Kapitel 3
Wir laufen schon seit zehn Minuten durch den Park und es ist einfach nur herrlich, hier zu sein.
,,Möchtest du etwas bestimmst machen oder einfach nur spazieren gehen?", zeigt er mir mit seinen Händen
Ich zeige zurück, dass es okay ist, wenn er spricht, da ich auch Lippen lesen kann, wenn man diese nur langsam genug bewegt.
Er nickt und fängt an zu sprechen. Ich verfluche mal wieder meine Taubheit, denn so werde ich nie erfahren können, wie sich seine Stimme anhört.
,,Ich habe heute Abend frei, also können wir noch ein wenig bleiben, wenn du möchtest?", bietet er mir freundlich an und ich nicke dankbar.
Wir sitzen auf einer Bank unter einem Baum und eine angenehme Stille umgibt uns. Okay, für mich ist es immer still, aber diesmal ist es echt schön, zu schweigen.
Plötzlich greift er in die Tasche seines Anzugs und zieht eine Schachtel Zigaretten und ein Feuerzeug heraus.
Interessiert beobachte ich ihn, bis er mir plötzlich so ein Ding vor die Nase hält.
Fast schon zögerlich schüttel ich den Kopf, wodurch er kichern muss.
Ich sehe ihm zu, wie er sich eine Zigarette anzündet und schaue ihm dann direkt in seine Augen.
Seine Augen sind nicht einfarbig, wie ich am Anfang vermutet habe, sondern sind durchsetzt mit vielen kleinen Sprenkeln.
Als er sich das Ende seiner Zigarette zwischen die Lippen schiebt, erhasche ich einen Blick auf strahlend weiße Zähne.
Dann schiebt er die Schachtel zurück in seine Tasche und bläst den Rauch genussvoll aus.
Noch einmal nutze ich die Chance, ihn anzusehen. Wer weiß, ob wir uns jemals wiedersehen werden.
Er trägt einen teuer aussehenden Anzug mit dazu passenden schwarzen, glänzenden Lackschuhen und seine Krawatte umschließt locker seinen Hals.
Der obere Knopf seines Hemdes ist leger geöffnet, welches mir einen Blick auf sein Schlüsselbein verschafft.
Sein braunes Haar fällt locker in die Stirn, als er sich nach vorne lehnt, um den stinkenden Qualm lot der Hand weg zufächeln.
Nach so einer Beschreibung und meinen vielen prüfenden Blicken könnt ihr es euch sicherlich denken.
Und es stimmt: ich bin schwul.
Einzig und allein mein Bruder weiß Bescheid und das muss auch unbedingt so bleiben. Ich habe Angst davor, wie die anderen reagieren könnten, wenn sie wissen, dass ich auf das gleiche Geschlecht stehe.
Matthew stupst mich an und hält mir einen Stift und einen Zettel hin. Ich nehme beides und schreibe eilig ein paar Sätze auf, nachdem er von mit zu dem Blatt und wieder zu mir gesehen hat.
Ich bin Joshua und wir sind gerade erst hergezogen. Ich habe einen Bruder, der einfach nur toll ist. Ich sollte ihm vielleicht mal schreiben, weil er sich bestimmt große Sorgen macht, aber ich will unbedingt hier und und er würde nur versuchen, mich aufzuhalten.
Ich reiche ihm den kleinen Zettel und nehme mein Handy in die Hand.
Als ich es anschalte, bekomme ich viele Nachrichten und verpasste Anrufe. Und immer mit den gleichen Fragen, wo zum Teufel ich denn bin und ob alles okay ist.
Ich antworte kurz, dass es mir gut geht und er sich keine Sorgen zu machen braucht. Aber ich schreibe ihm auch, dass ich noch kurz weg bleibe und er nicht auf mich warten soll.
Ich schaue zu Matthew, als er gerade einen Zug von seiner Zigarette nimmt. Er schaut mich verwirrt an, als ich sie selbst vorsichtig zwischen meinen Zeigefinger und Mittelfinger nehme. Ich sehe sie kurz neugierig an, bevor ich sie zwischen meine Lippen klemme und inhaliere. Der giftige Rauch füllt meine Lunge und es fühlt sich angenehm warm an.
Ich stehe auf und reiche sie im gleichen Atemzug wieder an Matthew und er nimmt auch noch einen Zug.
,,Ich gehe nach Hause.", zeige ich ihm, doch er hält mich auf, indem er nach meiner Hand greift. Als er sie los lässt, halte ich auf wundersame Weise sein Handy in der Hand, welches schon eingeschaltet ist, sodass ich meinen Namen über einer leeren Spalte sehe.
Fragend schaue ich ihn an, doch er lächelt nur schüchtern, bevor er irgendwas mit ,,Nummer" fragt.
