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Er hatte sich lange Zeit geweigert, Schlafmittel zu nehmen. Er hatte viel von Abhängigkeit über diese Medikamente gelesen. Aber vor einer Woche hatte sein Dad ihm einen Termin beim Arzt vereinbart und er hatte seinem Arzt seine Schlafprobleme erläutert.

Seit drei Wochen wachte er jede Nacht mehrmals auf, war putzmunter und konnte vor Nervosität nicht mehr einschlafen. Wovor er nervös war, konnte er nicht genau sagen. Es waren unruhige Gedanken.

Um vier Uhr morgens, wenn es draußen noch dunkel war, wünschte er sich, dass der Supermarkt schon geöffnet hatte, weil er kein Waschmittel mehr hatte und sich Schokolade kaufen wollte. Dass jemand wach war, der sich mit ihm treffen würde. Dass er seinen Dad anrufen und wissen wollte, ob es ihm gut ging. Dass er sein Studium wieder aufnehmen, sich vielleicht einen Nebenjob suchen sollte. Er musste sich auch langsam überlegen, welche Blumen er dieses Jahr wieder in den Garten setzten wollte, diese Aufgabe hatte sonst immer seine Mom übernommen, aber die war jetzt nicht mehr da, auch Katy war nicht mehr hier, er war auf sich alleine gestellt, also hatte er sich mitten in der Nacht an seinen Schreibtisch gesetzt, ein Blatt Papier hervor gezogen und aufgeschrieben, was er alles brauchte, hatte sich im Internet schlau gemacht, welche Pflanzen was benötigten (viel oder wenig Sonne, viel oder wenig Wasser und welchen Dünger er verwenden konnte) und welche Pflanzen gut zusammenpassten.

Irgendwann ging dann immer die Sonne auf und anstatt das Waschmittel und die Schokolade zu holen, wickelte er sich immer in eine Decke und setzte sich auf die Couch im Wohnzimmer, trank einen Tee und ließ den Shopping-Kanal laufen.

Die Schlaftabletten halfen, aber der Shopping-Kanal blieb.

So ein Gartenschlauch, der sich zusammenzog und weniger Platz einnahm, war schon praktisch. Genau wie der Staubsauger mit integrierter Moppfunktion. Gut, mit Lockenwicklern und ergonomischen Super-BH's konnte er nicht allzu viel anfangen, aber vielleicht mit diesem Vibrierenden kleinen Kunststoffblock auf den man sich draufstellen sollte und davon straffere Beine bekam.

Irgendwann bekam er Kopfschmerzen. Und bestimmt hätte er Drew an diesem Tag nicht die Türe aufgemacht, wenn er nicht durch die ganze Nachbarschaft gebrüllt hätte, dass Izzy ihn geküsst hatte.

„Daran musst du was falsch verstanden haben", sagte er, als er Drew einen Kaffee gekocht hatte. Er hatte nicht einmal mehr Cola zu Hause. Sein Dad überwies ihm zwar monatlich genug Geld, dass er alles Nötige und sogar etwas mehr kaufen und bezahlen konnte, aber er holte sich kaum das Nötigste.

„Was soll man da dran denn falsch verstehen?", fragte Drew aufgebracht. „Wenn dir ein Mädchen die Zunge in den Mund stecken will, was verstehst du denn dann?" Drew war so aufgebracht, dass er sich nicht einmal setzen wollte. „Ich dachte, ihr hättet was am Laufen."

Er schwieg in seinen Tee hinein. Er wusste nicht, was er mit Izzy hatte oder nicht hatte, denn im einen Moment hatte er das Gefühl, für sie wichtig geworden zu sein und im nächsten Augenblick war es, als wüsste sie nichts von seiner Existenz.

Drew rieb sich übers Gesicht. „Ich fühl mich schmutzig."

„Hast du sie nicht in der ersten Woche bei euch angegraben?"

„Ja, aber das war doch nur ein Scherz!", schimpfte er. „Das hab ich nicht ernst gemeint, ich wollte nur nicht, dass sich die beiden bei uns einnisten. Und jetzt haben sie es doch gemacht!"

Izzy hatte Drew geküsst. Das war das einzige, an das er denken konnte. Einerseits war er nicht allzu überrascht, andererseits stimmte es nicht mit dem Mädchen überein, das er so gerne hatte. Obwohl... doch. Es stimmte ganz und gar mit Izzy überein. Zumindest mit der Izzy, die plötzlich mit Justin abhaute. Die Izzy, die ihn an Halloween auf offener Straße anschrie.

Aber es passte nicht mit der Izzy überein, die ihm anvertraut hatte, dass sie krank war. Es passte nicht mit der Izzy überein, die in seinem Bett mit ihm gekuschelt hatte, mit der er lachen konnte und die ihn so besonders ansah, als würde sie etwas in ihm sehen, das niemand sonst sehen konnte.

Manchmal kam es ihm vor, als hätte Izzy zwei Persönlichkeiten.

Seine Izzy hätte Drew niemals geküsst, das wusste er einfach.

„Und jetzt ist sie wieder bei diesem komischen Kerl, der damals mit ihr eine Woche lang abgehauen ist. Glaubst du, sie macht das mit Absicht?"

„Was?"

„Vielleicht will sie Aufmerksamkeit. Vielleicht will sie, dass man sich über sie aufregt und darüber redet."

Das glaubte er nicht. Er hatte gesehen, wie sehr Izzy sich von allem und jedem ausgeschlossen fühlte.

