Kapitel 48
Sunny wurde von dem Engel mehrere Gänge entlang gelotst, die alle gleich aussahen. Der Innenarchitekt gehört an die Wand genagelt, dann wäre zumindest ein bisschen Charakter in diesem Etwas von Haus. Vor ihnen erschienen zwei große Türen, die sich wie von Zauberhand öffneten.
Bisschen viel Drama, oder? Kommt jetzt der Oberboss?
Ein Stoß gegen die Schulter ließ ihn knurren, doch er lief weiter. Es war ein großer Raum mit vielen Glasfenstern, die ihn etwas an eine Kirche erinnerten. Ein großer Thron stand am Ende des Raumes, der jedoch leer war. Die Wände waren weiß und hoch, der Boden in einem hellen Grau. Statuen von verschiedenen Engeln waren an den Wänden, damit diese nicht kahl aussahen. Ein paar Blumen würden nicht schaden, dann würde hier nicht so ein Friedhofsfeeling herrschen.
Sie hielten vor dem thronähnlichen Etwas, was wie ein riesiger Steinklotz aussah, der zu einem Thron gehauen worden war. Immerhin kann ihn keiner klauen.
„Kommt jetzt der dramatische Auftritt deines Bosses?", fragte Sunny, doch Aeshma antworte nicht. Sie senkte ihr Haupt und in diesem Moment spürte Sunny eine Aura, die ihm eine Gänsehaut verursachte. Ein lautes Flügelschlagen erklang und vor ihnen landete ein Engel mit langen weißen Schwingen, die grün schimmerten. Er hatte hellbraune Haare und grüne Augen, doch es war ein tiefes Grün – so satt und dunkel, dennoch glänzend. Der Engel trug eine weiße Hose und ein weißes Hemd, darüber einen langen Mantel. Seine Züge zeigten keine Emotion.
Sollte er klatschten? Der Auftritt war nicht schlecht, offensichtlich liebten Engel solche Auftritte. Die Aura erinnerte ihn an einen gewissen Jemand.
„Fürst Gabriel", sagte Aeshma mit Ehrfurcht und ging auf die Knie.
Ah. Wenn das nicht ein Erzengel ist. Sunny kam wirklich herum.
„Aeshma", erklang seine Stimme, in der Macht mitschwang. Das beeindruckte Sunny jedoch kein Stück. Er schaute den Engel einfach nur schweigend an.
„Mein Fürst, ich habe Euch wie befohlen Chìa khoá mitgebracht", sagte Aeshma, wagte aber nicht, sich zu erheben oder auch nur aufzuschauen.
Da wird jemand aber wirklich klein. Wie es aussieht, bin ich der heißeste Shit on earth, in hell und in heaven. „Gut, habt ihr genug Theater gemacht?", unterbrach Sunny sie.
Gabriel schaute den Dämon vor sich an. „Niemand hat dir erlaubt zu sprechen", sagte er mit kalter Stimme.
Ein leises Lachen erklang. „Niemand hat mir verboten zu sprechen", erwiderte dieser, schaute ihn mit den silbernen Augen an, in denen nicht ein Funke Furcht oder Ehrfurcht standen. „Warum auch immer ihr mich entführt habt, bringt mich zurück."
Gabriel erhob seine Hand und seine Aura schwoll an, sodass Aeshma sich versteifte. Der Dämon vor ihm zuckte jedoch nicht einmal. Seine Haltung war nach wie vor unverändert. Was ist er?
„Ist das eure Art Hallo zu sagen oder machen das nur Erzengel?", fragte Sunny. Lucifer hatte dasselbe Spielchen mit ihm getrieben, nur, dass ihm Gabriels Aura nicht viel ausmachte.
Der Erzengel schaute schweigend zu dem Mann vor sich. „Wenn du nach Hause möchtest, wirst du uns zu vô hạn führen. Dann kannst du gehen."
Bahnhof. Mehr verstand er nicht. Allerdings hatte er eine Ahnung, was der Erzengel meinen könnte. „Gutes Thema. Leider geht das nicht, dafür müsst ihr mich wieder in die Hölle bringen." Das Artefakt war immer noch bei Lucifer und würde nicht einfach hier aufploppen, weil ein Erzengel es sagte.
„Du wirst uns zu vô hạn führen, etwas anders steht nicht zur Diskussion", erwiderte dieser.
Sunny seufzte. „Gut, Gabriel, Oberboss, Fürst von und zu, oder wie du auch genannt werden willst. Ich möchte nun nach Hause. Mich hier festzuhalten, ist die dümmste Alternative, die ihr wählen könnt, glaubt mir. Wenn ihr mich nicht in die Hölle zurück lasst, wird die Hölle nämlich schneller hierherkommen, als euch lieb ist."
Der Blick in den Augen des Engels wurde kalt. „Sperrt ihn in den Raum, bis er vernünftig wird. Solltest du deine Meinung ändern, werden wir dich wieder herauslassen." Die Entscheidung war gefallen.
Sunny schaute ihm direkt in die Augen und schüttelte den Kopf. „Ihr werdet Eure Entscheidung bereuen." Mehr sagte er nicht.
Aeshma führte den Gefangenen weg und Gabriel lief durch den Raum. Dieser Blick und seine Haltung hatten ihn aufgerieben. Was ist er, dass er keine Ehrfurcht zeigt? Er rief einen Untergebenen zu sich. „Finde alles über den gefangenen Dämon heraus." Dieser nickte nur und verschwand.
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Weiß, weiß, weiß. Nur weiße Wand, weiße Decke. Seit sechs Tagen steckte Sunny nun in diesem Raum fest. Eine Kette von dem Halsring war mit der Wand verbunden, damit er nicht fliehen konnte, wenn Esme ihm Essen brachte. Die Unterhaltungen, die er in dieser Zeit führte, waren die einzigen Gespräche. Ansonsten schaute er einfach zu der Decke.
Er streckte die Hand nach oben. Was Lucifer wohl gerade macht? Wieso war er noch nicht hier? Langsam ließ er sie sinken, traf jedoch auf Widerstand. Langsam richtete er sich auf, schaute auf seine Hand. In dieser lag ein goldener Faden. Fuck.
Als er aufstand, spürte er den nächsten. Es hatte begonnen. „Nicht schon wieder."
Er rief nach Esme. „Du musst mich zu Gabriel bringen."
Esme versteifte, als er den Namen hörte. „Der Herr ist erst morgen wieder im Anwesen. Ich werde Euch ankündigen."
Morgen. Hoffentlich würde das nicht zu spät sein. Unruhig tigerte er hin und her. Hoffentlich schritt es nicht so schnell voran wie damals.
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Gabriel hörte dem Engel vor sich aufmerksam zu. „Sein Name ist Sunshine und er ist ein Reaper, der auf Erden lebte. Vor wenigen Monaten hat er begonnen, längere Zeit in der Hölle zu verbringen, so die Quellen der Menschen."
Das war nicht viel und gefiel ihm ganz und gar nicht. Sie wussten nicht, warum er plötzlich so viel in der Hölle war, doch ein Mensch war dieser sicher nicht. Hatte er sich entschieden, wieder in die Heimat zurückzukehren?
„Wenn ihr mich nicht in die Hölle zurück lasst, wird die Hölle nämlich schneller hierherkommen, als euch lieb ist."
Ein Klopfen erklang und ein Engel trat zögernd ein. „Mein Fürst, Euer... Gast möchte Euch sprechen", sagte dieser leise, wagte nicht ihn anzuschauen.
„Bring ihn her." Endlich schien dieser vernünftig zu sein. Gabriel würde seine Fragen direkt an ihn stellen.
Nach kurzer Zeit öffnete sich die Türe und der Dämon trat ein. Doch es war seltsam. Er lief im Zickzack, beugte sich immer wieder vor und zur Seite. Was macht er da?
Sunny wich den Fäden aus, damit er sich nicht verhedderte. Noch waren es nicht so viele, wie damals, doch sie machten ihm Sorgen. Irgendwie schaffte er es bis zu dem Erzengel. Bevor dieser etwas sagen konnte, sagte Sunny aufgebracht: „Lasst mich nach Hause, bevor etwas Schlimmes passiert. Ich habe keine Zeit mehr."
Gabriel schaute den Dämon an. „Was bist du?"
Sunnys Augen verengten sich. Er nahm einen Faden, der sich auf seinen Oberarm gelegt hatte und zog ihn weg. Diese Bewegung verwirrte den Erzengel. Was macht er da? „Hör zu, ich habe keine Zeit. Lasst mich nach Hause."
„Du wirst mir meine Fragen beantworten", sagte Gabriel mit kalter Stimme.
„Keine Ahnung. Ich war ein Mensch, dann ein Dämon, nach letztem Stand ein Geist. Fragt mich nicht. Das ist auch nicht von Belang. Ich muss in die Hölle zurück, jetzt", sagte Sunny aufgebracht. Seine Augen schweiften umher und er sah, wie sich immer mehr Fäden über die Wände im Raum aufspannten. Fuck.
Was redet er? Dieser Mann vor ihm war kein Geist und sicherlich kein Mensch. Sein Aussehen war dämonisch, wenn auch seine Aura es nicht war.
Ein leises Flüstern erklang. Nein, nein, nein. Er legte die Hände an die Ohren. Er wollte nicht erneut das erleben, was damals geschehen war.
Der Dämon schien Gabriel nicht zuzuhören, presste die Augen zusammen und die Hände auf die Ohren. „Genug mit dem Theater. Führe uns zu unserem Ziel, dann kannst du gehen."
„Das kann ich nicht. Das Artefakt, das mich zu diesem führt, ist in der Hölle. Ich muss zu diesem", erwiderte Sunny, sein Puls stieg an. Sein Halsband begann zu vibrieren.
Plötzlich hallten laute Flügelschläge an den Wänden wider und ein weiterer Engel landete neben Gabriel. Dieser hatte goldene Haare und obsidianschwarze Augen, die Flügel leuchteten golden.
Sunny schaute auf und wusste sofort, wer das war. „Michael", kam es ihm kalt über die Lippen.
Gabriel sah eine tiefe Abscheu in den Augen des Dämons. Michael war Lucifers Zwillingsbruder. Derjenige, der Lucifer verraten hatte, ihm nicht beigestanden hatte.
„Ist das Chìa khoá?", fragte der Erzengel Gabriel und dieser nickte.
In dieser Situation gab es unzählige Dinge, die geschehen konnten. Leider entschied sich Sunny dafür, eine Option zu wählen, die niemand in dieser Situation hätte vorhersagen können. Grund dafür war etwas, das ebenso unberechenbar war – Gefühle. Mit einem lauten Schrei sprang Sunshine nach vorne und schlug nach Michael, traf ihn knapp an der Wange, auch wenn dieser auswich. „Du mieses Arschloch."
Im nächsten Moment wurde Sunny zur Seite geschleudert, knallte gegen die Wand. Ein lautes Krachen erklang. Seine Schulter war aus dem Gelenk gesprungen und er hatte sich zwei Rippen gebrochen. Sei Kopf war gegen die Wand geknallt und eine Blutspur markierte den Weg, den sein Kopf die Wand hinuntergeglitten war. Benommen blieb er liegen.
Dann wurde er am Hals hochgehoben und er starrte in zwei wütende grüne Augen. „Bist du deines Lebens müde, Dämon?"
Ein leichtes Lächeln trat auf Sunnys Gesicht. „Du kannst mich nicht töten, ansonsten ist das, wonach ihr sucht, für immer verloren."
Gabriels Wut brannte kalt in ihm, denn der Dämon hatte recht. Mit einem Ruck renkte er den Arm ein und ein Schrei erklang, der an den Wänden widerhallte. Keuchend hing Sunny dort, schaute ihn mit glühenden Augen an. „Er wird kommen und mich holen." Blut lief aus seinem Mundwinkel, denn er hatte sich beim Aufprall in die Wange gebissen.
Sunnys Sicht begann zu verschwimmen, dann wich die Spannung aus seinem Körper. Langsam ließ Gabriel den bewusstlosen Dämon sinken. Michael trat neben ihn. „Was hat er damit gemeint?"
Sie wussten es nicht. Er rief seine Bediensteten. „Bringt ihn in den Raum und sobald erwacht wieder zu mir." Er hatte genug von den Spielchen. Wenn der Dämon nicht kooperierte, würde er dafür sorgen.
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Als Sunny schließlich erwachte, sah er, dass die Fäden dichter geworden waren. Sein Kopf schmerzte und auch seine Rippen. Man hatte ihm den Kopf bandagiert, doch er trug noch seine Kleidung. Verdammte Axt. Er war vermutlich nur ein paar Stunden ausgeknockt gewesen. Die Tür öffnete sich und Aeshma trat ein. „Folge mir."
Mit glühenden Augen schaute er sie an, doch er hatte keine Wahl. Er folgte ihr und er wusste, wohin sie ihn brachte. Er wich so gut es ging den Fäden aus. „Hör auf mit dieser Scharade", sagte sie und riss ihm am Arm mit sich. Die Fäden schlangen sich um seine Gliedmaßen und er versuchte, sie wegzuziehen."
Der Gefangene zappelte, machte seltsame Bewegungen, doch zum Glück war der Weg nicht lang. Sie schubste ihn in die Halle und verschloss die Türe. Sunny riss sich die Fäden vom Leib, die in seine Haut schnitten. Das Flüstern war lauter als zuvor.
Gabriel saß auf dem Thron, sein Blick finster. Sunny setzte sich einfach an die Wand. Durch diesen Dschungel aus Fäden würde er sich nicht durchkämpfen. Der Engel konnte zu ihm kommen, wenn er wollte.
Wie kann er es wagen, so respektlos zu sein? Doch er hielt inne, sah die Erschöpfung im Gesicht des Dämons. Langsam stand er auf und trat vor ihm.
„Wieso kooperierst du nicht mit uns?"
Ein liebloses Lachen erklang. „Ich habe es bereits hundert Mal gesagt. Ich kann euch nicht helfen, wenn ihr mich hierbehaltet. Das Artefakt ist nicht hier, es ist in der Hölle und ich muss zu ihm. Aber das ist auch egal, denn die Zeit ist fast abgelaufen."
Sunny spürte eine tiefe Erschöpfung. Er konnte die Fäden nicht mehr wegwischen, sie schlangen sich langsam um seine Gliedmaßen.
„Was meinst du damit?" Er schaute zu den Dämon, dann sah er, wie eine leichte Blutspur plötzlich über dessen Wange lief. Wie? Er konnte den Faden nicht sehen, der in diese geschnitten hatte. Langsam legte er die Finger an die Wange des Dämons. Er glüht.
„Das Halsband. Ich kann nicht mehr", sagte Sunny. Die Magie hatte sich in ihm angestaut und sein Körper war am Limit. Zudem quälte ihn der Hunger.
Mit einer Bewegung entfernte Gabriel die Fessel und in dem Moment, als er den Dämon berührte, schoss Magie durch seinen Körper. Seine Flügel brachen hervor und seine Haut begann zu leuchten. Solch reines und intensives Mana hatte er noch nie gespürt. Ein Seufzen entkam dem Dämon.
„Comoară, te voi numi", flüsterte Sunny.
Weitere Flügelschläge erklangen und Michael landete neben Gabriel, sah, wie dieser leuchtete. Er hatte den schnellen Anstieg von Magie gespürt und war sofort hergekommen. „Gabriel, was ist passiert?"
In diesem Moment spürte Sunny es. Er ist nah. „Er kommt, mein Gefährte ist auf dem Weg", sagte dieser mit einem Lächeln.
Gefährte? Michael trat nach vorne und riss dem Dämon das Oberteil vom Leib. Beide starrten auf die Brust des Dämons, die leuchtete. „Das ist nicht möglich."
Sie lasen die sieben Buchstaben und mit einem Mal schauten goldenen Augen in die ihren, nicht silberne. „Ich habe euch gewarnt. Die Hölle wird herkommen, wenn ihr mich nicht gehen lasst."
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Möge die Hölle über sie hereinbrechen. Es wird Zeit, dass sich der Teufel die Ehre gibt.
Wie könnte das Treffen von Lucifer mit den Erzengeln verlaufen?
Wird er Sunny vor einen weiteren Faden-Amoklauf bewahren?
Eure Mausegöttin
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