Kapitel 5
Nachdem ich ihm eine verpasst habe, nehme ich mein Handy und schreibe eine kurze Nachricht an Matthew.
Können wir uns irgendwo treffen? Ich habe das Leben gerade so satt.
Ich lasse mein Handy zurück in die Taschr gleiten und mache mich auf den Weg zu ,,unserer" Bank im St. James Park.
Wie sehr ich es mir wünsche, hören zu können. Ich denke nicht mehr sehr oft an früher, als ich noch nicht taub war, aber in solchen Momenten wie diesen frage ich mich oft, ob mein Leben sehr viel anders wäre, wenn ich hören könnte.
Hätte ich dann jemals Matthew getroffen?
Bevor meine Gedanken zu weit abschweifen können, kündigt ein Vibrieren in meiner Tasche eine neue Nachricht an.
Ich arbeite noch, aber du kannst gerne in meiner Kanzlei vorbeikommen.
Sie ist gleich um die Ecke des Parks, also kannst du sie gar nicht verfehlen.
Fahre mit dem Aufzug in den zehnten Stock und frage am Empfang nach Mr. Johnson.
Nachdem ich fertig bin mit Lesen, stehe ich schnell auf und laufe los.
Es ist fast schon ein Wahnsinn, dass er alleine mit einer einzigen Nachricht meine Laune erheblich verbessern kann.
Das Gebäude ist tatsächlich hier in der Nähe, denn nach nur fünf Minuten Gehzeit stehe ich vor dem Eingang.
Ich sehe nach oben und kann kaum das Ende des gigantischen Gebäudes sehen.
Es ist zwar relativ schmal, dafür aber umso höher und es sieht extrem vornehm und teuer aus.
Ich gehe durch die Drehtür und finde mich in einer großen, imposanten Eingangshalle vor. Der Boden und der Tresen sind aus Marmor, sodass jeder meiner Schritte dumpf widerhallt.
Hinter dem Tresen stehen zwei gutaussehende junge Männer, aber einer mustert mich kritisch von oben bis unten und deshalb gehe ich zu dem anderen.
Schnell hole ich einen Zettel und einen Stift aus meiner Jackentasche und schreibe eilig Mr Johnson erwartet mich darauf.
Dann gebe ich den netten Rezeptionisten den Papierschnipsel.
Er liest es sich durch und greift dann ohne zu antworten zu dem Telefonhörer, nickt zweimal und sagt etwas, und legt anschließend wieder auf.
Er lächelt mich an und nickt in Richtung Fahrstuhl.
Die zehnte Etage ist ganz oben.
Von da hat man bestimmt eine herrlich romantische Aussicht auf London. Dann würde mich Matthew zu sich ziehen und vor dem großen Panoramafenster küssen, bevor er mir sagt, wie sehr er mich mag.
Nein, aus, böse Gedanken.
Der Fahtstuhl hält an und die Türen öffnen sich und gibt den Blick frei auf eine Frau mittleren Alters, die hinter einem Tresen sitzt und auf einem Computer herumtippt.
Nett lächle ich sie an und steuere auf eine schwarze Glastür zu, die sich direkt daneben befindet.
Langsam stoße ich die unerwartet schwere Tür auf.
Sofort fällt mein Blick auf Matthew, der in einem großen, schwarzen Ledersessel hinter einem massiven Holztisch sitzt.
Und dahinter befindet sich tatsächlich ein riesengroßes Panoramafenster, durch welches man einen wundervollen Blick über London hat.
Aber der hübsche Mann ist dann doch attraktiver für mich.
Er sieht sehr professionell aus, wie er da so sitzt und konzentriert auf irgendwelche Unterlagen schaut.
Ich räusper mich und er sieht auf. Sofort ziert ein schönes Lächeln sein Gesicht, welches mich angenehm warm werden lässt. Dann lehnt er sich entspannt zurück und winkt mich zu sich.
,,Alles gut?", zeige ich ihn und setze eine fragende Mine auf.
,,Alles gut, der Job ist momentan nur ein wenig stressig.", antwortet er mir.
Währenddessen setze ich mich ihm gegenüber auf eine braune Ledercouch, die sanft unter mir nachgibt. Matthew umrundet den Tisch zieht sein Jackett aus, bevor er sich ganz nahe neben mich setzt. Langsam streift er die Ärmel seines Hemdes nach oben und entblößt ein Stück seines Armes.
Verdammt, hat er nebenbei die Heizung angemacht? Plötzlich ist eine Hitze hier drin, die einerseits angenehm, aber andererseits ein wenig unangenehm ist.
Habe ich zu Hause eigentlich Parfum benutzt? Mist, ich kann mich nicht daran erinnern. Hoffentlich stinke ich nicht.
Er bewegt sich einmal kurz und plötzlich ruht sein Bein an meinem.
Atme, Joshua, atme.
Sein linker Arm ziert ein paar ineinander verschlunge Muster, die ihn noch attraktiver machen. Was diese wohl bedeuten?
Ich sehe ihn an und will ihn gerade danach fragen, als ich sehe, dass er eine Brille trägt.
Heilige scheiße, steht die ihm gut.
Seine Augen weiden sich und er umfasst sanft mein Gesicht, sodass mein Herz freudig schneller schlägt.