„Hör auf, dich aufzuregen", sagte er irgendwann kopfschüttelnd. „Kann ich nicht." Drew stieß den Atem aus und ließ sich in einen der Stühle am Küchentisch fallen. „Abby ist sauer auf mich."

„Was hast du getan?"

Drew zog die Augenbrauen zusammen. „Es könnte doch auch sein, dass sie überreagiert."

„Kann es nicht. Was hast du verbockt?"

Drew beugte sich nach vorne. „Okay, erst Mal sind Abby und ich kein Paar. Das war nie so abgemacht, wir sind nicht zusammen."

„Okay."

„Und zweitens darf man sich nicht beschweren, wenn man etwas findet, das man nicht hätte finden sollen, wenn man in jemandes Sachen herumwühlt, in denen man nicht herumwühlen soll!"

„Und was hat sie gefunden?"

„Das musst du nicht wissen, es geht nur ums Prinzip. Ich finde, sie hat kein Recht, sauer auf mich zu sein."

„Okay."

Drew hatte die Augenbrauen zusammengezogen. „Du bist ja sehr gesprächig."

Er hing mit den Gedanken immer noch bei Izzy fest. Den restlichen Tag dachte er nur an sie und war dann zu dem Entschluss gekommen, dass er eigentlich gar keine Energie hatte, um über Izzy nachzudenken. Er hatte selbst genug Probleme. Und er spürte, dass er sauer wurde, weil Izzy so dreist war, ihm seine Energie zu stehlen, von der er doch im Augenblick ohnehin so unfassbar wenig hatte.

Und genau deshalb konnte er sich am späten Nachmittag nicht davon abbringen, ihr zu schreiben. Sie zu fragen, was sie sich dabei gedacht hatte. Und dann wandte er sich wieder dem Teleshopping zu, obwohl er nichts kaufte.

Am Abend rief ihn sein Dad an und ein Teil von ihm erwartete seit Neuestem immer schlechte Neuigkeiten, wenn sein Dad anrief.

„Hallo?", fragte er mit rasendem Herzen, aber sein Dad klang völlig gelassen und entspannt, so wie immer.

„Hallo, Ethan. Störe ich?"

Er schaltete den Shopping-Kanal mit der Werbung für einen Kratzerentferner für Autolack leise. „Nein."

„Gut, ich wollte dich daran erinnern, dass wir am Freitagnachmittag den Termin beim Notar haben. Wegen der Erbschaft."

Er rieb sich kräftig die juckenden Augen. Stimmt, in zwei Tagen war ja schon Freitag. „Wann muss ich dort sein?"

„Um zwölf ist der Termin. Treffen wir uns zehn Minuten vorher?"

„Ja, geht in Ordnung. Kommt Katy mit?", fragte er, weil die Erbschaft seine kleine Schwester auch etwas anging.

„Das möchte ich ihr nicht antun", sagte Dad jedoch und das konnte er verstehen. „Wie geht es dir? Schläfst du besser?"

Er räusperte sich. „Ja, ein bisschen. Aber ich fühle mich trotzdem nicht erholt, wenn ich aufwache."

Einen Augenblick lang war es still in der Leitung. „Ethan?"

„Hm?"

„Du gibst mir doch Bescheid, wenn du... aus diesem Gefühl nicht mehr alleine rauskommst, oder?"

Diesem Gefühl. Sein Dad hatte es gar nicht genauer definieren müssen. Es war ein Gefühl der Taubheit, der Rastlosigkeit, der endlosen Gedanken, obwohl um einen herum alles ruhig war. Das Gefühl des Ertrinkens an Land. Das Gefühl der Schwere in den Gliedmaßen und der Wolken in seinem Kopf.

„Ich schaff das schon", sagte er zuversichtlich, obwohl er sich nicht vorstellen konnte, dass er sich jemals wieder anders fühlen würde.

„Ich weiß, dass du es alleine schaffen willst", sagte sein Dad sanft. „Aber erkenne bitte, wenn es nicht funktioniert, okay? Das ist keine Schande, du kannst-"

„Ich sagte doch, dass ich das hinbekomme!", fuhr er seinen Dad an und bereute es noch ehe er zu Ende gesprochen hatte. „Tut mir leid."

„Schon gut, ich weiß, dass ich dich mit meiner Überfürsorge nerve."

Eigentlich war es das genaue Gegenteil. Er war unfassbar glücklich, dass sein Dad nicht auf ihn vergessen hatte, seit seine Mom tot war. Dass er täglich anrief oder ihm eine Nachricht schrieb, dass er jede noch so kleine Gemütsänderung auffing und mit ihm offen darüber sprach. Er wollte nur nicht, dass sein Dad sich das alles aufbürdete. Für ihn war es doch genauso schlimm.

„Melde dich, wenn du etwas brauchst", sagte sein Dad noch.

„Ich hab dich lieb. Sag das auch Katy, ja?"

„Mach ich. Ich hab dich auch lieb. Wir sehen uns am Freitag."

Als er wieder aufgelegt hatte, packte ihn erneut diese träge Rastlosigkeit und er wollte -nein, musste- aus diesem Haus. Er musste sich ablenken, mit irgendetwas, irgendjemandem.

Nur war es schon spät genug, dass die meisten Geschäfte bald schlossen und alleine abends ins Kino zu gehen, hätte ihn nur noch mehr seiner Einsamkeit bewusst gemacht. Izzy wollte er nicht sehen, falls sie überhaupt an ihr Handy gegangen wäre, und mit der extrovertierten Energie von Mason, Drew, Mia oder Abby, kam er im Augenblick auch nicht wirklich zurecht.

