26
Der Dezember rückte immer näher. Mit dem Dezember rückte Weihnachten näher und mit Weihnachten auch der bevorstehende Todestag seiner Mom.
Ihre verbleibende Zeit schien wie eine Sanduhr, die auf dem Nachttisch seiner Mom festgeklebt war und die er nicht umdrehen konnte. Jeder verbleibende Tag fühlte sich an, wie eine tickende Zeitbombe an seinem Körper.
Die Ärzte konnten nicht sagen, ob sie Weihnachten noch erleben würde, aber sie war seit acht Tagen nicht mehr aus dem Bett aufgestanden und jedes Mal, wenn er an ihrem Zimmer vorbei ging und durch die geöffnete Türe hineinsah, machte er sich darauf gefasst, seine Mom tot vorzufinden.
Die Tage verbrachte er damit, Katy von ihrer Angst und ihrer Trauer abzulenken, spielte Karten- und Brettspiele mit ihr, kümmerte sich um den Haushalt und telefonierte regelmäßig mit seinem Dad. Je näher und je unausweichlicher der Tod seiner Mom wurde, umso mehr fühlte es sich an, als würde seine Zeit mitablaufen. Als wäre er es, der noch vor Weihnachten sterben würde.
Vielleicht war das so, weil er sich ein Leben ohne seine Mom einfach nicht vorstellen konnte, auch, wenn sie schon seit einer geraumen Zeit nicht mehr so fröhlich und aktiv und gesund war, wie vor ein paar Jahren.
Aber sie war immer noch da.
Er hatte sich in den letzten Monaten viel mit dem Tod beschäftigt, vielleicht etwas zu viel. Mit dem seiner Mom, aber auch mit seinem eigenen.
Eines Nachts, als er bereits in seinem Bett gelegen hatte, hatte er gegrübelt und gegrübelt über das Sterben. Darüber, wie es sich anfühlen würde, tot zu sein. Nicht mehr zu existieren. Alles zurück zu lassen, was ihm gehörte und was er aufgebaut hatte. Er hatte immer gedacht, er würde achtzig Jahre alt werden. Es war eine Zahl gewesen, die ihn, in Bezug auf ein akzeptables Mindestalter, immer angelacht hatte. Aber was, wenn er gar nicht achtzig werden würde? Wenn er nur sechzig werden würde oder fünfzig? Seine Mom war jetzt fünfundvierzig. Was, wenn ihm nur noch zehn Jahre blieben? Oder fünf? Neun Monate? Eines?
Zehn Tage?
Was, wenn er mitten aus seinem Leben gerissen werden würde, einfach so, ohne all die Dinge getan zu haben, die er tun wollte? Verreisen. Kinder bekommen. Für Katy sorgen. Er wollte sich ein Haus bauen, ganz alleine. Und reisen, verdammt! Gott, er wollte verreisen. Er hatte noch nicht viel von der Welt gesehen, aber er war ja auch jung. Er hätte nicht gedacht, dass er in zehn Tagen sterben könnte.
Er hatte sich in seinen Gedanken verheddert und eine waschechte Panikattacke erlitten. Die erste in seinem Leben. Er hatte kaum richtig atmen können, hatte dieses schreckliche Engegefühl in seiner Brust nicht abschütteln können, hatte Tränen der Panik geschluchzt und nicht aufhören können, an das furchterregende, endlose Nichts zu denken, das ihn nach dem Tod erwarten würde. Er glaubte nicht an ein Leben nach dem Tod und das machte es nur schlimmer. Er wollte nicht sterben! Zeit, so wenig Zeit! Die Tage verflogen, die Wochen verflogen, er war schon neunzehn und konnte sich noch genau an seinen ersten Schultag erinnern und daran, dass ihm diese zwölf Jahre wie eine endlose Strecke vorgekommen waren und jetzt waren sie vorbei! Und jeder Geburtstag kam schneller und er hatte einfach nicht genug Zeit!
Fast eine Stunde hatte es gedauert, bis er sich von seiner Panikattacke erholt hatte und erschöpft eingeschlafen war.
Er hatte nicht mit seinem Dad darüber gesprochen, obwohl er mit seinem Dad alles teilte. Aber er hatte Angst, dass diese furchtbaren Gefühle alle wieder hochkommen würden, würde er noch einmal darüber nachdenken oder darüber sprechen. Noch nie hatte er so große Angst vor dem Tod gehabt. Wenn er doch nur wüsste, wie es sich anfühlte, zu sterben... Tot zu sein.
Ein paar Tage nach dieser grauenvollen Nacht besuchter er Drew. Sie warfen sich bei Drew zu Hause auf die Couch im Wohnzimmer, Julia brachte ihnen etwas zu trinken und ein paar Snacks und sie verbrachten den ganzen Tag mit einem Controller in der Hand vor dem Fernseher.
„Musst du nicht für die Uni lernen?", fragte Drew irgendwann, während er mit einer Kettensäge einen Zombie abschlachtete.
„Hab mich abgemeldet", erwiderte er nur knapp und ging nicht auf den langen, studierenden Blick ein, den Drew ihm zuwarf.