Was hat er vor? Will er mich endlich küssen?
Anscheinend nicht, denn er wischt nur unter meinen Augen herum, bis ich merke, das er meine Tränen weg wischt.
Ich habe gar nicht gemerkt, dass ich zu weinen angefangen habe.
Eigentlich weine ich ungern vor anderen Menschen, aber nach den Tod meiner Eltern ist alles ein wenig anders.
Ich reiße mich los und gehe zu einem kleinen Spiegel, der neben der Tür hängt.
Mein Spiegelbild schaut mir entgegen. Oh man, sehe ich vielleicht fertig aus: das Haar ist vollkommen durcheinander und der rote Beanie sitzt schief auf meinem Kopf, meine Augen sind gerötet und brennen ein wenig.
Schnell sortiere ich mein Haar und zupfen mein Beanie zurecht. Im Hintergrund sehe ich Matthew, der mich liebevoll ansieht.
Nein.
Nein nein nein, bitte nicht.
Bitte schau mich nicht so an, ich ertrage das nicht.
Matthew kommt mit kleinen Schritten auf mich zu.
,,Stopp.", flüstert ich und lege meine Hand auf seine Brust. Darunter kann ich seinen schnellen Herzschlag spüren.
Bei dem Klang meiner Stimme schaut er mich geschockt an.
Ich sehe von meiner Hand hinauf in sein Gesicht, bevor ich sie wegnehme und zu seinem Schreibtisch gehe.
Dort nehme ich mir einen Zettel, denn für langes Reden ist meine Stimme einfach zu eingerostet.
Schnell und unsauber schreibe ich auf:
Guck mich bitte nicht so an. Das ertrage ich nicht.
Ich gebe ihm den Zettel und beobachte ihn ganz genau, während er sich die paar Worte durchliest.
Dann lächelt er zu meinem Erstaunen und setzt sich wieder hin, holt sein Handy heraus und tippt darauf herum.
Tut mir leid, aber schöne Menschen haben so einen Blick verdient.
Ruhig Herz, spring mir bitte nicht aus der Brust. Und Atmen nicht vergessen.
Manchmal ist er auch zu goldig.
Mein Handy vibriert erneut.
Darf ich dich fragen, was vorgefallen ist?
Mein Bruder mutiert zum größten Arschloch, wenn seine Freunde in der Nähe sind und generell distanziert er sich immer weiter von mir.
Das tut mir leid. Kann ich dir irgendwie helfen?
Ja, küss mich endlich, du Idiot.
Ich habe Stimmungschwankungen, ich weiß.
Nein, passt schon. Aber danke fürs Zuhören. Naja, eher lesen. Und Entschuldigung für die Störung.
Leicht grinst er und ich muss ebenfalls lächeln.
Kein Problem, dafür hast du ja meine Nummer. Und du könntest mich nie stören.
Langsam fühle ich, wie meine Wangen warm werden. Super, jetzt werde ich auch noch rot, aber was kann ich denn dafür, wenn er so süß ist? Er ist einfach nur toll...
Ich setze mich wieder neben ihn, sodass sich unsere Beine wieder wie ,,zufällig" berühren.
Langsam sieht er zu unseren Beinen, dann auf meinen Oberkörper, über meine Arme und schließlich landet sein Blick in meinem Gesicht.
,,Du bist wundervoll.", zeigt er mir.
Okay, jetzt bloß nicht durchdrehen.
,,Was bedeuten eigentlich diese Tattoos?" Geschickt vom Thema abgelenkt, würde ich mal sagen.
Die Grundlinien zeigen einen Wolfskopf, welcher von anderen Linien umgeben ist. Damit will ich verdeutlichen, dass das Leben nicht immer schön und toll ist, sondern auch hatt und schwer. Aber deshalb darf man nicht aufgeben, sondern muss an den Herausforderungen wachsen."
Ich strecke meinen Arm aus und fahre langsam ein paar Linien nach. Seine Haut fühlt sich angenehm weich unter meinen Fingerspitzen an und langsam breitet sich Gänsehaut über seinen Arm aus.
Das ist gerade bestimmt extrem unangenehm für ihn.
Ich sollte aufhören, aber ich kann nicht.
Komm schon, Joshua, hör auf damit, bevor er dich wegstößt.
Ich streiche noch einmal sanft eine Linke entlang, bevor ich mich zwinge, meinen Arm wieder weg zu ziehen.
Ich spüre seinen brennenden Blick in auf meinem Gesicht, sodass ich nach oben direkt in seine Augen sehe.
Ich bin so von ihnen gefesselt, das ich nichts weiter tun kann, als zu starren.
Ich bin unfähig, mich zu bewegen.
Ich kann einfach nichts tun.
Dann nimmt er meine Hand und küsst die Finger, mit denen ich sein Tattoo berührt habe.
Ich spüre seine weichen Lippen auf meinen Fingerkuppen und die Luft, die er ausatmet, kitzelt auf meiner Haut
Dann lässt er meine Hand los und kommt mit seinem Gesicht näher, bis er ich seinen Atem auf meinen Lippen spüre.
Bei diesem Gefühl setzt mein Herz einen Schlag aus.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro