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Egal was du wi-...

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          Als ihre Füße den soliden Boden des Hafens berührten, wäre Ana fast gefallen. Der Boden schwankte schlimmer als-... nein, Moment. Sie schwankte. Aber sie gab sich keine Zeit, sich an das neue Gefühl zu gewöhnen. Das hier war ihr Moment. Sie durfte nicht anhalten und ihn verstreichen lassen. Mit weichen Knien wankte sie nach vorne und in einen Mann hinein, der sich ihr abgewandt mit zwei anderen unterhielt.

Sein Blick streifte sie nur, ehe er sich auf etwas hinter ihr fixierte, das seine Augen groß werden ließ. Ana wusste genau, was er sah und es legte sich wie ein Stein in ihren Magen. Seinen Kumpanen etwas zu bellend, schob er Ana zur Seite, um auf Adriels Schiff zuzurennen.

Sh*t.

Judy hatte recht behalten, dass sie für andere eine Gefahr darstellte, wenn sie versuchte, zu helfen. Aber noch war ihre Flucht nicht gescheitert. Ana machte einen weiteren Schritt und stockte.

Vor ihr lag der Hafen so viel größer, als sie ihn sich vorgestellt hatte. Befüllt von Männern, die in Gruppen von oder zu Schiffen gingen. Kinder und Hunde, Soldaten mit Lichtern, laute Frauen und Herren in zu feiner Kleidung, die nervöse Blicke über ihre Schultern warfen. Es waren so viele, dass nicht einmal jeder das brennende Schiff bemerkt hatte.

Fast schon gegen ihren Willen drehte Ana sich noch einmal um. Sie hatte das nicht gewollt. Sie wusste nicht einmal was passiert war. Aber würde ihr jemand das glauben?
Die halbe Mannschaft war bereits auf Deck und zingelte das Feuer ein, von dem sie keine Ahnung hatte, wie es so plötzlich zum Leben erwacht war. Sie kannte merkwürdig. War damit aufgewachsen. Aber das war neu.

Sie wollte gar nicht daran denken, wie sie das erklären sollte. Die skeptischen Blicke. Das leise Kopfschütteln.
Mit einem Ruck löste sie sich und lief weiter.

Am besten war es, wenn sie es gar nicht erst erklären musste. Und dazu brauchte sie Mika'il. Wo würde sich ein alter Weltenwandler an einem Hafen aufhalten?
Ihr Blick fiel auf eine offenstehende Tür am anderen Ende des Hafens, aus der Licht und Musik herausschwappte.

Entschlossen raffte sie ihren besudelten Rock und rannte los. Die Idee war so gut wie jede andere. Sie musste hier fort. Die Menschenmenge, die sich nach und nach dem hellen Schein am Hafenbecken zuwandte, gab ihr Deckung. Sie folgte zwei Matrosen, die eine breite Kiste auf ihren Schultern balancierten und drückte sich an einer Gruppe vorbei, in deren Kreis eine Rauferei ausgebrochen war. Der Soldat ihnen am nächsten machte keinerlei Anstalten dazwischen zu gehen. Er starrte stumm zu dem brennenden Schiff des Nachtfuchses hinüber.

Irgendwo wurde eine weitere Wirtstür aufgerissen und Gelächter schwemmte auf den Hafen. Männer stürzte heraus, dicht gefolgt von einer üppigen Frau, die einen Besen über ihren Kopf schwenkte. Ihr Gebrüll unterhielten die Nacht mit einem Drama über Liebesbekundungen und Ehebruchvorwürfen.

Ana merkte nicht wie ihre Füße innehielten und sie die Szene vor sich mit offenem Mund beobachtete. Jemand hätte die Typen so aus der Party werfen sollen. Jemand hätte ihr einen Besen geben sollen und sie hätte es selbst gemacht. Vielleicht wäre sie dann nicht hier.

Sie musste zu offensichtlich gestarrt haben. Oder vielleicht lag es daran, dass sie die Einzige war, die dem Feuer den Rücken gekehrt hatte, aber einer der Betrunkenen bemerkte ihren Blick. Er war der Kleinste seiner Gruppe, mit gelben, schiefen Zähnen, die er zeigte, als Ana nicht sofort wegsehen konnte.

Ein Schauder biss ihr in den Nacken und trieb eisige Kälte in ihre Muskeln, als er mit einem Wink seine Freunde auf die aufmerksam machte und sich die ganze Gruppe in ihre Richtung bewegte. Sie waren alle bestimmt zwanzig oder dreißig Jahre älter als sie. Aufgedunsen vom Alkohol und verdreckt wie die Etablissements, in denen sie ihre Nächte verbrachten.

Ana schluckte. Ungebetene Bilder aus ihrer Erinnerung streckten ihre feinen nebeligen Finger nach ihr aus und krochen unter ihre Haut. Sie sollte gehen. Sie sollte sich umdrehen und verschwinden.

Aber Angst hatte sie bewegungslos gemacht.

Die Kerle waren inzwischen nah genug, dass sie ihr Dinge zuriefen, die glücklicherweise von ihrem rasenden Puls verschluckt wurden. Sprüche wie Spucke von wulstigen Lippen. Ölige Finger, die sich bereits nach ihr ausstreckten, dem Hunger in ihren Augen nachkommend.

Eine große Hand schloss sich um ihren Oberarm und noch bevor sie seine Stimme hörte, flutete bodenlose Erleichterung ihren Körper und ließ ihre Muskeln frei.
„Warum brennt mein Schiff?"

Ach sh*t.

Adriel lehnte über ihr, eine Kapuze tief in die Stirn gezogen, doch seine grünen Augen leuchteten. Für einen Augenblick nahm seine Größe ihr gesamtes Sichtfeld ein. Er war um sie herumgelaufen und kehrte den Betrunkenen den Rücken, was diese dazu nutzten, um ohne zweite Fragen das Weite zu suchen.

Ana hätte ihn gerne umarmt. Oder geweint. Oder in seinen Armen geweint. Was vollkommen lächerlich war. Aber die Typen hatten nur einen Blick auf Adriel geworfen und ihre Pläne geändert und Ana fühlte sich, als hätte ihr jemand Steine von den Schultern gehoben. Ihr Pulsschlag konnte sich nicht so recht auf eine Emotion einigen, bis sie sich wieder erinnerte, was er sie gerade gefragt hatte.

Ach sh*t. Er würde ihr nicht glauben. Und das war auch vollkommen verständlich, denn sie hatte keine Ahnung, wie sie es erklären sollte. Instinktiv nahm sie seine Hand, als könne sie ihn so von der Wahrheit ihrer Worte überzeugen: „Das war keine Absicht?" Sie hatte es nicht als Frage formulieren wollen.

Ganz langsam sah er auf ihre Hände hinunter, dann über seine Schulter zielsicher zu den bereits weiter entfernten Betrunkenen und sein Griff wurde in ihrer Hand fester. Für einen kurzen Herzschlag befürchtete Ana, dass er sie stehenlassen und ein weiteres Blutbad anrichten würde. Aber schließlich kehrte seine Aufmerksamkeit zu ihr zurück, die Dunkelheit unter seinen Brauen unerschütterlich.
„Und wie hast du aus Versehen ein Feuer gestartet?", fragte er trocken nach.

‚Und diese Stadt hast du in jedem deiner Träume besucht?' Die Erinnerung kam ungebeten, plötzlich und ließen Ana abrupt von ihm wegzucken. Dr. Neill, deren Stift einen unablässigen Rhythmus gegen ihren Notizblock trommelte. Eine Augenbraue hochgezogen, der Mund in einem unverbindlichen Lächeln. ‚Warum glaubst du, ist das so?'

Adriel lächelte nicht. Er sah sie einfach nur an und Anas Herz trommelte einen panischen Takt. Sie konnte ihm nicht die Wahrheit sagen. Wie sollte er ihr glauben, wenn sie selbst nicht erklären konnte, was dort passiert war.
Aber genauso wenig hätte sie es ertragen können, wenn Adriel sie ansehen würde, wie Judy es getan hatte. Oder Marcus. Oder ihr Schulleiter.

Anas Unterkiefer malte. Ein neues Gefühl in ihrem Bauch, das sie nicht so recht einordnen konnte. Er hatte sie in diese Situation gebracht. Sie würde sich lediglich hier rausholen. Sein Pech.
„Lass mich gehen, oder ich schreie."

Etwas blitzte hinter Adriels Augen. Nur für einen kurzen Moment, in dem ein Mundwinkel zuckte und seine langen Finger sich um ihr Handgelenk schlossen. Fast als wäre er... erleichtert? Stolz? Es war zu schnell wieder fort, bevor Ana es wirklich deuten konnte.
Stattdessen beugte er sich näher zu ihr herunter, bis er direkt neben ihrem Gesicht war.
„Bitte, mach das." Sein Atem an ihrem Ohr jagte ihr einen Schauer über den Rücken, „Schrei und gib mir einen Grund dich hier und jetzt über meine Schulter zu werfen und davon zu tragen."

Anas Augen wurden riesig. Wie ein Fisch auf dem Land klappte ihr Mund mehrmals auf, doch ihr Hirn hielt keine Antwort für sie bereit.

Adriel wusste, dass er sie sprachlos gemacht hatte. Mit einem Kopfschütteln, das kaum sein kleines Lachen betrog, drehte er sich um und zog Ana mit sich.
„Du hast Glück, dass ich gerade keine Zeit für dich habe, sonst würden wir das jetzt sehr ausführlich ausdiskutieren."

Ana schluckte hörbar. Was war das gerade gewesen? Und warum konnte sich ihr Puls kein bisschen beruhigen? Sie stolperte mehr schlecht als recht hinter ihm her, einzig von seinem Griff auf den Füßen gehalten. Wollte er nicht zu seinem Schiff zurück? Es retten, vielleicht? Sie wusste, sie wollte zurück, um es retten. Aber er wurde nicht langsamer, bis-...

„Prinz Charming! Ich habe gehört, du willst mich treffen?"

Ein Bombeneinschlag wäre unauffälliger gewesen. Häuser stürzten diskreter ein. Es gab Marktschreier, die träumten von derartigen Effekten. Sämtliches geschäftiges Treiben um sie herum, das bisher erfolgreich Kronprinz und eine Dame in Nöten zu Gunsten eines brennenden Schiffs ignoriert hatte, kam zu einem abrupten Ende.

Anas Herzschlag setzte aus. Oh nein.

Mika'il balancierte, die Arme wie ein Priester ausgebreitet, auf einer Tonne und grinste auf sein schockiertes Publikum hinab. Neben ihm auf dem Boden stand eine kleinere Gestalt, deren Umhang mit dem Halbdunkel des Abends verschwomm. Sie hatte die Arme verschränkt und starrte grimmig zu dem Weltenwandler nach oben, als wäre sie sein persönlicher Bodyguard.

Ana stockte und implodierte im nächsten Atemzug vor Erleichterung. Kaïa. Sie hatte es geschafft. Ihre Überraschung war ein Spiegel dafür, wie wenig sie noch daran geglaubt hatte. Sie wollte einen Schritt auf sie zu machen, ihren Namen bereits auf den Lippen, doch Adriels Griff hielt sie zurück.

Schnee hatte begonnen zu fallen. Einzelne, kleine Flocken, die träge vom Himmel fielen und erst im Licht der Laternen sichtbar wurden. Eisige kleine Kristalle.

Adriel sah nicht zu ihr herunter, sondern starrte ohne Blinzeln zu dem Weltenwandler hinüber. Anspannung rollte in Wellen von seinen Schultern herab und Ana konnte für einen kurzen Augenblick nicht wegsehen.

„Mika'il", sein Atem sammelte sich in einer Wolke vor seinem Mund. Den Mörder seines Großvaters. Der Grund, warum er sein Herrschaftsrecht aufgegeben hatte. Durch ihre Verbindung nahm Ana das erste Mal bewusst eine Regung seiner Gefühle war. Dumpf. Als wären sie Kilometerweit entfernt. Sie wusste, dass er sie fernhalten wollte, doch es gelang ihm nicht. Nicht in diesem Augenblick.

