Kapitel 12 Teil 1: Das Sein
Luft schnappend fuhr Munin mit seinem Oberkörper in die Höhe. Die Umgebung verschwamm, Übelkeit arbeitete sich von seinem Magen nach oben. Sein Kopf landete wieder auf dem Kissen.
Gedanken kreiselten in seinem Schädel und egal wie lange er an die Decke starrte, sie verstummten nicht. Es war zu viel. Nexal, die Götter, die neugeborenen Kan, die Kerne und der Schmerz. Die bleischwere Müdigkeit.
Und diese Hitze, geboren aus der Kälte in seinem Inneren.
Das Kissen, die Decke, die Matratze, seine Haut, Haare und Kleidung – alles war schweißnass. Wenigstens fand er in seinem System keine Anzeichen dafür, dass der Makhal darin herumgepfuscht hatte.
Er drehte den Kopf und blickte in den Spiegel parallel des Bettes.
„Nexal?", krächzte er und erschrak über seine eigene Stimme.
Als hätte er nur darauf gewartet, manifestierte sich der Spiegelgott tatsächlich, so deutlich, er schien wirklich auf der Bettkante zu sitzen und auf ihn herabzuschauen. Aber das tat er nicht. Nichtsdestoweniger war er ein willkommener Fokuspunkt.
„Wieso verschleiern eigentlich Schatten dein Gesicht, wenn du mir in Spiegeln erscheinst, aber nicht, wenn ich im Totenreich verweile?"
Es blieb still, aber Munin hatte nicht mit einer Antwort gerechnet.
Er krallte seine Finger in die Bettdecke, dann trat er sie nach unten, richtete sich wieder etwas auf und lehnte sich ans Kopfteil. „Weißt du", nahm er den Faden des vergangenen Gesprächs auf, obwohl er wusste, dass das vermutlich schon Stunden zurücklag. „Vielleicht gibt es Sem, die in Ordnung sind. Aber es wird auch bis zum Ende Sem geben, die die Menschen nur als Vieh ansehen. Und egal, was sie über die Menschen denken, sie alle werden sich bis zum Ende von ihnen ernähren. Vielleicht helfen sie, die Erde wieder aufzubauen. Aber nach ihren Vorstellungen und zu einem Preis. Die Menschen haben ein Recht darauf, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen, oder nicht?" Es war das Letzte gewesen, an das er vor seiner Ohnmacht gedacht hatte und das Erste, als er aufgewacht war. Er schloss die Augen. „Sind dir die Menschen so egal?"
Natürlich blieb es still.
„Nein." Nexals Stimme kam so unvermittelt von direkt vor ihm, dass Munins Kopf gegen das Metall des Bettes stieß.
Er war neben seiner Schlafstätte aufgetaucht, ließ sich gerade auf der Matratze nieder. Munin streckte die Hand aus, bis seine Fingerspitzen über eiskalten, schwarzen Stoff fuhren. Zusammenzuckend zog er sie zurück. Keine Erscheinung im Spiegel, keine Illusion – er war wirklich da.
Der Schleier war verschwunden. Partikel lösten sich fortwährend von Nexals Haut, kleine Wunden, die sich sofort wieder reparierten. Es gab ihm etwas Unwirkliches, Geisterhaftes. Munin wusste nicht, ob die Narben deswegen roher und ausgefranster, wie mit einem stumpfen Gegenstand zugefügt, aussahen oder ob das nur die Wahrheit war, die er in seiner Spiegelwelt auf die ein oder andere Weise abschwächte.
Um sich davon abzuhalten, erneut nach dem Gott, der herrliche Kälte ausstrahlte, zu greifen, verschränkte er die Finger ineinander.
Geduldig hatte der Todesgott gewartet, bis Munins Blick wieder zu seinen pupillenlosen Augen gewandert war.
Vielleicht hatte er auch die zusätzliche Bedenkzeit willkommen geheißen, denn unter Munins Aufmerksamkeit versteiften sich seine Schultern.
„Ich wollte lediglich ..." Leichte Falten bildeten sich auf Nexals Stirn, während er weiterhin die Wand neben Munins Kopf musterte. „Ich wollte zeigen, dass nicht alles nur Schwarz oder Weiß ist."
Oh, sieh an, diese Masche also. Er tut so, als würde er dich verstehen, um dein Vertrauen zu gewinnen.
„Ich selbst bin nur ein Beobachter", fuhr der Gott fort. „Natürlich hoffe ich auf das Beste für die Menschheit. Und die Götter. Aber beeinflussen kann ich ihre Geschichten nicht." Seine Hand wanderte zu seiner zerstörten Gesichtshälfte, die Bewegung wirkte fast unbewusst und wurde in der Mitte abgebrochen. „In der Welt der Menschen habe ich nichts verloren."
„Du hast mich beeinflusst", hielt Munin dagegen und ergänzte, da Nexal zusammenzuckte und ihn mit großen, fragenden Augen anstarrte: „Du warst damals mein – Ajax' – einziger Freund. Der einzige Lichtblick in seinem Leben. Wärst du nicht gewesen ..." Er atmete aus und presste kurz die Lippen zusammen. „Hätte es Ajax vielleicht nicht mehr gegeben, als Zephyrin ihn um Hilfe bat. Dann wäre niemals ich entstanden und alles wäre vielleicht ganz anders gekommen. Und deine Worte von gestern? Die haben mich auch beeinflusst, verdammt noch mal. Bist du sicher, dass du selbst so neutral, so distanziert bist, wie du denkst?"
Munin jedenfalls war sich unsicher, ob er lachen oder besorgt sein sollte, ob des geschockten Gottes des Todes. Waren es nur minimal geweitete Augen und leicht geöffnete Lippen, so war das mehr Emotion, als er es von dem Todesgott gewohnt war. „Ich war doch bestimmt nicht der Einzige, der es in deine Dimension geschafft hatte, oder?" Die Frage kam zaghafter über seine Lippen denn geplant. Er räusperte sich. „Die Sem haben wahrscheinlich mit dutzenden Menschen experimentiert und ... Ich meine ... Vielleicht hast du noch mehr Leben berührt, ohne es dir bewusst zu sein."
Langsam schüttelte Nexal den Kopf, was ihn etwas aus seinem Schockzustand zu reißen schien. „Nein. Du warst nicht der Einzige, aber ich habe mich keinem der anderen offenbart."
Munins Atem stockte, seine Stirn legte sich in Falten. „Warum dann mir?"
Erneut füllte Stille den Raum. Der Gott saß vollkommen reglos auf der Bettkante, ohne zu blinzeln, ohne zu atmen.
Dafür klapperten Munins Zähne aufeinander, was ihn sich die Decke schnappen ließ.
Unerwartet suchte Nexal direkten Blickkontakt. „Ich fand deine Aura anziehend."
„Bitte?" Munin verschluckte sich an seiner eigenen Spucke und brachte die nächsten, neckenden Worte zwischen Hustern heraus. „Du hast mich verfolgt, weil du mich anziehend fandest?"
„Ich fand deine Aura anziehend", wiederholte Nexal korrigierend und wandte sich wieder der Wand zu. „Genauer kann ich es dir nicht erklären. Im Grunde ist es so auch bei Menschen, obwohl die das meist erst beträchtlich später merken als ihre Auren. Wenn zwei Auren harmonieren, ziehen sich zwei Personen an. Für Menschen bedeutet ..." Er blinzelte und schüttelte den Kopf. „Ich kann es nicht gut erklären."
Vielleicht wollte er es auch nur nicht ausführen, aber das musste er nicht. Munins Gedanken waren schon einen Schritt weiter. Die Kan hatten erläutert, dass die Berührung zweier Auren eine intime Sache war. Unangenehm für zwei Fremde. Schön für Personen, die sich nahestanden. Neda waren in der Lage das zu initiieren, bei Menschen, die eine enge Verbindung hatten, passierte es meist automatisch. Er hatte das als Tatsache akzeptieren, aber durch Ermangelung einer nahestehenden Person nie ganz nachvollziehen können.
„Kann ich deine Aura sehen?", rutschte es Munin heraus.
Du machst dich lächerlich, ich hoffe, das ist dir bewusst.
Vielleicht wäre es ihm bei jeder anderen Person peinlich gewesen, aber nicht bei dem Gott des Todes, der so viel über ihn wusste. Ein weiterer Grund für sein ungehemmtes Verhalten konnte das Fieber sein.
Nexal lehnte sich zurück. „Das ... nein."
„Nein? Aber du sagtest doch gerade –"
„So eine Harmonie muss nicht in beide Richtungen gehen."
„Du hast mich damals an meinem Tiefpunkt gesehen ... Du hast Ajax gesehen. Wahrscheinlich ist es deswegen so einfach, mit dir zu reden. Ich verbringe gern Zeit mit dir. Nach deiner Logik müsste ich dann auch gern Zeit mit deiner Aura verbringen. Oder meine Aura mit deiner Aura."
Nexal bedachte ihn mit einem Blick, der fragte: ‚Willst du dich über mich lustig machen oder ist das dein Ernst?' Was aus seinem Mund kam, war höflicher und trockener. „Es ist nicht ‚meine' Logik, es ist eine Tatsache."
„Na dann, los."
„Du solltest dich ausruhen", erwiderte der Gott und erhob sich von der Matratze.
„Deine Aura wird mich nicht umbringen ... Oder? Und ich muss mich ja auch gar nicht bewegen. Also. Los."
Nexal hob eine Augenbraue. „Wir können dieses Gespräch führen, wenn es dir – deinem Geist – besser geht."
Der Gott hatte recht, er sollte ruhen. Alle Verspieltheit löste sich aus Munins Stimme. „Und wenn es mir nie wieder besser gehen wird?"
Sein Blick lag forschend auf Munins Gesicht, um seine Lippen spielte ein Zug, der etwas Resigniertes an sich hatte. „Munin ... Ich bin kein Mensch. Und auch nicht wie die vier Elementargötter." Er sah an ihm vorbei, musterte jetzt die Wand über Munins Kopf. Der Zug um seinen Mund wies ungewohnte Härte auf. „Ich besitze keine eigene Aura, Munin."
„Das ist unmöglich. Jedes Lebewesen besitzt ..." Seine Lippen bildeten ein tonloses ‚oh', während sich Fragen in seinem Geist formten: Hieß das, der Tod war kein Lebewesen? Und wenn ja, was bedeutete das dann?
Nicht einmal die Götter wissen, was er ist. Erinnerst du dich, was Quesa über ihn gesagt hat? Am Ende ist der Gott der Spiegel wahrscheinlich selbst nur ein Spiegel. Die Frage ist: Was ist sein Endziel?
„Handelst du ... Bist ... Warte ...", setzte Munin erneut an. „Sind deine Reaktionen auf meine Worte Illusionen? Was ich meine ... Bist du überhaupt zu Emotionen, zu einer Meinungsbildung, imstande oder spielst du mir vor, was ich sehen will oder sehen soll oder was du durch Beobachtung als richtige Reaktion oder Verhaltensweise gelernt hast, um ...?"
Der Tod legte den Kopf schief. „Spielen nicht auch Menschen anderen Menschen etwas vor?"
„Um sie zu täuschen, um ihre Ziele zu erreichen, um –"
„Um sich zu verstecken, um andere dazu zu bringen, sie zu mögen", hielt der Gott dagegen. „Ist Interaktion zwischen Menschen nicht auch ein Austausch von Aktion und Reaktion? Lernen nicht auch Menschen in jungen Jahren, wie man auf bestimmte Reize reagiert?"
„Ich ..." Munin fuhr sich durch die Haare und runzelte die Stirn. „Natur versus Erziehung. Vieles erlernen wir, ja. Aber manches ist seit Geburt in uns verankert."
Nexals Blick bohrte sich in seine Augen. „Ob ich Emotionen oder eine eigene Meinung habe ...? Ich wurde nicht geboren, Munin, ich begann einfach, zu existieren. In mir steckt keine Aura, keine Seele, kein Leben in dem Sinne. Aber ich beobachte die Menschheit schon lange ..." Er verschränkte die Arme. Klammerte sich an sich selbst fest, so schien es, auch wenn weder seine Mimik noch seine Tonlage seinen Gemütszustand preisgaben. „Damals, als Ajax mir seinen Lieblingsort zeigte. Ich hatte so viele Orte gesehen, aber kein Anblick hatte mich jemals so elektrisiert wie dieser, den ich mit ihm teilte. Als Ajax mich verraten hatte. Ich dachte, dass ich wütend sein sollte, dass das die korrekte Reaktion wäre. Aber ich war nicht wütend. Ich starrte in die Quelle und mein Brustkorb schmerzte und meine Wangen wollten nicht mehr trocknen." Es klang, als würde er Munin einen Vorwurf machen, ohne sich dessen überhaupt bewusst zu sein. „Ich hatte mich vorher nie alleine gefühlt. Als mich Ajax' Jahre später rief. Und dann durch diese unselige Verbindung mit seinem Bruder und der Kanmagie verschwand und ich ihn für tot halten musste. Ich habe im Gras gekniet und den Himmel angebrüllt, mich verflucht, ihn nicht früher aufgesucht zu haben. Und jetzt –"
Draußen zersprang etwas auf dem Boden und Gelächter wurde laut.
In der Stille pochte Munins Herz vernehmbar in seiner Brust.
Nexal schnaubte und hielt folgend schockiert eine Hand vor sein Gesicht. Er schloss die Augen und atmete tief durch. „Ich will nicht, dass du verschwindest." Er stutzte, seine Augen wurden groß. Sein Blick schweifte ab. „Ich will nicht, dass du ... stirbst." Nexal klang so verwundert und hilflos bei dieser Aussage, die fast eine Frage war. „Beantwortet das deine Fragen? Denn ich weiß es nicht." Da war plötzlich ein Lächeln in seinem Gesicht, von endgültiger Ergebung zeugend. „Bin ich echt? Bin ich echt genug für dich, Munin?" Er sah zu Boden und wisperte: „Physischen Schmerz kann ich ausblenden, aber das ...?" Eine Hand lag auf seinem Brustkorb. „Warum ist es immer so schmerzhaft, hier zu sein?" Ihm entwich erneut ein Schnauben. „Wahrscheinlich war ich niemals dazu gemacht, mit anderen zu interagieren oder Emotionen zu erleben."
Munin streckte die Hand nach dem Wesen vor sich aus, das er von sich gestoßen hatte. Erneut.
Was auch immer er ist: Er hat einen Sprung in der Schüssel. Dafür haben wir keine Zeit. Entweder ist er gefährlich und versucht, dich in eine Falle zu locken. Oder er ist nutzlos.
In dem Moment, in dem Hiku die Zimmertür aufriss, war Nexal verschwunden. Der Gott des Feuers bleckte die Zähne und Munin erwartete fast, ein Knurren zu hören. „Er war hier, oder?"
„Wer?", fragte Munin unschuldig und fügte erstaunlich geistesgegenwärtig an: „Wird das jetzt zur Gewohnheit, dass du meine Privatsphäre grundlos verletzt?"
„Der Aasgeier. Er soll sich dich ja nicht holen, bevor wir fertig sind." Er musterte Munin mit zusammengeschobenen Brauen. „Kratz ja nicht ab."
Quesa schob den Hünen zur Seite, setzte sich auf die Bettkante, wo Nexal gesessen hatte, und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Wie geht es dir, Liebling? Oh, du hast leicht erhöhte Temperaturen."
Erfrischende Kühle schwappte durch seinen Körper. „Gut", murmelte Munin, „und jetzt noch besser. Danke."
„Also können wir die Suche fortsetzen?", wollte Hiku wissen.
Munin seufzte. „Gib mir einen Tag. Nur einen Tag, um mich auszuruhen. Und mir neue Kleidung zu kaufen."
„Dann werden dich heute Jurik und ich begleiten", flötete Cyriz und grinste in die Runde. „Und ihr anderen könnt ziellos durch die Stadt irren. Nach dem Frühstück."
Nachdem die Götter aus seinem Zimmer verschwunden waren, blickte Munin eine ganze Weile in den Spiegel. Aber weder tauchte der Todesgott auf, noch traute sich Munin, ihn erneut zu rufen.
Stöhnend hievte er sich aus dem Bett, vermisste nicht die klamme Kälte, aber die Reglosigkeit.
Einen trockenen Toast und einen Bissen von einer Banane. Mehr bekam Munin nicht herunter.
Cyriz führte Munin und Jurik in einen Laden; aufgeräumter, als der Shop, den Munin mit Leia aufgesucht hatte. Ordentlich gefaltet lagen die Waren auf Holztischen oder hingen an Ständern, nach Größe und Farbe sortiert.
„Und, wie findest du das?" Cyriz trat aus der Umkleide, in schwarzen, an den Beinen sehr weiten Stoffhosen, deren Enden in schwarzen Boots verschwanden. Im Gegensatz zur Hose lag der schwarze, dünne Pullover eng an.
Röte bedeckte Juriks Wangen. „Das ... ja, steht dir."
„Willst du nicht auch etwas anprobieren? Darf ich dir was vorschlagen?"
Derweil die Entität der Erde Spaß dabei hatte, verschiedenste Outfits zusammenzustellen und Jurik zu präsentieren, kapselte sich Munin im schlichteren Teil des Ladens ab. Er entschied sich wieder für schwarze Shirts und Jeans, schlüpfte lediglich hinein, um die Passform in einem Spiegel vor der Kabine zu überprüfen.
Beim zweiten Mal hob darin Nexal die Hand zum Gruß. Keine Schatten bedeckten seine Züge.
Ein erleichterter Atemzug entwich Munin. Er lehnte sich an die Kabine, öffnete den Mund und schloss ihn wieder, räusperte sich. „Ich weiß nicht, wer oder was du bist. Ich weiß allerdings auch nicht, wer oder was ich bin. Also. Warum sind wir nicht einfach zusammen verlorene Freaks?"
Das entlockte Nexal zumindest ein stummes Auflachen. Er nickte ihm zu.
„Und, was hältst du von meinem Outfit?", wollte Munin wissen.
Der Spiegelgott zögerte, gab sich sichtliche einen Ruck, imitierte ein Gähnen und deutete dann auf ein buntes Hawaii-Hemd, das am Rückgabeständer hing.
„Vergiss es."
Er legte bittend die Hände zusammen.
Wenn sich der Gott schon so viel Mühe gab, offener zu interagieren, wie konnte ihm Munin etwas abschlagen? Er riss das hässliche Ding samt Shorts vom Ständer und verschwand in der Kabine.
Sobald er wieder auftauchte, mit einem pinken, geflochtenen Hut und in blau-gelb-rot-grünem Aufzug, der gerade so nicht seine Größe war, bedeckte der Tod seine Lippen mit dem Handrücken. Seine Augen sprachen dafür Bände und auch die zuckenden Schultern.
Übelnehmen konnte Munin es ihm nicht, sah er aus wie eine Weißwurst im Karnevalskostüm. Nein, den Gott so zu sehen, zum Scherzen aufgelegt, ausdrucksstärker, lachend, bescherte ihm ein warmes Kribbeln im Magen. Mit ausgebreiteten Armen verbeugte er sich und stützte sie dann in die Seiten. „Zufrieden, ja? "
„Ich würde eine Nummer größer empfehlen, aber es ist sehr, ähm, erfrischend."
Munin fuhr zu Cyriz herum, dier mit zwei vollen Tüten schräg hinter ihm stand, wie aus einer Modezeitschrift entstiegen – in neuen Ancle-Boots, ultra high-waist Jeans mit Knopfleiste, ärmellosem Top und um die Schultern gehangenem langen Mantel – und ihm zulächelte. Dagegen zeugte Juriks verräterisches Mundwinkelzucken von mehr Belustigung und die Röte in seinem Gesicht von Fremdscham.
Munin wandte sich wieder dem Spiegel zu, in dem sich jetzt nur noch er selbst spiegelte. „Ich hasse dich", murmelte er und verschwand in der Kabine.
„Er erscheint dir also?", kam es von der anderen Seite des Vorhangs. „Einfach so? Um dich schlecht auf Shopping-Trips zu beraten?"
Munin schnaubte. „Anscheinend. Sein Leben muss ziemlich langweilig sein."
„In der Verbannung seines Reiches?", murmelte Cyriz. „Vielleicht. Ich würde mir niemals anmaßen, zu behaupten, ihn zu verstehen."
„Vielleicht will er mir auch nur heimzahlen, dass ich ihn verletzt habe." Grunzend schälte er sich aus der Hose. „Er will mir auf jeden Fall nichts Böses. Glaub mir, er hatte mehr als genug Gelegenheiten, mir zu schaden. Mehr zu schaden, als mich dazu zu bringen, mich lächerlich zu machen." Das war ihm vor allem bewusst, seitdem er herausgefunden hatte, dass Nexal durchaus seine Spiegel verlassen konnte. Er streifte sich sein altes Hemd über.
„Also macht es dir nichts aus, dass er dein Leben innerhalb eines Wimpernschlags beenden könnte?"
Munin hielt mit der Hand an der Hose inne. „Er ist der Tod. Hüter über die Seelen, ja? Oder die Quelle, was auch immer. Er entscheidet aber nicht, wer lebt und wer stirbt. Oder?" Als es still blieb, schlüpfte er in die Hose und dann in seine Schuhe. Er stieß die Kabinentür auf. „Oder?"
„Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Hiku glaubt das." Xier hob die Schultern. „Nexal hat einen anderen Draht zu Seelen als wir."
„Hiku scheint ihn mehr zu hassen, als ihr anderen. Oder hasst er einfach nur leidenschaftlicher?"
Ein schwaches Lächeln erhellte Cyriz' Züge, bevor es erlosch. „Hiku hatte einmal eine Menschenfreundin. Er konnte sie nicht retten. Und Nexal hat zugesehen, wie sie in seinen Armen starb, obwohl er versprach, zu helfen. Hiku macht ihn für ihren Tod verantwortlich."
Munin lächelte xiem breit zu. „Ich bin schon rein aus Prinzip anderer Meinung als Hiku."
Nachdem Cyriz dem Verkäufer einen Beutel Flocken in die Hand gedrückt hatte, machten sie sich auf den Weg zurück zu Basis.
„Cyriz? Was meintest du eigentlich mit ‚Verbannung seines Reiches'?"
Xier presste die Lippen zusammen und wandte den Blick ab. „Nexal fiel es schon immer schwer, die Welt der Lebenden zu betreten. Allerdings ... Du hast die vier Narben in seinem Gesicht gesehen? Wir haben ... Wir haben ihm jeweils eine zugefügt. Ein Bann, der ihn von der Erde fernhalten soll. Rückblickend war es ... Es war eine Handlung aus dem Affekt." Seine Finger kneteten die Kordeln der Tüten. „Entgegen unserer Erwartungen hat es nicht ausgereicht, ihn gänzlich auszuschließen, aber zumindest ist er in unserem Reich geschwächt. Damals war er noch nicht so menschlich, wie er ..." Xier brach seine Rechtfertigung ab. Man sah xiem an, dass xien das belastete. Fair, bedachte man, dass xier der Gott des Schutzes und der Gemeinschaft war.
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