𝟚𝟘・Erzfeinde ⚠️
Mein Herz rast, als ich die Gestalt aus dem Schatten in den Lichtkegel der nächsten Laterne treten sehe. Die Erkenntnis trifft mich wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Er hat die Wahrheit gesagt. Von Anfang an.
Felix steht da. Ich spüre, dass er es ist, aber er sieht ganz anders aus. Er wirkt größer, seine Haltung ist dominanter und von seiner ganzen Erscheinung geht eine unbeschreibliche Kraft aus. Eine Macht, die mir das Atmen schwer macht, als würde sich ein Band um meine Brust legen. Seine blasse Haut steht in krassem Gegensatz zu seiner pechschwarzen Kleidung, den dunklen Haaren und dem Bart, der seine markanten Gesichtszüge betont. In seinen Augen ist wieder dieses intensive, überirdische Rot, das diesmal definitiv keine Spiegelung ist. Dann sehe ich die Hörner. Sie ragen aus seiner Stirn, gebogen und spitz, schwarz glänzend wie Obsidian. Sie sehen gefährlich und tödlich aus. Aus seinen Ärmeln und Hosenbeinen dringt der pechschwarze Rauch, der ihn umhüllt, als wolle er ihn zärtlich liebkosen. Er windet sich um ihn herum, tanzt in der Luft und schafft eine unwirkliche Atmosphäre, die Felix' übernatürliche Präsenz noch unterstreicht.
Ich kann meinen Blick nicht von ihm wenden, fühle mich magisch angezogen und gleichzeitig völlig eingeschüchtert. Mir wird heiß und kalt zugleich. Eine tiefe Urangst bildet einen Knoten in meiner Magengegend und schnürt mir die Kehle zu. Es ist eine instinktive Angst, so alt wie die Menschheit selbst. Die Angst vor der übermächtigen Präsenz, die vor mir steht.
Es ist, als hätte ich den wahren Felix nie gesehen - bis jetzt. Bis er seine Tarnung fallen gelassen hat und sich als der Teufel höchstpersönlich zu erkennen gibt.
Felix wirft mir nur einen kurzen, flüchtigen Blick zu, bevor er seine ganze Aufmerksamkeit auf Tino richtet. Tino steht wie erstarrt da, das Gesicht zu einer panischen Fratze verzerrt, die Augen ungläubig auf Felix gerichtet. Dann blinzelt er und ein Ruck geht durch seinen Körper. Seine Gesichtszüge verändern sich schlagartig, sie werden härter, fast wahnsinnig, als würde er von einer inneren Raserei verzehrt.
»Oh nein, diesmal nicht!«, ruft er mit belegter Stimme, seine Stimmbänder vibrieren vor Wut. »Ich will, was mir versprochen wurde, und niemand, absolut niemand, wird mich diesmal aufhalten!«
Felix lacht dunkel. »Mich überkommt ein kleines Déjà-vu. Ich weiß nicht, was dir versprochen wurde. Ich weiß nur, was ich dir in Aussicht gestellt habe. Und es wird mir eine Freude sein, dich in meinem Reich willkommen zu heißen!« Er geht in Kampfstellung, legt den Kopf leicht schräg und winkt Tino herausfordernd zu sich.
Während Tino sich mit einem wütenden Schrei auf Felix stürzt und ein hoffnungslos ungleicher Kampf zwischen den beiden entbrennt, gelingt es mir, meine zitternden Beine unter Kontrolle zu bringen und aufzustehen. Hastig stolpere ich zu Metin, der sich während des Wortwechsels nicht gerührt hat.
Bei seinem Anblick bleibt mir fast das Herz stehen. Er hat die Augen geschlossen, der Mund ist leicht geöffnet. Er lebt, sein Brustkorb hebt und senkt sich, aber sein Atem ist schwach. Seine Hände liegen auf seinem Bauch, darunter breitet sich ein dunkler, feuchter Fleck aus. Ich bin kein Experte, aber selbst ich sehe, dass das nicht gut aussieht.
Schnell ziehe ich meinen Schal aus, schiebe seine Hände zur Seite und drücke den Stoff auf die Wunde. Da ist Blut. Viel zu viel Blut. Und der Schal saugt sich im Nu voll.