Dass er sich abgemeldet hatte, stimmte nicht ganz. Er hatte seinem Professor an der Uni, den alle nur Einstein nannten, vor zwei Wochen um mehr Zeit für eines der Projekte gebeten, weil er einfach nicht die Kraft hatte, es in dem vorgegebenen Zeitrahmen nach seinen eigenen Standards und Erwartungen zu beenden. Als Einstein nach dem Grund gefragt hatte, war er offen gewesen und hatte erklärt, dass seine Mom an Krebs erkrankt war und bald sterben würde. Nicht, weil er nach Mitleid gesucht hatte, sondern weil er keinen Grund sah, die Wahrheit zu verstecken.
Einstein war es, der vorgeschlagen hatte, dass er sein Studium unterbrach.
„So etwas verarbeitet man nicht nebenbei", hatte sein Professor mit den runden Brillengläsern und den kleinen Augen und den grauen Haaren gesagt, vor dem alle immer Angst hatten, aber er hatte ihn immer gerne gehabt. „Dein Studium läuft dir nicht davon." Die Zeit mit deiner Mom hingegen schon. Das hatte Einstein zwar nicht gesagt, aber er hatte die Botschaft auch so verstanden.
Er hatte seinen Dad angerufen und ihn nach seinem Rat gefragt. Noch am selben Tag war er ins Sekretariat gegangen und hatte die nötigen Formulare ausgefüllt, um sein Studium vorerst auf Eis zu legen.
Er blieb bis zum Abendessen bei Drew. Das konnte er aber nur, weil sein Dad bei ihm zu Hause war, und sich um Mom und Katy kümmerte.
Das Essen schmeckte wie immer herrlich, aber ihn störte, dass Izzy ihn keines Blickes würdigte. Dass sie nichts sagte überraschte ihn nicht, aber dass sie ihn nicht einmal ansehen konnte, machte ihn sauer. Sie musste bemerken, dass er sie ab und zu ansah, aber sie ignorierte es so konsequent, dass er wirklich glaubte, Luft für sie zu sein.
„Hannah, Handy weg beim Essen", mahnte Adam müde und es klang, als hätte er das in den letzten Tagen viel zu oft sagen müssen. Izzy sah zwar auch ab und zu auf ihr Handy und schrieb eine Nachricht, aber er erklärte sich Adams Schweigen diesbezüglich damit, dass sie vermutlich nicht auf ihn hörte.
Nach dem Essen ging er noch mit Drew auf sein Zimmer, aber er wurde bald müde und verabschiedete sich. Er hatte zwar keine Lust, nach Hause zu fahren, aber es war bald acht und sein Dad wollte bestimmt auch nach Hause.
Als er sich die Jacke anzog, hörte er Schritte hinter sich und war überrascht, als er sich umdrehte und Izzy neben dem Küchentisch stehen sah. Diesmal wich sie seinem Blick nicht einmal aus. Sie sah aus, als wollte sie etwas von ihm.
„Hey, du... hast doch ein Auto", meinte sie, was deutlich mehr nach Kannst-du-mich-wo-hinfahren klang.
Er hielt ungläubig in seinen Bewegungen inne und drehte sich zu ihr. Im ersten Moment wusste er nicht, was er darauf erwidern sollte. Dann entschied er sich für das Offensichtlichste. „Ist das dein Ernst? Nachdem du den ganzen Abend nicht mit mir geredet hast, erwartest du jetzt, dass ich deinen Chauffeur spiele?"
„Gut, vergiss es", brummte sie und tippte wieder auf ihrem Handy herum, als hätte sie auch nur das geringste Recht, sauer auf ihn zu sein. Er fragte sich, was aus dem Mädchen geworden war, das er auf Masons Party so interessant gefunden hatte. Gerade fand er Izzy einfach nur anstrengend.
„Wenn ich dich fahren soll, will ich, dass du mir erklärst, was das an Halloween war", verlangte er und sie hob den Blick von ihrem Handy.
„Ich hatte einen schlechten Tag", meinte sie schulterzuckend.
„Das ist deine Erklärung?"
„Fährst du mich, oder nicht?" Ihr genervter Unterton trug nicht dazu bei, dass er sie fahren wollte und das merkte sie offenbar recht schnell, denn sie rieb sich über die Stirn und stieß den Atem aus. „Tut mir leid. Mir geht's heute nicht gut." Er glaubte kaum, dass sie das nur gesagt hatte, damit er sie fuhr. Er betrachtete sie genauer. Sie sah müde aus. Noch blasser als sonst. Ihre Kleidung war wie immer weit genug, dass sie sich darin verstecken konnte und dunkel genug, dass es ihre trostlose Miene widerspiegelte.
„Wo musst du hin? Ich fahr dich nicht über die Grenze."
Sie verdrehte müde die Augen. „Anchorage."
Er riss die Augen auf. „Anchorage? Bist du verrückt? Weißt du, wie lange wir dort rüber brauchen? Musst du morgen nicht zur Schule?"
„Gott, wenn du wen nerven willst, dann nerv Andrew, der geht mir auch schon seit Tagen auf die Eierstöcke."
Jetzt musste er auflachen. Das hatte er noch nie jemanden sagen hören, aber Izzy blieb ernst.
„Ich weiß, dass es spät ist und Anchorage nicht um die Ecke liegt, aber anstatt mir einen Vortrag zu halten, kannst du auch einfach Ja oder Nein sagen."
Er verschränkte misstrauisch die Arme vor der Brust. „Was ist denn so Wichtiges in Anchorage?"