Mika'ils Name musste eine Art Codewort gewesen sein, denn ohne eine weitere Aufforderung traten gut zwei Dutzend Soldaten aus allen Ecken des Hafens hervor, Bogen gespannt und Pfeilspitzen auf den Weltenwandler gerichtet.

Erschrockene Rufe füllten die Luft, als Leute versuchten, aus der Schussbahn zu kommen. Sich gegenseitig anrempelten. Wegstießen. Der Stillebann war gebrochen und machte heller Panik Platz. Weiter hinter ihnen schlossen sich Türen und Fenster. Jemand rutschte neben Ana aus und-...

Es war nur eine kleine Bewegung, doch im nächsten Moment hatte Adriel seinen Arm um sie gelegt und sie weggezogen. Wärme ging von seinem Körper aus und Standhaftigkeit in dem Chaos, das er kreiert hatte. Er sah immer noch nicht zu ihr herunter, einzelne Schneeflocken in seinen dunklen Wimpern. Aber mit einer kleinen Handbewegung rief er seinen Onkel aus den Schatten zu sich.

Auch ihn hatte Ana vorher in der Menschenmenge nicht bemerkt. Sir Ranwick nahm sie behutsam von Adriel fort und schenkte ihr ein kleines Lächeln, doch sie sah die Sorge in den kleinen Falten um seine grauen Augen. Es war dieselbe Sorge, die sie auch bei ihrem ersten Treffen auf dem Marktplatz gesehen hatte. Die Lippen zusammengepresst, lehnte er den Kopf zu ihr hinüber.
„Warum bist du nicht im Schiff? In Sicherheit?"

Ana bekam ein schlechtes Gewissen. Ein sehr schlechtes Gewissen. Auch er würde ihr nicht glauben. Mit Recht.
„Nehmt es mir nicht übel", flüsterte sie ihm zu, eine Hand auf seine gelegt, „Aber es brennt gerade."

Die Stirn des alten Mannes schlug Falten und sein Blick blieb an Kaïa hängen, wie jemand anderes sich einen Faden aus dem Mantel riss. Er wurde abrupt größer. Und gleichzeitig kleiner.
„Die Frau-...", seine Stimme brach wie Felsbrocken, bevor er den Satz beenden konnte. Panik in seinen alten Zügen. Aber er sprach nicht weiter.

Irritiert sah Ana ihn von der Seite an. Sie hatte diese Reaktion auf die Frau schon öfter gesehen. Aber warum?

Mika'il hopste von seiner Tonne herunter, als wäre er der Einzige, der die Bolzen und Pfeile nicht bemerkt hätte.
„Wusstest du, dass du fast genauso unbeliebt bist, wie ich?", rief er Adriel kameradschaftlich zu. Er klopfte sich ein paar Schneeflocken von der Hose und verschränkte entspannt die Arme, als spreche er mit einem Arbeitskollegen. „Der Prinz, der die Möglichkeit hätte, die Welt zu retten und stattdessen lieber Rache ausübt.
„Es macht dich fast so sympathisch, wie deine wunderschöne Begleitung", er hob eine Hand und winkte Ana, „Du siehst besser aus als bei unseren ersten Treffen. Weniger... nass und unterernährt..." Er machte einen Schritt und-...

„Mika'il." Kaïa brachte die Warnung kaum vollständig heraus, als einer der Soldaten seinen Pfeil entließ. Mit einem leisen Pfeifen suchte er sich seinen Weg zwischen den Leuten hindurch. Marteel.

Ana schlug eine Hand vor den Mund.

Mika'ils Ärmel riss, gleichzeitig wie Adriel die Faust hob, um seinen ersten Maat innehalten zu lassen. Sir Ranwic fluchte dumpf.

Für mehrere Sekunden verharrte Mika'il bewegungslos, ehe er betont langsam den Arm hob, um das Loch zu betrachten. Der Pfeil steckte hinter ihm im Fass, die Federn noch zitternd.
Mika'il hob eine zweigeteilte Augenbraue. „Unhöflich."

