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50

Als Mia ihn anrief, überlegte er lange, ob er rangehen wollte. Es war wirklich viele Wochen her, dass sie von einander gehört hatten. Das war nicht ihre Schuld, schließlich war er es, der sich von allen Leuten so sehr abgekapselt hatte.

Zu Drew hatte er noch den meisten Kontakt, aber seit Abby sauer auf ihn war, schmollte er die meiste Zeit und hatte keine Lust mehr, vorbei zu kommen. Von Abby hatte er auch lange nichts mehr gehört. Er hatte am Rande mitbekommen, dass Mia und Hao getrennt waren und wusste, dass Mason viel mit der Uni zu tun und auch keine Zeit hatte, eine große Party zu schmeißen.

Es fühlte sich an, als würde ihre Freundesgruppe zerbrechen. Früher hatten sie einander fast jedes Wochenende gesehen. Waren ab und zu alle zusammen essen oder bowlen gegangen. Manchmal ins Kino, aber es gab nicht viele Filme, die jeden Geschmack der Gruppe trafen. Oft hatten sie sich auch bei jemandem zu Hause getroffen, wenn keine Eltern oder Geschwister da gewesen waren. Meist bei Mia oder Mason.

Aber jetzt... Es schien, als hätte keiner mehr Zeit und als sei jeder sauer auf jeden und zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Jetzt, da er langsam wieder aus seinem Schneckenhaus kriechen wollte, bemerkte er, wie kaputt ihre Freundschaft eigentlich war. Er fragte sich, was sie alle eigentlich zusammengehalten hatte. Viel konnte es nicht gewesen sein. Oder war das normal? War es die Schule gewesen, die sie zusammengehalten hatte? Weil sie einander automatisch jeden Tag gesehen hatten? War es für sie alle zu aufwendig geworden, Platz für einander zu schaffen, wenn es eben nicht automatisch passierte? War das der Grund, warum so viele Leute den Kontakt zu ihren Schulfreunden verloren?

Nach langem Grübeln hatte er den Anruf doch entgegengenommen.

„Hey", sagte er nervös.

„Wow, hast du wirklich abgehoben?", fragte Mia überrascht und er lächelte. „Ich weiß, das klingt jetzt bestimmt, wie ein Überfall, aber kann ich vorbeikommen? Es ist dringend."

Er warf einen Blick über seine Schulter. Bonnie saß im Wohnzimmer auf der Couch (er war zum Telefonieren in die Küche gegangen) und machte ihn in Mario Kart (als Bowser) gerade erbarmungslos platt, während seine Figur (Yoshi) nur teilnahmslos auf der Rennstrecke stand.

„Ich weiß nicht... ich habe Besuch."

„Du hast Besuch? Wen denn?", wollte Mia sofort wissen. Er war nicht bereit Bonnie als seine Freundin zu bezeichnen, obwohl sie fast jede freie Minute in der sie nicht arbeitete bei ihm verbrachte. In seiner Küche, auf seiner Couch, unter seiner Dusche und in seinem Bett. Er fand das ganz angenehm. Mit ihr war das Haus weniger leer und so gerne er in den letzten Wochen auch alleine gewesen war, so fühlte er sich jetzt immer unwohl, wenn sie das Haus verließ. Mit ihr hatte er das Gefühl, nicht so viel denken zu müssen. Sie übernahm für ihn das Denken. Sie stellte den Wecker, sie trieb ihn nach unten in die Küche fürs Frühstück, sie machte ihm Vorschläge, was sie zu Abend essen könnten, dafür musste er oft einkaufen gehen und sie gingen oft zusammen aus dem Haus, wenn die Sonne schien. Sie brachte wieder Struktur in sein Leben.

„Ich ruf dich gleich zurück und gebe Bescheid!", sagte er ausweichend, ohne auf ihre Frage einzugehen. Dann legte er auf, ging zurück ins Wohnzimmer und setzte sich wieder neben Bonnie.

„Ja!" Bonnie stieß einen Siegesschrei aus und riss strahlend den Controller in die Luft. „Gewonnen!"

„Das ist unfair, ich musste telefonieren."

„Wahre Profis stellen auf Lautsprecher und fahren trotzdem als erstes über die Zielgerade", zog sie ihn auf. „Wer war das?"

