Kapitel 10
Sunny genoss das Bad. Er hat keine Gnade gezeigt. Natürlich nicht und genau das schätzte er an Lucifer. „Das wird Muskelkater gegeben", seufzte er und stieg aus der Wanne, um sich mit einem Handtuch abzutrocknen. Dieses schlang er um seine Hüfte und lief aus dem Waschraum. Der Geruch, der ihn begrüßte, kündigte seinen Gefährten bereits an. „Vermisst du mich schon, Tigru?"
Lucifers Blick blieb an den feuchten Haaren seine Gefährten hängen. Die Begierde, die unterschwellig in ihm brodelte, wurde zu einer heißen Quelle. Diese wurde mit jedem Tag stärker und würde niemals versiegen.
Sunshine warf ihm ein anzügliches Lächeln zu und sagte mit verführerischer Stimme: „Wenn du mich überfallen willst, wäre jetzt deine Gelegenheit, denn jetzt bin ich am schwächsten." Dann drehte er seine Rückseite zu Lucifer und ließ sein Handtuch fallen.
Dieser Mann ist mein Untergang. Sunny war verführerischer als jedes Wesen, dem er je begegnet war. Er drückte die Knöpfe bei Lucifer, von deren Existenz er nicht einmal gewusst hatte. Von dem sinnlichen Rücken angezogen, lief er zu seiner Nemesis und umschloss sie. Sanft küsste er den Nacken, um den die Markierung lag. Sein Blick wanderte etwas weiter nach unten und hielt an.
Überrascht, dass Lucifer seine Berührungen unterbrach, wollte sich Sunny zu ihm umdrehen, doch sein Dämon hielt ihn fest. Was ist los?
Lucifer starrte auf Sunnys Rücken, genauer gesagt auf zwei Punkte zwischen seinen Schulterblättern. Mit den Fingern fuhr er über diese. Woher kommt dieser Punkt? Er war vor zwei Tagen noch nicht dort gewesen. Zudem hatte er den Eindruck, dass beide größer als zuvor waren.
Nun ernsthaft besorgt schaute Sunny zu ihm. „Lucifer, was ist los?" Was stimmte mit seinem Rücken nicht?
„Auf deinem Rücken sind zwei Male, deren Herkunft mich sorgen", sagte sein Dämon mit ruhiger Stimme.
Daraufhin lief Sunny zum Spiegel und drehte sich. Tatsache, da sind zwei Punkte. Seltsam. „Behalten wir das im Auge", erwiderte er und Lucifer nickte. Ob das etwas mit dem Brennen von vorher zu tun hatte? Vielleicht war es ein Zufall, aber zuerst musste er sich selbst sortieren, da er sich nicht sicher war, was eigentlich passiert war. Sein Liebster drückte ihm noch einen Kuss auf die Lippen und machte sich dann an die Arbeit.
Sunny zog sich an und trocknete noch die Haare, dann begab er sich zu seinen Stunden mit Iriya.
Nach der Tortur setzte er sich gemütlich in den Gemeinschaftsraum. Emalyn hatte ihm erneut eine dampfende Tasse des süßen Gebräus gemacht, die nur darauf wartete, dass er sie schlürfte. Ist er verhindert? Sein Blick wanderte auf die Uhr. Eigentlich müsste er schon da sein. Einen Augenblick später leuchtete ein magischer Zirkel auf und sein bester Freund trat heraus. Erneut spürte Sunny so etwas wie Neid. Er wollte auch ein Wegbeamartefakt, doch Lucifer hat es deutlich abgelehnt. Sunny war klar, dass er verhindern wollte, dass er einfach jederzeit überall hinkonnte.
„Guten Morgen, Sonnenschein", begrüßte ihn Jo mit einem Handschlag. Sofort zuckte dieser jedoch zurück. „Was zur Hölle?" Der Blick war deutlich.
„Krass, nicht wahr?" Sunny musste lachen.
Jo schaute seinen besten Freund an, dann blieb sein Blick an der schwarzen Rosenranke um dessen Hals hängen. „Er hat dich markiert? Wieso?" Sofort kam eine Erinnerung hoch, die er eigentlich vermeiden wollte. Unterbewusst rieb er über die Stelle, an dem zuvor Eligos' Zähne versunken waren.
Sunny hob die Hände und ein unschuldiger Blick trat auf dessen Gesicht. Leider wusste sein bester Freund, dass er alles andere als unschuldig war.
„Rede, Sun. Keine Euphemismen oder eine dir vorteilhafte Version." Lucifer war besonnen, doch diese Markierung zeugte von... Wut? Unsicherheit? Es musste etwas passiert sein, das den Dämon zu so etwas verleitet hatte. Immerhin würde Sunny nun als Leuchtreklame für die nächsten Tage, vielleicht Wochen, herumlaufen.
Sunny nahm die dampfende Tasse und trank einen Schluck. „Sagen wir, es ist bei meinem Auftritt etwas... weniger Positives passiert. Wobei ich es als nicht so negativ empfunden habe, eher unterhaltsam. Mein Herzchen sah das aber anders. Bei seinem... Überzeugungsversuch war ich nicht so kooperativ, also hat er mir dieses Ding aufgebrutzelt."
Jo schaute ihn an. „Was genau ist passiert?"
Die Finger seines besten Freundes tippten abwechselnd auf die Tasse, dann schaute er ihn an. „Ich wurde von zwei Attentätern angegriffen, mit dem Ziel, mich zu ermorden. Es ist nichts passiert, ich habe sie ausgeschaltet. Lucifer sieht das Ganze jedoch nicht so locker – vor allem, da er der Meinung ist, ich würde mich leichtsinnig in Gefahr bringen."
Es war nicht das erste Mal, dass Jo mit dem Dämon Mitleid hatte, doch das Schicksal hatte Sunny leider als dessen Gefährten auserkoren.
Sunny war noch nicht fertig. „Andererseits weiß ich nicht, wieso es ihn so aufregt. Ich bin seine Nemesis, also ist es eigentlich meine Aufgabe, ihn in den Wahnsinn zu treiben."
Ach, Sun... Das Mitleidslevel stieg. Sunny war nicht dumm, er war naiv und hatte einfach keine Lust, die Sache aus einem ernsten Blickwinkel zu betrachten. Mit ernster Stimme antwortete er also: „Für dich ist es eine Lappalie, doch Lucifer sorgt sich um dich. Du solltest das Ganze ernst nehmen. Ich weiß, dass du das nicht willst, doch tu es für deinen Gefährten."
Dass er sich für Lucifer aussprach, wunderte Sunny etwas. Ihm war bewusst, dass beide recht hatten, doch er würde Zeit brauchen, das zu ändern. Schritt für Schritt.
Mit einem Klopfen auf seine Schenkel stand Jo auf. „Ich hol' mir jetzt auch etwas zu trinken, immerhin haben wir eine längere Unterhaltung vor uns", sagte er mit einem Lächeln. Sunny nickte und schlürfte seelenruhig weiter.
Ich werde nun wohl eine Weile nicht mehr jagen gehen können. Das ärgerte ihn etwas. Vielleicht konnte man diese Markierung auch wieder wegmachen.
Mit einem Seufzen betrat Jo die Küche, die leer stand. Die Angestellten hatten momentan Pause, weshalb alles ruhig war. Sein bester Freund war wirklich eine eigene Liga. Gedankenverloren suchte er nach einem Glas. Schritte ertönten hinter ihm und ohne sich umzudrehen, sagte er: „Gut, dass du kommst. Ich suche nach einem Glas."
Ein langer Arm erschien neben seinem Gesichtsfeld, öffnete einen Schrank und holte ein Glas hervor. Keine Schuppen, keine graue Haut. Es war nicht Emalyn und auch nicht Kanko. Als er sich umdrehte schaute er in zwei schwarze Augen mit efeugrüner Iris. Hervorragend. „Danke", sagte er so neutral es ging und fuhr fort, sich Wasser einzuschütten.
Eligos trat einen Schritt zurück, betrachtete die Silhouette des rothaarigen Mannes, der vor ihm stand. Ein Lichtstrahl fiel auf Jos Gesicht und für einen Moment leuchteten dessen Augen wie zwei Smaragde. Die karminroten Haare waren seit ihrer ersten Begegnung länger geworden und fielen ihm nun in den Nacken. Mit den Augen fuhr er die sinnlichen Züge des Menschen nach. Die Wangen, Nase, die verführerischen Lippen und die Augen, in denen er versank.
Egal, wie sehr sich Eligos zu wehren versuchte, es funktionierte nicht. Er hatte es schon lange akzeptiert, dass dieser Mann sein Schicksal war, doch das Schicksal war grausam. Es hatte ihm einen Menschen geschickt, der ihn nicht akzeptierte. Jo wich ihm aus, versuchte ihn zu meiden, denn er wollte keine Beziehung mit Eligos. Das tat weh, doch solange der Mensch ihn nicht anerkannte, solange er nicht wusste, dass er Eligos' Nemesis war, konnte der Dämon weiterleben.
Die ganze Zeit, seit Sunny in der Hölle angekommen war, hatte er dem Katz-und-Maus-Spiel seines besten Freundes und dem Reaper zugeschaut. So oft hatte er gesagt, dass er nicht nachvollziehen konnte, wieso Lucifer Sunny nicht einfach zu dem Seinen machte. Nun stand er an derselben Stelle und wusste, wie sich sein bester Freund gefühlt hatte. Also versuchte er sich von Jo fernzuhalten, Distanz zwischen sie zu bringen, denn er musste dessen Wunsch akzeptieren. Doch immer wieder kreuzten sich ihre Wege, denn die Bestimmung führte sie immer wieder zusammen.
Jo wollte schnellstmöglich gehen, doch dann traf sein Blick auf den des Dämons. Er konnte eine tiefe Sehnsucht erkennen, Schmerz. Seine Brust zog sich zusammen, denn dieser Blick ging tief. Sofort drehte er sich weg. Tief im Innern wusste er es, doch er sprach es nicht aus. Wieso tust du das? Wieso schaust du mich an, als wäre ich der Mittelpunkt deiner Welt? Sie kannten sich nicht und Jo konnte es sich nicht leisten, eine Affäre mit dem Dämon anzufangen.
Affäre? Über diesen Punkt seid ihr doch schon längst hinaus, oder muss ich dich daran erinnern, wie du keuchend unter ihm gelegen hast? Seinen Namen gerufen hast?, flüsterte eine Stimme in seinem Kopf. Doch das war nicht das Schlimmste. Eine tief verborgene Erinnerung drang an die Oberfläche.
Ein Lächeln trat auf das Gesicht seiner besten Freundin. Sie schaute ihn erneut mit dem tadelnden Blick an, den sie auch bei ihren Schülern verwendete. „Du bist ein Idiot und das weißt du."
Jo lehnte sich zurück, genoss die Sonne, die auf sein Gesicht schien. „Warum denn?"
Sie schüttelte nur den Kopf. „Das Schicksal ist ein seltsames Konstrukt. Es führt einen auf einen Pfad, den man selbst wählt und doch auch wieder nicht. Glaube mir – das ruhige Leben, das du führst, wird bald vorbei sein, denn es wird ein Sturm aufziehen. Jemand wird in das perfekt gebastelte Leben, an dem du festzuhalten versuchst, einfallen und alles über den Haufen werfen. Diese Person wird tief in dein Innerstes schauen, deine Fehler, Makel, Sehnsüchte und Wünsche sehen – dein wahres Ich. Keine Mauer wird sie fernhalten und wenn du versuchst zu fliehen, wird sie dich in die Arme schließen. Ein Blick in ihre Augen und du weißt es, denn so ist es bestimmt. Verschließe dich nicht, denn selbst du bist dazu bestimmt, dich zu verlieren."
Damals hatte Jo nur gelacht. Diese kitschige Vorstellung war zwar süß, doch realitätsfern. Wehmut kam auf, denn er vermisste ihr Lachen, ihre offene Art. Doch sie war nicht länger unter den Lebenden. Seine Faust ballte sich. Ich werde nicht mein Leben vom Schicksal bestimmen lassen. Jo traf seine eigenen Entscheidungen, also umschloss er das Glas und drehte sich zu dem Dämon. „Ich gehe nun", sagte er mit fester Stimme.
Und ich lasse dich gehen. Und jedes Mal tat es weh. Nein. „Jo, wir müssen reden", sagte er mit ernster Stimme. Eligos hatte sein Limit erreicht. Der Mensch sah ihn an und für einen Moment sah er Angst in dessen Augen.
„Nicht heute." Dann ging er.
Als Jo den Raum wieder betrat, konnte Sunny sehen, dass dieser aufgewühlt war. „Was ist passiert? Hast du einen Geist gesehen?"
Die Vorstellung, dass sich Jo vor einem Geist erschreckte und fast in die Hose machte, war sehr erheiternd. Der Gesichtsausdruck seines besten Freundes dämpfte jedoch die gute Laune sofort.
Jo stellte das Glas auf den Tisch und rieb sich mit der rechten Hand über das Gesicht. „Sun, ich werde in nächster Zeit eher nicht hierherkommen." Nur wenn er musste, und dann würde er vermeiden, mit Eligos alleine zu sein. Sein Kopf war durcheinander und er musste erst einmal Ordnung schaffen.
Sunny nickte nur betreten.
Am Abend legte er sich auf Lucifers Brust. Morgen würde er den nächsten Ort seiner Initiationsreise besuchen und sich den Dämonen in Merihems Territorium vorstellen. Der geplante Angriff machte ihm eigentlich keine Sorgen, mehr Lucifers Reaktion. Er wollte ihn nicht beunruhigen. Mann ist das ätzend.
Langsam schloss er die Augen...
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Ein Wind blies in Sunnys Gesicht. Ein Pfeifen erklang, als der Sand über den Boden rieb und weitergetragen wurde. Um ihn herum war nichts als kahles Land, roter Boden und felsige Formationen. Die Sonne stand hoch oben am Himmel und schien auf ihn, doch er spürte keine Wärme. Seine Haare flatterten und seine Augen wanderten umher. Wo bin ich?
Eine Bewegung erregte seine Aufmerksamkeit. Etwa zwanzig Meter von ihm entfernt war ein kleiner Fels, auf dem eine Gestalt saß. Er konnte sie nicht erkennen, denn sie saß mit dem Rücken zu ihm. Sie war in eine weiße Robe gehüllt.
Wer bist du? Diese Worte drangen nicht aus seinem Mund, denn er war stumm. Sunny konnte nicht sprechen, konnte seine Beine nicht bewegen. Mit größter Anstrengung hob er die Hand, streckte sie der Gestalt entgegen, als wolle er nach ihr greifen. In diesem Moment blieb diese in der Luft stehen. Unzählige Goldene Fäden waren um diese gewickelt, hielt ihn gefangen. Ein Flüstern erklang.
༻✧༺
Sunny riss die Augen auf und schnappte nach Luft. Seine Hand schoss nach oben, griff ins Leere.
Lucifer war sofort wach und der Raum wurde hell. Er sah den panischen Ausdruck im Gesicht seines Gefährten, hörte dessen schnellen Herzschlag. Sofort zog er ihn in seine Arme und streichelte über seine Haare. „Es ist alles in Ordnung, Sunshine, ich bin hier." Zitternd klammerte sich sein Reaper an ihn. Hatte er einen Alptraum gehabt?
Sunny konnte nicht sprechen, konzentrierte sich aufs Atmen. Was war das?
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Die Male breiten sich aus.
Was könnten sie bedeuten?
Was könnte Sunnys Traum bedeuten?
Eure Mausegöttin
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