
Kapitel 19
In den darauffolgenden Tagen fingen sämtliche Wächter die Kuriere am Tor ab und verfrachteten sie direkt in die Gefangenenlager. Zudem wurden weiter die magischen Zirkel zerstört, mit denen die, die es doch schafften, zum Zielort gelangen sollten. Nach kurzer Zeit wurden auch diese gefangen. Klaid gab sein Bestes sie anzuleiten. Es fehlte nur noch die Schlüsselfigur.
Eligos ließ absichtlich einige durchs Raster schlüpfen, woraufhin sie näher rückten. Dann war der Tag gekommen. Der Dämon trat ins Arbeitszimmer des Höllenkönigs. „Lucifer, wir haben das Zielgebiet eingegrenzt."
Sunny erhob sich und klappte das Buch zu. Er ließ seine Gelenke knacken. „Gut, lasst uns der Schnalle Feuer unterm Hintern machen. Zeit, dass ihr jemand gehörig die Suppe versalzt."
Beide Dämonen nickten. Lucifer schwieg. Sie waren ihrem Ziel nah, doch das beunruhigende Gefühl in seinem Magen ließ nicht nach. Er hatte das Gefühl, dass er etwas übersah. Sunny zog seine Kampfkleidung an und schnallte sich ein letztes Mal die Waffen um. Zuletzt platzierte er die Maske auf seiner Nase.
Sie versammelten sich. Sowohl Lucifer als auch Eligos trugen eine Rüstung. Ein Schwert war über Lucifers Rücken geschnallt, während Eligos zwei Äxte an der Hüfte trug. Auf dem Gesicht der beiden stand kein Funken von Freude.
Sunny schnipste gegen die Stirn des gefallenen Engels, dieser schaute zu ihm. „Ihr schaut wirklich gruselig. Wir gehen hier doch auf keine Beerdigung." Dann zeigte er auf das Schwert, das der Dämon trug. „Ist das eigentlich dein Engelsschwert – das Stöckchen, das du vom lieben Gott bekommen hast?"
„Sunshine", mehr sagte er nicht.
Der Reaper hob seine Hände. „Schon gut. Dann gehen wir mit einer Weltuntergangsstimmung auf die Party. Es muss ja immer jemand geben, der schlechte Laune verbreitet. Lasst uns die Feier crashen."
Die Worte des Menschen lösten etwas die Anspannung, doch auch Sunny konnte es nicht verbergen. Lucifer schuf einen magischen Zirkel und sie reisten zu dem brachliegenden Gebiet. Weit und breit war nichts zu sehen, nur karges Land.
„Bist du sicher, dass wir hier richtig sind?", fragte Lucifer und schaute seine rechte Hand an.
Dieser nickte.
Sunny seufzte, dann nahm er die Maske ab. Für einen Moment taumelte er. „Verdammte Axt." Es war als würde er in einem Pool aus Fäden ertrinken. Hier war mehr Verkehr gewesen als auf dem Markt. Er knurrte. Wenn ich all diese Fäden zu einem Zopf binde, könnte ich drei Mal die Hölle mit einem Schleifchen versehen. Ob ich ein schönes Schleifchen zustande bringen würde? Konzentration, Sun.
Es war ein Chaos und er musste dieses Riesenknäuel entwirren. Die Zeit verging, während er ruhig atmete und den Faden suchte. Mit einem Mal roch er es – vergorene Rosenblätter – und ein pinker Faden wickelte sich um seinen Zeigefinger. Hab dich. Er schlang seine Hand um diesen. Der Schweiß rann ihm über die Stirn, doch er musste durchhalten. „Lasst uns gehen", presste er hervor.
Der Faden war dünn, doch es musste reichen. Langsam begann er zu rennen, musste immer wieder stehen bleiben, weil er ihm entglitt. Nach drei Stunden blieb er stehen. Das sieht man auch nicht alle Tage. Erstaunt legte er den Kopf schief.
„Was ist, Sunshine?", fragte Eligos.
Der Reaper antwortete nicht. Er lief orthogonal zu ihnen und begann eine Spur mit seinem Fuß in den leicht sandigen Boden zu zeichnen. Sein Schuh zog eine Linie, während die Dämonen ihm zuschauten. Als er fertig war, schaute er auf.
„Was ist das?", fragte Lucifer.
„Ich habe dir doch bereits von den Fäden erzählt. Überall verlaufen diese kreuz und quer, doch diese Stelle ist völlig frei. Keine Spur. Es ist wie ein weißer Fleck auf einem farbigen T-Shirt", antwortete Sunny.
Sie schauten auf den Kreis, den er auf dem Boden gezogen hatte.
Lucifer trat an diesen heran, streckte seine Hand aus. Diese traf auf Widerstand, es war als tauchte er in eine gelige Substanz. Daraufhin legte er beide Hände zusammen. Seine Magie flammte auf und er sprach die Worte: „Ascuns sub mantie, descoperă ființa ta cea mai interioară."