„Mia. Eine Freundin von mir. Sie hat gefragt, ob sie vorbeikommen kann. Es wäre wichtig, hat sie gemeint."

„Soll ich gehen?", fragte Bonnie sofort. Er war sich nicht sicher. Er wollte nicht, dass Bonnie ging, aber er wollte Mia auch nicht abweisen. Gleichzeitig wäre er sich bescheuert dabei vorgekommen, wenn er Bonnie auf sein Zimmer nach oben geschickt hätte, damit Mia vorbeikommen konnte.

„Ist es okay, wenn ich dich ein oder zwei Stunden alleine lasse?", fragte er vorsichtig. „Vielleicht will sie sich ja in einem Café treffen."

„Bist du sicher?" Bonnie wirkte wenig überzeugt. „Vielleicht ist es etwas sehr Privates, das sie nicht in der Öffentlichkeit mit dir teilen will."

„Dann setzen wir uns in mein Auto", erwiderte er schulterzuckend.

Mia schlug vor, dass sie sich in dem kleinen Buchcafé treffen sollten. Es lag weder sonderlich weit von ihr entfernt, noch von seinem Haus.

Als er ein Kind gewesen waren, waren seine Eltern mit ihm immer ein bis zweimal die Woche auf dem Heimweg von der Schule an dem Café stehengeblieben, er war in die Kinderbuchabteilung gelaufen und hatte sich ein Buch aussuchen dürfen. Er hatte als Kind viel mehr gelesen, als er es heute tat. Er und seine Eltern hatten sich dann immer an einen der Fenstertische im oberen Stockwerk gesetzt, einen Kaffee getrunken und für ihn eine heiße Schokolade bestellt und er hatte begonnen in den Detektiv- oder Abenteuerbüchern zu lesen. Irgendwann hatte sein Dad dann wieder zur Arbeit gemusst und seine Mom war mit ihm nach Hause gegangen und es hatte Mittagessen gegeben. Mit Katy hatten sie dasselbe getan, aber er glaubte nicht, dass sein Dad mit ihr noch sonderlich oft hinging war, seit Mom tot war.

Er war vor Mia da, denn gerade als er das Café betrat, schrieb sie ihm, dass ihr Bus Verspätung hatte. Eigentlich hatte er geradewegs das obere Stockwerk ansteuern und sich schon einmal hinsetzen wollen, aber an der Treppe hielt er inne und starrte verblüfft an einen der Tische, der am Geländer stand.

Izzy saß an diesem Tisch, zusammen mit einem Jungen, den er nicht kannte. Sie bemerkte ihn nicht und er wandte sich von der Treppe ab und versteckte sich ziemlich armselig hinter ein paar Bücherregalen und tat so, als fände er die Abteilung mit den Schwangerschaftsbüchern hochinteressant.

Er wusste gar nicht so recht, warum er sich versteckte. Vielleicht, weil er Angst hatte, dass sie ihn ignorieren könnte, würde sie ihn erkennen. Vielleicht, damit er sich später einreden konnte, dass er sie gar nicht mit einem anderen Kerl gesehen hatte.

Blödsinn! Er schüttelte den Kopf. Izzy konnte hier sitzen und Kaffeetrinken mit wem auch immer sie wollte. Das war ihr gutes Recht.

Es störte ihn trotzdem und es machte ihn wahnsinnig, dass es das tat. Viel lieber wäre es ihm tatsächlich völlig egal gewesen. War das, was er spürte, Eifersucht? Das wurde ja immer besser...

Mia trudelte fünf Minuten später ein und entdeckte ihn sofort.

„Oh Gott", sagte sie, nachdem sie sich kurz umarmt hatten und sie das Regal betrachtete, vor dem er stand. „Was hast du getan?"

„Witzig." Er stieß sie in die Seite.

„Setzen wir uns hinauf?", fragte sie gut gelaunt und wollte aus seinem Versteck treten.

„Also, ich finde schwangere Frauen hochinteressant", sagte er und zog sie am Arm zurück. Sie taumelte, prallte fast gegen seine Brust und blinzelte ihn irritiert an.

„Was?"

„Ein Menschenbaby in seinem Bauch neun Monate großzuziehen ist schon ziemlich cool, findest du nicht?"

„Könnte drauf verzichten." Sie verschränkte misstrauisch die Arme vor der Brust. „Warum versteckst du dich hier?"

„Ich verstecke mich nicht."

„Okay. Warum versteckst du mich hier?"

„Mach ich doch gar nicht."

Sie nickte langsam. „Okay, na dann..." Sie trat aus seinem Versteck, sah sich suchend um und entdeckte, wer am Geländer im ersten Stock an einem der Tische saß. Sie machte auf dem Absatz kehrt. „Oh, davor versteckst du dich." Sie nickte wissend und er rollte mit den Augen.

„Ich verstecke mich nicht."

„Klar, du findest Schwangerschaftsbücher einfach nur spannend. Möchtest du nicht eines davon mitnehmen? Nur für den Fall, dass der Test plötzlich positiv ist."

„Bist du fertig?"

„Bist du damit fertig, dich vor Izzy und Lionel zu verstecken?"

Überrascht legte er die Stirn in Falten.

„Du kennst den Kerl?"

„Du nicht?", fragte sie amüsiert. „Charlie Hughes?"

„Was ist mit ihm?"

„Lionel ist sein Bruder." Sein Mund formte ein erstauntes O. „Ich war mit Lionel im selben Jahrgang, bevor er sitzengeblieben ist. Ich glaube, er ist mit Izzy in derselben Matheklasse." Sie dachte kurz nach. „Doch, das würde Sinn ergeben, Izzy ist eine Stufe über der Neunten, ich bin in der Elften und Lionel ist sitzen geblieben, also auch in der Zehnten. Macht das Sinn? Das macht Sinn, oder? Ich hab keine Ahnung."

„Ich wusste nicht, dass Charlie einen Bruder hat."

„Tja, das kommt davon, weil du dir meinen Tratsch nie anhören wolltest", grinste Mia.

Charlie Hughes war der Typ Mensch, der zu perfekt war, als dass er sich in seiner Nähe jemals wirklich wohl gefühlt hätte. Alles an Charlie hatte zu aufgesetzt gewirkt. Sein Lächeln, seine Frisur, seine gebügelten Klamotten, seine guten Noten, seine soziale Kompetenz. Er war ein glatter Einserschüler gewesen und alle Lehrer hatten ihn geliebt. Er war der beste Eishockeyspieler gewesen, den die Schule je gehabt hatte und in der Vitrine mit den Pokalen und Medaillen, die die Schule errungen hatte, stand auf fast allen ersten Plätzen sein Name. Charlie Hughes.

Charlie hatte mit ihm zusammen graduiert.

Aber etwas an Charlie hatte ihn immer abgeschreckt. Charlie war nie unfreundlich zu ihm gewesen, er konnte es nur nicht leiden, wenn Leute ein Dauergrinsen auf dem Gesicht hatten. Wer immer nur eine einzige Emotion preisgab, bei dem war klar, dass er viel Müll begraben hielt und er konnte solche Menschen nicht einschätzen.

Anfang des zwölften Schuljahres waren plötzlich Gerüchte über den so perfekten Charlie aufgetaucht. Gerüchte, die niemals irgendjemand offiziell bestätigt bekommen hatte. Niemand, außer sein kleiner Bruder, Lionel, vielleicht, aber bis eben hatte er gar nicht gewusst, dass Charlie überhaupt einen Bruder hatte.

Es hatte (angeblich!) eine Schülerin in der neunten Schulstufe gegeben, die einem der Vertrauenslehrer erzählt hatte, dass Charlie sie belästigt und/oder vergewaltigt haben sollte. Wer diese Schülerin gewesen sein soll, wusste er nicht. Bestimmt wusste es Mia. Ein paar Wochen später war die Schülerin (angeblich!) von der Schule genommen worden und was auch immer der Grund dafür gewesen sein mochte, die Neuigkeit hatte sich wie ein Lauffeuer verbreitet.

Charlie hatte sich niemals dazu geäußert und er hätte nicht mitbekommen, dass ihn jemals irgendjemand darauf angesprochen hätte. Vielleicht hatten sie Angst vor Charlie gehabt. Er hatte Freunde gehabt, die mit Fäusten sprachen. Auch, wenn es niemand jemals erwähnt hatte, aber mit Charlie Stress zu haben bedeutete im Grunde genommen eine gebrochene Nase. Und Charlie selbst hatte dafür nie einen Finger gekrümmt.

Vielleicht hatte er deshalb immer Abstand zu ihm gehalten. Nicht, weil er gewalttätige Freunde gehabt hatte, sondern, weil er seine gewalttätigen Freunde hatte kontrollieren und in gewisser Weise unterwerfen können. Sowas war doch der nächste Level eines Psychopathen, oder?

Charlie hatte einen perfekten Schulabschluss gehabt, hatte ein volles Stipendium in Yale bekommen und war vermutlich nach Connecticut gezogen, um sein Studium anzutreten. Er zumindest hätte es getan, wenn er dafür aus dieser Kleinstadt hätte fliehen können.

Schüler hatten gemunkelt, dass er nur umgezogen war, um vor einer Klage des Mädchens davon zu laufen, zumindest hatte ihm das Mia kurz nach seinem Abschluss erzählt und damit war das Thema erledigt gewesen. Er nahm an, dass die meisten Schüler vergessen hatten, dass es Charlie jemals gegeben hatte. Sie hatten vermutlich neues Futter gefunden.

„Hast du das jemals geglaubt?", fragt er Mia. „Die ganze Sache mit Charlie."

Sie zuckte mit den Schultern. „Naja, ich kannte das Mädchen. Ein bisschen, aber sie war erst fünfzehn. Vielleicht denkt man sich da so einen Blödsinn aus. Soviel ich weiß hat sie nie gewollt, dass irgendetwas von dem, was sie dem Vertrauenslehrer erzählt hat, durchsickert, aber es ist passiert, keine Ahnung wie. Und sie hat die Schule verlassen, so ganz aus der Luft gegriffen kann ihre Geschichte dann doch nicht sein, oder?" Sie lehnte sich mit der Schulter gegen das Bücherregal. „Zu mir war Charlie immer nett, aber das heißt ja nichts. Und von Lionel halten sich alle fern, als hätte er die Pest oder so. Wahrscheinlich haben sie Angst vor ihm. Irgendwie richtig fies, er hatte mit der ganzen Sache nichts zu tun, aber alle haben es irgendwie im Hinterkopf. Ich hab einmal versucht, mit ihm zu reden, aber ich glaube, er mag mich nicht sonderlich."

Es war nicht fair, so zu denken, aber er fragte sich dennoch, was Izzy bei jemandem verloren hatte, dessen Bruder (angeblich!) ein Sexualstraftäter war. Wahrscheinlich wusste sie gar nichts davon. Oder aber es war ihr einfach völlig egal, so, wie ihr auch die Sache mit Justin völlig egal war. Sie schien ja sogar Sachen zu übersehen, die sich direkt vor ihrer Nase abspielten.

„Hey, die beiden gehen", sagte Mia, als sie sich wieder um die Ecke gelehnt hatte. „Heißt das, dass wir uns endlich nach oben setzen können?"

Sie warteten noch, bis die beiden das Café verlassen hatten und er sah ihnen durch die Fensterfront nach, wohl wissend, dass Izzy eigentlich in die andere Richtung gemusst hätte, also lag es nahe, dass sie mit Lionel mitging. Seine ganze Haut begann zu jucken, aber er drängte das Gefühl beiseite. Was Izzy tat, ging ihn nichts an.

Mia ließ sich seufzend an den Tisch fallen und stellte ihre Tasche neben sich auf dem Boden ab. „Hast du das von Izzy eigentlich gehört?"

„Noch mehr Gerüchte? Hast du nicht genug, für einen Tag?" Er zog den Stuhl hervor und ließ sich ebenfalls darauf nieder. Fast musste er sich dazu zwingen, den Blick nicht zu dem Tisch gleiten zu lassen, an dem sie eben noch mit Lionel gesessen hatte.

„Genug von Gerüchten? Bist du verrückt? Es gibt nie genug davon!", grinste sie.

„Na schön", seufzte er. „Was hab ich verpasst?"

„Das von ihr und Rebeca?"

„Ich hab keine Ahnung, wovon du redest."

Mia rieb sich feierlich die Hände. „Dann darf ich also den neuesten Schultratsch verkünden? Anscheinend ist vor zwei Wochen ein Streit zwischen Izzy und Rebeca auf der Mädchentoilette ausgebrochen, der so heftig war, dass Izzy Rebeca mit einem Taschenmesser verletzt hat."

Er sah Mia an, als wollte sie ihn auf den Arm nehmen, aber Mia wartete nur gespannt seine Reaktion ab. Er begriff, dass sie nicht scherzte. Kein Wort verließ seine Lippen.

„Izzy ist sogar vom Unterricht ausgeschlossen. Und diese Tatsache hat sogar kurz verdrängt, dass alle denken, dass sie mit Mr. Teakin schläft."

„Warte, was?"

Mia blinzelte ihn an. „Das wusstest du auch nicht? Das passiert also, wenn du meine Anrufe nicht entgegennimmst." Beleidigt schob sie die Unterlippe vor. „Kein Wunder, dass du die spannenden Sachen alle verpasst."

„Mia-"

„Ich dachte, du und Izzy seid... ein Ding."

Er zog die Augenbrauen zusammen und hing gedanklich immer noch bei der Taschenmesser und der Mr. Teakin Sache fest. „Wo hast du denn das her?"

„Drew", sagte Mia unschuldig. „Er fand es sehr merkwürdig, dass Izzy ihn geküsst hat."

Er rieb sich mit beiden Händen übers Gesicht. Mia wusste immer über alles Bescheid, selbst, wenn sie keine Ahnung hatte.

„Izzy und ich sind kein Ding", stellte er dann klar. „War das der Notfall? Die neuesten Klatsch- und Tratschgeschichten aus der Schule?" Er hatte nämlich keine große Lust, sich weiter über Izzy zu unterhalten. Oder Lionel. Oder Charlie. Oder darüber, ob er und Izzy ein Ding waren. Er war nämlich fertig mit Rechnen und vor zwei Wochen hatte Izzy mit einem ertränkten Handy vor seiner Türe gestanden mit Kratzern auf der Wange. Das musste der Streit gewesen sein, von dem Mia ihm eben berichtet hatte.

„Willst du was trinken?", fragte Mia und schien es plötzlich gar nicht mehr eilig zu haben, mit ihm zu reden. „Kaffee?"

Es war zwei Uhr nachmittags, aber da sie in einem Buchcafé saßen, galt das wohl nicht als Ausrede.

Erst, als beide Bestellungen vor ihnen standen, rückte Mia endlich mit der Sprache raus.

„Mein Dad ist krank", sagte sie. Viel mehr musste sie nicht sagen; er wusste Bescheid.

„Das tut mir leid", sagte er und betrachtete sie traurig. Er wusste seit längerem darüber Bescheid. Sie schloss ihre Hände um die Kaffeetasse.

„Er hat gekündigt. Vor ein paar Wochen. Seine Therapie fängt bald an." Sie seufzte angestrengt. „Ich will das alles gar nicht miterleben. Es ist einfach so unfair."

Es war ziemlich offensichtlich, warum sie zu ihm kam. Er war sich nur nicht sicher, ob er bereit war, für jemand anderen der Fels in der Brandung während einer schwierigen Zeit zu sein.

„Ich kann doch nicht einfach dabei zusehen, wie mein Dad..." Sie suchte nach den passenden Worten, fand aber keine. „Aber ich will auch nicht, dass er in ein Pflegeheim kommt, so wie mein Großvater. Aber meine Mom muss arbeiten, sie kann sich nicht immer um ihn kümmern. Und ich wollte nach der Schule an die Uni, ich wollte ausziehen und studieren. Und Kody kann sich auch nicht um Dad kümmern und Jason wohnt nicht gerade um die Ecke." Er war froh, dass sie ihm keine Zeit gab, zu antworten. Er hätte ohnehin nicht gewusst, was er sagen sollte. „Ich meine, natürlich könnte ich hierbleiben. Ich könnte zu Hause wohnen bleiben und mich um Dad kümmern und... keine Ahnung, Grundschülern Nachhilfe geben oder sowas, damit ich nicht mit fünfundzwanzig immer noch um Taschengeld betteln muss." Sie hatte nie darum betteln müssen, (man sah sich nur die Designerschuhe und ihre Handtasche an) aber das sagte er ihr nicht. Er verstand, dass sie unabhängig sein wollte.

„Ich glaube nicht, dass ich das kann", sagte sie mit gesenktem Blick. „Zusehen, wie mein Dad langsam aber sicher verkümmert. Nur noch eine Hülle seiner selbst wird."

Dieselben Gedanken hatte er auch gehabt, als die Krebsdiagnose seiner Mom festgestanden hatte. Es war ihm unmöglich erschienen. Niemals hätte er bei diesem ganzen Prozess zusehen können. Niemals hätte er ohne sie leben können.

Und doch war er noch hier. All seine Alpträume waren in Erfüllung gegangen. Mehr noch.

„Ich will einfach nicht", sagte sie und ihre Stimme klang erstickt und Tränen bildeten sich in ihren Augen. „Das ist alles so schrecklich und ich fühle mich schuldig, weil ich es nicht geerbt habe, ist das nicht total dämlich?" Sie schniefte kurz. „Und mein bescheuerter Bruder will sich auf Gedeih und Verderb nicht testen lassen."

„Jason?"

Sie nickte. „Mir wäre viel wohler, wenn ich es wüsste. Dann könnte ich mich besser darauf einstellen. Obwohl... Ich glaube nicht, dass man sich auf sowas einstellen kann."

Er griff über den Tisch, nahm ihre Hand und drückte sie. Sie legte ihre freie Hand auf seine und er legte seine freie Hand wieder auf ihre. Sie lächelte traurig und schluckte.

„Trüffel ist auch krank."

„Oh, nein..."

Sie nickte düster. „Er kommt kaum noch aus seinem Häuschen raus. Er trinkt und frisst nicht mehr. Die Tierärztin sagt, ich soll ihm am besten... einfach ein schönes, weiches Nest bauen und... in Ruhe lassen." Wieder kamen ihr die Tränen und ein zittriges Lächeln breitete sich auf ihren Lippen aus. „Ich fürchte, das war's mit ihm."

„Es tut mir so leid."

Sie hatte ihren Hamster seit drei Jahren. Ein stolzes Alter, wenn er bedachte, dass er selbst auch einmal einen gehabt hatte, als er zehn Jahre alt gewesen war, der aber nur ein Jahr alt geworden war. Er wusste, wie sehr Mia ihr kleiner Hamster am Herzen lag, der immer nachts in seinem Laufrad Krach machte und sie wach hielt und ganz kühle, kleine Pfötchen hatte und seine Backen bis zum Anschlag vollstopfen konnte. Er hatte so viele Bilder von Trüffel auf seinem Handy, dass man meinen könnte, es wäre sein Hamster.

„Ich weiß, dass du mir das nicht glauben wirst", sagte er. „Aber man findet immer einen Weg mit furchtbaren Dingen klar zu kommen. Du wirst einen Weg finden. Einfach, weil es immer weitergeht und die Zeit nicht stehen bleibt und man keine andere Wahl hat."

„Das klingt nicht sehr aufbauend."

„Ich war ja auch noch nicht fertig. Das Gute daran ist, dass es dir nur deshalb so unmöglich erscheint, weil du diese Masse an Scheiße auf einmal auf dich zurollen siehst." Er schüttelte den Kopf. „Aber so passiert das gar nicht. Es passiert ganz langsam. Stück für Stück. So grausam es auch ist, du wirst genügend Zeit haben, dich daran zu gewöhnen und zu lernen, damit umzugehen."

„Das klingt noch viel schlimmer."

„Ist es auch", gab er zu. Seiner Mom beim Sterben zuzusehen war das Schlimmste, das er jemals erlebt hatte. Er wünschte, er hätte Mia dieses Leid ersparen können. Aber er hatte es ertragen. Und Mia würde es auch ertragen. „Ich verspreche dir, dass wir Menschen eine ungeahnte Gabe dafür besitzen, so einen Mist durchzustehen." Noch hatte er es nicht ganz durchgestanden, aber hätte ihm jemand vor fünf Monaten gesagt, dass er nach dem Tod seiner Mom einfach so weiter machen würde, hätte er es nicht geglaubt. Es war schlicht unvorstellbar gewesen.

Mia ließ seine Hände los, stand auf, umrundete den Tisch und schlang seine Arme um ihn.

