Kapitel 30
Im Besprechungsraum angekommen, setzte Lucifer ihn schließlich ab und er machte es sich bequem. Dafür nahm er ein Kissen, schob es sich unter den Bauch, während er ein weiteres umschlang. „Bist du sicher, dass du in dieser Position mit der Aufmerksamkeit bei uns bleiben kannst?", fragte Eligos.
„Bist du sicher, dass du mit deiner Aufmerksamkeit bei uns bleiben kannst, wenn du nur an Jo denkst, wie du ihn bumst?", erwiderte Sunny und Eligos zuckte. Dieser... Er ignorierte es einfach. Jo würde in zwei Tagen zurückkommen. Er vermisste seine Wärme.
„Sodale. Wollen wir anfangen?", sagte zu ihrer Überraschung Sunny. „Also, um etwas in die Runde zu werfen, habe ich wieder eine kryptische Prophezeiung von mir gegeben, als ich dein Arbeitszimmer umstrukturiert habe?"
Umstrukturiert war das falsche Wort. Halb zerstört passte eher, doch das sprachen die beiden nicht aus. „Ja, Soare. Du hast die folgende Worte von dir gegeben: Anh ta phá vỡ những đám mây, phân chia những gì đến với nhau một lần nữa. Bay từ độ cao cao nhất vào hư vô vô tận. Das bedeutet so viel wie: Durch die Wolken bricht er, teilt, was wieder zusammenfindet. Fliegt von der größten Höhe in das endlose Nichts."
Ist es seltsam, dass ich es absolut scharf finde, wenn er in dieser Sprache spricht? Jetzt noch so ein weißer Fummel und ich würde sogar vor Eligos die Beine breitmachen. Konzentration, Sun. „Das passt. Unser Ziel ist auf einem Berg, einem ziemlich hohen Berg."
Beide Dämonen schauten ihn an. „Ich habe wieder einen Traum gehabt, wie bei der Höhle." Den Absturz verschwieg er, denn er hatte nicht vor von diesem Berg zu springen. Außerdem hatte er das Gefühl, dass er in diesen Träumen sterben musste, damit er aufwachte.
Nachdenklich sprach Eligos seine Gedanken aus. „Der Berg macht Sinn, denn der Nebel und niederliegende Wolken werden von diesem durchbrochen und sie kommen wieder zusammen, wenn sie diesen überwunden haben. Außerdem stimmt es mit dem Hinweis größte Höhe überein und ein Abgrund kann auch als Nichts betitelt werden."
Sunny sah, wie ein Faden am Kissen hervorstand. Langsam begann er an diesem zu ziehen und er wurde länger. Soll ich ihn abreißen? Er zog etwas mehr daran, dann sah er wie die Naht etwas aufsprang. Oh shit. Er drehte unauffällig das Kissen, um es zu verstecken. Seine Aufmerksamkeit wanderte wieder zu der Diskussion. Wie viel habe ich verpasst? Einfach überspielen.
„Wir können nicht einfach in sein Gebiet. Vor allem da dieser Teil sowohl für die Forschung als auch für die kriegerische Ausbildung genutzt wird", sagte Lucifer.
Ah es geht also um einen der anderen Fürsten. Mit Nebiros hatte er nur kurz geredet. Er gab Schwingungen eines Gelehrten von sich, doch sein Körperbau strafte das Lügen. Was Sunny jedoch wusste, war, dass in seinem Gebiet anders als in Merihems die Wissenschaft den obersten Stellenwert hatte. So wurden neue Heilmittel und Verfahren oftmals dort entwickelt, während in Merihems beispielsweise die Waffentechnik am fortschrittlichsten war.
Lucifer wollte sich wegen einer anderen Angelegenheit so oder so mit Nebiros treffen, also sendete er eine Anfrage und erhielt noch am selben Abend eine Antwort. Nebiros und seine Gefährtin würden sich über den Besuch von ihm und seiner Königin freuen.