„Das geht dich nichts an."
„Doch, wenn ich dich fahren soll, dann schon."
Sie stieß genervt den Atem aus. „Ich muss was... abholen."
„Du musst etwas abholen?"
„Okay, wo ist dein Hör-auf-alles-zu-wiederholen-was-ich-sage-Knopf?" Sie hob die Augenbrauen hoch. „Hör auf, mich zu nerven."
Er schüttelte den Kopf, ohne auf ihre Bemerkungen einzugehen. „Vergiss es, ich fahr dich nicht quer durchs Land, weil du mitten in der Nacht etwas abholen musst."
Gerade als er sich umdrehte und gehen wollte, sagte sie: „Medikamente."
Sie sah ihn so undurchdringlich kühl an, als wolle sie ihn dafür bestrafen, dass sie es ihm gesagt hatte.
„Medikamente?"
„Gibt es wirklich keinen Ausschaltknopf für dieses ständige Nachplappern?", erwiderte sie trocken.
Er hatte unfassbar viele Fragen, aber sie sah ihn bereits so kalt an, dass er wusste, wenn er ihr auch nur eine weitere Frage stellte, sie auf seine Hilfe verzichten und einfach nach oben auf ihr Zimmer gehen würde.
Nachdem er kurz mit sich gerungen hatte, ob er wirklich schon wieder mit diesem Mädchen eine Geschichte anfangen wollte, die nur in schlechter Laune oder gutem Sex endete, nickte er mit dem Kopf zur Türe und sie griff hastig nach ihrer Jacke, sah flüchtig zu den Treppen und lief aus dem Haus, ohne irgendjemandem Bescheid zu geben.
Eigentlich hatte er keine Lust, um diese Uhrzeit nach Anchorage zu fahren. Er war müde. Aber die Alternative wäre gewesen, nach Hause zu fahren, Dad abzulösen, und bei jedem kleinen Geräusch nachts aufzuwachen und sich sicher zu sein, dass er seine Mom tot auffinden würde, würde er ihr Schlafzimmer betreten.
Und plötzlich schien eine kleine Spritztour mit Izzy wie das kleinere Übel. Wer weiß, vielleicht würde er ihr ja noch die eine oder andere Information über diese ominösen Medikamente entlocken können.
Gott, hoffentlich waren es keine Drogen, schoss es ihm durch den Kopf.
Als sie beide im Auto saßen, zog Izzy die Knie an und lehnte den Kopf gegen das Fenster.
„Ist dir kalt?", fragte er, als er seinen Wagen aus der Straße lenkte, weil er den ganzen Tag in der Kälte gestanden hatte, und überlegte, Drew nachher zu schreiben, damit zumindest irgendjemand wusste, wo Izzy war.
Sie schüttelte den Kopf, saß aber so zusammengekauert auf dem Autositz, dass ihr bestimmt nicht warm war, also drehte er beide Sitzheizungen auf und stellte das Navi an einer roten Ampel ein.
Ein paar Minuten schwiegen sie und als sie auf der Landstraße durch die vielen Waldgebiete fuhren, hatte er über die Worte, die aus seinem Mund kamen, wieder keinerlei Kontrolle.
„Was sind das für Medikamente?"
Sie bewegte sich keinen Millimeter, aber wenigstens antwortete sie. „Schmerzmittel. Wie geht es deiner Mom?"
Die Frage kam mehr als unerwartet und für einen kurzen Moment kam es ihm so vor, als würde sein Herz vor Schreck auf den Boden fallen.
„Wieso fragst du?"
„Wieso fragst du?", gab sie ungerührt zurück.
Er stieß den Atem aus. „Es geht ihr nicht gut. Warum holst du diese Schmerzmittel mitten in der Nacht?"
„Ich hab darauf vergessen. Ist sie im Krankenhaus?"
„Nein, zu Hause. Warum hast du nicht Adam gefragt, ob er dich fährt?"
Sie drehte ihm das Gesicht zu. „Noch ein Versuch, Scherzfragen zählen nicht."
Ein bitteres Lachen stieg in seiner Kehle empor, aber er schluckte es hinunter. „Wogegen sollen die Schmerzmittel helfen?"
„Schmerzen."
„Ach, nein. Und ich hatte gehofft, sie würden deine Laune erträglicher machen", erwiderte er sarkastisch, doch sie zuckte nur mit den Schultern.
„Wenn ich sie nehme, gehen diese zwei Dinge Hand in Hand."
Er warf ihr einen flüchtigen Blick zu und verstand, was sie ihm sagen wollte. Ihre unausstehliche Laune war Schmerzen zuzuschreiben, aber er fand nicht, dass sie diese entschuldigten. Seine Mom hatte auch Schmerzen.
„Wohin fahren wir? Ich hab nur die Hauptstraße in Anchorage ins Navi eingegeben."
„Ich sag es dir an, wenn wir dort sind", meinte sie nur.
„Das ist keine beruhigende Antwort. Warum holst du dir hier nicht deine Schmerzmittel?"
„Weil ich sie hier nicht bekomme."
Keine ihrer Antworten war zufriedenstellend und er konnte es nicht lassen, weiter zu bohren. „Warum nicht? Du kriegst doch in jedem Supermarkt Schmerzmittel."
„Nicht solche."
