Die Stadt
Die Architektur einer Stadt
ist das Spiegelbild
der Seele ihrer Bürger.
-Günter Seipp
Es sind bereits mehrere Tage vergangen seit wir uns in der Höhle niederließen. Eine zu lange Zeit. Wir haben jetzt kaum noch Essen und auch das Regenwasser, welches durch den Felsen der Höhle gefiltert wurde, geht uns langsam aus. Wir müssen in die Stadt. Hoffen, dass es dort einen Laden oder ähnliches gibt.
Ich rufe Skip, der mittlerweile aufs Wort hört, und wir gehen gemeinsam los, lassen unsere Höhle zurück. Ich werde mich wahrscheinlich noch lange Zeit an sie erinnern. Hier habe ich die Schönheit der Natur wiedergefunden. Hier habe ich einen Freund gefunden. Hier habe ich schöne Erinnerungen geschaffen.
Während wir auf der kaputten Straße gehen, bemerke ich den Baum. Er ist schwarz und fast komplett abgebrannt. Der Regen muss dem Feuer wohl zuvorgekommen sein. Ich gehe hinüber und suche nach Holzstücken, die ich noch später für ein Feuer verwenden könnte.
Die Ausbeute ist nicht groß, aber besser als gar nichts. Währenddessen kommt Skip mit einem Stock im Maul zu mir gerannt. Er legt ihn vor mir ab und blickt mich aufgeregt an. Dieses Spiel haben wir die letzten Tage des Öfteren gemeinsam gespielt, wenn ich nicht aufstehen konnte. Ich hebe den Stock auf und betrachte ihn kurz, dann werfe ich ihn in hohem Bogen nach vorn. Wie ein Pfeil rennt Skip ihm hinterher und kommt keine Minute später hechelnd zurück. Wir wiederholen dieses Spiel noch einige Male, bis mein Arm zu müde wird.
Ich habe keine Beschäftigung mehr, also denke ich nach.
So fällt mir ein, warum ich eigentlich in die Stadt wollte und mir wird klar, dass ich das auch muss. Ein schrecklicher Gedanke kommt mir in den Sinn. Wenn ich nun mein Zeitgefühl verlieren würde, dann könnte ich mich auf rein gar nichts mehr verlassen. Ich würde die Rakete verpassen und niemals von hier wegkommen. Deshalb musste ich unter Menschen. Seit wir von dem Haus des Mannes weg sind, sind garantiert schon zwei Wochen vergangen.
Am Horizont tauchen jetzt die ersten Gebäude auf. Nun ja, vielmehr das, was noch von ihnen übrig ist. Ich habe es zwar nicht anders erwartet, aber dennoch überrascht mich die gewaltige Zerstörung noch immer. Es ist jetzt schon so viel Zeit vergangen und noch immer haben sich die Städte nicht erholt.
Wie auch, wenn ihre Bewohner fliehen und sie zurücklassen.
Ich beginne über manche der Trümmer zu steigen und Skip folgt mir. Als sie zu hoch werden, nehme ich ihn auf den Arm und klettere über die einzelnen Steine, die wohl einmal zu Hochhäusern gehörten. Den größten Teil bewältigt, setze ich Skip rasch wieder ab. Die zusätzliche Belastung tat meinem rechten Bein, trotz langer Schonzeit, noch nicht gut.
„Komm Skip, wir suchen uns ein schönes Plätzchen."
Nach einiger Zeit kommen wir in das Zentrum der Stadt. Erstaunlicher Weise herrscht hier nicht allzu viel Zerstörung. Manche Gebäude stehen noch vollständig, anderen fehlen nur ein paar Außentreppen oder das Dach. Ich kann jedoch keinen Laden entdecken, keine anderen Menschen, was sehr ungewöhnlich ist. Normaler Weise sind solche Ruinen Luxuswahre für Wanderer und Obdachlose. Ich kann mir nicht vorstellen, dass niemand sich hier niedergelassen hat.
Zuerst einmal setze ich mich vor eines der Gebäude, die noch stehen und hole die Plastiktüte hervor. Es bleibt und noch ein winziges Stück Schinken und ein Kanten Brot. Wasser haben wir noch eine Plastikflasche voll; Ich habe sie aufgefüllt bevor wir losgingen. Sofort kommt Skip angetrabt und stellt sich vor mich. Ich werfe den Schinken in die Luft und in hohem Bogen springt er hinterher und fängt es auf. Als er wieder auf dem Boden ankommt, leckt er sich bereits genüsslich das Maul.
Unbewusst wird mir wieder klar, dass er frisst, was ich essen könnte und von meinem Essen lebt, dass mir das Leben retten könnte. Nur, dass ich ohne Skip gar nicht mehr am Leben wäre.
Plötzlich werde ich von der Seite angerempelt. Ich bin zu überrascht um wirklich auf sie zu achten, doch es handelt sich eindeutig um ein Mädchen.
„Sorry!", sagt sie und rennt weiter.
Perplex starre ich ihr hinterher. Dann wird mir klar, ich muss ihr hinterher. Sie ist der erste Mensch den ich hier gesehen habe.
„Warte!", rufe ich ihr hinterher, doch sie ist bereits hinter der nächsten Ecke verschwunden.
Erst da bemerke ich meine leeren Hände. Meine leeren Hände in denen sich eigentlich hätte eine Tüte befinden sollen.
Mit meinem Essen.
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