-17-
Lisa / 02. September, 17:38 Uhr
Ich platzte ins Wohnzimmer herein. "Kommt wer mit mir zu diesem Wasserfall hier in der Nähe? Ich habe gehört, der soll ziemlich schön sein."
"Wenn es dir nichts ausmacht, würde ich lieber ein bisschen was essen... Wir sind ja gerade erst zurückgekommen", sagte Rosie.
"Okay, dann guten Appetit. Was ist mit euch beiden?" Ich schaute zu Jennie und Jisoo, die auf dem Sofa saßen.
Jisoo deutete auf ihren Laptop, der in ihrem Schoß ruhte. "Ich muss das Video für den Blog schneiden... Vielleicht sollten wir den Wasserfall einfach auf einen anderen Tag verschieben?"
Ich zuckte mit den Schultern. "Ja, vielleicht. Alleine dahingehen möchte ich jetzt auch ni-"
"Ich komme mit", unterbrach mich Jennie. "Wann willst du los?"
Sofort hob sich meine Laune wieder. "Jetzt?"
"Von mir aus", sagte Jennie und stand auf. Zusammen gingen wir in den Flur.
"Sag mal, kennst du eigentlich den Weg?", fragte Jennie, während sie sich fertigmachte.
"So in etwa. Jihyo meinte, man müsste von hier aus einfach am Bach entlang bergauf gehen. Soll auch nicht besonders lang bis dahin sein, höchstens fünf Minuten."
"Hoffentlich müssen wir uns nicht durchs Gebüsch schlagen", murmelte Jennie. Dann war sie endlich fertig und wir konnten los.
Zuerst mussten wir einmal ums Haus herum, da der Bach auf der gegenüberliegenden Seite der Eingangstür war.
"Siehst du, hier ist fast kein Gestrüpp!" Ich deutete auf den schmalen, kaum überwucherten Pfad, der am Bach entlangführte.
"Hm...", machte Jennie abwesend. Auf ihren Lippen lag ein verträumtes Lächeln.
Ich stupste sie an. "Woran denkst du?"
Sie zuckte zusammen und starrte mich mit großen Augen an. "Woran ich... Ach, nichts wichtiges."
"Aha. Und was ist das?", bohrte ich scherzhaft weiter nach.
Sie errötete leicht. "Die Party... Der Einbrecher... Die üblichen Sachen, du weißt schon."
"Aha." Ich zog das Wort absichtlich in die Länge. Jennies Kopf nahm langsam, aber sicher die Farbe einer überreifen Tomate an.
Sie schlug mir leicht gegen den Arm. "Lass das!"
Ich schaute sie nur unschuldig an, was sie zum Lachen brachte. Ich musste grinsen. Sie war einfach zu süß, wenn sie verlegen war.
"Aber mal ehrlich: Woran hast du eben gedacht?", fragte ich nach einer Weile.
"Hab ich doch schon gesagt", sagte sie.
"Du bist nicht besonders gut darin, mich zu täuschen... Also, was war es?"
Jennie presste demonstrativ die Lippen zusammen. Dann musste wohl eine andere Strategie her.
"Wie wäre es hiermit: Ich erzähle dir einen Gedanken von mir, und dafür gibst du mir einen von dir", schlug ich vor.
"Nein."
"Das heißt, ich werde es nie erfahren?" Ich sah sie so mitleidserregend an, wie ich konnte.
Ihre Mundwinkel zuckten. "Sieht ganz so aus", sagte sie trotzdem.
"Wirklich nicht?"
Jennie richtete ihren Blick nach oben, als würde sie angestrengt nachdenken.
"Nein... Wobei, es hängt eigentlich davon ab, wie sich die Dinge entwickeln... denke ich."
Ich machte schon den Mund auf, um zu fragen, wie sich die Dinge denn entwickeln müssten, als ich das Rauschen eines Wasserfalls hörte.
"Jennie, wir sind gleich da!" Voller Vorfreude fing ich fast an, zu rennen. Jetzt würde ich endlich einen der Wasserfälle sehen, von denen Joy immer so geschwärmt hatte.