Dann erinnerte er sich daran, dass er noch immer den Zettel mit Bonnies Nummer irgendwo herumliegen haben musste. Den Zettel, den sie ihm an Halloween vor dem Krankenhaus gegeben hatte, als Katy sich in den Finger geschnitten hatte.

Er sprang von der Couch auf, rannte nach oben in sein Zimmer und wühlte nach dem Zettel. Seinen gesamten Schreibtischcontainer räumte er aus, alles, was auf dem Tisch lag, durchsuchte er und schließlich fand er den Zettel unter dem Buchdeckel eines seiner Unibücher eingeklemmt.

Er erinnerte sich wieder daran, dass er ihn da hineingesteckt hatte, weil er gedacht hatte, dass er ihn an dieser Stelle bestimmt leicht und unkompliziert wieder finden würde. Wenn er sich sein Zimmer jetzt so ansah, hätte er keinen beschisseneren Ort wählen können, aber das Chaos würde er später in Ordnung bringen.

Er zog sein Handy hervor und tippte die Nummer ein. Unfassbar, was er da vorhatte, fand er, aber irgendwie stand ihm der Sinn danach. Und wenn er Glück hatte, dann musste Bonnie heute auch nicht arbeiten.

Ungeduldig wartete er darauf, dass sie ans Telefon ging.

„Hallo?", klang ihre Stimme nach dem sechsten Klingeln durch sein Handy.

Er legte wieder auf. Das konnte er nicht machen. Das war verrück. Seit dem Tag, an dem seinem Mom gestorben war, hatte er Bonnie nicht mehr gesehen und er hatte sich nach Halloween auch nie bei ihr gemeldet.

Er wollte sein Handy gerade wieder in seinem Zimmer zurück lassen, als Bonnie zurückrief. Ein paar Sekunden starrte er seinen Bildschirm einfach nur unentschlossen an.

„Hallo?", fragte er dann.

„Ethan?" Bonnie klang unsicher und er kniff die Augen zusammen.

„Ja..."

„Ich hatte so ein Gefühl, dass du das bist. Warum hast du aufgelegt?"

„Die Verbindung ist abgebrochen."

„Aha." Er hörte, wie sie schmunzelte.

„Ja, das... das passiert immer häufiger. Ist schon echt nervig. In diesem Haus muss ein Funkloch sein." Er biss sich auf die Zunge.

„Warum hast du angerufen?"

„Du hast doch angerufen", erwiderte er ahnungslos.

„Weil du mich angerufen hast", lachte sie.

„Ich... Ich hab mich nur gefragt..." Er begann in seinem Zimmer auf und ab zu gehen. „Ob du heute Abend arbeitest."

„Nein, heute habe ich frei."

„Aha." Er nickte und es wurde still in der Leitung. So lange, dass er am liebsten wieder aufgelegt hätte. Er brachte die Worte einfach nicht heraus und Bonnie lachte wieder.

„Frag mich einfach, du Esel, ich sag schon nicht Nein."

„Was soll ich dich denn fragen?"

„Ethan!"

„Hast du... zufällig Lust, mit mir essen zu gehen? Jetzt gleich?"

„Und das hat dich so viel Überwindung gekostet?"

Seit er sein Haus kaum noch verließ schien ihm zwischenmenschliche Kommunikation irgendwie schwerer zu fallen. Ob man das verlernen konnte, wenn man lange Zeit isoliert war? Ob man plötzlich Angst vor sozialen Kontakten entwickeln konnte? Jedenfalls fühlte er sich in letzter Zeit oft so. Im Supermarkt war es ihm plötzlich zu laut, zu hektisch, zu voll; Dinge, die ihm früher gar nicht aufgefallen waren.

„Ich würde sehr gerne mit dir zu Abend essen", sagte sie dann. „Wo treffen wir uns?"

„Ich kann dich abholen", bot er sofort an und schrieb sich ihre Adresse auf. „In... einer Stunde?"

„Okay. Bis dann!"

Nachdem Bonnie aufgelegt hatte, fragte er sich, ob er sich das ganze Gespräch eben eingebildet hatte. Vielleicht war es ja schon so weit mit ihm, dass er sich Gespräche mit Bonnie einbildete. Aber die Adresse stand schwarz auf weiß auf diesem kleinen Zettel, der in seiner Hand lag, direkt unter ihrer Telefonnummer und wenn er in einer Stunde bei ihr sein wollte, musste er sich beeilen, denn er hatte seit vier Tagen nicht mehr geduscht, kein einziges seiner Hemden war gebügelt und sein Gesicht vertrug eine Rasur.

Er zog rasch eines seiner dunklen Hemden aus dem Korb mit der gewaschenen Wäsche und machte das, was seine Mom seinem Dad immer verboten hatte, nämlich, die Falten des Hemdes mit dem Föhn zu glätten. Er hatte keine Zeit, das Bügelbrett aufzustellen, das Bügeleisen mit Wasser zu füllen und das Hemd zu bügeln, also setzte er sich nach der Dusche auf den Badezimmerboden und föhnte abwechselnd seine Haare und das Hemd.

Er rasierte sich den Bart ab, wählte eine dunkle Jeans zu dem Hemd und trug das einzige Parfum auf, das er besaß und mochte. Dass er immer noch ziemlich angeschlagen aussah, wusste er, aber er hoffte, es mit einem Lächeln überspielen zu können. Er testete es kurz vor dem Spiegel.

Akzeptabel.