„Was ist anders an denen, die wir abholen?"
„Sie sind stärker."
„Und wo holen wir sie?"
„Bei meiner Ärztin."
„Bei welcher Ärztin?"
„Meiner."
„Welche Ärztin hat um diese Zeit noch ihre Praxis geöffnet?"
„Meine."
Es war zwecklos. Sie würde seine Fragen nicht beantworten. Nicht wirklich.
„Was sind das für Schmerzen?", fragte er nach einer Weile weiter.
„Hab mir einen Holzsplitter eingezogen."
„Machst du dich über mich lustig?"
„Kennst du SpongeBob nicht?" Sie drehte sich wieder zu ihm mit einer todernsten Miene, aber er musste sie nur kurz ansehen, um zu wissen, dass etwas Anderes als Abneigung in ihren Augen lag. Belustigung. „Die Folge, in der er sich einen Holzsplitter in den Daumen sticht, der sich dann entzündet und ganz eitrig wird und zur Größe eines Hochhauses anschwillt?"
Er verzog das Gesicht. „Ich hab diese Folge erfolgreich verdrängt, aber... danke für das detailreiche Bild."
Sie drehte sich wieder zum Fenster.
„Hast du dir... irgendwie wehgetan?", riet er, obwohl sie nicht unbedingt verletzt aussah.
„Nein."
„Bist du krank?"
Sie antwortete nicht sofort und er vermutete, einen Nerv getroffen zu haben. „So in etwa."
Er war klug genug, um zu wissen, dass er spätestens jetzt zu fragen aufhören sollte. Zwar wollte er noch einmal nach Halloween fragen, aber im Großen und Ganzen wusste er von Mason und Mia, was passiert war. Auch, wenn er sich nicht vorstellen konnte, dass Izzy auf irgendjemanden losgehen würde, er hatte gesehen, wie wütend sie gewesen war. Er hatte den wilden Ausdruck auf ihrem Gesicht gesehen, der ihm beinahe Angst gemacht hatte.
Aber sie würde ihm nicht sagen, wie es dazu gekommen war.
„Was liest du gerade?", fragte er und erwartete, dass sie aufgrund der unverfänglichen Frage kurz verwirrt sein würde, aber sie antwortete sofort.
„Harry Potter."
Er drehte sich schockiert zu ihr, bevor er sich daran erinnerte, dass er auf die Straße schauen sollte.
„Nochmal, richtig?"
„Nein, zum ersten Mal. Hab mir gestern den ersten Band aus der Bibliothek ausgeliehen."
„Du machst Witze, oder?" Er war immer noch fassungslos darüber, dass Izzy die Bücher seiner Kindheit noch nicht gelesen hatte. „Du machst mich wirklich fertig, weißt du das?"
„Ist mein Lebensziel. Was liest du gerade?"
„Ich hab im Augenblick nicht wirklich Zeit dafür", erwiderte er.
„Du sitzt den ganzen Tag nur zu Hause und drehst Däumchen?", fragte sie und drehte sich wieder zu ihm. Er antwortete nicht. Er drehte nicht Däumchen, aber vor zwei Tagen hatte er sich dabei erwischt, wie er eine knappe Stunde im Wohnzimmer gesessen und nur in die Gegend gestarrt hatte. Er war nicht einmal an seinem Handy gewesen. Er hatte nur da gesessen und hatte nichts gemacht. Und als er das nächste Mal auf die Uhr gesehen hatte, war eine Stunde vergangen gewesen.
„Das ist ja scheiße", murmelte sie, ohne den Blick von ihm abzuwenden. „Mit der sterbenden Mutter festzusitzen ist sicher nicht lustig... wobei... ich würde meiner Mutter liebend gerne beim Sterben zusehen."
Er hätte vor Fassungslosigkeit fast in der Doppelkurve den Blick von der Straße genommen.
„Ist das dein Ernst?", brachte er irgendwann heraus.
„Deine Mutter ist eine Mom. Meine ist nur... eine Frau mit Kindern", sagte sie, als sei damit alles gesagt, aber er konnte nicht glauben, dass er mit einem Mädchen im Wagen saß, das jemandem den Tod wünschte und auch noch dabei zusehen wollte. Sie wusste bestimmt nicht, wovon sie redete. Wüsste sie es, hätte sie so etwas nie gesagt.
„Wir haben doch alle böse Gedanken", sagte sie bitter, als er nichts mehr erwiderte. „Der Unterschied ist, dass ich keine Angst davor habe, sie zuzulassen."
Er hatte nicht vor, auf dem hohen Ross zu sitzen. Er musste an die vielen Male denken, an denen er darüber nachgedacht hatte, mit seiner Mom im Wagen gegen die Leitplanke zu fahren. Aber im Gegensatz zu Izzy fand er, dass er diese Gedanken sehr wohl fürchten sollte. Er liebte seine Mom, er wollte dass sie lebte. An manchen Tagen wünschte er sich lediglich, dass all das Leid, das diese Krankheit ihr und ihm und Katy und Dad und John brachte, endlich vorbei war.
„Hast du keine Angst?", fragte er und war froh, dass sie auf der Autobahn nun eine gerade Strecke vor sich hatten. Der Himmel war fast schwarz, gesprenkelt mit einzelnen Sternen und es war kein anderes Auto unterwegs.
„Wovor?"