Die Linie, die der Reaper in den Sand gezogen hatte, begann aufzuleuchten. Fünf weitere Linien zogen sich von der Kreislinie quer durch ihr Inneres. Sobald die letzte an die erste anschloss, hatte sich der Zirkel geschlossen.
„Ein Portal", sagte Eligos erstaunt. Er hatte nichts gefühlt und das war mehr als ungewöhnlich. Ohne Sunshine hätten sie es nie gefunden.
„Lasst uns gehen", sagte Lucifer, ein finsterer Ausdruck auf seinem Gesicht.
Er weiß, wer dieses Portal erschaffen hatte. Eligos hatte kein gutes Gefühl. Lucifer und Sunny traten in den Zirkel, als Eligos diesen jedoch betreten wollte, spürte er eine Interferenz. Der Dämon wurde im hohen Bogen aus diesem geworfen und landete etwa zehn Meter entfernt unsanft auf dem Boden. Der Kreis begann zu leuchten und einen Moment später waren die beiden fort. „Fuck!"
Das Licht legte sich und Felswände zogen sich um sie. Es dauerte einen Moment, bis Sunny sich zurechtfand. Ein altes Gebäude? Es war ein Gemäuer, welches mit Felswänden verbunden war. Das hat der Dämon also mit Ruine gemeint. Überall lag Geröll und links neben ihnen war eine eingestürzte Wand, von der nur noch das untere Drittel übrig war. Säulen stemmten die Decke, die jedoch nur noch teilweise bestand. Hinter ihnen war eine von diesen umgekippt und lag in Bruchstücken auf dem aufgebrochenen Boden.
Sunshine atmete ein und suchte nach dem Faden. Hell leuchtend erhob er sich vor ihm. „Die Spur ist frisch. Sie muss hier sein."
Es war still, nirgendwo war ein Laut zu hören. Die einzigen Geräusche waren ihre Atemgeräusche und ihre Schritte. Lucifer lief dicht hinter ihm, beobachtete die Umgebung mit Argusaugen, um Sunny im Notfall beschützen zu können.
Langsam schritten sie durch die riesige Ruine. Durch die Fenster, die zum Teil ebenfalls eingefallen waren, drang Licht und erleuchtete Teile von dieser. Sie durchquerten die große Halle und betraten einen kleineren Raum. In diesem stand ein großes zylinderförmiges Podest mit einem Durchmesser von etwa drei Metern. Der Raum war ebenfalls rund und zahlreiche Reliefs waren in die Wände eingelassen. Auf diesem Podest stand ein Liegestuhl aus hellbraunem Holz mit einem weiß-blau-gestreiften Muster. In diesem Liegestuhl lag eine Person.
Sunny hielt an und schaute zu Lucifer. Das ist sie. Sein Blick war eindeutig. Er zog seine Maske wieder auf und dämpfte die Gerüche.
„Willkommen", erklang eine weibliche Stimme, die so weich wie geschmolzene Schokolade war.
Sie liefen um das Podest, sodass sie den Liegestuhl von vorne sahen. Lange elegante Beine in pinken Overknee-Lackstiefeln mit einem Absatz von mindestens fünfzehn Zentimetern kamen zum Vorschein. Von diesem verliefen Netzstrümpfe mit einem rautenförmigen Netz die Schenkel entlang und endeten unter einem knappen pinken Rock. Von dessen oberen Rand liefen zwei schwarze Hosenträger über einen nackten Bauch über die Brüste, die nur mit einem fliederfarbenen Bandana knapp bedeckt waren, auf dem kleine Herzen abgebildet waren.
Die Arme steckten in ebenfalls schwarzen Netzhandschuhen, die in roten Krallen endeten. Die langen Haare fielen in roten Wellen über die Schulter und umrahmten das sinnlichste Gesicht, das Sunny jemals gesehen hatte. Porzellanweiße Haut, kirschrote Lippen und schwarze Wimpern. Als die Dämonin die Augen öffnete waren diese vollständig schwarz, nur die Iris leuchtete pink. In ihrem Haar trug sie auf der linken Seite ein pinkes Schleifchen, das zum Rock und den Stiefeln passte.
Die Dämonin richtete sich auf und ihre Brüste wippten verlockend. Die Pose, die sie annahm, zeigte alles und auch gar nichts.
„Du hast mich also gefunden, Iubit."
Lucifer schaute sie mit einem finsteren Blick an. Sunny schaute zu diesem. Wer ist diese Dämonin?
„Wir haben deine Route zerstört und die Kuriere gefangen genommen. Deine Machenschaften sind hier zu Ende, Lilith."
Lilith? Die Lilith? Diese Frau war der bekannteste weibliche Dämon der Hölle und das Sinnbild für verdrängtes und unerfülltes Verlangen, Aufbegehren und Ablehnung. Ihr wurde nachgesagt, die erste Frau Adams gewesen zu sein, bevor Eva ihren Platz eingenommen hatte. Die größte Verführerin der Hölle. Niemand konnte ihr widerstehen.
