Kapitel 4
Die restliche Woche verging sehr langsam.
Unerträglich langsam.
Ich hasse es, wenn Maggoe mich zwingt, mich beim Essen an den Gesprächen zu beteiligen. Ich hasse es, wenn man mir immer Nachschlag gibt, obwohl ich keinen möchte.
Und ich hasse es, mit den Furien von Töchtern unter einem Dach zu wohnen.
Maggie und ihr Mann sind so lieb, wie können da ihre Kinder zu solchen Monstern werden?
Die beiden kümmern sich echt gut um uns und sind jeder Zeit immer für uns da, worüber ich sehr dankbar bin.
Dankbar bin ich jedoch nicht über die Anwesenheit der beiden Satansbraten. Ughh.
Melissa schaut mich trotz Maggies Standpauke immer noch so blöd an, dass ich das Gefühl habe, gleich tot umzufallen. Ich weiß nicht warum, aber wenn ich den Raum betrete, tut sie immer so, als kenne sie mich nicht. Als wir klein waren, war sie ein viel netteres Mädchen.
Und die kleine Sarah ist Satan persönlich. Diese kleinen Gesten von ihr verletzen mich sehr, zum Beispiel wenn sie es ,,vergisst", mich zum Abendessen zu holen oder sie mich ,,ausversehen" schubst, wenn sie an mir vorbei geht.
Lange halte ich das nicht mehr aus und auch Henry trägt einen großen Teil dazu bei. Er redet nur noch selten mit mir und wir hatten auch schon lange keinen Filmabend mehr veranstaltet.
Seit einer Woche geht er nun aufs College und hat dort ziemlich schnell eine Freundin gefunden, sodass ich ihn kaum noch alleine antreffe.
Meistens beschäftige ich mich mit Zeichnen und skizziere am liebsten Menschen. Auch Matthew habe ich einmal gezeichnet, aber sehr schnell wieder damit aufgehört, als es dabei in meinem Bauch gekribbelt hat.
Schnell entdeckte ich auch eine Leidenschaft für Anime Serien, die ich mir seitdem jeden Tag für mindestens eine Stunde auf Netflix reinziehe. Naja zumindest klappt es, wenn mich die Furien dabei nicht stören.
Ansonsten ist meine Zeit hier eher unspektakulär, denn Freunde habe ich kaum. Manchmal gehe ich mit Angels Hund spazieren, aber aufgrund den langen Unterrichtszeiten kann ich leider nicht so oft mit ihm nach draußen gehen, wie ich gern möchte.
Besonders gern gehe ich mit ihr in den Park, immer in der Hoffnung, dass ich Matthew noch einmal ,,zufällig" begegne.
Als wir zu der Bank kommen, auf welcher ich gestern mit Matthew saß, setze ich mich hin und lasse ihn von der Leine. Zum Glück hört er aufs Wort, sodass ich ihn unbedenklich laufen lassen kann.
Der Hund rennt schnell zu den anderen Hunden, sodass ich ein wenig Zeit für mi habe.
Leicht gelangweilt nehme ich mein Handy und scrolle ein wenig durch Instagram.
Mein Herz setzt fast aus, als ich plötzlich eine Hand auf meiner Schulter spüre.
Mit einem erschrockenen Blick drehe ich mich um und sehe direkt in Matthews schönes Gesicht.
Er legt seine andere Hand bei mir auf die andere Schulter und erwidert besorgt meinen Blick.
Ich gebe ihm ein Handzeichen als Einladung, sich neben mich zu setzen.
Glücklich nickt er und nimmt das Angebot.
Als er dann neben mir Platz genommen hat, legt er lässig einen Arm auf die Lehne hinter meinem Körper, sodass er leicht meinen Rücken berührt. Mit der anderen Hand zieht er geschickt seine Zigarettenschachtel aus der Anzugtasche und zündet sich eine an.
Insgeheim frage ich mich, ob er jeden Tag hierher kommt und raucht. Und ich frage mich auch, was er für einen Job hat, weil er schon wieder einen teuer aussehenden Anzug trägt.
Gebannt beobachte ich ihn, wie er sich die Zigarette zwischen die ziemlich weich aussehenden Lippen schiebt und wieder genussvoll inhaliert.
Dann sieht er stumm zu mir und bietet mir wortlos an, auch einen Zug zu nehmen.
Das erste Mal war es gar nicht so schlimm wie ich gedacht habe, deshalb wird es schon in Ordnung gehen, noch einmal zu probieren.
Nach einem kurzen Zögern nehme ich ihm die Zigarette aus der Hand und nehme selbst einen tiefen Zug.
Wieder spüre ich die angenehme Wärme, wie sie einmal komplett meine Lungen ausfüllt, bevor ich den Rauch langsam ausatme und ihm die Zigarette zurück reiche.
Alle sagen immer, das rauchen schlecht ist und dem Körper schadet, aber das angenehme Gefühl des Rauchens fühlt sich phantastisch an.
Ich öffne meine Augen und sehe ihn eine große Rauchwolke ausatmen.
Im Augenwinkel sehe ich unseren Hund in einer komischen Stellung im Gras hocken.
Das darf doch nicht wahr sein.
Zum Glück habe ich eine Hundetüte bei mir, sodass ich den stinkenden Haufen wegmachen kann und nehme bei der Gelegenheit das kleine Fellknäuel auf den Arm.
Als Matthew den Hund sieht, streichelt er ihm liebevoll über das Köpfchen, woraufhin der Hund versucht, auf seinen Schoß zu klettern. Er ist aber auch ein kuschelbedürftiges kleines Ding.
Ich nehme die Leine und hänge ihn wieder an, damit er keine Möglichkeit mehr hat, wegzulaufen
Matthew spielt ein wenig mit ihm, indem er seinen Finger vor der kleinen Hundenase hin und her bewegt und die fast aufgerauchte Zigarette fällt fast auf den Boden, als er mich anlächelt.
Was für ein bezauberndes Lächeln...
Erneut holt er die Kippenschachtel heraus und drückt mir eine Zigarette in die Hand.
Verwirrt sehe ich ihn an und er scheint meinen Blick richtig zu deuten, denn gleich darauf holt er das Feuerzeug und zündet sie mir an, wobei er sich leicht zu mit herüber lehnt und ich einen Hauch seines Aftershaves riechen kann.
Nachdem er sie mir angezündet hat, steht er auf und geht weiter. Aber er dreht sich noch einmal um und kommt ein paar Schritte auf mich zu, um dir einen kleinen Kuss auf die Wange zu geben.
Und ich habe recht behalten: seine Lippen sind so weich wie sie aussehen.
Was für ein herrliches Gefühl es ist, als seine Lippen meine Haut berührten. Ich wünschte, der Moment hätte länger gedauert. Seufz.
Langsam mache ich mich auf den Heimweg, denn langsam wird es echt frisch und ich möchte mich in meinem dünnen T-shirt nicht erkälten.
Ich schließe die Haustür auf und drinnen empfängt mich eine wohlige Wärme. Der Hund rennt sofort in sein Körbchen, dreht sich ein paar um die eigene Achse, bevor er sich zusammenrollt und schläft.
Was für ein faules Tier.
Ich gehe in die Küche um mir etwas Wasser zu holen und sehe dabei viele Jugendliche, einschließlich Henry, im Wohnzimmer verteilt sitzen.
Henrys Freunde sind da.
Großartig. Man merkt meine Begeisterung, wie sie förmlich aus mir herauskommt.
Bitte, Boden, tu dich auf und lasse mich in dem Loch verschwinden.
Es ist nicht so, dass ich seine Freunde hasse, aber alle sind deutlich älter und manche sind ganz schön große Arschlöcher. Sie denken, sie können sich alles erlauben, nur weil sie schon volljährig sind und nicht mehr abhängig von ihren Eltern sind.
Meine Eltern. Ich würde alles tun, damit alles so wird wie früher und sie in die Arme schließen kann.
Okay Schluss, ich kann jetzt hier nicht in Tränen ausbrechen, sonst werde ich ausgelacht und mir werden wahrscheinlich wieder böse Wörter an den Kopf gehauen.
Außerdem lässt Henry sich ziemlich von ihnen beeinflussen, denn in ihrer Nähe ist er nicht mehr der liebevolle Bruder, sondern genauso kalt wie seine Freunde.
Henry scheint mich gehört zu haben, denn er schaut auf und winkt mich zu sich.
Langsam gehe ich auf ihn zu und er begrüßt mich mit einem kurzen Handschlag. Das hat er zwar noch nie getan, aber okay.
Angewidert stößt er mich von sich.
,,Warum riechst du nach Rauch?", bewegt er seine Lippen und verschränkt abwehrend die Arme vor der Brust.
,,Du darfst gar nicht rauchen, das ist dir bewusst, oder? Du bist minderjährig.", sagt er vorwurfsvoll.
In jeder anderen Situation hätte er mich in den Arm genommen und gefragt, was schlimmes vorgefallen ist, das ich den Stress mit Rauchen zu bekämpfen versuche, aber nein. Seine Freunde sind ja da und da muss er den Oberschlauen heraushängen lassen.
Ohne ihm zu antworten, gehe ich in die Küche, um endlich mal etwas zu trinken, doch er kommt mir zuvor und nimmt es mir aus der Hand.
Mit einem ärgerlichen Gesichtsausdruck starre ich ihn an.
,,Wir hatten schon lange kein Gespräch mehr unter Brüdern und jetzt kommst du wieder an? Ich brauche deine Fürsorge nicht, gehe lieber wieder zu deinen ,Freunden' "
Okay, das war vielleicht ein wenig zu hart, aber ändern kann ich es auch nicht mehr.
Nachdem ich geendet habe, lasse ich ihm keine Zeit zu reagieren, sondern renne schnurstracks die Treppen nach oben in mein Zimmer.
Er wird mir sicherlich irgendwann folgen, aber erst einmal brauche ich meine Ruhe, also schließe ich die Tür ab.
Langsam streife ich die Kleidung ab und ziehe eine frische Jogginghose und ein sportliches Shirt an.
Ich schnupper an dem Shirt. Riecht ganz schön stark nach Zigarettenrauch. Shit, hoffentlich merkt Angel nichts davon. Oder die Furien. Nicht, dass sie das sonst ihrer Mutter petzen.
Schnell ziehe ich mir noch eine passende Trainingsjacke und meine Lieblings Converse an, bevor ich mein blondes Haar mit einer roten Beanie bedecke.
Unten begegnet mir natürlich Henry, welcher mich sofort fragt, wohin ich gehen will.
,,In die Stadt.", zeige ich ihm mit ein paar einfachen Handbewegungen.
Er kann es vergessen, dass ich ihm die Wahrheit über meine Pläne erzählen werde.
,,Du kannst doch jetzt nicht einfach gehen. Du musst unbedingt deine Spezialität zum Abendessen kochen.", versucht er mich aufzuhalten und sieht er mich mit seinem typischen Henry-Grinsen an
Das hat er nicht gerade getan.
Er ist sowas von tot.
Ich sehe vielleicht nicht stark aus, aber ganz tief in mir drin verstecken sich ein paar Muskeln, die nur darauf warten, gezeigt zu werden.
Ausdruckslos starre ich ihn an.
Ich muss erst einmal verarbeiten, dass er sich über meine nicht vorhandenen Kochkünste lustig gemacht hat und mich dann so dämlich angegrinst hat.
Ich boxe ihn leicht gegen den Arm, sodass kein blauer Fleck entstehen wird, aber doch so sehr, dass er sich mit einem schmerzverzerrtem Gesicht über die getroffene Stelle reibt.
Ich mache auf den Absatz kehrt und renne weg von diesem gottverdammten Haus.
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