„Vor... manchen Gedanken. Machen sie dir keine Angst?"
Sie wandte ihren ganzen Körper ihm zu, schlug sogar die angezogenen Knie auf die andere Seite und sah ihn aufmerksam an.
„Zum Beispiel?"
„Naja..." Er umfasste das Lenkrad fester, hatte nicht vor, dieses Thema anzuschneiden, aber etwas hatte Izzy an sich, das seine tiefsitzende Angst in Neugier auf ihre Sichtweise verwandelte. „Den Tod."
„Ich habe keine Angst zu sterben", sagte Izzy, beinahe ohne zu zögern. „Und das solltest du auch nicht. Wir sterben alle irgendwann, davor Angst zu haben, ist absolut lächerlich."
„Ich habe Angst vor dem nicht existieren", stellte er klar. „Vor dem... endlosen Nichts. Davor, dass einfach alles vorbei ist, ich nicht mehr da sein werde, nichts mehr mitbekomme, nicht weiß, wie es weitergeht, einfach... weg bin. Und nie wieder komme. Ich habe Angst davor, nicht mehr zu existieren."
Er hatte eigentlich nicht vorgehabt seine Angst, die sich in den letzten Wochen so manifestiert hatte und über die er mit noch niemandem gesprochen hatte, mit Izzy zu teilen.
Diesmal ließ sie sich mit ihrer Antwort Zeit und richtete den Blick auf die Straße. Er hoffte, dass sie ihn nicht für ein komplettes Weichei hielt. Oder einen Idioten, denn wenn er jetzt über seine Worte nachdachte, hasste er sich dafür.
„Du hast schon einmal nicht existiert", sagte sie dann und sah ihn wieder an. „Viele, viele Jahrtausende hast du nicht existiert, bevor du geboren wurdest, und da hat es dich auch nicht gekümmert. Und du wirst wieder nicht existieren, nachdem du gestorben bist und auch dann wird es dich nicht kümmern."
Welche Antwort er erwartet hatte, wusste er nicht, aber diese war es nicht gewesen. Vielleicht war es die Tatsache, dass sie so unbekümmert über den Tod sprach oder es waren ihre Worte selbst, aber er fühlte sich tatsächlich ein kleines Bisschen besser.
Als sie gegen halb zehn Uhr nachts in Anchorage ankamen, hielt Izzy Wort und lotste ihn durch die Straßen zwischen den hohen Gebäuden.
„Hier hast du gewohnt?", fragte er neugierig und sie nickte verhalten. Es war offensichtlich, dass ihre redsame Phase vorbei war. Vor einem hohen Gebäude mit dunkler Fassade wies sie ihm an, stehen zu bleiben und er parkte sein Auto in einer Lücke, die für ihn ausgeschnitten hätte sein können.
„Und dein Arzt hat um diese Zeit noch geöffnet?", hakte er misstrauisch nach und ihm kamen wieder die Gedanken an die Drogen.
„Hat sie nicht", erwiderte Izzy, als sie den Gurt öffnete, die kleine Deckenlampe einschaltete und in ihre Jackentasche griff. „Ich bin sozusagen ihr Sonderfall. Sie hat gesagt, dass ich vorbei kommen kann, sie wohnt nur ein Stockwerk über ihrer Ordination."
Sie zog ein paar Scheine aus ihrer Jackentasche und zählte sie durch. Er zählte mit. Es waren knappe zweihundert Dollar, aber bevor er nachfragen konnte, hatte sie auch schon die Türe geöffnet.
„Bin gleich wieder da."
Er ließ das Gebäude nicht aus den Augen. Es dauerte aber tatsächlich nicht lange, bis Izzy wieder herauskam und zum Auto zurück eilte. Er war überrascht, als er erkannte, dass das, was in ihren Händen lag, dieselben Schmerzmittel waren, die seine Mutter zu Beginn ihrer Behandlung bekommen hatte. Die unguten Erinnerungen an die Zeit, in der sie alle noch gehofft hatten, dass seine Mom überleben würde, trafen ihn hart.
Sie schluckte eine der Pillen routiniert und ganz ohne Wasser, als wäre es nichts Neues für sie, und ein Teil von ihm wollte wieder fragen.
Auf dem Highway sahen sie schon von weitem das leuchtend gelbe M und sie schlug vor, noch etwas essen zu gehen. Ihn überraschte es nicht, dass sie noch Appetit hatte, denn beim Abendessen hatte sie kaum etwas zu sich genommen. Izzy schien ein bisschen entspannter, als sie im Drive-In auf ihre Burger und die Pommes und zwei Becher Cola warteten. Er parkte den Wagen etwas Abseits einer danebenstehenden Tankstelle, damit sie ungestörter essen konnten.
Sie war mit der Hälfte ihres Burgers fertig, als sie meinte: „Erzähl Andrew nicht, wo wir waren. Sonst landet das noch bei Adam."
„Was soll ich ihm nicht erzählen?", entgegnete er und schluckte seinen Bissen hinunter.
„Wo wir waren und was wir gemacht haben. Sag ihm am besten gar nicht, dass wir zusammen waren. Wenn jemand fragt, bist du nach Hause gefahren. Das erspart bestimmt auch dir Ärger." Sie biss wieder in ihren Burger.