"Es ist nur ein Wasserfall, Lisa", rief Jennie mir amüsiert hinterher.
"Na und? Ich habe noch nie so nah an einem Wasserfall gewohnt!"
Das Rauschen wurde immer lauter und endlich konnte ich durch die Blätter einen Blick auf herunterstürzende Wassermassen werfen. An manchen Stellen brach sich das Licht in winzigen Tröpfchen, sodass um das Wasser herum eine beinahe unwirkliche Atmosphäre entstand.
Ich blieb direkt daneben stehen. "Wunderschön, oder?"
"Man könnte meinen, du hättest noch nie einen Wasserfall gesehen", meinte Jennie. Allerdings wusste ich, dass sie es genauso sah wie ich. "Es ist nur ein wenig nass hier."
Da musste ich ihr leider zustimmen. Die hohe Luftfeuchtigkeit war mir eigentlich schon genug, da musst nicht auch noch ein Wasserfall nachhelfen.
"Wie hoch glaubst du, ist er?" Jennie schaute kritisch nach oben.
Ich kniff die Augen zusammen. "Sieben, acht Meter, schätze ich... Willst du da etwa hoch?"
"Genau", sagte sie fröhlich und begann, den Hang hochzuklettern. Als sie einmal fast abrutschte, setzte mein Herz für einen Moment aus.
"Jennie, komm wieder runter, das ist viel zu gefährlich!", schrie ich.
Sie sah zu mir herunter. "Wenn du diesen Stein da nicht benutzt, ist es ziemlich einfach, hier hochzukommen. Komm doch auch, ich wette die Aussicht ist super!"
Ich fluchte. Seit wann war sie so lebensmüde? Aber wie es aussah, konnte ich sie nicht davon abhalten. Besser wartete ich, bis sie oben war, damit ich sie notfalls auffangen konnte.
Entgegen meiner Befürchtungen kam sie jedoch unbeschadet an und blickte in die Ferne. "Lisa, jetzt komm schon! Es ist super hier, man kann bis zu unserem Haus schauen!"
Kurz überlegte ich, was dagegensprechen würde, ihr zu folgen. Doch wenn sie es mit Leichtigkeit unbeschadet nach oben geschafft hatte, würde ich das auch schaffen. Also setzte ich vorsichtig einen Fuß vor den anderen. Es war tatsächlich so leicht, wie sie gesagt hatte. Und die Aussicht war es definitiv wert.
Zuerst sah man nur Bäume, und in der Ferne den See. Nur wenn man genauer hinsah, konnte man das Haus zwischen den Blättern erkennen.
Jennie deutete auf die Terrasse. "Ist das da nicht Rosie?"
Sie hatte recht. Das auf der Terrasse sah wirklich nach Rosie aus, die gerade am Essen war. Ich nickte.
"Wie genial... Ich glaube, das hier ist jetzt schon einer meiner Lieblingsplätze geworden", stellte Jennie fest.
"Meiner auch", stimmte ich ihr zu. "Lass uns mal zu diesen Steinen da gehen, ich glaube, die würden einen super Platz für ein Picknick oder so abgeben."
"Gute Idee! Das müssen wir nach der Party unbedingt mal machen. Also das Picknick, meine ich", sagte sie euphorisch. "Sollen wir das den anderen gleich mal vorschlagen?"
So sehr ich Jisoo und Rosie auch mochte, irgendwie fühlte es sich nicht richtig an, mit ihnen hierherzukommen. Der Wasserfall war wunderschön, keine Frage. Und dass auch schon andere hier gewesen waren, war auch klar. Allerdings wurde ich den Gedanken nicht los, dass er nun zu Jennies und meinem Ort geworden war. Und zwar nur zu unserem.
Ich schaute unschlüssig zu Jennie. Dachte sie genauso?
"Okay, dann nicht. Wir machen unser Picknick hier alleine", beschloss sie und räumte meine Zweifel aus dem Weg. Mein Herz machte einen erleichterten Sprung in meiner Brust.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro