Intermedium 1.1
Zephyrins Nasenspitze berührte die Oberfläche des Teiches, was ihn zurückzucken und auf dem Hosenboden landen ließ. Er rieb sich über die Mitte seines Gesichts, den Blick weiterhin auf das grünliche Wasser gerichtet.
„Ich habe dir eine Scheibe Brot mitgebracht und einen halben Pfirsich." Er schob den Teller ein Stückchen näher zum Wasser, Keramik schabte über Stein. „Es ist nicht viel, tut mir leid." Der Junge schluckte, zog die Knie an und legte die Arme darum. „Ich werde bald arbeiten gehen und dann wird es wieder besser. Dann wird alles besser. Wir können uns mehr Essen kaufen. Und neue Kleider. Dann sind die Anderen vielleicht nicht mehr so gemein. Dann bin ich vielleicht nicht mehr unnütz ..."
„Was machst du da schon wieder?"
Er fuhr zu seinem Bruder herum, der auf ihn zugestapft kam. Zephyrin hoffte, den Teller mit seiner Gestalt zu verbergen, doch sein Bruder griff an ihm vorbei und entriss ihm ihn.
„Wir haben auch so schon nicht genug, Zeph, auch ohne, dass du Essen im Tümpel versenkst."
„Es ist eine Opfergabe für den Gott des Teiches! Vater meinte immer –"
„Und was hat es ihm gebracht? Hat ihn der Teichgott vor der Kugel beschützt?"
„So funktionieren Götter nicht!" Er zupfte am Ärmel seines Bruders, kam nicht an seinen ausgestreckten Arm mit der Opfergabe heran.
Auf dem Gesicht des Älteren vermischte sich die Wut mit der Schadenfreude des Überlegeneren. „Es gibt keinen Teichgott. Wenn, dann gibt es nur den Gott des Wassers und der interessiert sich erst recht einen Scheiß für dich. Scheiße, kannst du nicht normal sein?"
Mit einem Ratschen riss der Stoff am Übergang zwischen Ärmel und Vorderteil.
„Spinnst du?" Zischend schubste er Zephyrin von sich und damit ins Wasser.
Eiskalte Flüssigkeit leckte an jeder Stelle seines Körpers, nistete sich in seiner Kleidung ein und machte ihn schwer. Er tauchte wieder auf, spuckte das brackige Wasser aus und suchte mit den Füßen halt auf dem unebenen Grund. Selbst wenn er stand, ging ihm das Nass bis über den Bauchnabel.
„Das war Vaters – !" Der Ältere biss die Zähne zusammen und schüttelte den Kopf. „Vergiss es." Er warf ihm einen letzten Blick zu und lief zum Haus. „Viel Spaß mit deinem Teichgott."
Tränen brannten erst in Zephyrins Augen, dann heiß auf seinen Wangen. Tropfen für Tropfen landete im Wasser. Er konnte sich nicht bewegen, nur seinerseits die Zähne zusammenbeißen und sich fragen, warum er immer alles falsch machte.
Etwas Glitschiges streifte die Finger seiner linken Hand. Er zog sie nach oben. War da etwa doch noch ein Fisch im Teich, der seinem Bruder entkommen war? Die schwarze Silhouette eines dieser schuppigen Tiere umkreiste ihn. Sie teilte sich und dann waren es zwei, dann vier, dann acht und bald so viele, dass er die Zahl nicht hätte nennen können. Sie drehten ihre Kreise um ihn. Der Erste sprang in die Höhe, glitzerte weiß in der Sonne und kehrte wieder ins Wasser zurück. Weitere Fische strebten dem Himmel entgegen, in gleichmäßigen Linien, als hätte sie jemand dressiert. Eine Reihe sprang nach rechts, die nächste nach links, die nächste sprang über die Vorherige nach vorne.
Zephyrins Augen waren kugelrund. Lachend ließ er sich zurückfallen, mit der Hoffnung, eine Choreographie unter Wasser beobachten zu können. Nicht gerechnet hatte er mit der Wärme, die ihn umfing. Es fühlte sich an, als würde ihn jemand in eine Decke wickeln und umarmen. Er schloss die Augen und genoss das Gefühl, vergaß dabei seine Umgebung und seine Sorgen. Dann durchbrach er die Wasseroberfläche, so schnell, dass er eine halbe Mannslänge in die Luft flog und mit einem Platschen abermals im Nass landete. Prustend und kichernd tauchte er auf und sah sich um. Letzte Wellen schwappten gegen den Rand, brachten Gräser zum Winken, doch der Teich schien erneut verwaist.
„Danke", hauchte er seinem Spiegelbild zu.
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