Anas Augen waren riesig. War das ein Warnschuss gewesen oder hatte dieser Wahnsinnige mehr Glück als Verstand? Warum rannte er nicht? An dieser Stelle wäre es für sie okay gewesen, wenn er rennen würde. Sie würde einen anderen Weg finden, mit ihm und Kaïa zu reden. Aber sie wollte keine weiteren Leichen.

„Das reicht", Adriel machte einen Schritt zwischen sie, doch Mika'il war unbeirrt.

„Ich hab nur ein paar Fragen, okay?", Er verschwendete keine Zeit, sich sofort wieder Ana zuzuwenden, „Erinnerst du dich noch an mich? Lebendiger Albtraum und Personifikation alles Bösem in diesem Land?"

Anas blinzelte. Sir Ranwic legte ihr seine schwere Hand auf die Schulter.
Ihr Blick wanderte von ihm zu Adriel, zu Kaïa und endete schließlich bei dem Weltenwandler. Sie wusste, dass sie nicht darauf eingehen sollte. Dass er sie mit Absicht provozierte, aber-...
„Du hast mir gedroht, mich umzubringen. Das ist ein bisschen schwer, zu vergessen."

Adriels streckte warnend seinen Arm aus.
„Ana geh zurück." Er klang halb besorgt, halb in seiner Prinzenstimme, die keine Widerworte duldete.

Doch Ana dachte gar nicht daran, auf ihn zu hören. Keiner der beiden konnte mit dem anderen alleine gelassen werden, ohne, dass Leichen in der Wettervorhersage gemeldet wurden. Es war selten, dass sie nicht die unberechenbarste Person vor Ort war, aber dieser Tag war anscheinend nun auch gekommen. Sie konnte nicht zulassen, dass jemand ohne Prozess auf einen Scheiterhaufen kam.

Mika'il grinste, als könne er nicht glauben, dass sie ihm aus Morddrohungen einen Vorwurf machen würde. „Das waren allerhöchstens Wunschgedanken."

Ana schob Adriels Arm weg, das Gesicht unamüsiert.
„Die du mehrfach laut ausgesprochen hast." Schnee fiel immer stärker zwischen sie und ließ Ana unbewusst zittern.

„Sei nicht so hart mit mir. Hast du den Teil mit der Personifikation des Bösen überhört? Ich muss Erwartungen gerecht werden. Und du stehst hier. Neben Prinz Charming."

Seine Logik machte sie kurzzeitig sprachlos. Hilflos sah sie zu Kaïa, die allerdings nicht mal in ihre Richtung sah. Wenn überhaupt, gab sie sich eher Mühe, Ana nicht anzusehen. Es verunsicherte sie beinahe noch mehr als die dutzenden Bogenschützen. Hatte sie ihr etwas getan? War sie wütend auf Ana?

Adriel tat das genaue Gegenteil. Er starrte auf sie runter, die Brauen zusammengeschoben, als hätte Mika'il ihm ein neues Puzzleteil gereicht. Ana glaubte, die Zahnräder in seinem Kopf rotieren zu hören. Als sich ihre Blicke trafen schüttelte er den Kopf und fing sich wieder. Prinz Charming hatte genug. Mit einer Handbewegung setzte er seine Männer in Bewegung. „Ergreift ihn."

Anas Kopf schwenkte von links nach rechts, als sich noch mehr Soldaten aus den Schatten lösten und mit gezückten Schwertern näherkamen.

Neben Mika'il zog Kaïa ihre Waffen, wurde jedoch prompt aus dem Weg geschoben. Oder hatte sie sich wegschieben lassen? Ana verlor für einen Augenblick die Balance und die Übersicht. Der Hafen hatte sich erstaunlich wenig geleert. Die Menschen hatten lediglich einen Kreis um sie gebildet, in morbider Faszination zuschauend.

Ana hätte sie gerne verscheucht. Hätte ihnen zugerufen, dass das hier furchtbar war- nicht nur für Mika'il, sondern auch für den Nachtfuchs, den sie aus genauso ängstlichen Augen beobachteten. Adriel war nicht hier für das Spektakel. Er war kein Zirkusperformer. Und wenn er nur den richtigen Leuten zuhören würde, musste er auch kein Mörder sein.

Als Ana sich wieder aufrichtete, hatten zwei Männer Mika'il gepackt und seine Arme zurückgedreht.

Er stand nach vorne gelehnt, nur halb damit beschäftigt, die Männer abzuschütteln. Seine goldenen Augen fanden ihre und ein beunruhigendes Glimmen lag darin.
„Wir müssen reden", einer der Männer drehte seinen Arm weiter zurück und Mika'il stöhnte auf, „Vielleicht nicht jetzt, aber sobald du Gelegenheit hast. Ich glaube, ich weiß einen Weg, wie ich dich nach Hause bringen kann."

„Ich... was?" Er wusste, wie er sie nach Hause bringen konnte? Anas Herz setzte mehrere Schläge aus und versuchte dann durch ihren Hals zu entkommen. Wie? Wie konnte er das wissen? Aus riesigen Augen starrte sie den Weltenwandler an, bis Cassys Otter schwer an ihrem Gürtel wurde.

„Ana..." Adriels Stimme war nur eine gemurmelte Warnung, doch sie fuhr zu ihm herum, bereits ein Flehen auf den Lippen. Wenn sie nicht mehr in dieser Welt war, würde das sicherlich das Seelenband kappen, oder? Er wäre frei von ihr und-...

Sie bemerkte nur einen Schatten in ihrem Augenwinkel, ehe sie plötzlich und mit Macht von Adriels Seite weggerissen wurde. Es geschah so schnell, dass der komplette Hafen für einen Lidschlag verschwamm. Ihre Füße verloren die Bodenhaftung und ihre Kehle wurde heruntergezogen.

Noch bevor sie sich neu orientieren oder ihre Füße umständlich wieder unter ihren Körper ziehen konnte, spürte sie das bereits bekannte Gefühl einer kühlen Klinge an ihrem Hals.

Kaïa- fast einen Kopf kleiner als sie, hatte eine Hand in ihre Haare gekrallt und ihre Waffe in ihre Haut gepresst. Sie drückte Ana so weit hinunter, dass sie ihr vielleicht die Wirbelsäule brach, aber zumindest ins Ohr flüstern konnte.
„Tut mir wirklich leid. Ich hasse diesen Teil von mir, aber...Hast du den Dämonenstein bei dir?"

Den was? Anas Muskeln wurden fest. Sie zwang sich aktiv, nicht zu Adriel zu sehen, als sie langsam, aber bestimmt den Kopf schüttelte. Wie hatte sie sich so schnell bewegen können? Sie musste mit Mika'il einen Weg gefunden haben, wie sie nach Hause kam.

Kaïa entließ ihren angehaltenen Atem.
„Schade", und dann lauter, für alle, „Lasst den Weltenwandler gehen oder ich teste, ob die Gerüchte über das Seelenband wahr sind."

Ana hielt Kaïas Arm umklammert, aber ihre Finger zitterten trotzdem.
„Was tust du da?" Kaïa hatte ihr doch geholfen. Sie würde sie nicht umbringen, oder? Sie wollten gemeinsam zu den Seelenweberinnen.

Ihre Worte gingen in dem neu ausbrechenden Chaos verloren. Adriel machte einen langsamen Schritt auf sie zu, sein Gesicht ausdruckslos, aber seine Stimme nicht.
„Verpasst du ihr einen auch nur einen Kratzer, wirst du die Pflastersteine unter deinen Füßen nur in Scheiben verlassen."

Er sprach es wie einen Fakt aus. Eine Konsequenz die irgendwo in einem Lexikon nachzulesen war. Doch gleichzeitig schien jedes Wort schwarze Wolken zu tragen. Zorn riss wie eine Bugwelle durch ihr Band hindurch. Zorn und ... Angst.

Beides Gefühle, die Kaïa leider vollkommen egal waren. Mit einem Schnauben, das Ana durch Kaïas Maske an ihrer Schläfe spürte, drückte sie das Messer tiefer in Anas Haut, bis diese nachgab.
„Ich habe schlimmere Drohungen Wirklichkeit werden sehen und ich bin immer noch hier."

Der Schnitt brannte nicht sofort, doch das warme Blut, das Anas Hals hinunterlief, ließ sie trocken schlucken. Was war los? Warum griff Kaïa sie an?

Ihr gegenüber flüsterte Sir Ranwic aufgebracht auf Adriel ein, mehrfach die Hand in ihre Richtung deutend. Er war so aufgebracht, wie Ana ihn noch nie gesehen hatte.

Etwas an seinen großen Gesten, beunruhigte auch Kaïa, die sich wieder aufrichtete und Ana mit sich in die Höhe zog wie ein Schutzschild.
„Ich will keine alten Wunden öffnen, aber ich brauche den Weltenwandler noch." Sie sprach ein klein wenig schneller. Ein klein wenig dringlicher, als wolle sie ihr Publikum zwingen, sie zu verstehen.

Aber Ana brauchte sie nicht mehr? War sie nicht ihr Ticket zu den Seelenweberinnen?
Vor Anas Augen zog sich der Hafen auseinander und sie erwartete ihre Halluzinationen. Doch zwei brennende Atemzüge später, kehrte auch ihr Fokus zurück. Sie war so kurz davor gewesen-...

Adriel hatte eine Hand auf seinen Schwertgriff gelegt, doch selbst im nachtblau sah Ana das Blut, das seinen hellen Hemdkragen färbte. Er schenkte ihm keine Aufmerksamkeit, sondern tauschte stattdessen mit seinem Onkel einen vielsagenden Blick, ehe er sich wieder Kaïa zuwandte.
„Du brauchst ihn für eure Rebellion? Er wird mich weder davon überzeugen, den Thron zu besteigen, noch wird er mich töten können."

„Ich weiß."
Kaïa legte den Kopf schief wie das letzte Wort in einer Diskussion und setzte zu einem neuen Schnitt an Anas Hals an. Dieser ging deutlich tiefer und Ana sackte unter ihrem Griff weg. „Nenn es meinen verbissenen Wunsch, zu leben..." Sie sprach leichtfertig, doch Ana glaubte über das Rauschen ihres Blutes die ihr zu bekannte Form des Bedauerns zu erhaschen, die auch sie immer begleitete, wenn sie Witze über Anstalten machte.

„Kaïa, was tust du da? Was habe ich dir getan?" Zwischen ihrem Schmerz sah sie Adriel einen beunruhigten Schritt nach vorne machen, ehe er kurz die Augen schloss und das Gefühl konzentriert verarbeitete.

Es tat ihr leid. Es tat ihr wirklich leid!
Ana wünschte sich wirklich, dass sie das ebenfalls gekonnt hätte. Sie wollte mehr sagen- irgendeinen Laut von sich geben- doch ihr Hals brannte mit jedem Atemzug, als müsse er jeden Moment in zwei Stücke reißen. Sie traute sich nicht einmal, ihre Tränen herunterzuschlucken. Zu ihrer eigenen Überraschung stellte sie fest, dass sie nicht wollte, dass Adriel dasselbe fühlte.

„Dann sag mir, was du willst, und wir finden einen Kompromiss." Adriel hatte noch nicht wieder die Augen geöffnet, doch er hielt sich tapfer aufrecht.

Anas Welt wurde dunkler. Erst drehte sie sich erneut, dann kamen die schwarzen weichen Kanten ihres Sichtfeldes näher. Würde sie-... jap. Sie würde ohnmächtig werden. Sh*t.

Helle Flecken tanzten vor ihren geschlossenen Lidern und ihre Gliedmaßen wurden schwer. Hoffentlich würde Adriel wach bleiben. Es war ihr letzter Gedanke, ehe sie vollständig gegen Kaïa sackte.

„Egal was du wi-..." Das Ende von Adriels Satz hörte sie schon nicht mehr.


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"Dann ist dieser Plan eben schief gelaufen. Das heißt nicht, dass man nicht dafür Mitleids-Voten kann." - Ana. Sieht auch so Sterne.

Habe ich das Update gestern vergessen? Ja. 
Hätte ich es heute ebenfalls beinahe vergessen? Ebenfalls ja. 

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