Als er im Auto saß, wusste er, dass er zu spät kommen würde, wenigstens zehn Minuten. Er glaubte, vor Nervosität gleich am Straßenrand halten und sich übergeben zu müssen. Dates hatten etwas an sich, mit dem er nicht so recht umgehen konnte. Er war mit Mädchen nie auf Dates gegangen. Jemanden einen Kaffee oder einen Burger zu spendieren oder im Sommer ein Eis, zählte in seinen Augen nicht als ein Date. Auch nicht, wenn er sich mit Izzy im Sprinkles verabredete oder sie mitten in der Nacht zu ihrer Gynäkologin fuhr. Aber er hatte das Gefühl, dass dieser Abend mit Bonnie sein erstes richtiges Date sein würde und bei diesem Gedanken wäre er am liebsten wieder umgekehrt.

Das Herz hämmerte ihm wie wild gegen die Brust und sein Mund war ganz trocken, als er vor der Adresse hielt, die Bonnie ihm gegeben hatte. Es war ein altes Haus, das nicht sonderlich hoch war, aber ein paar Wohnungen zu beinhalten schien.

Er läutete an und die Gegensprechanlage klickte. „Ich bin sofort unten", sagte Bonnie fröhlich und er betrachtete sehnsüchtig den Busch am Hauseingang. Wenn sein Magen sich beeilte, dann- doch Bonnie öffnete bereits die Haustüre und strahlte ihn an.

Seine Nervosität war plötzlich wie weggeblasen, als sie ihn umarmte.

„Ich freu mich so, dich wieder zu sehen", sagte sie und ließ ihn wieder los. Ihre Haare rochen nach einem süßlichen Parfüm, das er im Krankenhaus nie an ihr gerochen hatte und die dunkle Strumpfhose und der blaue Stoff, der unter ihrem Mantel hervorlugten, ließen ihn darauf schließen, dass sie ein Kleid trug.

„Du siehst toll aus", lächelte er und meinte es auch so. Im Krankenhaus trug sie nie Make-up und ihre Haare waren immer in einem Pferdeschwanz oder einem Knoten zusammen gebunden, aber so wie sie jetzt aussah, fühlte sie sich eindeutig wohler, das merkte er an ihrer selbstbewussten, einladenden Haltung.

„Finde ich auch", lachte sie gut gelaunt. „Ich freue mich immer, wenn ich abends ausgehen und mich ein bisschen in Schale werfen kann. Kommt selten genug vor." Sie schwang sich die blonden Haare über die Schulter. Fröhlich hakte sie sich bei ihm unter und sie gingen zu seinem Wagen.

„Wie geht es dir?", fragte sie dann. „Ich war überrascht, als du angerufen hast."

„Hab ich nicht, du hast angerufen."

Bonnie seufzte tief. „Gut, dann hab ich dich eben angerufen." Sie fragte nicht noch einmal nach, wie es ihm ging.

Er hätte lügen müssen, wenn er behauptet hätte, dass nicht ab und zu eine unangenehme Stille zwischen ihnen herrschte. Das war nicht Bonnies Schuld, sie bemühte sich wirklich sehr, diese Momente zu überbrücken, aber er begann sich mehr und mehr zu fragen, warum er sie überhaupt angerufen hatte.

Eigentlich hatte er keinen Appetit und die ganze Sache mit Izzy schlug ihm immer noch aufs Gemüt.

Nachdem sie ihre Getränke bestellt hatten, lächelte Bonnie ihn an. „Also... was hat sich bei dir so getan, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben?" Bevor er antworten konnte, hob sie schuldbewusst die Hände. „Ich weiß, ich weiß, das ist eine ziemlich dumme Frage, nachdem deine Mom gestorben ist, aber... ich will es trotzdem wissen."

Er wusste nicht recht, was er sagen sollte. „Es ist seltsam. Entweder denke ich kein Bisschen daran oder den ganzen Tag lang."

„Das ist normal. Es wird sich wieder einpendeln, du wirst sehen."

Er senkte den Blick. „Ja... vielleicht. Ich frage mich, wie du das aushältst. Darf ich dich was fragen?"

Sie nickte.

„Hast du in deinem Beruf schon einmal etwas so Schlimmes erlebt, dass du monatelang nicht richtig schlafen konntest? Dass du dich sogar dann unwohl gefühlt hast, wenn du gar nicht an diesen Moment gedacht hast?"

Sie nickte wieder und der Kellner brachte die Getränke und sie bestellte die Hühnerstreifenpasta und er schloss sich ihr an, weil er gar keinen Blick in die Speisekarte geworfen hatte.

„Erzählst du es mir?", fragte er.

„Ich weiß nicht, ob das unbedingt ein Gespräch für den heutigen Abend ist", lächelte sie unsicher, aber er sah sie nur erwartungsvoll an, also nickte sie. „Okay. Es war vor ungefähr einem Jahr. Ich hab gerade erst mit meiner Nachtschicht auf der Neurointensiv angefangen. Ich sollte einen siebenjährigen Jungen betreuen. Er hatte einen süßen Lockenkopf und sein Name war Jakai. Er war intubiert und an ein Atmungsgerät angeschlossen. Seine Eltern waren auch in dem Zimmer. Sie haben einander an den Händen gehalten und geschwiegen, als ich mich mit dem Fall vertraut gemacht habe." Sie trank einen Schluck von dem Weißwein, den sie sich bestellt hatte und sah ihn nicht an, während sie die Geschichte erzählte. „Der Junge ist zu Hause unbemerkt in den Swimmingpool gefallen. Die Eltern konnten uns nicht sagen, wie lange er unter Wasser gewesen ist. Ich habe Jakai für eine Hirnperfusionsszintigrafie begleiten."

„Was ist das?"

