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Kapitel 13 Teil 1: Abgrund

„Was heißt, du weißt, wo sich unser nächstes Ziel befinden könnte?" Hikus Gabel klirrte auf den Teller. „Seid ihr ihm gestern beim Shoppen begegnet oder was? Lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen!"

„Nein, nicht beim Shoppen", antwortete Munin langsam.

„Und wieso lässt du uns dann weiter die Stadt absuchen und verschwendest unsere Zeit?", keifte der Hüne. „Findest du das lustig?"

Munin lehnte sich zurück und rieb sich mit Daumen und Zeigefinger über die Augen. Es wäre lustiger, ihn zappeln zu lassen, wenn ihm seine Stimme keine Kopfschmerzen bescheren würde. „Mir war es in dem Moment entfallen und ich brauchte, wie gesagt, sowieso eine Pause."

„Wir hätten es finden und hierherbringen können. Du musst dann ja eigentlich nur noch herumliegen."

„Und etwas mehr sterben", fügte Munin trocken an. „Ja, ich weiß auch nicht, wieso ich mich so anstelle."

„Kannst du uns mehr Informationen über unser Ziel geben? Wo hast du es gesehen? Wie sieht es aus?" Jurik schien gelassen, schob sich eine weitere Gabel voll Rührei in den Mund.

„Sie hat Widderhörner und orange Korkenzieherlocken. Sie ist eher klein, glaube ich. Sie trug braune Hosen. Oder schwarze." Munin runzelte die Stirn. Jurik zog kleine Kreise mit der Gabel in der Luft, um ihm anzuzeigen, fortzufahren. „Sie hat getanzt. In einer Bar. Ich weiß es nicht. Da waren Häuser ringsherum und eine Kathedrale. Das Gotteshaus sah mitgenommen aus, das Dach fehlte an einer Ecke, aber die Fenster waren alle intakt. Irgendwelche bunten Mosaike."

Hiku schnaubte. „Toll. Das kann ja jetzt nur noch fast überall sein. Wann bist du ihr denn begegnet? Und wer war bei dir? Vielleicht erinnert der sich an mehr, als dein kleines Menschenhirn hergibt."

„Nun. Nexal hat mir geholfen, sie aufzuspüren."

Das wiederum schien den Feuergott zu erheitern. Er legte den Kopf in den Nacken und lachte zur Decke auf. „Da kann es der Aasgeier wohl nicht erwarten, deine Seele in die Finger zu bekommen." Er runzelte die Stirn. „Oder er will uns sabotieren und es ist ein Trick."

Das Seufzen, das Munin ausstieß, zeugte von endloser Frustration. „Oder er will einfach nur helfen."

„Nexal hilft niemandem", erwiderte Hiku laut, was in den skeptischen Blicken seiner Halbgeschwister geschrieben stand.

„Ich habe so ein paar Ideen, welche Orte wir zuerst abklappern könnten", schaltete sich Leia ein. „Ich glaube, es gibt keine Bar, die ich noch nicht aufgesucht hätte. Aber gönnen wir unserem Menschlein erst noch etwas Ruhe und fokussieren uns heute früh auf einen möglichen vierten Kandidaten." Sie zwinkerte Munin zu, der sich eine viertel Stunde vorher im Spiegel vor der eigenen Blässe und den Augenringen erschreckt hatte.

„Was hat das eine mit dem anderen zu tun? Wenn er tot ist, hat er genug R..."

Cyriz stieß Hiku in die Seite.

„Was denn?"

„Vielleicht könntet ihr euch dann auch nach Camu und Lambert umsehen?", fragte Emilia zaghaft, die gerade vom Eingang kam.

Der Stuhl schabte geräuschvoll über den Boden, als Pan sich etwas zu hastig erhob. „Hast du ihn nicht gefunden?"

Sie presste die Lippen zusammen und hob einen Chip in die Höhe. „Das erklärt, warum ich ihn orten konnte, er sich letzte Nacht aber nicht gemeldet hat." Sie starrte das kleine Ding an. „Der Chip war in einem Kanre."

„Ich kann mir nicht vorstellen, dass Roboter schmecken", murmelte Hiku mit gerunzelter Stirn.

„Natürlich sehen und hören wir uns um", antwortete ihr Cyriz.

„Ist dir gestern noch etwas aufgefallen?" Hoffnungsvoll landete Emilias Blick auf Munin.

Der schluckte das Stück Toast herunter. „Leider nicht. Ich konnte Camu nicht überzeugen und habe sie mit Lambert auf der Brücke zurückgelassen."

„Wer war bei dir?" Juriks Tonfall war beiläufig, aber sein Blick tastete Munins Gesicht ab.

„Niemand. War ja nicht weit weg von hier und in keinem gefährlichen Viertel." Er stützte sich mit den Unterarmen auf dem Tisch ab. „Keine Sorge, ich passe auf die Kerne auf."


Munin lag in seinem Bett, auf der Seite, und blickte in den Spiegel.

„Nexal?"

Nur ein Name und die Spiegelfläche trotzte allen Gesetzen. Munin lächelte. Ihm gefiel der Gedanke, dass der Gott des Todes auf Abruf für ihn bereitstand.

„Kannst du mir etwas Gesellschaft leisten? Hier?"

Im nächsten Moment saß Nexal auf dem Boden und lehnte an seinem Bett. Wie am Vortag lösten sich Partikel von ihm.

„Wenn es dir Schmerzen bereitet, hier zu sein, will ich dich aber nicht zwingen."

Der Gott legte den Kopf in den Nacken und auf der Matratze ab. „Körperlicher Schmerz ist eine Empfindung. Sie hat die Bedeutung, die du ihr beimisst. Mach dir keine Gedanken darum." Er drehte das Haupt zur Seite. „Wie sagen die Menschen: Geteiltes Leid ist halbes Leid? Wenn meine Anwesenheit den vier Göttern ein Dorn im Auge ist, muss ich allerdings wieder verschwinden."

Im Spiegel ertappte sich Munin, wie er reflexartig die Zähne bleckte. Er atmete durch, aber seine Stimme blieb schneidend. „Wenn sie reinkommen, schicke ich sie weg."

„Ich will dich nicht in Schwierigkeiten bringen oder sie ärgern."

„Zu spät, würde ich sagen." Das kantige Grinsen verlor sich in einem Gähnen, das er unter der Decke versteckte. „Tut mir leid. Ich bin erneut keine sehr gute Gesellschaft, fürchte ich. Ich bin todmüde. Ich meine ..." Seine Worte entlockten ihm ein Kichern. „Götter, fühle ich mich beschissen."

„Wir können uns etwas ansehen", schlug Nexal vor und der Spiegel verwandelte sich in einen Fernseher. Ein Mann und eine Frau saßen in einem schnittigen Weltraumflieger, der von anderen Schiffen verfolgt wurde. Untertitel huschten über die Fläche.

„Damit wäre ein weiteres Mysterium gelüftet. Die Fähigkeit des Todes ist es, Fernseher zu erschaffen." Er lachte weiter, auch Nexals anklagender Blick änderte daran nichts. „Sieh mich nicht so an – das ist eine wirklich tolle Fähigkeit. Aber was ist mit dem Ton?"

„Der geht zwischen den Welten verloren", murmelte er, nicht ohne eine gewisse Unzufriedenheit. „Verzeihung."

„Nein. Alles gut. Ich fühle mich fast, als wäre ich auf einem Date."

„Date", wiederholte der Tod.

„Götter", murmelte Munin. „Zeph hatte seinen Wassergott-Sem-Verschnitt, aber Ajax ... Die einzigen Dates hatte ich mit dir während meiner – seiner – Nahtoderfahrungen." Nachdenklich kratzte er sich am Kinn. „Vielleicht könnte man den Besuch des Kraters noch am Ehesten als Date bezeichnen."

„Traurig."

Er schmiss eines von zwei Kissen auf Nexal. Es traf ihn an der Schläfe „Das war nicht das, was ich hören wollte", beschwerte er sich belustigt.

Der ruhige Blick des Todes landete auf ihm, ein leichtes Lächeln kitzelte an seinen Lippen. „Ich beschwere mich ja nicht. Ich sage lediglich, dass du deine Ziele vielleicht etwas höherstecken solltest."

„Höher als der Gott des Todes?"