Die Dämonin erhob sich mit einer eleganten Bewegung und setzte sich auf den Rand des etwa ein Meter hohen Podests. Ihre Hand legte sich an Lucifers Wange, ein sinnliches Lächeln auf ihren Lippen. „In der Tat, du hast mir gehörig einen Strich durch die Rechnung gemacht. Böser kleiner Junge."
Wut stieg in Lucifer auf, er nahm die Hand weg und umklammerte diese in einem festen Griff. „Lass die Spielchen."
Ein helles Lachen erklang. „Faszinierend, meine Verführungskünste wirken bei dir nicht. Was ist der Grund dafür, Iubit? Welches tiefe Verlangen brennt so hell in dir, dass keine andere Flamme mehr Platz findet?" Die Stimme hatte eine tiefe Note angenommen, sodass Sunny eine Gänsehaut bekam. Der Geruch der Dämonin verursachte Übelkeit in ihm.
Die pinken Augen schienen tief in Lucifers Geist zu dringen, legten seine Begierden offen. Ein überraschter Ausdruck trat auf ihr Gesicht. „Dann verliere ich also gleich in zwei Partien gegen den Grim Reaper, gegen einen Menschen." Das letzte Wort grollte sie und in ihrem Gesicht stand kein Funken Freude mehr. Ihre Augen brannten sich auf Sunnys Netzhaut. „Păstrați liniștea."
Lucifer erstarrte, Wut in dessen Augen. Sie lief um diesen direkt auf Sunshine zu.
„Nenne mir deinen Namen."
Der Druck auf Sunny stieg. Vor ihm stand ein mächtiger Dämon. „Tut mir leid, ich habe kein Bedürfnis nach deiner Bekanntschaft."
Erneut Überraschung auf dem Gesicht der Dämonin.
Blitzschnell reagierte Sunny, er wich zur Seite aus, schlug beide Hände zusammen und sprach: „Rezolva." Seine linke Hand schlug auf Lucifers Rücken und ein Ruck ging durch dessen Körper. Der Zauber, den Lilith auf diesen gelegt hatte, zersprang und der gefallene Engel löste sich aus der Erstarrung. Er packte die Dämonin am Hals und presste sie gegen die Wand.
„Du wirst für deine Vergehen büßen. Hiermit richte ich, Lucifer, König der Hölle, über dich", grollte er voll Wut.
Ein Lächeln erschien auf Liliths Gesicht. Ihre Haut begann zu flimmern. Ihre Rundungen zogen sich zurück, Tattoos erschienen auf ihrem Oberkörper und den Armen und ihre Haare wurden kurz, nahmen eine graue Färbung an. Als sie die Augen öffnete schauten Lucifer zwei sturmgraue Augen entgegen.
Für einen Moment zögerte er. Sunshine. Die Lippen verzogen sich zu einem unschuldigen Lächeln. „Du wirst mir doch nicht wehtun, oder?", erklang Sunshines Stimme.
Sunny – das Original – schaute fassungslos zu der Kopie von sich selbst, die Lucifer gegen die Wand drückte. Was zum Teufel? Ich muss mehr trainieren, ganz klar. Und dieses Outfit. Ich werde keine Karriere als Drag-Queen machen.
„Leg diese Hülle ab, Lilith", presste Lucifer hervor.
„Warum denn, ich mag sie. Sie hat etwas. Wie dem auch sei, du wirst mich nun gehen lassen."
Mit offenem Mund schaute Sunny zu der Dämonin in seiner Gestalt. Das ist ein schlechter Scherz, oder? Sie glaubt doch nicht, dass sie wegkommt, nur weil sie wie der charmanteste Reaper auf Erden aussieht?
Lucifer zögerte.
„Du weißt genau so gut wie ich, dass eine Verurteilung meinerseits Wellen schlagen wird, die etwas in Gang setzen, das du nicht willst. Der Geist der Rebellion wird geschürt, immerhin wurdest du gut zwei Monate an der Nase herumgeführt. Zudem biete ich dir meine Verschwiegenheit an. Ich werde weder dein kleines Geheimnis noch das Geheimnis bezüglich der Seelenkästchen weitergeben. Es wird keine Versuche von mir in dieser Richtung geben und keinen Skandal für dich."
Der Reaper konnte die Worte nicht glauben. Bin ich im falschen Film? Kann er sie nicht... abmurksen? Falscher Begriff?
„Ich habe dieses Spiel verloren und ehrlich gesagt auch kein Interesse daran. Was sagst du, Lucifer, haben wir einen Deal?", fragte Lilith und biss sich auf die Unterlippe.
Langsam löste sich Lucifers Hand von ihrem Hals und er trat zurück. „Ich nehme das Angebot unter der Bedingung an, dass du alle Kuriere und Gefäße an mich auslieferst und die Finger von solchen Aktionen lässt. Deine Verschwiegenheit vorausgesetzt", sagte der Dämon.
Ein sinnliches Lächeln erschien auf der Sunny-Kopie, die ihre Hand auf Lucifers Brust legte. „Einverstanden."
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Hinter all dem steckte Lilith.
Was haltet ihr von der Dämonin?
Wieso hat Lucifer zugestimmt?
War das wirklich alles?
Eure Mausegöttin
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