Als Lucifer diese Zeilen las, biss er sich auf die Unterlippe. Nebiros hatte ihm damit die Hände gebunden, denn nun konnte er nicht ohne Sunshine dort erscheinen, das wäre unhöflich. Kluger Schachzug. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als seinem Gefährten die freudige Nachricht zu überbringen und ihn in kürzester Zeit vorzubereiten. Das wird schiefgehen.
Überraschenderweise – oder auch nicht – fiel die Reaktion seines Liebsten etwas anders aus, als erwartet. „Nebiros will, dass ich mitkomme?" Sunny verzog das Gesicht. „Muss ich dann etwa Smalltalk beim Teetrinken machen? Danke, verzichte."
Lucifers Augenbraue wanderte nach oben. Ein Trinkspiel mit Sathanas zu veranstalten ist kein Problem, aber mit einem anderen Höllenfürsten Tee zu trinken schon? „Es geht nicht anders, Soare. Wir werden uns kurz halten, doch wir brauchen seine Zustimmung."
Sunny spielte an einer Haarsträhne, jedoch zur Abwechslung nicht einer seiner eigenen, sondern Lucifers. „Wie kann man so weiche Haare haben?", flüsterte Sunny und fuhr ihm in die Haare. Lucifer mochte die Berührung und genoss das Gefühl, doch sie mussten bei der Sache bleiben. Sanft nahm die Hand, zog sie zurück und küsste die Fingerspitzen.
„Sunshine, kann ich mich darauf verlassen, dass du es zumindest versuchst?"
Ein heißer Blick stand in den Augen des Reapers und er biss sich auf die Unterlippe. „Bekomme ich dann eine Belohnung?" In seiner Stimme war ein verführerisches Angebot, das Lucifer für einen Moment knurren ließ.
„Was wünschst du dir?", erwiderte der Dämon.
Ein nachdenklicher Blick trat auf das Gesicht des Reapers. „Eine sehr lange Massage mit happy End", sagte er mit einem Grinsen.
„Nur, wenn du dich nach Iriyas Vorgaben verhältst", erwiderte Lucifer. Sein Gefährte nickte, dann begann er ihn vorzubereiten. „Nebiros ist ein Gelehrter sowie Krieger und sehr schlau. Er stellt dir meist Fragen auf eine bestimmte Weise, weil er sich von der Art, wie du antwortest, mehr verspricht als vom Inhalt. Er liest Mimik, Körpersprache, aber auch Stimmlage des Gegenüber. Ein Pokerface ist das Wichtigste, was du jedoch niemals zustande bringen wirst. Beantworte ihm einfach nur keine Fragen, die etwas über deine Wandlung oder Herkunft beantworten."
Danach spielten sie einige Szenarien durch und Lucifer konnte nur noch hoffen.
Am nächsten Tag erschienen sie pünktlich in Nebiros' Anwesen. Es begrüßte sie ein Haus mit sehr hohen Decken und vielen bodenhohen Fenstern und Dachfenster, sodass man überall die Natur draußen sehen konnte. Wunderschöne Gärten umgaben das gesamte Anwesen und nicht nur das, auch im Anwesen waren zahlreiche Pflanzen – teilweise sogar Bäume – mitten im Haus. Auch Vögel und andere Tiere waren in beiden Bereichen und man hatte das Gefühl an der frischen Luft zu sein. Der Boden war in einem cremefarbenen Ton gehalten, sodass alles hell und warm wirkte.
Gemeinsam liefen sie den Gang entlang, bis sie zum Empfangszimmer kamen. Dieses war nicht so offen wie der Rest des Anwesens, hatte nur eine Fensterfront, welche jedoch von außen nicht einsehbar war. Dort waren Möbel mir cremefarbenem Bezug und goldenen Beinen. Überall hingen Spiegel mit goldenen Rahmen, die das Licht durch den Raum leiteten, sodass dieser in einem hellen Sonnengelb getaucht war. Topfpflanzen zierten die Ecken und strömten einen angenehmen Geruch aus.