„Ich hab dich vermisst", sagte sie, drückte ihr Gesicht in seine Haare und er schlang seine Arme um ihre Taille. „Deine Haare riechen gut, was ist das?"

„Ich ersticke", murmelte er gegen ihren Bauch. Sie lachte, ließ ihn los und setzte sich wieder.

„Also, wenn du kein Ding mit Izzy hast, dann vielleicht mit der Person, wegen der du mich nicht zu dir nach Hause lassen wolltest?", riet sie und er verstand, dass sie nicht mehr über ihren Dad oder den sterbenden Trüffel reden wollte.

„Sei nicht so neugierig", mahnte er, beschloss aber, ihr Spielchen ein bisschen mitzuspielen, weil er wusste, dass es sie aufmuntern würde.

„Ach, komm. Ich kann erst wieder in einer Woche in die Schule, um dort zu tratschen, gib mir was, an dem ich mich über die Ferien hinweg aufgeilen kann." Sie verschränkte die Finger vor der Brust ineinander und schob die Unterlippe vor. „Bitte."

„Vergiss es, mein Beziehungsleben ist nicht zu deiner Belustigung da."

„AHA!", rief sie triumphierend und die Frau hinter dem Computer sah missbilligend auf. „Beziehungsleben. Also gibt es da jemanden!"

„Du gibst keine Ruhe, oder?"

„Sag mir nur, ob es da eventuell jemanden gibt. Mehr will ich gar nicht. Versprochen! Dann lass ich dich in Ruhe."

Er seufzte tief. „Gut. Okay. Ja, es gibt eventuell jemanden."

„Ich wusste es! Wie heißt sie?"

Er legte den Kopf schräg und sie zog den Kopf ein. „Upsi. Macht der Gewohnheit."

Er lächelte und musste sich eingestehen, dass er Mia vermisst hatte. Mehr, als ihm bewusst gewesen war. Dass er all seine Freunde furchtbar vermisste. Aber er wusste, dass dieses spontane Gefühl in seiner Brust, sie alle sofort wieder sehen zu wollen, nicht von Dauer war, weshalb er auch nicht vorschlug, sich mal wieder mit allen zusammen zu treffen.

Dennoch blieben sie noch gute zwei Stunden sitzen, tranken Kaffee, gingen irgendwann zu Limonade über, weil sie schon ganz hibbelig wurden und verabschiedeten sich schließlich vor dem Café voneinander.

„Es war schön, dich wieder zu sehen", sagte Mia und zog sich den Reißverschluss ihrer Jacke bis zum Hals hoch. Traurigkeit schwang in ihrer Stimme mit und sie sah ihn an, als wüsste sie genau, dass er sich auch die nächsten Wochen über nicht von sich aus bei ihr melden würde. Das machte ihm Angst, denn Mia war dabei, in dasselbe Loch zu fallen, in dem er gerade steckte und er fragte sich, was passieren würde, wenn sich keiner von ihnen für eine sehr lange Zeit melden würde. Es war unwahrscheinlich, aber plötzlich glaubte er, Mia heute zum letzten Mal zu sehen.

Er drückte sie fest an sich. „Ich ruf dich an, versprochen. Melde dich, wenn du was brauchst."

„Selber", lächelte sie und die Traurigkeit lastete nicht mehr ganz so schwer auf ihrem Gesicht.

Als er Abend wieder nach Hause kam, war Bonnie nicht mehr da. Sie war schon zu ihrer Spätschicht aufgebrochen. Sie hatte sich Sushi liefern lassen, hatte für ihn etwas mitbestellt und ihrer Textnachricht entnahm er, dass das Essen im Kühlschrank stand, aber er verspürte keinen Hunger.

Seine Gedanken kreisten um Mias Dad, um Trüffel, um seine Freunde, seine Mom, seinen Dad und Katy. Und natürlich Izzy, die vielleicht immer noch mit Lionel zusammen war.

Er zog sein Handy hervor und schrieb ihr ein Einfaches: „Hey." Fast vier Minuten saß er auf der Couch, starrte auf den Bildschirm und wartete er auf eine Antwort, die nicht kam. Seufzend legte er sein Handy beiseite und holte sich nun doch das Sushi aus dem Kühlschrank. 

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