Oh mein Gott, er hat mich nach meiner Nummer gefragt!
Mit der freien Hand ziehe ich mein Handy aus der Hosentasche, womit ich nach meiner Nummer suche und diese anschließend unter meinem Namen eintippe.
Zum Schluss gebe ich ihm sein Handy zurück und er lächelt mich dankbar an, sodass ich sogar ein kleines Grübchen auf seiner linken Wange erkennen kann.
Schnell drehe ich mich um und laufe los, bevor ich noch auf dumme Ideen komme.
Vierzig Minuten später biege ich in die Straße ein, wo Maggies Haus ist.
Schon von hier aus kann ich Henry auf dem Bordstein sitzen sehen und vertieft starrt er nach unten auf sein Handy.
Als ich näher komme, versuche ich mich durch ein Husten bemerkbar zu machen. Er schaut nach oben und der besorgte Ausdruck verschwindet von seinem Gesicht und an dessen Stelle tritt Erleichterung, aber auch ein wenig Wut ist dabei.
Er öffnet seinen Mund, und will schon zu Sprechen anfangen, als ich meine Hand hebe und ihn somit zum Schweigen bringe.
,,Melissa hat etwas Schreckliches gesagt. Ich musste einfach weg. Also bin ich immer weiter gerannt, bis ich mich plötzlich verlaufen habe.", zeige ich ihm die halbe Wahrheit.
Noch bin ich mir nicht sicher, ob ich ihm wirklich erzählen soll, dass ich vorhabe, zu gehen. Aber als ich seinen Gesichtsausdruck sehe, wird mir die Entscheidung abgenommen.
,,Ich wollte zu den Zügen gehen, aber dann habe ich meine Meinung geändert und einen netten Jungen getroffen, der mir geholfen hat.", zeigen meine Hände hastig.
,,Oh mein Gott.", stößt er hervor. ,,Das nächste Mal sagst du mir bitte Bescheid, wenn du das nächste Mal sowas vor hast. Du kannst gar nicht glaube, wie große Sorgen ich mir gemacht habe. Ich könnte mir niemals vorstellen, wie es wäre, wenn du plötzlich weg bist.", sagt er deutlich, sodass ich es von seinen Lippen ablesen kann.
,,Es tut mir so leid. Du hast ja recht. Ich werde dich nicht verlassen.", zeige ich und lächle dabei leicht.
Ich drehe mich zum Haus und sehe Tante Maggie in der Tür stehen. Sie ist den Tränen nahe, was bedeutet, dass sie schon eine ganze Weile dort steht und uns zuhört. Als wir eintreten, nimmt sie uns in die Arme und drückt uns so fest, dass ich Angst habe, sie könnte mir die Rippen brechen.
Ich spüre ihr Kinn, wie es sich auf meinem Kopf bewegt und lasse sie los, denn sonst kann ich nicht herausfinden, was sie sagt.
Geduldig wiederholt sie das Gesagte: ,,Ich habe Melissa und Sarah eine lange Ansage gemacht und die beiden hart bestraft. Die beiden werden so etwas ganz bestimmt nicht noch einmal sagen."
Trotzdem werde ich ihnen das nie verzeihen und sie haben sich dadurch ein friedliches Zusammenleben gehörig versaut.
Es wird nie ein glückliches Familienleben geben. Niemals.
Ich weiß, ich sollte erst einmal warten, was sie sagen werden, aber so viel ändert würde sich dann auch nicht.
Dafür haben sie mich einfach zu sehr verletzt.
Henry läuft in das Wohnzimmer und rasch folge ich ihm. Aus dem Augenwinkel sehe ich Melissa und Sarah auf dem Sofa sitzen, die sich ihren Blicken nach zu urteilen, gerade eine Standpauke von ihrem Vater anhören müssen.
Leicht ziehe ich an dem Saum von Henrys Shirt. Er folgt meinem Blick und wir lächeln uns verschmitzt an.
Durch das Vibrieren meines Handys unterbreche ich unseren Blickkontakt und ziehe mein Handy aus der Hosentasche.
Eine neue Nachricht von Matthew.
,,Hey, Josh", schreibt er. Schon allein diese zwei Worte reichen aus, um meine Laune erheblich zu verbessern.
,,Hey, Matthew. Ich freue mich, dass du mir geschrieben hast." Das war doch nicht übertrieben, oder?
,,Kein Problem, Love", schreibt er zurück. Love. Diese vier Buchstaben sorgen für ein angenehmes Kribbeln in meinem Bauch.
Ich sperre mein Handy und stecke es wieder ein.
Bei der Sache mit Matthew habe ich ein sehr gutes Gefühl.... was auch immer das zwischen uns ist.
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