»Bitte Metin, bleib bei mir. Du darfst mich nicht verlassen!«
Seine Lippen zucken, als wolle er etwas sagen, aber kein Ton verlässt seine Kehle.
Ein markerschütternder Schrei lässt mich zusammenzucken, doch ich kann meinen Blick nicht von Metin abwenden. Augenblicke später spüre ich eine starke Präsenz neben mir, die an meinen Synapsen zerrt und mir wieder eine Gänsehaut verursacht. Sie ist deutlich schwächer, fast so, als hätte Felix einen Regler betätigt und sie auf einen niedrigeren Pegel heruntergedreht.
»Was ist mit ihm?«, frage ich, ohne Metin aus den Augen zu lassen.
Felix versteht meine Frage. »Mach dir keine Gedanken mehr darüber«, ist seine schlichte Antwort. Dann hockt er sich neben mich, schaut Metin an und sucht dann meinen Blick. Seine Augen glühen immer noch rot, aber jetzt wirkt es eher wie der warme, einladende Schein eines Feuers im Kamin.
»Tut mir leid, dass ich zu spät komme.«
Die Art und Weise, wie er die Worte ausspricht, jagt mir einen Schauer über den Rücken. »Nein!«, hauche ich. »Nein, nein, nein! Er muss es schaffen! Felix, tu doch was! Du musst ihm helfen! Er verblutet!«
Bedauernd schüttelt er den Kopf. »Himmel, Lu, ich bin der Teufel! Kein Wunderheiler oder Zauberer! Ich kann ihm das Leben nehmen, aber nicht heilen.«
Aus den Augenwinkeln sehe ich einen Schatten auf uns zu eilen und im selben Moment krabbelt etwas Warmes, Weiches auf meinen Schoß und schmiegt sich an mich.
Felix betrachtet den kleinen Kater nachdenklich, dann hellt sich sein Gesicht auf. »Würdest du ihm helfen?«, fragt er mich.
Ich lache freudlos und versuche, meine Verzweiflung irgendwie in den Griff zu bekommen. »Ist das dein verdammter Ernst? Ja, verdammt!«
Felix nickt, ergreift meine Hand und legt sie auf Metins Herz, während er seine auf meine legt. Dann sucht er meinen Blick.
»Das wird wahrscheinlich etwas unangenehm. Aber es ist der einzige Weg, den ich kenne. Bereit?«
Ich schlucke und nicke entschlossen. »Ich bin bereit.«
Zuerst spüre ich nichts. Dann wird meine Handfläche plötzlich warm und ein leichtes Kribbeln breitet sich von meiner Hand über meinen Arm aus. Die Temperatur steigt und steigt, genau wie das Kribbeln. Es fühlt sich an, als würde mein Arm langsam einschlafen. Irgendwann wird es unangenehm, aber ich beiße die Zähne zusammen. Wenn es Metin hilft, gäbe ich mein Leben für ihn! Doch mit der Zeit gesellt sich zu dem Kribbeln ein Schwindel, der mich leicht schwanken lässt.
Nero gibt ein leises, warnendes Fauchen von sich und fast gleichzeitig stöhnt Metin auf. Felix löst abrupt seinen Griff von mir und das Kribbeln, das meinen Arm hinaufgekrochen ist, verschwindet schlagartig. Ich schüttel leicht den Kopf, um die Benommenheit loszuwerden. Mit angehaltenem Atem und klopfendem Herzen starre ich Metin an, während mich eine Welle von Erschöpfung und gleichzeitig tiefer Dankbarkeit durchströmt. Vorsichtig erlaube ich mir, einen winzigen Funken Hoffnung aufkeimen zu lassen. Ich kann nicht wirklich begreifen, was da gerade passiert ist, aber es scheint etwas bewirkt zu haben. Oder täusche ich mich und Metins Atmung ist nicht stärker geworden?
»Was hast du getan?«, flüstere ich.
»Du, Lucia«, antwortet Felix. »Du hast ihm etwas von deiner Lebensenergie gegeben. Ich war nur das Medium. Du solltest aufpassen. Wahrscheinlich ist dein Kreislauf jetzt etwas angeschlagen. Aber mit etwas Glück hat es ihm das Leben gerettet. Mehr kann ich nicht für ihn tun, ohne dich zu gefährden.«
Bevor ich antworten kann, rutscht Nero unruhig auf meinem Schoß hin und her. Sein Fell sträubt sich und er gibt ein beeindruckendes Knurren von sich, das mich kurz zusammenzucken lässt. Fast augenblicklich zerreißt ein tiefes, dröhnendes Lachen die Stille der Nacht. Ruckartig drehen wir uns um.
Da steht jemand - oder vielleicht doch eher etwas - zwischen den Bäumen. Eine Gestalt von mächtiger Präsenz, die der von Felix in nichts nachsteht. Sie erfüllt den Park mit einer kalten, unnatürlichen Dunkelheit. Das Haar, pechschwarz und glänzend, weht wild umher, als führe es ein Eigenleben. Und sein Körper, so schwarz wie die Nacht, ist von einem Netz komplexer, rötlicher Runen überzogen, die bei jeder Bewegung zu pulsieren scheinen.
Mein Blick hebt sich, gleitet über seine muskulöse Statur und bleibt schließlich an seinem Gesicht hängen, an seinen Augen ... und mir stockt der Atem. Ich kenne diese Augen. Das rote Inferno, das in ihnen tobt. Es sind die Augen aus meinem Traum.
Ich höre die Stimme meiner Mutter, wie sie mich warnt, sehe die roten Augen, die definitiv nicht zu Felix gehört haben, wie ich nun begreife. Sondern zu ihm.
»Asmodeus«, zischt Felix. Langsam steht er auf und stellt sich schützend vor uns.
»Teufel«, gibt Asmodeus mit einem hässlichen Grinsen zurück. »Ich dachte schon, du hast meinen Namen vergessen. Rührend, wie du das kleine Mädchen beschützt.«
Felix sagt nichts. Die Anspannung ist ihm deutlich anzusehen, seine Hände sind an den Seiten zu Fäusten geballt. Als hätte er den unsichtbaren Schalter wieder umgelegt, durchströmt uns plötzlich die pulsierende Energie seiner Kraft, ein leises Summen, das sich wie ein elektrisches Feld um uns legt.
»Was hast du hier zu suchen?« Felix' Frage klingt mehr wie eine Drohung als eine Frage.
Asmodeus kommt näher. »Oh, ganz bestimmt nicht dich, Teufel«, sagt er dann leise. »Sondern sie.«
Sein Blick bohrt sich tief in mich hinein, als wolle er mich dazu bringen, freiwillig zu ihm zu kommen. Ein kalter Schauer läuft mir über den Rücken und ich spüre, wie Panik in mir aufsteigt, wie eine dunkle Flut, die mich zu ertränken droht. Nero scheint meine Angst zu spüren und drückt sich noch enger an mich.
Ich? Warum ich?
Felix wirft mir einen schnellen Blick zu und runzelt die Stirn, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder auf diesen Asmodeus richtet.
»Steckst du dahinter?« Er deutet auf die Stelle hinter einem Busch, wo Tino vermutlich liegt.
Asmodeus folgt dem Blick und seufzt tief.
»Ja, der junge Mann war ein nützlicher Idiot und sehr empfänglich für die Gegenleistung, die ich ihm versprochen hatte. Aber es sieht so aus, als hätte er seine Arbeit nicht zu Ende gebracht. Sehr bedauerlich.«
Felix' Augen verengten sich. »Gegenleistung? Macht und Reichtum, damit er dir ihre Seele bringt?«
»Exakt! Wirklich ein armer Kerl. Hat sich verspekuliert und seine Firma an die Wand gefahren. Dementsprechend hoch war die Motivation bei ihm. Anfangs zumindest.« Asmodeus grinst breit und sieht mich an. »Aber so wie es aussieht, muss ich das wohl jetzt selbst in die Hand nehmen.«
Ich sehe das gefährliche Lächeln in seinen Augen und das unausgesprochene Versprechen darin.
»Das werde ich zu verhindern wissen«, warnt Felix Asmodeus mit eisiger Stimme.
»Oh, Teufel«, antwortet Asmodeus und grinst noch breiter. »Jetzt sag mir nicht, dass die Gerüchte stimmen und du tatsächlich die Seiten gewechselt hast?«
Felix' Haltung versteift sich und ich kann sehen, wie er sich auf einen Kampf vorbereitet. Aber ich bin mir nicht sicher, ob er ihn gewinnen kann.
»Warum ausgerechnet ihre Seele?«
Asmodeus' spöttische Grinsen weicht einer wutverzerrten Fratze, in der unverhohlener Hass brennt. »Um dich scheitern zu sehen, Teufel«, spuckt er die Worte wie Gift aus. »Als ich von deiner lächerlichen Wette mit Gabriel hörte, dachte ich, das wäre die perfekte Gelegenheit, dich an deinem elenden Stolz, deiner arroganten Selbstgefälligkeit zu packen und Stück für Stück zu vernichten.«
Felix schnalzt verächtlich mit der Zunge und schüttelte den Kopf. »So viele Jahrtausende sind vergangen, und du scheinst immer noch nachtragend zu sein.«
»Vergeben gehört nicht zu meinen Charaktereigenschaften«, erwidert Asmodeus trocken.
»Und Nachgeben nicht zu meinen. Wenn du Lu willst, musst du zuerst an mir vorbei!«
Asmodeus nickt leicht. »Mit dem größten Vergnügen.«
Mit einem rasenden Tempo gehen Asmodeus und Felix aufeinander los und ein Sturm bricht los, so plötzlich und unerwartet, dass ich zusammenzucke. Die Luft um uns herum knistert, aufgeladen mit einer Energie, die mir den Atem raubt. Ein kalter Wind peitscht gegen meine Haut, lässt mein Haar wild um mein Gesicht wirbeln. Flammen schießen aus dem Boden, entzünden sich in der Dunkelheit und tauchen die Szenerie in ein unheimliches Licht, ohne etwas zu verbrennen. Ich spüre die Hitze auf meiner Haut, rieche den beißenden Geruch von Schwefel und Asche. Mein Herz klopft wie wild gegen meine Brust, während ich verzweifelt versuche, nicht in Panik zu geraten.
Instinktiv werfe ich mich schützend über Metin, ziehe Nero an mich. Der Kater zittert vor Angst, drückt sich an mich. Ich spüre seinen schnellen Herzschlag an meiner Brust.
Der Kampf zwischen Felix und Asmodeus ist mit nichts zu vergleichen, was ich je gesehen habe. Sie bewegen sich so schnell, dass sie nur noch verschwommene Schatten sind. Zwei Mächte, die mit purer, roher Gewalt aufeinanderprallen. Es ist, als säße man mitten in einem Orkan, hilflos und verloren.
Ich schließe die Augen, drücke meine Hände fester um Nero und Metin. Ich kann nur hoffen - hoffen, dass Felix stark genug ist. Dass er uns beschützen kann. Und dass wir das hier irgendwie unbeschadet überstehen.
Ein heftiges Beben erschüttert die Erde unter uns. Als ich vorsichtig ein Lid öffne, traue ich meinen Augen kaum. Ein riesiger Riss hat sich aufgetan, der Boden ist aufgerissen wie ein Stück Papier. Ein rötlicher Schimmer dringt aus der Tiefe und taucht die Umgebung in ein unheilvolles Licht. Dunkle Rauchschwaden steigen auf und tanzen in der Luft. Felix und Asmodeus, die die Gesetze der Schwerkraft außer Kraft setzen, sind in den wirbelnden Rauchschwaden nur noch als Silhouetten über dem brodelnden Schlund zu erkennen.
Plötzlich lässt ein ohrenbetäubender Knall die Luft erzittern und die Welt scheint für einen Moment still zu stehen. Eine Welle aus Hitze und Druck rollt über uns hinweg, reißt mir fast die Luft aus den Lungen. Metin keucht, Nero faucht und klammert sich an meinen Oberschenkel. Instinktiv schließe ich die Augen, beuge mich weiter über meinen Freund und die Katze und versuche, sie mit meinem Körper zu schützen. Mein Herz schlägt wie wild gegen meine Brust, das Rauschen in meinen Ohren ist ohrenbetäubend. Alles in mir will fliehen, aber ich kann hier nicht weg. Nicht ohne Metin!
Und dann - plötzlich - ist alles vorbei.
⫸ 36.470 Wörter
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