Bei dieser Frage wandte ebenjener sich wieder ab, um auf den Bildschirm zu starren. „Ja."

Eine Weile sahen sie den beiden Menschen stumm dabei zu, wie sie durch unglückliche Umstände immer wieder davon abgehalten wurden, sich näher zu kommen.

„Nexal?"

„Ja?"

„Du musst nicht ..." Munin setzte erneut an. „Du musst dich nicht ändern. Du musst nicht ..."

„Aber ich will." Falten bildeten sich auf seiner Stirn. „Ich will menschlicher sein. Aber ich brauche Zeit. Und Hilfe."

Ein Klopfen an der Tür, die einzige Warnung, bevor Leia sie öffnete. „Du bist angezogen."

Munins Hand, die sich nach Nexal ausgestreckt hatte, fiel auf das Bett. Der Todesgott war beim ersten Geräusch verschwunden. „Wieso sollte ich nicht – ? Und was ist das überhaupt für ein Tonfall? Erleichterung? Enttäuschung? Wolltest du mich mitten – ? Weißt du was, warte gefälligst das nächste Mal, bis ich dich hereinbitte. Du hast genauso schlechte Manieren wie Hiku."

Sie schnappte nach Luft. „Vergleich mich nicht mit dem Idioten." Lächelnd schloss sie die Tür hinter sich und lehnte sich dagegen. „Hiku wollte dich holen. Oder den Aas... Nexal verscheuchen. Ich hatte keine Zeit für Manieren." Sie wippte vor und zurück. „Bereit für ein Abenteuer?"

Munin zögerte, nickte dann.


Es war die vierte Bar, zu der Leia ihn schleifte, die zu seiner Erinnerung passte.

Als sie den Schankraum betraten, drehten sich die paar Gäste kurz um, bevor sie sich wieder ihren Getränken zuwandten. Auf der kleinen Bühne samt verstaubtem, rotem Vorhang spielte eine Kanre Gitarre; eine langsame, melancholische Melodie.

„Guten Tag", flötete Leia, während sie sich an den runden Tischen vorbeischob, von denen die rote Farbe blätterte. Sie stützte sich mit den Handflächen auf den Tresen. „Wir sind auf der Suche nach jemandem – einem orangenen Lockenköpfchen. Klein. Widderhörner." Sie hielt inne und sah Munin an. „Also wahrscheinlich nach hinten gedrehte geriffelte Hörner?"

Er stimmte zu.

Der Gast auf einem der Barhocker schnaufte in sein Glas, während der Barkeeper weiter Gläser polierte. Das Gitarrespiel war verstummt.

„Wieso?", fragte der Mann hinter dem Tresen, ohne den Blick zu heben. Ein stämmiger Kerl mit kurzen, braungrauen Haaren und gebräunter Haut. Auf seinen Händen stachen Narben weißlich hervor.

„Wir wollen ihr ein Angebot unterbreiten. Ein sehr gutes Angebot. Sie ist nicht in Schwierigkeiten oder so. Sie hat einfach ... im Lotto gewonnen."

Das ließ den Barkeeper den Blick heben. „Lotto?"

Eine weitere Stimme mischte sich ein: „Sie sollte bald hier sein."

Leia und Munin drehten sich zur Bühne um.

„Rayna", schob die Kanre mit der Gitarre nach. „Zur Probe. Sie singt hier ab und an." Ihre Augen glitzerten. „Hat es was damit zu tun? Will sie jemand für einen Gig? Wenn es richtig fancy sein soll, dann braucht sie Begleitung." Sie fuhr einmal über die Saiten ihrer Gitarre.

„Unser Angebot ist besser. Denke ich." Leia zwinkerte der Kanre zu, glitt auf einen der schwarzen Barhocker und begann damit, den Anwesenden Lotto zu erklären. Dann Zeitschriften und Videospiele. Die Neda in der Taschendimension waren sogar noch rückständiger als die falschen Götter. Mitten in der Erklärung von YouTube öffnete sich die Tür und Munin kippte fast hintenüber von seinem Barhocker.

„Ah, du musst Rayna sein", rief Leia und hob ihr Bierglas zum Gruß. „Würdest du uns ein paar Minuten deiner Zeit schenken? Es ist wirklich wichtig. Gibt es hier einen Raum, in dem wir unsere Ruhe haben?"