„Man spritzt ein radioaktives Kontrastmittel in die Blutbahn, um zu sehen, ob das Gehirn noch durchblutet wird. Ich musste den Jungen in einen anderen Trakt der Klinik bringen. Zusammen mit dem Oberarzt und den Eltern. Es war totenstill, als wir durch die Flure gegangen sind. Alle waren angespannt und keiner hat einen Ton von sich gegeben. Es war gespenstisch und grauenvoll." Sie holte tief Luft. „Auf dem Bildschirm konnten der Oberarzt und ich sehen, dass das Kontrastmittel nur bis zum Hals aufgestiegen ist. Jakai war hirntot." Einen Augenblick lang schwieg sie und als sie weitersprach, war ihre Stimme belegt. „Wir wussten, dass der Junge tot war, aber wir durften es den Eltern noch nicht sagen. Also sind wir wieder schweigend über die Flure zurück zu seinem Zimmer gegangen. Es kam mir vor wie Stunden, Ethan. Ich wusste, dass ihr Sohn tot war und ich sah die Hoffnung in ihren Augen, dass er wieder gesund werden würde. Hoffnung, weil wir ihnen nicht gleich gesagt hatten, dass er tot war." Sie schluckte. „Der Oberarzt hat es ihnen gesagt, als wir auf dem Zimmer waren. Er war sehr professionell, aber ich wusste, dass er ihnen insgeheim die Schuld an dem Tod des Jungen gegeben hat. Und der Schmerz, der in den Augen der Eltern stand... Das werde ich niemals vergessen. Der Junge sah aus, als würde er schlafen. Aber ich habe mir seine Pupillen angesehen und da war... es war keine Seele mehr in diesem Körper. Wir mussten die Eltern noch fragen, ob sie einer Organspende zustimmten, aber sie lehnten ab. Während sich die beiden von ihrem Kind verabschiedet haben, habe ich die Medikamentengabe und die Beatmung gesteuert, bis mich die Eltern baten, ihren Sohn zu erlösen und ich die Geräte abgestellt habe. Sie haben eine Locke von seinem Haar abgeschnitten, sich zu ihm ins Bett gelegt und einfach nur geweint. Und irgendwann mussten sie gehen und Jakai kam in die Leichenhalle."

Sie trank noch einen Schluck und sah ihn an. „An diesem Tag wollte ich kündigen. Ich wollte meine Ausbildung hinschmeißen. Ich wollte nie wieder Zeuge davon werden, wenn jemandem gesagt wurde, dass er einen geliebten Menschen verloren hat. Sein Kind. Er war erst sieben Jahre alt und ist nur in den Pool gefallen." Sie schüttelte den Kopf. „Manche Tode sind so sinnlos und hätten so leicht verhindert werden können... Ich wollte dieses Krankenhaus nicht mehr betreten."

„Warum hast du weiter gemacht?", fragte er leise, weil Bonnies Stimme auch kaum noch mehr als ein Flüstern war.

„Ich hab meine Eltern in Colorado besucht. Der Flug dorthin dauert fast sechs Stunden. In dem Flugzeug saß eine hochschwangere Frau, die plötzlich in den Wehen lag und die Flugbegleiter haben herumgefragt, ob zufällig jemand Arzt oder Krankenpfleger ist. Ich war wie gelähmt. Ich hatte Bilder davon im Kopf, dass... dass, wenn ich dieser Frau helfen würde, ihr Baby auf die Welt zu bringen, ich ihr vielleicht sagen müsste, dass ihr Baby tot ist. Ich kannte den Schwangerschaftsverlauf nicht, ich wusste nicht, ob es Komplikationen geben würde, oder..." Sie seufzte. „Jedenfalls habe ich mich dann doch gemeldet, meinen Ausweis vorgelegt und bin nach hinten zu der Frau gegangen. Die Flugbegleiter waren zum Glück unfassbar hilfreich und haben mir alles gebracht, was ich benötigt habe. Die Frau selbst hatte schon zwei Kinder, war also tatsächlich gelassener als ich." Sie zog leicht die Augenbrauen zusammen. „Es war so... unkompliziert. Ich habe bis zu diesem Zeitpunkt immer nur schwierige, stundenlange Geburten im Krankenhaus miterlebt. Totgeburten, Kaiserschnitte, Babys, die falsch herum im Mutterleib lagen... Aber nach zwei Stunden war das Baby da. Ich habe es herausgeholt, habe es auf die Brust seiner Mutter gelegt und sie hat ihrem Baby den Rücken gerieben und ich war so erleichtert, als es zu schreien angefangen hat. Es hat wie am Spieß geschrien. Aber es war gesund. Zumindest auf den ersten Blick. Ich hab davor noch nie ein Baby alleine auf die Welt gebracht." In ihren Augen lag eine Sanftheit, die ihn berührte. „Ich hab die Mutter sogar noch ins Krankenhaus begleitet und durfte den Namen des Mädchens erfahren. Sky." Sie lachte. „Klischeehaft, aber es hat so wundervoll gepasst. Ich bin noch lange bei den beiden geblieben und... Und nach meinem Urlaub bin ich wieder zurück in die Klinik gegangen. So sehr mich Jakais Tod und der Schmerz der Eltern immer noch verfolgen... so sehr begleitet mich auch die Geburt von Sky. Und immer, wenn ich an Jakai denken muss, muss ich gleichzeitig an Sky denken. Und ich glaube, dass all die schlimmen Tage es wert sind."

Er bewunderte ihren Optimismus. Und ein bisschen beneidete er ihren Beruf. Dass sie Menschen helfen und wirklich etwas bewirken konnte. Sie kam bestimmt nie nach ihrer Schicht nach Hause und fand, dass sie nichts Bedeutendes getan hatte.

Obwohl er keinen Hunger gehabt hatte, schmeckte das Essen fantastisch. Und die kleinen Schokomuffins mit Vanillesauce würden ab jetzt seine Lieblingsnachspeise sein.

Eigentlich hatte er Bonnie zu Hause wieder absetzen wollen, aber sie verstanden sich doch zu gut, als dass er sie schon gehen lassen wollte. Vielleicht wollte er in dieser Nacht auch einfach nicht alleine sein, weil er dann daran hätte denken müssen, dass Izzy Drew geküsst hatte. Also fragte er, ob sie noch mit zu ihm kommen wollte, es war auch noch nicht allzu spät.

Das Haus war dunkel und es kam ihm immer noch so leer und kalt vor, obwohl Bonnie jetzt bei ihm war. Sie zog sich ihre Schuhe und den Mantel aus.

„Das klingt jetzt sicher bescheuert, aber hast du zufällig Babyöl da? Dann kann ich mich abschminken."

„Ich weiß nicht, ob es nicht bescheuerter ist, dass ich Ja sage, ohne ein Baby in diesem Haus zu beherbergen. Im Badezimmerschrank ganz oben."

Seine Mom hatte das Öl verwendet, weil ihre Haut wegen der Chemo so trocken und rissig geworden war.

„Ethan?", rief Bonnie, während er in seinem Zimmer das Chaos von vorhin zu beseitigen versuchte. „Da liegt ein Föhn auf dem Fußboden."

Er steckte seinen Kopf zu ihr ins Badezimmer. „Ich weiß. Einfach ignorieren."

„Was hast du denn veranstaltet?"

„Frag nicht... ich... ich hab... mein Hemd geföhnt."

„War es denn nass?"

„Nein, es war zerknittert."

Ihre Augenbrauen wanderten belustigt in die Höhe. „Du föhnst deine Kleidung glatt?"

„Ich war in Eile und es hat funktioniert."

Bonnie lachte. „Gut, ich stell das nicht in Frage. Ich wasche meine Gefrierbeutel immer in der Spülmaschine und hänge sie zum Trocknen auf Schaschlikspieße..."

Er legte den Kopf schräg. „Und du nennst mich seltsam?"

Er holte ihr noch ein kleines Handtuch aus der Kommode und verschwand dann zurück auf sein Zimmer, um sein Bett zu machen. Er war sich nicht sicher, warum, aber man konnte ja nie wissen.

„Es ist noch nicht spät", bemerkte Bonnie, als sie aus dem Bad kam. „Hast du Lust, dir noch einen Film anzusehen?"

Aus dem hintersten Eck eines Küchenregals kramte er eine Packung Popcorn heraus und träufelte etwas Öl in die Pfanne, während Bonnie im Wohnzimmer vor dem Regal mit den DVDs stand.

Unter der Decke auf der Couch knusperte das Popcorn, während auf dem Bildschirm 28 Days Later lief. Als er die leere Schüssel bei der Hälfte des Films auf den Couchtisch stellte, lehnte sie ihren Kopf an seine Schulter und er legte einen Arm um sie.

Der Film war zu Ende, aber ihre Finger streichelten immer noch über seinen Unterarm. Er schaltete den Fernseher aus und betrachtete sie eine Weile. Sie blinzelte zurück, ohne etwas zu sagen.

„Es tut mir leid", sagte er dann leise.

Sie setzte sich überrascht auf. „Was denn?"

„Dass ich..." Wie sollte er das Chaos erklären, das in ihm tobte? „Der Abend heute war schön, aber... es war irgendwie nicht..."

„Echt?", bot sie ihm an. Er war sich nicht sicher, ob das das richtige Wort war, aber ein besseres wollte ihm auch nicht einfallen und er hasste es, dass Bonnie es bemerkt hatte.

Er hatte sich etwas anderes als eine Jogginghose angezogen, sich rasiert und sich die Haare gemacht. Er hatte Spaß haben wollen, aber er hatte alles nur vorgetäuscht. Und es war anstrengend gewesen. Das wurde ihm in diesem Augenblick bewusst und er hatte so furchtbar große Angst davor, dass er aus diesem Gefühl nie wieder herauskommen würde. Dass er für immer so verloren und taub durchs Leben taumeln würde, dass er nie wieder wirklich aus vollem Herzen glücklich werden würde.

Bonnie lächelte seicht. „Ich fand es trotzdem schön. Auch, wenn du das meiste nur vorgetäuscht hast."

„Ich will es nicht vortäuschen müssen", murmelte er frustriert und erschöpft. „Es ist nur anstrengend so zu tun, als wäre alles okay."

„Das verstehe ich." Sie schlug die Decke zurück. „Aber es wird vergehen", sagte sie zuversichtlich und sah ihm in die Augen. Er dachte, sie würde aufstehen und gehen, aber stattdessen lehnte sie sich wieder zu ihm, strich mit den Fingern über seinen Nacken und küsste ihn. Er war überrascht, aber gleichzeitig auch nicht, weil bestimmt der ganze Abend darauf hinausgelaufen war.

„Fühlt sich das echt an?", fragte sie halb scherzhaft, halb im Ernst. Er legte seine Lippen wieder auf ihre und zwischen ein paar Küssen fragte sie: „Soll ich gehen?"

Er schüttelte den Kopf, legte seine Hände an ihre Taille, zog sie auf seinen Schoß und küsste sie inniger. Versuchte, sie inniger zu küssen. Sie zog die Enden seines Hemds aus seiner Hose und knöpfte es auf, berührte seine Haut, jagte ihm eine Gänsehaut über den Körper und er wollte, dass diese immer währende Unruhe in ihm endlich still schwieg.

Später in dieser Nacht lagen sie nebeneinander in seinem Bett und sie streichelte nachdenklich über seine Wange.

„Ich würde dir gerne helfen", flüsterte sie. „Wenn du mich lässt."

Er schloss die Augen. Bonnie war bestimmt gut für ihn. Bonnie war klug, hübsch, verdiente ihr eigenes Geld, half Menschen, war nicht auf ihn angewiesen, mochte Zombiefilme, war witzig und sie hatte ihm eben angeboten, dass sie ihm helfen wollte, wieder ein bisschen mehr Struktur in sein Leben zu bringen. Aus diesem Loch zu kommen, in das er irgendwann hineingefallen war.

Er küsste sie noch einmal, bevor er das Licht ausschaltete und sie sich in seine Bettdecke kuschelte. Ihm fiel noch ein, dass er seine Schlaftablette nicht genommen hatte, aber er glaubte, dass er neben Bonnie relativ ruhig schlafen würde.

Und doch war es Izzy, an die er dachte, bevor er einschlief.

*

Es war ihm noch nie so schwer gefallen, seine Aufmerksamkeit auf eine Sache zu richten. Aber dieser Notar, dieser gewisse Mr. Harper, sprach so unendlich gelangweilt und langsam, dass für ihn alles spannender war. Die Plastikpflanze, zum Beispiel. Sehr spannend. Er fragte sich, wie man Plastikpflanzen herstellte. Goss man die in eine Form? Wurden sie handgefertigt oder waren sie das Produkt einer Maschine? Wurden sie gepresst? Ein interessantes Thema.

Sein Dad hingegen hörte Mr. Harper aufmerksam zu, nickte, wenn es angebracht war, stellte Fragen, an die er nicht gedacht hätte und unterschrieb letzten Endes, dass er das Erbe von Katy bis zu ihrer Volljährigkeit verwahren würde. Er musste auch ein paar Mal seine Unterschrift setzen, hatte aber nicht wirklich zugehört, worum es dabei ging. Er vertraute darauf, dass sein Dad ihn aufgehalten hätte, wenn er etwas Unsinniges unterschrieben hätte.

Das Geld, das auf Moms Konto lag, wurde fair, zu jeweils fünfzig Prozent auf sein und Katys Konto, wenn sie irgendwann eines haben würde, übertragen. Alles, was mit dem Haus zu tun hatte -alle Einrichtungsgegenstände und ihren Anteil daran- hatte sie seinem Dad hinterlassen, der es später ohnehin ebenfalls Katy und ihm hinterlassen würde.

Hoffentlich in ferner, ferner Zukunft.

Alle Besitztümer seiner Mom hatte sie nicht spezifiziert jemandem hinterlassen, in ihrem Testament stand nur, dass sie ihrer Familie vertraute, dass sie wusste, dass sie sich nicht streiten würden und in Ruhe entscheiden sollten, was sie behalten und was hergeben oder entsorgen wollten.

Nach dieser Stunde tat ihm sein Kopf weh und er war froh, als er die Kanzlei verlassen konnte, mit dem nagenden Gefühl, das Geld seiner Mom niemals ohne Schuldgefühle verwenden zu können. Es war nicht sein Geld, er hatte nicht dafür gearbeitet und er wollte keinen Vorteil aus ihrem Tod ziehen, aber genauso fühlte es sich an. Hätte er das Geld gegen seine Mom eintauschen können, hätte er auf sein gesamtes Erbe, auf das Haus, das Auto, den Garten und sogar seinen Studienplatz augenblicklich verzichtet.

Auf der Straße vor dem Gebäude wartete Bonnie auf ihn. Obwohl er ihr geschrieben hatte, wo er war, hatte er nicht damit gerechnet, dass sie ihn abholen würde, schon gar nicht mit drei Bechern Kaffee.

„Hey, was machst du hier?", fragte er und sie löste einen der Kaffeebecher aus der Halterung.

„Dich abholen, damit du nicht sofort wieder nach Hause verschwindest", erklärte sie lächelnd und hielt ihm einen Kaffee hin. „Ein Caramel Macchiato mit einem Hauch Zimt, um deine Glückshormone anzukurbeln."

„Die hast du schon recht gut angekurbelt", zwinkerte er und sie rollte mit den Augen. „Danke."

„Mr. Cross", lächelte Bonnie, als sein Dad, der eigentlich Katy abholen musste, zu ihnen kam. „Sie sehen auch aus, als könnten Sie einen Kaffee gebrauchen."

„Hallo, Bonnie", lächelte sein Dad.

„Ich hoffe, Sie mögen einen guten, traditionellen Caffé Latte."

Sein Dad lachte und nahm den Becher dankend entgegen. „Das ist lieb von dir. Ich trinke jeden Kaffee. Und nenn mich bitte Jerome."

Als Bonnie kurz zu einem Mülleimer verschwand, um die Papphalterung wegzuwerfen, beugte sein Dad sich zu ihm.

„Deine Mom hatte recht, sie ist ein unfassbar nettes Mädchen." Sein Dad warf einen Blick auf seine Armbanduhr. „Na gut, ich muss los, Katy abholen. Möchtest du heute Abend zum Essen vorbeikommen?" Bevor Bonnie wieder bei ihnen ankam, fügte sein Dad noch ein leises: „Du kannst sie jederzeit mitbringen", hinzu, bevor er sich bei Bonnie noch einmal für den Kaffee bedankte, ihr versprach, sich zu revanchieren und sich dann von den beiden verabschiedete.

„Was machen wir?", fragte er, nachdem er ein paar Schlucke getrunken hatte. „Der Kaffee schmeckt wirklich gut."

„Ich dachte, wir gehen einfach ein bisschen spazieren. An der frischen Luft sein macht mehr Spaß, wenn man es zu zweit macht."

Am Abend war er wie geplant bei seinem Dad und John.

Bonnie hatte er nicht mitgenommen, dafür hatte er sich noch nicht bereit gefühlt, aber sein Dad hatte ihn auch nicht darauf angesprochen.

John stand in der Küche und setzte jeweils einen Klecks der Käse-Spinat-Füllung auf den selbstgemachten Nudelteig, während er am Küchentisch saß, seine Cola trank und an den Tag denken musste, an dem seine Mom gestorben war.

Er war sich nicht sicher gewesen, wann genau es gewesen war, aber an irgendeinem Punkt war John ins Krankenzimmer gekommen.

„Ich hab Katy zu ihrer Freundin gebracht. Sie braucht ein bisschen Ablenkung", hatte John leise gesagt, und eine Hand auf die Schulter seines Dad gelegt, der dankbar genickt hatte. „Holt euch etwas zu essen. Oder zu trinken. Vertretet euch die Beine, geht an die frische Luft. Macht eine Pause, ich bleibe so lange hier."

Sein Dad hatte tief den Atem ausgestoßen und war aufgestanden, aber er war stur am Bett seiner Mom sitzen geblieben. Die beiden hatten einen Augenblick gewartet.

„Ethan."

„Ich bleibe hier."

Eigentlich hatte er erwartet, dass sein Dad versuchen würde, ihn dazu zu überreden, mit ihm mitzukommen, aber es war John gewesen, der mit langsamen Schritten auf ihn zugekommen und schließlich vor ihm auf die Knie gegangen war. Noch nie hatte John ihn so behutsam angesehen.

„Du kannst deiner Mutter nicht helfen", hatte er leise gesagt und zum Ersten Mal hatte er so etwas wie eine Emotion in Johns Stimme vernommen. „Und sie würde auf keinen Fall wollen, dass du dich hier so sehr quälst." Ihm waren die Tränen gekommen, aber er hatte sich verboten, schon wieder zu weinen und hatte seinen Blick stur auf seine Mom gerichtet, die mit geschlossenen Augen und Atemmaske dagelegen hatte. „Du musst zusehen, dass es dir gut geht. Geh mit deinem Dad kurz raus. Iss etwas. Trink etwas. Geh kurz raus und dann kommst du wieder her."

Er hatte sich gewünscht, dass seine Mom hier gewesen wäre, und ihn hätte trösten können, ihm durch ihre Sterbezeit hindurch hätte helfen können.

Er war mit seinem Dad gegangen und sobald er das Zimmer verlassen hatte, wäre er am liebsten nie wieder zurückgekehrt.

„John?", fragte er jetzt.

„Hm?" John faltete hochkonzentriert den befüllten Teig zu kleinen Täschchen. Er sah sich um, aber Katy schien auf ihrem Zimmer zu sein und sein Dad brachte gerade den Müll hinaus.

„Das ist jetzt eine rein hypothetische Frage, aber was passiert, wenn ein über Achtzehnjähriger mit einer Fünfzehnjährigen schläft?"

„Oh Gott, was hast du getan?", fragte John monoton, stoppte seine Teigtaschentätigkeit aber nicht.

„Hier geht es gar nicht um mich", beeilte er sich zu sagen. Zumindest nicht in erster Linie. Aber John arbeitete bei der Polizei. Wenn ihm jemand eine Antwort auf seine Frage geben konnte, dann John. „Sagen wir... ein Fünfundzwanzigjähriger? Und eine Fünfzehnjährige."

„Du hast seltsame Freunde", bemerkte John. Er verdrehte die Augen. „Wenn du mich schon so fragst, dann kennst du die Antwort sicher."

„Also ist es strafbar."

„Natürlich. Solange sie nicht sechzehn ist, dann schon." John wusch sich die Hände und griff nach dem Küchentuch. „Aber ich habe noch nie jemanden gesehen, der so etwas zur Anzeige gebracht hat, außer Eltern, die zufällig davon Wind bekommen haben. Zwischen fünfzehn und sechzehn liegt nur ein Jahr, sodass die meisten Familien keinen Wirbel darum machen, wenn es einvernehmlich passiert ist. Aber es ist und bleibt strafbar."

Er musste immer wieder an Izzy und Justin denken. Daran, dass sie diesem Kerl so sehr zu vertrauen schien. Und dann musste er an das denken, was Justin zu ihm gesagt hatte. In der Nacht, in der Justin mit Izzy verschwunden war. Er konnte einfach nicht aufhören, sich zu fragen, wie viel von dem, was Izzy mit Justin tat, wirklich freiwillig war. Er wusste, dass die beiden schon sehr lange befreundet waren. Vielleicht lange genug, damit Justin sich so geschickt in ihrem Kopf eingenistet hatte, dass sie gar nicht bemerkte, was für ein Mensch er war.

„Und was passiert, wenn so jemand verurteilt wird?", fragte er.

„Gefängnis, im schlimmsten Fall", antwortete John und warf ihm einen studierenden Blick zu. „Rein hypothetisch?"

„Versprochen", nickte er.

Obwohl er John ansehen konnte, dass er ihm nicht glaubte, wandte er sich wieder den Ravioli zu.

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