Er zerknüllte das Papier und ließ es zurück in die leere Tüte fallen, trank aus seiner Cola und sah sie an. „Wofür nimmst du die Schmerzmittel?"
„Das geht dich wirklich nichts an."
„Weiß davon überhaupt jemand?"
„Nein, deshalb sollst du ja die Klappe halten."
„Deine Wortwahl tut dir dabei aber keinen Gefallen."
Sie drehte ihr Gesicht zu ihm und er rechnete mit einer bissigen Antwort, aber dann biss sie wieder von ihrem Burger ab.
„Mach was du willst", nuschelte sie dann. „Wenn du es unbedingt jemandem erzählen musst -bitteschön!"
„Ich werde es niemandem erzählen", seufzte er angestrengt. „Jetzt, da ich das gesagt und dich durch die halbe Weltgeschichte gefahren habe, kannst du wieder normal mit mir reden, oder?" Er mochte diese aufmüpfige, schlecht gelaunte, beleidigte und grimmige Seite an Izzy nicht. Aber vielleicht war das einfach die Pubertät.
Sie stieß tief den Atem aus. „Gut, okay, ich werde versuchen, nicht ganz so schlecht gelaunt zu sein." Das war wohl ihre Vorstellung eines Kompromisses.
„Sagst du mir nun, was an Halloween passiert ist?"
„Du stellst zu viele Fragen."
„Wie soll ich sonst jemanden kennenlernen oder verstehen?", entgegnete er und sie zerknüllte das Papier, in dem ihr Chicken-Burger eingewickelt gewesen war, ebenfalls und warf es in die Tüte, bevor sie sich ihm zuwandte und mit einem intensiven Blick musterte.
„Warum würdest du mich kennen lernen wollen?"
„Wieso nicht?"
„War ich noch nicht eklig genug zu dir?"
„Offensichtlich nicht, sonst würde ich nicht hier mitten in der Nacht auf dem Parkplatz einer Tankstelle in meinem Auto sitzen, Burger und kalte Pommes essen und dieses Gespräch mit dir führen."
Sie sah ihn lange an. Was genau in ihrem Kopf vorging, wusste er nicht, aber sie musterte ihn abschätzend. Nachdenklich. „Du willst also wissen, warum ich nicht verstehe, warum du mich kennen lernen willst?"
„Ja."
„Soll ich dir ehrlich antworten?"
„Wer würde eine Lüge bevorzugen?"
„Du wärst überrascht", erwiderte sie wie aus der Pistole geschossen, ohne den Blick von ihm abzuwenden. „Ich glaube einfach nicht, dass viele Leute... sich darum reißen würden, mich kennen zu lernen." Jetzt wandte sie sich wieder ab, ließ sich zurück in den Sitz fallen und blickte aus der Windschutzscheibe hinüber zu dem gelbleuchtenden Gebäude in der Finsternis.
Irgendwie glaubte er nicht, dass Izzy das gesagt hatte, weil sie nach Aufmerksamkeit lechzte, so, wie er es schon oft bei Mädchen ihres Alters erlebt hatte. Mädchen, die so anders als andere sein wollten, dass sie schon wieder in die Mehrheit rutschten, dabei fand er es nicht schlimm, zu der Norm zu gehören. Im Gegenteil. Normal zu sein, sollte jeder wollen, zumindest bis zu einem gewissen Grad.
Aber er hatte Izzy erlebt, hatte mit ihr geredet, hatte gesehen, wie sie sich verhielt, hatte von anderen gehört, wie sie drauf war. Immer still, immer zurückgezogen, immer alleine. Er war sich sicher, dass sie ernsthaft glaubte, dass die Leute keine Lust hatten, in ihrer Nähe zu sein. Nur war ihm nicht ganz klar, warum sie dann so unverschämt und abweisend zu allen war.
„Woher willst du das wissen, wenn du es nicht zulässt?", fragte er dann. „Dass dich Menschen kennen lernen, meine ich."
Ein bitteres Lächeln breitete sich auf ihren Lippen auf. „Das hab ich oft genug versucht."
„Bei mir hast du es nicht versucht."
„Doch, habe ich." Sie drehte sich wieder zu ihm. Eine Traurigkeit, die er nicht recht zuordnen konnte lag in ihren Augen. „Bis... Halloween kam und...naja..." Sie seufzte.
„Und, was?", hakte er nach und jetzt sah sie ihn verwirrt an.
„Und ich dich angeschrien habe."
Nun war er verwirrt. „Und weiter?"
Sie blinzelte. „Das... reicht den meisten Menschen, dass sie... keine Ahnung, mich für verrückt halten oder so."
„Du schreist die Menschen um dich rum also öfter so an?", fragte er und konnte ein leichtes Grinsen nicht unterdrücken, obwohl er nichts daran lustig fand. „Ich halte dich nicht für verrückt, ich... hätte nur gerne eine Erklärung dafür gehabt." Über seine Antwort schien sie ehrlich überrascht, also schob er hinterher: „Warum sonst hätte ich dich Anchorage fahren sollen? Warum denkst du, dass ich das getan habe?"
„Ehrlich?"
„Bitte."
„Ich dachte, es läuft für dich auf Sex hinaus."
Er zog fassungslos die Augenbrauen hoch. Hatte er bei ihr einen so furchtbaren Eindruck hinterlassen?
„Siehst du...", meinte er langsam. „Deshalb fragt man nach... dann passieren solche Missverständnisse nicht." Er schüttelte den Kopf. „Es war nicht meine Intention, heute mit dir zu schlafen. Hältst du mich wirklich für so jemanden?"
„Du meinst, nachdem wir auf Masons Party hinter ein paar Topfpflanzen und dann auf Mias Party in deinem Auto Sex hatten?"
Er hob den Zeigefinger. „Stopp, auf Mias Party warst du es, die das angefangen hat."
Sie sah ihn lange an und er erwiderte ihren Blick. „Können wir uns einfach darauf einigen, dass ich dich gerne kennenlernen würde?", fragte er offen, weil es anscheinend die einzige Möglichkeit war, an dieses Mädchen heranzukommen. „Und dass du mich lässt, wenn du das möchtest, anstatt mir ständig zu sagen, dass ich die Klappe halten soll?"
„Ach, halt die Klappe."
„Ja, genau das meine ich."
Sie kniff die Lippen ein wenig zusammen, weil sich ein Schmunzeln auf ihnen ausbreiten wollte, aber er bemerkte es trotzdem. Doch dieser Ausdruck verblich schnell wieder.
„Ich bin wirklich nicht..." Sie leckte sich über die Lippen. „Die meisten Leute bezeichnen mich als zu viel."
„Zu viel?"
Sie nickte, aber er war sich nicht sicher, was sie damit meinte. Was irgendjemand damit meinen könnte.
„Noch bist du mir nicht zu viel", sagte er und bemerkte dass seine Stimme einerseits sanfter wurde, andererseits einen gefährlich warmen Tonfall angenommen hatte. So sprach er normalerweise, wenn er kurz davor war, mit einem Mädchen zu flirten.
Nach kurzer Zeit gähnte sie und er fragte, ob sie wieder nach Hause wollte. Sie nickte und er startete den Motor und lenkte seinen Wagen wieder aus der Ausfahrt und auf den Highway.
Viel redeten sie nicht mehr und er merkte, dass sie müde wurde. Nachdem sie drei Mal aufgeschreckt und sich auf der Straße nach Schildern umgesehen, bevor sie sich wieder mit verschränkten Armen in den Sitz gekuschelt hatte, meinte er: „Du kannst ruhig schlafen. Ich entführe dich schon nicht."
Sie erwiderte zwar nichts darauf, aber wenige Minuten später war sie eingeschlafen. Davon ging er zumindest aus, denn sie öffnete ihre Augen nicht mehr und hatte all die Anspannung in ihrem Körper verloren.
Als sie Palmer wieder erreichten, weckte er sie und sie blinzelte orientierungslos, sagte aber fast sofort: „Ich will da nicht hin."
„Was?"
„Zu Adam", erklärte sie noch recht verschlafen. „Kann ich mit dir kommen? Nur heute?"
Er stutzte und wusste für einen Augenblick nicht, was er sagen sollte. Es war bestimmt keine gute Idee, Izzy mit nach Hause zu nehmen, aber andererseits... was sollte schon passieren?
„Ähm... ich weiß nicht, wie... wie okay Adam das sehen wird."
„Das ist mir ziemlich egal. Wir sind doch jetzt sowas wie Freunde, oder nicht?" Sie sah ihn an. „Freunde lassen Freunde bei sich übernachten, wenn sie keine Lust auf ihren temporären Wohnort haben."
Er seufzte. Wenn er ehrlich mit sich selbst war, dann wollte er jetzt auch nicht unbedingt alleine nach Hause. Da, wo seine Mom im Bett lag und sterbenskrank war und sein Dad auf sie aufpasste- sein Dad! Sein Dad war immer noch bei ihm zu Hause und hatte keine Ahnung, wo er war. Verdammt! Nervosität kroch in ihm hoch, weil sein Dad sich nicht gemeldet hatte. Gut, sein Dad rief nie an und fragte, wo er blieb, aber es war wirklich schon spät... war etwas mit Mom passiert?
Er schob diesen Gedanken schnell beiseite. Mit seiner Mom war alles in Ordnung.
„Gut, okay, aber unter der Bedingung, dass du deiner Schwester Bescheid gibst, wo du bist."
„Die schläft bestimmt schon", erwiderte sie. Er wusste von Drew, dass Izzy sich nachts oft aus dem Haus schlich oder am Morgen nicht in ihrem Bett lag, aber das hatte sie alle nur beim ersten Mal erschreckt. Mittlerweile war es wohl normal.
„Dann schreib ihr eine SMS", bestand er.
Angestrengt stieß sie den Atem aus, kramte aber in ihrer Jackentasche nach ihrem Handy und tippte eine Nachricht.
„Und wir müssen leise sein, meine Mom und Katy schlafen bestimmt schon."
Sie lachte amüsiert auf und grinste ihn an. „Ich weiß ja nicht, was du vorhast, aber von mir aus sollte das kein Problem sein."
Er musste schmunzeln.
Als er die Haustüre aufsperrte, sah er, dass im Wohnzimmer noch die große Stehlampe neben der Couch brannte. Sein Dad war wirklich noch hier. Die beiden zogen sich Jacken und Schuhe aus und er ging voran. Sein Dad saß auf der Couch mit einem Buch, hatte seine Lesebrille auf und hob erleichtert den Kopf, als er ihn sah.
„Ethan."
„Tut mir leid", sagte er sofort zerknirscht, aber in gedämpftem Ton, um seine Mom nicht zu wecken. „Ich hatte wirklich nicht vor, so spät zu kommen."
Sein Dad schüttelte mild lächelnd den Kopf, aber er sah ihm an, wie müde sein Dad war. „Ist schon gut. Gib das nächste Mal nur Bescheid, ich hab mir schon Sorgen gemacht."
Izzy tauchte wie ein scheues Reh hinter ihm auf, aber sein Dad lächelte sie nur an. Sein Dad stellte selten so unangenehme, neugierige Fragen, wie seine Mom, sondern spielte alles als annehmbar und normal herunter.
So auch diesmal, denn sein Dad wandte sich einfach wieder an ihn. „Ich hab sie noch vor zwei Stunden kurz aufgeweckt und ihr ihre Medikamente geben."
Er nickte dankbar und sein Dad klappt das Buch zu und stand auf. „Ich werde mich jetzt auf den Weg machen."
„Danke, Dad", sagte er und er meinte damit alles, was sein Dad für ihn tat. Dass Dad nicht fragte, was Izzy hier machte, dass Dad nicht wollte, dass sie ging, dass Dad nicht sauer war, dass er sich nicht gemeldet hatte und viel zu spät nach Hause kam und sich ohne sich zu beschweren, bis kurz nach Mitternacht um seine Mom gekümmert und auf ihn gewartet hatte, obwohl er morgen früh zur Arbeit musste.
Sein Dad verabschiedete sich leise und nickte auch Izzy noch einmal freundlich zu, bevor er beiden eine gute Nacht wünschte und aus dem Haus verschwand. Er und Izzy schlichen die Treppen nach oben und in seinem Zimmer angekommen schloss er die Türe. Eigentlich hatte er angenommen, dass Izzy sich so neugierig umsehen würde, wie sie es das erste Mal getan hatte, als sie das Wohnzimmer betreten hatte, aber obwohl sie eine gute Stunde im Auto geschlafen hatte, sah sie so müde und kaputt aus, dass es ihn nicht überraschte, dass sie sich nur auf sein Bett setzte und sich nach hinten fallen ließ. Er schaltete das Licht an seinem Nachttisch ein und die Deckenleuchte aus.
„Geht es dir besser?", fragte er leise. „Wegen den Schmerzen..."
„Ein bisschen... Die Wirkung lässt langsam wieder nach."
„Kann ich irgendwas tun?"
„Nur, wenn du eine Wärmflasche hast."
Er neigte den Kopf hin und her. „Nur eine kleine. Die von meiner Schwester. Sie ist knallpink und hat eine Prinzessin oben drauf", warnte er und sie setzte sich auf und ein leises Lächeln breitete sich auf ihren Lippen aus.
„Deine Schwester mag Disneyprinzessinnen wirklich, oder?"
„Na hör Mal, wer mag denn keine Disneyprinzessinnen?" Er ging zu seinem Schrank, öffnete die Türen und kramte nach dem größten T-Shirt, das er besaß, damit sie nicht in ihren Jeans und dem dicken Pullover schlafen musste, aber auch nicht ganz nackt neben ihm lag. „Als Kind wollte ich unbedingt diese blauen Cinderellaschuhe haben. Meine Mom hat sie mir zu Weihnachten geschenkt und ich bin wochenlang nur in denen herumgelaufen." Er hielt inne und drehte sich mit dem T-Shirt in der Hand zu Izzy, die ihn amüsiert musterte. „Ich weiß wirklich nicht, warum ich das gerade erzählt habe."
„Ich auch nicht, aber ich bin froh, dass du es getan hast", sagte sie und grinste breit. „Und ich wette, du hast mich angeflunkert. Die pinke Wärmflasche gehört doch bestimmt auch dir, oder?" So hatte er sie noch nie gesehen, aber es gefiel ihm.
„Halt die Klappe." Er reichte ihr das Shirt und sie sah immer noch amüsiert aus. „Bin gleich zurück."
Während das Wasser im Wasserkocher für die Wärmeflasche vor sich hin blubberte, überlegte er, wie es dazu kommen konnte, dass dieses Mädchen gleich in seinem Bett schlafen würde und er sich darüber freute. Er ertappte sich sogar dabei, dass er das heiße Wasser grinsend in die Flasche einfüllte und mit kaltem Wasser ein bisschen herunterkühlte.
Als er wieder auf sein Zimmer kam, lag Izzy schon mit angezogenen Beinen und geschlossenen Augen unter der Bettdecke. Ihr Pullover und die Jeans lagen unordentlich am Fußende des Bettes. Sie schlug die Augen auf, als sie merkte, dass er näher ans Bett trat und streckte ihre Hand nach der pinken Prinzessinnenwärmeflasche aus.
Normalerweise schlief er oberkörperfrei, aber obwohl sie schon Sex gehabt hatten, war er sich nicht sicher, ob sie sich dabei unwohl gefühlt hätte, also zog er neben seiner Schlafhose auch noch ein lockeres, dünnes T-Shirt an, bevor er sich neben sie legte und das Licht am Nachttisch ausschaltete.
Kurz bevor er einschlief, glaubte er, Izzy ein Danke murmeln zu hören.
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