Der Wirt hielt ihr einen Schlüssel hin und deutete erst nach oben, dann auf eine Tür neben dem Tresen.

Leia schnappte sich die Frau, die sich mit einem frechen Grinsen mitziehen ließ. „Ich mag Frauen, die nichts anbrennen lassen und wissen, was sie wollen", meinte Rayna.

Hinter der Tür offenbarte sich eine Treppe nach oben. Munin folgte mit etwas Abstand. An das Gefühl seines rasenden Herzens würde er sich nicht mehr gewöhnen. Nur der Gedanke, dass sie die Letzte war, tröstete ihn und erleichterte seine Schritte.

Der Barkeeper sah ihnen nach. „Wenn was ist, schrei laut genug, Ray, um uns zu warnen."

Von der Kanre bekam er dafür ein: „Arschloch!", an den Kopf geworfen.

Am Ende der Treppe war ein kurzer Flur, von dem zwei Türen abgingen. Die erste ließ sich mit dem Schlüssel öffnen und führte in einen Raum, der wohl für kleine Versammlungen genutzt werden konnte.

„Lasst mich eins klarstellen: Ich bin für vieles offen." Sie musterte Leia und Munin von Kopf bis Fuß. „Aber wenn ihr mir dumm kommt, brech' ich euch die Knochen."

„Herzallerliebst", entgegnete Munin trocken.

Während Munin innen neben der Tür lehnte und Leia erklärend auf und ab tigerte, saß Rayna auf einer mit einem weißen Laken abgedeckten Tischkante. Je weiter sie in ihrer Geschichte kamen, desto mehr Platz nahm das gierige Funkeln in Raynas Augen ein.

„Und, Interesse?", schloss die Wassergöttin.

„Interesse an Macht und der Möglichkeit, hier rauszukommen und den Sem in den Arsch zu treten? Aber hallo! Ja! Kann von mir aus gleich losgehen." Breit grinsend stapfte sie auf Munin zu, wurde aber von Leias Arm aufgehalten.

„Es ist sehr schmerzhaft für Munin."

„Und?" Sie verdrehte die Augen. „Ich meine. Es geht sozusagen um die Rettung der Welt. Oder?"

Auf Leias Lippen bildete sich ein Lächeln, das sanft wirkte, aber gleichzeitig etwas Eisiges an sich hatte. „Wir kehren erst zu unserer Basis zurück."

Rayna hob das Kinn und verschränkte die Arme. „Und woher weiß ich, dass ihr mich nicht verarschen wollt, hm?"

„Wenn du dir unsere Auren ansiehst, dann wirst du –"

„Nicht gut genug. Ist egal, wer ihr seid. Ihr könntet eure Auren auch mit Tricks verschleiern. Ich nehme mir den Kern hier und danach komm' ich mit."

Seufzend massierte sich Leia die Nasenwurzel. „Wir warten zumindest auf unseren Heiler."

Augenverdrehend pustete sich Rayna eine Locke aus der Stirn. „Das Menschenkind soll sich nicht so anstellen." Bevor Leia etwas sagen konnte, hob sie die Hände. „Schon gut, schon gut. An manchen Haustieren hängt man halt. Außerdem hab' ich nichts gegen Misstrauen."

Munin war zu beschäftigt, nicht an einem Herzinfarkt zu sterben, um wirklich sauer zu werden. Und im Prinzip war er solche Worte schon von Sem gewohnt.

Weniger als zehn Minuten später trat nicht nur Quesa, sondern auch Jurik in den Raum.

„Ich habe gehört, du bist wieder schwierig, Ray?" Ein nachsichtiges Lächeln milderte die Worte des Kan.

Ihre Augen blitzten auf. „K'te Jurik!" Sie legte eine Handfläche auf ihre Körpermitte und neigte das Haupt. Nach diesem offiziellen Gruß lief sie auf ihn zu und zog ihn in eine Umarmung. „Schön, dich wiederzusehen."

K'te? Ein höherer Rang als ich nach Leias ‚Exritter' vermutet hätte.

