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Jennie / 05. September, 01:23 Uhr
Nur aus dem Augenwinkel sah ich, wie Sanas Arm sich nach links bewegte. Genau auf die kleine Skulptur zu, die sich dort auf einem Podest befand. Reflexartig wirbelte ich herum und rannte dorthin. Es durfte einfach nicht noch so ein Unglück passieren...
Ich schubste die letzten Leute aus dem Weg, als Sanas Ellbogen die Skulptur traf. Sie drehte sich um, blieb jedoch mit ihrem Rock an dem Podest hängen. Ohne darüber nachzudenken, machte ich einen Satz auf die Figur zu. Ich streckte die Hände aus, und fing sie im letzten Moment auf.
Einen Herzschlag später traf ich auch schon schmerzhaft auf dem Boden auf. Ich unterdrückte einen Schrei. Dann ertönten hinter mir hastige Schritte.
"Jennie, ist alles gut bei dir?", fragte Lisa besorgt. Oh nein, warum musste es unbedingt Lisa sein, die mich in dieser unvorteilhaften Lage sah? Wobei es durchaus nicht schlecht war, dass sie den Vorfall sofort bemerkt hatte...
Nichtsdestotrotz nahm ich ihre Hand an, und mit ihrer Hilfe schaffte ich es, wieder aufzustehen.
"Danke", murmelte ich und errötete.
Kurz darauf zuckte ich zusammen. Schon bei der kleinsten Bewegung fuhr ein stechender Schmerz durch mein linkes Handgelenk. Fast hätte ich deswegen die Skulptur fallengelassen, doch Lisa nahm sie und platzierte sie wieder auf ihrem Podest.
Auf einmal begann die Stelle, an der sich Figur und Podest berührten, blau zu leuchten. Vor Schreck klammerte ich mich an Lisa fest.
"Was ist das?" Die Worte kamen so schnell aus meinem Mund, dass ich sie beinahe selber nicht verstand.
Ein lautes Klicken ertönte. Und plötzlich fingen einige Wände an, sich zu bewegen. Weiter hinten im Wohnzimmer schrie jemand vor Überraschung auf.
"Lisa? Was passiert hier?", fragte ich panisch. Welche Art von Wänden konnte sich derartig bewegen? Das war doch nicht normal!
"Ich weiß es auch nicht!", erwiderte sie im selben Tonfall. "Glaubst du, man kann das irgendwie abbrechen oder so?"
Ich zuckte hilflos mit den Schultern. Wie sollten wir es denn bitte stoppen, wenn wir nicht mal genau wussten, was es überhaupt ausgelöst hatte?
Rosé / 05. September, 01:24 Uhr
Die Wände wanderten aufeinander zu. Doch ich war wie gelähmt vor Angst. Das Einzige, was ich machen konnte, war zusehen.
"Was passiert hier?", fragte Jisoo mit weit aufgerissenen Augen. Wendy zuckte verzweifelt mit den Schultern.
"Keine Ahnung! Die Wände werden uns doch nicht zerquetschen, oder?"
Im selben Moment schwang die linke Wand herum und fuhr genau auf mich zu. Instinktiv machte ich einen Satz nach hinten. Von sich bewegenden Wänden zerdrückt zu werden, war nicht die Art, auf der ich sterben wollte. Vor allem nicht so früh.
Die Wand schob sich an ihren neuen Platz.
Auf einmal realisierte ich, dass sie gerade mich von Jisoo und Wendy trennte. Aber da war es schon zu spät. Ein weiteres Klicken ertönte und die Wände standen still.
Ich stürzte auf die Wand zu und schrie: "Jisoo! Wendy! Seid ihr noch da?"
Als keine Antwort zurückkam, gab ich es auf. Entweder hatte sich bei ihnen ein neuer Flur aufgetan oder sie hörten mich einfach nicht.
Ich drehte mich um und betrachtete den Raum, in dem ich nun stand. Er war nicht besonders groß und bestand offensichtlich aus einer Hälfte des früheren Raums und einem Flurabschnitt. Ein vereinzelter Stuhl stand noch da, sowie ein kleiner Tisch. Und hinter diesem tat sich ein neuer Gang auf.
Den Bruchteil einer Sekunde zögerte ich, aber dann verließ ich den Raum. Einfach stehen zu bleiben war schließlich keine Option. Auch wenn ich nicht mal erahnen konnte, was hier überhaupt geschehen war und warum.
Der Gang war wie ausgestorben, und ich hörte lediglich meine leisen Schritte auf dem Boden. Mein Herz schlug immer noch wie verrückt. Was hatte das alles zu bedeuten?
Plötzlich stieß ich mit jemandem zusammen. Ich schrie auf. Genau wie derjenige, mit dem ich zusammengestoßen war. Dann erkannte ich, wer es war.
"Yoongi?"
"Chaeyoung?", erwiderte er genauso überrascht.
"Wie kommst du hierher?", fragte ich neugierig. Er kniff die Augen zusammen.
"Vermutlich auf demselben Weg wie du. Die Wände haben sich bewegt, und dieser Gang ist entstanden. Aber was doch viel interessanter ist, ist, wo er hinführt."
Da gab ich ihm zwar nur teilweise recht, jedoch war diese Frage eine der ersten auf meiner Liste.
"Da, wo ich herkomme, gibt es nichts Interessantes. Es sei denn, du möchtest unbedingt einen Stuhl sehen", meinte ich.
"Gut, dann würde ich vorschlagen, wir gehen in die andere Richtung. Da war noch so eine andere Abzweigung, wo ich noch nicht war."
Ich nickte, und wir folgten dem Flur bis zu einer gläsernen, milchigen Schiebetür. Sie besaß keinen Griff, oder ähnliches, womit man sie hätte öffnen können. Das Einzige, was sich daneben befand, war ein Tastenfeld.
"Und wie kommen wir da jetzt rein?", erkundigte ich mich. "Wir könnten natürlich einfach die Tür einschlagen. Das könnte aber eventuell etwas schmerzhaft werden. Nur sehe ich keine anderen-"
Yoongi gab eine Zahlenfolge in das Feld ein. Sechsmal die Null. Das war nicht gerade der sicherste Code. Doch die Tür öffnete sich mit einem leisen Zischen.
"So geht es natürlich auch", sagte ich. "Woher kennst du den Code?"
"Ich habe geraten", sagte er.
Ich musterte ihn misstrauisch. Den Code beim ersten Mal direkt herauszufinden, war sehr unwahrscheinlich. Allerdings auch nicht so unwahrscheinlich, dass es mit Sicherheit hieß, Yoongi spielte irgendein böses Spiel.
Er schien genau zu wissen, was ich gerade dachte, denn er sagte: "Chaeyoung, wenn ich dich hätte umbringen wollen, wärst du jetzt schon tot. Also, kommst du jetzt?"
Ich war immer noch nicht ganz überzeugt. Er seufzte.
"Also, entweder gehen wir jetzt da rein, oder wir bleiben hier weiter stehen. Ich persönlich würde ja ersteres bevorzugen, aber entscheide du."
Reiß dich zusammen, Rosie, ermahnte ich mich selbst. Er hat nicht unrecht. Wenn er dir etwas hätte antun wollen, wäre das schon passiert. Und außerdem, wer wusste schon, wann wir diese Tür nochmal zu sehen bekommen würden?
"Gut, dann lass uns gehen", stimmte ich schließlich zu.
Hinter der Tür befand sich eine schmale Treppe ins Obergeschoss, welches nur aus einem kurzen Flur und einer Tür in einen anderen Raum bestand. Die Tür war aus massivem Material, und besaß anders als die vorherige kein Tastenfeld, nur einen kleinen metallenen Punkt. Somit war es für uns unmöglich, hier hineinzukommen.
Mangels Alternativen folgten wir dem Flur bis zum Ende, wo wir eine weitere Treppe fanden. Diese ging jedoch deutlich weiter runter. Und am Fuß der Treppe lag ein vollkommen leerer Raum, dessen einzige Besonderheit die Milchglastür war, die an einer der Wände prangte.
Yoongi gab erneut den Code ein, und die Tür öffnete sich.
"Das war ja nicht sehr aufschlussreich", sagte er, nachdem wir den Kellerraum betreten hatten. Es war der, in dem Jisoo ihre aufblasbare Banane gefunden hatte.
Ich setzte gerade zu einer Antwort an, als ich sie bemerkte. Mit blutverschmierter Stirn lag Seulgi da, vollkommen regungslos. Ich erstarrte.
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