Rosé / 06. September, 10:47 Uhr

"Wie?", schrie ich, während ich die Treppe hochraste. Jisoo folgte dicht hinter mir.

"Da war so ein Knopf, und ich habe einfach draufgedrückt", sagte Jennie.

Ich hätte mir gegen die Stirn schlagen können. Warum war ich da nicht selber draufgekommen, als ich mir Yoongi hier oben war? Nach so vielen rätselhaften Ereignissen hatten wir wohl beide zu kompliziert gedacht.

"Komm schon, geh rein", drängte ich Jennie, während ich über ihre Schulter in den Raum schaute. Das erste, was ich sah, waren Monitore. Viele Monitore. Die verschiedene Abschnitte des Hauses abbildeten. Die Kameras, realisierte ich. Sie waren hier drin.

"Ich gehe ja schon." Jennie machte ein paar Schritte hinein. Und blieb sofort wieder stehen. "Da ist das dumme Ding ja."

"Dummes Ding?", echote ich perplex. Ich konnte es immer noch nicht glauben. Noch nie waren wir der Lösung des Rätsels so nah gekommen.

"Der WLAN-Router. Der hat für zwei Stunden den Geist aufgegeben, als ihr alle weg wart."

Das holte mich zurück aus den Sphären, in denen ich schwebte. Der WLAN-Router. Was für eine ernüchternde Feststellung.

"Jisoo, das sind die Kameras. Wir haben sie gefunden!", rief ich aufgeregt.

"Ich weiß. Hat irgendjemand eine Ahnung, wie man da auf ältere Aufnahmen zugreifen kann?"

"Nee. Ausprobieren, würde ich sagen", meinte Jennie. Sie klang wesentlich heiterer als vorher. Die Ablenkung erfüllte wohl endlich ihren Zweck.

Jisoo ließ sich in einen der beiden Stühle fallen und betrachtete den Bildschirm. Da sich Jennie den zweiten gekrallt hatte, hockte ich mich auf die Armlehne von Jisoos Stuhl und hoffte, sie würde mich aushalten.

Auf jedem Monitor sah man je zwei Teile des Hauses. Auf dem ganz links zum Beispiel war die des Flures vor diesem Raum und die des Raumes leeren Raumes mit der Milchglastür.

"Hier ist euer Schlafzimmer." Jennie deutete auf einen der Monitore weiter rechts.

"Und ich habe hier den Flur vor der Toilette. Sollen wir da anfangen?", fragte Jisoo. Ich nickte. Sie rollte den Stuhl näher an den Tisch, sodass ich fast von der Armlehne rutschte. Jennie machte sich währenddessen an einem anderen Monitor zu schaffen.

Bei Jisoo und mir stellte sich schnell Erfolg ein. Es dauerte nur wenige Minuten, bis Jisoo entdeckt hatte, wie man an vergangene Aufnahmen kam. Der Cursor verharrte über dem Platz, wo man Datum und Uhrzeit ändern konnte.

"Wann war das mit der Vase nochmal?"

"In der Nacht vom 29. auf den 30. August", sagte ich. "Aber wann genau, keine Ahnung. Gib mal 23 Uhr ein."

Um elf Uhr abends war der Flur verlassen. Die Vase stand noch auf ihrem Podest, und absolut nichts bewegte sich. Sekunden, und dann Minuten verstrichen, in denen sich gar nichts tat. Wenn das in dem Tempo weiterging, würden wir morgen noch hier sitzen.

"Gibt es nicht so eine Vorspul-Funktion?", fragte ich.

"Stimmt. Diese Uhr hier müsste eigentlich der Zeitraffer sein."

Jisoo klickte auf ein Uhren-Symbol und erhöhte die Abspielgeschwindigkeit. Ein paar Minuten passierte wieder nichts. Doch dann veränderte sich plötzlich etwas, wenn auch nur für den Bruchteil einer Sekunde.

"Warum nicht gleich", murmelte sie und spulte etwas zurück.

"Und, habt ihr was interessantes gefunden?", fragte Jennie.

Ich starrte wie gebannt auf den Bildschirm.

"Vielleicht."

Es dauerte eine Weile, bis Jisoo es schaffte, so nah an die Szene dranzukommen, dass wir die Geschwindigkeit wieder auf Normal stellen konnte.

Aber als wir dann endlich genau da waren, wo wir hinwollten, sah man nur einen schwarzen Bildschirm.

"Was?", entwich es mir. Das konnte doch wohl nicht wahr sein.

"Ich spule mal ein bisschen vor", sagte Jisoo und klickte auf die Pfeile.

Als endlich wieder der Flur auftauchte, war die Vase bereits heruntergefallen. Wenige Sekunden später sah man Jisoo und mich, wie wir in den Flur kamen und die Scherben entdeckten. So ein Mist.

"Das hat dann wohl jemand gelöscht", stellte Jennie fest.

"Ja." Ich schnaubte. "Lasst uns mal die nächste Nacht anschauen."

Leider bekamen wir sowohl bei der nächsten Nacht, als auch bei Wendys sogenannten Klobesuch dasselbe Ergebnis. Das Bildschirm blieb schwarz, bis es nichts mehr Interessantes zu sehen gab.

"Sieht so aus, als wäre uns Hobi um einiges voraus", sagte Jisoo und lehnte sich frustriert zurück. Dabei rollte auch der Stuhl ein wenig weg und ich verlor das Gleichgewicht. Instinktiv stützte ich mich mit meinem Arm ab. Der dummerweise auf der Tastatur gelandet war.

Der Computer gab ein leises Geräusch von sich und eine Fehlermeldung erschien auf dem Bildschirm. Entnervt drückte ich sie weg und setzte mich zurück auf die Armlehne.

"Und was machen wir jetzt?"

"Wir könnten auch noch die anderen Kameras überprüfen, vielleicht hat er ja was übersehen", schlug Jennie vor.

"Von mir aus. Aber alle werden wir ohnehin nicht schaffen. Wir haben allein eine Dreiviertelstunde für Aufnahmen gebraucht, bei denen wir genau wussten, wann wir schauen müssen."

"Dann fangen wir eben mit denen an, von denen wir auch in etwa wissen, wann etwas passiert ist", entgegnete Jennie.

Auf einmal meldete sich Jisoo zu Wort: "Rosie, ich habe keine Ahnung, was du eben für Tasten gedrückt hast, aber es war genial."

Verwirrt sah ich zu ihr.

"Warum?"

Sie deutete mit dem Kinn auf den Bildschirm. Er war nach wie vor schwarz. Ich warf einen kurzen Blick auf das Datum. Es war der Zeitpunkt von Wendys Toilettengang. Erst dann fiel mir auf, was in der rechten unteren Ecke in winziger, hellgrauer Schrift stand.

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