„Ebenso", murmelte Jurik, klopfte ihr auf den Rücken und löste sich von ihr. „Auch wenn ich mich an das Orange gewöhnen muss." Er zupfte an einer Haarsträhne, die sofort wieder zurückhüpfte.

„Schlimm?"

Er schüttelte den Kopf. „Passt zu dir."

Erneut funkelten ihre Augen. „Also ist das Märchen, das sie mir aufgetischt haben, wahr?"

Juriks Grinsen wurde wölfisch, während er nickte. „Vertraust du mir noch genug, dass wir zuerst zur Basis können?"

„Natürlich, K'te", antwortete sie enthusiastisch. „Ich habe geschworen, dir bis in den Tod zu folgen."

Auf dem Nachhauseweg fiel Munin weiter zurück, Quesa und Leia taten es ihm gleich.

„Wie geht es dir?", wollte der Wassergott wissen.

„Gut. Diese Anziehung macht mich nur verrückt. Zum Glück ist sie die letzte." Er kickte einen Stein weg. „Ihr wart schnell da."

Er hob die Schultern. „Leia gab uns Bescheid, als ihr die Bar gefunden hattet. Jurik, Cyriz und ich haben uns dann auf die Lauer gelegt. So kurz vor dem Ziel sind wir alle nervös."

„Verständlich." Es klang weitaus bitterer denn angestrebt.


Dieses Mal war Munin schlauer und lag schon auf der Couch. Zusätzlich zu den Wunden in seinem Aurasystem konnte er auf welche an seiner physischen Präsenz und vor allem seinem Kopf verzichten.

Die Position führte aber dazu, dass die Gruppe, die sich um ihn versammelte, auf ihn herabsah. Er biss die Zähne zusammen und konzentrierte sich auf die einzige Person, die momentan wichtig war.

Raynas Augen waren groß und glitzernd vor Verlangen, ihr Lächeln überbreit. Fehlte nur noch, dass sie auf ihn herabsabberte.

„Go?" Ihr Blick wanderte zu Jurik, der ihr zunickte.
Dann zuckte ihre Aura nach vorne, schnell wie eine Viper. Allerdings hatte sie nicht die Finesse eines dieser Tiere, nein, sie walzte förmlich durch sein System und hätte jede Schlange auf ihrem Weg zerquetscht, wie eine Horde wildgewordener Widder.

Er krallte die Finger in die Polster und milderte einen Schrei zu einem Stöhnen.

Angekommen an ihrem Ziel verwandelte sie sich in einen Bagger, umschloss das Objekt ihrer Begierde mitsamt Umgebung und riss. Es war, als würde ein Faden nach dem anderen durchtrennt. Als würde ihm der Held erneut den Brustkorb aufschlitzen. Mit einem Buttermesser. Zentimeter für Zentimeter.

Kein Laut kam ihm über die Lippen, aber seine Augen starrten an die Decke. Blinzeln musste er nicht, Tränen befeuchtete seine Netzhaut zu Genüge.

Wenn jemand etwas sagte, verstand er es über das Rauschen in seinen Ohren nicht.

Mit dem Reißen des letzten Fadens explodierte der Schmerz in seiner Brust und schupste ihn über die Schwelle.

Er stürzte wortwörtlich ins Nichts, in einen schwarzen, unendlichen Abgrund. Vielleicht schwebte er auch in diesem Nichts. Begleitet von loderndem Schmerz und Gedanken, die darin verbrannten. Seine Finger griffen nach nichts und bekamen nichts zu fassen. In seinen Ohren schrie unendliche Stille und drohte, seine Trommelfelle platzen zu lassen. Er atmete, aber seine Lungen füllten sich nicht mit Luft, sondern mit Wasser. Trotzdem starb er nicht. Oder vielleicht tat er es doch, immer und immer wieder.

Nein, nein, nein, nein, nein, ...

Neben der Dauerschleife in seinem Kopf konnte er keinen eigenen Gedanken fassen. Die ungewohnte Verzweiflung seines Bruders versetzte ihn selbst in Panik. Schweiß hätte ihm ausbrechen sollen, sein Herz hätte wild Blut durch seine Adern pumpen müssen. Aber da war nichts, kein Ventil für seine Emotionen.