Auf einem Sofa zur Tür gewandt saß bereits ein Dämon mit schulterlangen hellgrauen Haaren, welche in Wellen nach unten fielen. Er hatte dazu gletscherblaue Augen, die wie Glas wirkten. Seine Lippen waren so hell wie seine Haut. Er trug einen himmelblauen Kimono mit einem Wolkenmuster und einem dunkelblauen Obi – ein sehr breites Stück Stoff, welches wie ein Gürtel um dessen Hüfte gewickelt worden war, um den Kimono geschlossen zu halten. Er hielt eine Teetasse in der Hand und trank daraus, während sein Blick in Richtung der Fenster gerichtet war.
Er sieht aus wie eine zarte Seele aus einer chinesischen Novelle. Ein Adliger mit schlechter Gesundheit, der das Haus nicht verlassen darf. Doch Sunny wusste, dass dieses Bild falsch war, es war nur ein Bruchteil von dem, was dieser Dämon war. In diesem Moment drehte Nebiros den Kopf und schaute ihm direkt in die Augen. Die gletscherblauen Augen schienen bis in seine Seele vorzudringen.
„Ich begrüße dich, Nebiros", sagte Lucifer und Sunny machte eine Verbeugung. „Wir freuen uns, dass du deine Einladung an uns ausgesprochen hast."
Etwas, das als Lächeln interpretiert werden konnte, erschien auf dem Gesicht des Höllenfürsten. Er machte eine Handbewegung und sagte: „Die Freude ist meinerseits. Nehmt doch Platz."
Als Sunny die Stimme hörte, musste er schlucken. Lucifers Stimme war tief, rauchig, sexy. Die Stimme von Nebiros war dagegen melodisch und einladend, als wolle man die Augen schließen und zuhören. Er sollte Gutenachtgeschichten-Leser werden. Er würde damit einen Haufen Asche machen. Sie setzten sich und Sunny lehnte sich an Lucifer, der ihn umschloss.
„Eure Verbindung ist wirklich einzigartig. Ich hätte nie gedacht, so etwas wie Zuneigung in deinen Augen zu sehen, Rege", sagte Nebiros und stellte seine Tasse auf den Tisch.
„Meine Verbindung erblüht, wie die deine zu deiner Gefährtin. Wo ist denn deine Blume?", antwortete Lucifer kühl.
Nebiros schaute ihn an, dann Sunny. „Sie hat sich im Kräutergarten verloren und war nicht fortzubewegen. Ich hoffe, sie stößt später noch zu uns."
Na was für ein Zufall, wenn das nicht Absicht ist. Soll ich mich auch Mal in einem Kräutergarten verlieren? Vielleicht kann ich das ja als Ausrede benutzen.
Lucifer konnte sehen, wie Sunnys Kopf arbeitete und ahnte Böses.
„Wie dem auch sei, bevor wir zum Geschäftlichen kommen, ich bin neugierig. Ist es mir gestattet, Euch einige Fragen zu stellen, Amantă?"
Sunny schaute auf. Klasse. Nein eigentlich nicht, ich habe absolut keine Lust. Kann ich das sagen? Würde Iriya das gutheißen? Wahrscheinlich nicht. Ach verdammt. Er nickte nur und sagte: „Nur zu."
Erneut nahm Nebiros seine Tasse auf, ließ sich einen Moment Zeit. Sind das FBI-Methoden? Sunny wich seinem Blick nicht aus, blieb ruhig.
Er lässt sich nicht aus dem Konzept bringen, dachte Nebiros. Er konnte die Königin nicht einschätzen, denn sie trug eine Maske. Das einzige Mal, an dem er das Gefühl gehabt hatte, dass die wahre Königin zu sehen gewesen war, war bei seinem Kampf gegen Merihem. Wollen wir doch einmal schauen, ob wir ihn aus der Reserve locken können. Bevor er jedoch etwas sagen konnte, sagte Sunshine etwas, was ihn aus der Bahn warf.
„Muss ich weiterhin dieses Steingesicht machen? Langsam wird es anstrengend."
Auf Lucifers Gesicht war nichts zu sehen, er war schon immer unlesbar gewesen. „Wie bitte?", fragte Nebiros.
