Was geht dich das an."
Ich stemmte meine Hände gegen seine Brust und versuchte so ihn von mir runter zu drücken.
Vergeblich. Der Kerl war wie ein Fels in der Brandung.
Blitzschnell umfasste er mit einer Hand meine beiden Handgelenke und drückte sie schmerzhaft über meinen Kopf.
Ich keuchte.
"ANTWORTE!" , schrie er mir ins Gesicht.
Eiseskälte breitete sich in meinem Körper aus.
Geparrt mit einem seltsamen kribbeln.
Sein Gesicht wat meinem so nah , das ich seinen frischen Atem auf meinem Gesicht spüren könnte.
Auch roch ich ihn das erste mal.
Ich hatte erwartet das er nach Feuer oder Qualm riechen würde , doch das tat er nicht.
Wie ein frischer Tag draußen auf dem Meer , mit einer Exotischen Unternote.
Das kribbeln machte sich langsam in meinem Körper breiter , aber ich drückte es mit aller Macht weg.
"Seeungeheuer."
Meine Stimme kam nur heiser und gepresst raus.
Ich drehte meinen Kopf weg, so, dass ich nicht mehr in diese goldenen Augen sehen musste.
"See...Ungeheuer?"
Sein Atem streifte wieder mein Gesicht und ich holte automatisch tief Luft.
Selbst sein Atem roch gut.
Verdammt. Dieser Mann hasst dich Cassandra!
"Wieso?"
"Sollte ich diese Frage nicht eher dir stellen!?" , fauchte ich.
Sein Griff um meinen Handgelenke wurden fester.
"Nein. Also , wieso?"
"Erst wenn du mir sagst wieso?"
Er stieß zischend die Luft aus und Dampf kam aus seiner Nase.
Ach du scheiße.
Hatte ich jetzt womöglich noch den schlafenden Drachen geweckt?
"Hast du oder hast du nicht Harrison Walker getötet?"
Mein Kopf fuhr herum und meine Augen mussten die Formen von Untertassen erreicht haben.
"Wa..was?" , japste ich.
Ignis musterte mein Gesicht genau während er fort fuhr.
"Seine Leiche wurde in der Bibliothek gefunden."
Ich spürte wie mein Gesicht alles an Farbe verlor und ich anfing zu zittern.
"Bei den Elementen..."
Ignis fasste mit seiner freien Hand nach meinem Kinn und hob es an , dass ich ihm in die Augen blicken musste.
"Cassandra. Hast du oder hast du nicht?"
"Nein." Meine Stimme nur ein Wispern, aber dafür fest.
Ignis atmete auf und es sah so aus , als wäre er wirklich erleichtert.
Allerdings verschwand der Ausdruck gleich wieder und erneut kam die kalte Maske zurück.
Langsam ließ er meine Handgelenk los und setzte sich in eine Gerade Position.
Ich tat es ihm gleich und rieb dabei meine schmerzenden Handgelenke.
"Was hast du dann in der Bibliothek zu suchen gehabt?" , griff er seine Frage von vorhin wieder auf. "Das mit den Seeungeheuern kaufe ich dir nicht ab."
Am liebsten hätte ich abfällig geschnaubt.
Was wusste er schon.
Diese Stimmen verfolgten mich immernoch. Selbst im Wachzustand.
Aber ihm von meiner "Begegnung" (oder was auch immer Unterwasser passiert sein mag) zu erzählen, kam nicht infrage.
"Leider doch. Es ist realer als du denkst. An meinem ersten Tag hier , bin ich in den See vor dem Haupteingang der Schule gefallen."
Diese Begegnung war fast genauso schlimm , als die im Meer und durchaus realer.
"Dann hast du es wirklich gesehen."
Es war keine Frage.
"Gesehen? Es verfolgt mich immernoch bis in meine Träume. An jenem Abend habe ich es nicht mehr ausgehalten. Ich musste einfach wissen , was das für ein Wesen war."
Ignis schwieg für eine Weile.
Doch dann nickte er.
"Du hast Glück gehabt. Dieser See wurde extra für dieses Wesen ausgelegt. Wenn Eindringlinge diesen See überqueren, sorgt es dafür , dass niemand jemals das andere Ufer erreicht. Andersrum aber , wenn jemand , der selbst auf diese Schule geht , in den See reinfällt , stehen die Chancen schlecht , dass er je wieder auftaucht."
O...du...heilliger.
So genau hatte ich es doch gar nicht wissen wollen.
Um ehrlich zu sein , hatte ich diesen kleinen Tauchgang gerne hinter dem ins Meer geschoben.
Da hatte ich schließlich nur wissen wollen , ob ich auch tatsächlich nicht verrückt geworden bin (auch wenn es wahrscheinlich besser wäre , ich wäre es).
Wie nah ich dem Tod an jenem Tag tatsächlich gewesen bin...ganz Ruhig Cassandra.
Du musst ruhig bleiben. Es ist vorbei.
"Ich nehme mal an , in der Bibliothek hast du nichts darüber gefunden?"
"Nein...das heißt , bei meiner Flucht ist mir ein Kinderbuch aufgefallen..."
Ignis runzelte die Stirn.
"Ein Kinder..."
Plötzlich schnellte sein Kopf nach oben.
Er fluchte leise.
"Was ist los?"
"Psst." Er legte einen Finger auf seine Lippen. "Schnell. Geh unter die Decke."
"Was?"
"Mach schon!"
Er sprach leise , aber seine Stimme duldete keinen Widerspruch.
Außerdem hatte sie etwas drängendes an sich , so dass ich die Decke zurückschlug und darunter krabellte.
Ignis sprang derweilen vom Bett und bückte sich.
Kam aber Sekunden später wieder hoch geschossen und fluchte wieder leise.
Ich quikte kurz , als er kurzerhand ebenfalls unter der Bettdecke verschwand und ich seine Beine an meinen Nackten spüren konnte. Sein Kopf ruhte auf meinem Becken und seine Armen waren an meine Seite gepresst.
"Was zum..."
Gerade wollte ich mich aufsetzen und ihn von der Bettkante stoßen , als die Tür mit Schwung aufflog.
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