„Nexal", flehte er und erstickte fast an den Buchstaben. „Nexal. Bitte. Bitte, bitte, bitte ..."

Ein Blitz zerteilte das Dunkel. Zwei grüne Irrlichter schossen auf ihn zu. Etwas Weiches, Kühles streifte seine Wange. Zwei Hände mit viel zu langen Fingern und viel zu spitzen Nägeln drückten ihn an einen totenkalten Körper.

Und dann lag er auf dem Boden des Spiegelganges, nach Atem ringend, aber schmerzfrei.

Der Gott des Todes saß neben ihm, rieb ihm die Schulter, doch sah ihn nicht an.

„Was war das?", wisperte Munin. „Wo war das?"

„Verzeih. Dieses Mal bist du mir durch die Maschen geschlüpft, ich konnte dich nicht rechtzeitig abfangen."

„Wovor abfangen?", beharrte er und als Nexal schwieg, schob er hinterher: „Ist es das, was mich erwartet, nachdem ich auch den letzten Kan-Kern verliere? Ewiges nichts gefüllt mit Schmerzen und meinen Gedanken?" Unbeabsichtigt war seine Tonlage hochgerutscht. Er wollte sich aufrichten, aber seine Hände, Arme, sein ganzer Körper zitterte zu sehr für jedwede kontrollierte Bewegung.

„Ich weiß es nicht."

„Du weißt es nicht?"

„Vielleicht. Vielleicht nicht."

„Ich weiß, was ‚Ich weiß es nicht' bedeutet. Scheiße!" Er schlug mit der Faust auf den Boden ein, wieder und wieder. Bis Nexal den Grund vor ihm in Wasser verwandelte, das ihm mit dem nächsten Schlag um die Ohren spritzte. Wütend fuhr er herum und funkelte den Gott an, der wiederum hilflos zurückblickte. Sein Zorn verpuffte. Was zurückblieb, war schlimmer.

Nexal stand auf und reichte ihm die Hand. „Komm."

Seufzend ergab sich Munin, ließ sich erst aufhelfen und dann vor eine Tür führen. Von selbst öffneten sich die Flügel und gaben den Blick frei auf das schönste Farbspektakel, das man sich vorstellen konnte. Seine Gedanken wurden leiser, Wärme und ein Gefühl der Geborgenheit füllten die Stille.

„Nach deinem Tod wirst du kein Teil des Quells werden. Aber ich kann dich zumindest jetzt, kurz, mit ihm verbinden. Wenn du das wünschst."

Munin starrte ihn an. Alleine in dieser Kammer zu sein, war eine große Ehre. Das Angebot, dass der Todesgott ihm unterbreitete, musste eines der größten Geschenke und Vertrauensbeweise sein, die er erbringen konnte. „Ich ..."

„Ja oder nein."

„Du solltest mir dieses Angebot gar nicht machen."

„Ja oder nein, Munin."

Er war viel zu egoistisch, das Angebot abzulehnen, also nickte er und der Gott führte ihn näher heran, bis sie sich direkt unter der Kugel befanden. In dem Moment, in dem Munins türkise Aura sichtbar wurde, sank das Farbgemisch von oben herab. Und es hieß ihn willkommen, nahm ihn auf, akzeptierte ihn, liebte ihn. Jede Zelle frohlockte vor Glückseligkeit. Sein Kopf war leer. Es gab keine Beschreibung dafür, wie er sich fühlte. Am ehesten traf es vielleicht das Wort: vollständig. Das komplette Gegenteil zu dem bodenlosen Abgrund, in den er vor ein paar Minuten noch gestürzt war.

Seufzend lehnte er sich gegen Nexal und schloss die Augen, badete in dieser goldenen Vollkommenheit. „Danke. Danke."

Sie verharrten eine halbe Ewigkeit verbunden mit dem Wirbel der Farben, der sich in Nexals Augen widerspiegelte.

So nah, wie sie sich waren, spürte er das Knurren in der Brust des Gottes, ehe er es hörte. Bevor er fragen konnte, öffnete sich ein Abgrund unter ihm, saugte Munin auf und spuckte ihn auf der anderen Seite wieder aus.

Schmerz pulsierte durch seine Adern im Takt seines Herzschlags.

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