„Ich habe gehört, du versuchst das Gegenüber zu lesen, doch eine Frage. Was, wenn dir diese Person offen alles zeigt, nichts versteckt? Es ist doch das, was man zu verbergen zu versucht, was einen verrät. Dann wollen wir sehen, was der Meister über mich herausfindet", sagte Sunny mit einem Lächeln.
Nebiros war mehr als verwirrt. Die Haltung, die Mimik, die Art zu sprechen. Es war offen und doch verwirrte es ihn. Das wird interessant.
„Gut, dann werde ich mein Glück versuchen. Wie habt ihr beide euch kennengelernt?" Er verzichtete nun wie Sunny auf die Höflichkeitsform.
Die Königin grinste. „Er hat mich für einen Auftrag angeheuert. Das hat etwas länger gedauert und schwupps habe ich ihn mir gekrallt."
Die Formulierung und Körperhaltung waren mehr als ausdrucksstark. Anders als alles, was er bisher erlebt hatte. Er konnte die Energie und Liebe spüren, die Leidenschaft.
„Soso, dann hat es also zwischen euch gestimmt."
„Absolut nicht. Ich konnte ihn nicht leiden und wollte nach Hause. Zudem habe ich ihn täglich in den Wahnsinn getrieben, auf eine Art, auf die er mich wohl nicht vergessen konnte", erwiderte die Königin.
Er ist absolut ehrlich. Diese offene Art war sehr ansprechend und ließ keinen Raum für Interpretation. Was sind deine Geheimnisse? Er fuhr fort: „Was war es denn für ein schicksalhafter Auftrag?"
„Das darf ich leider nicht verraten, ansonsten bekomme ich Ärger." Sunny schaute zu Lucifer, fuhr ihm über die Wange und dieser schaute ihn mit glühenden Augen an. „Gut, dann komm ich zu meinen Fragen."
Der Höllenfürst zog fragend die Augenbrauen nach oben. „Wie bitte?"
„Du hast mir drei Fragen gestellt, nun bin ich dran. Immerhin ist das ein Gespräch auf Augenhöhe. Dann wollen wir Mal. Erstens, wer war dein Innenarchitekt, denn diese Pflanzenarrangements im Gebäude sind der Wahnsinn. Zweitens, bindest du den Kimono selbst? Ich habe es bereits versucht, aber es war unmöglich. Und zuletzt, wo geht es zu diesem Kräutergarten, denn dann weiß ich, wo ich jetzt hingehen werde."
Nebiros war sprachlos. Ist das sein Ernst? War das ein Test? „Dieses Arrangement hat meine enge Freundin entworfen, ich kann sie gerne weiterempfehlen. Zum Zweiteren, ich kleide mich selbst an und habe dafür Jahrhunderte Übung. Auf die letzte Frage kann ich nur in diese Richtung zeigen."
Daraufhin klatschte sich Sunny mit den Händen auf die Schenkel und stand auf. „Gut, dann wünsche ich euch noch viel Spaß. Ach stimmt. Ich wünsche Euch einen angenehmen Tag, Fürst Nebiros", beendete er mit einer absolut korrekten, formellen Verabschiedung und lief durch die Glastür, auf die Nebiros gezeigt hatte.
Der grauhaarige Dämon schaute der Königin nach. Ein richtiges Lächeln zog sich über sein Gesicht und es war lange her, dass er dies wegen jemand anderem als seiner Gefährtin getan hatte. „Ich bin mehr als fasziniert. Er ist wahrlich ein Juwel, das die Monotonie der letzten Jahre mit einem Schlag durchbrochen hat. Ich kann es kaum erwarten, was er als nächstes tun wird."
Er ist unglaublich. Sunshine hatte Nebiros' Respekt verdient und so gut gelaunt hatte er den Dämon seit Jahrhunderten nicht erlebt. „Gut, lass uns reden." Der Höllenfürst nickte nur.
____________________________________
Das war ein interessantes Gespräch.
Was haltet ihr von Nebiros?
Was wird Sunny im Kräutergarten vorfinden?
Werden sie die Erlaubnis bekommen?
Eure Mausegöttin
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro