will
„Ähm. Was?"
Er runzelt die Stirn. Verwirrung zieht sich durch jede Falte. „Du erinnerst dich wirklich nicht?"
„Nein." Ich schnaube amüsiert, werde die Gänsehaut aber nicht los, die sich auf meinen Armen niedergelassen hat.
Sein Blick fällt auf seine Füße. „Ich bin im Gras gelegen, als ich aufgewacht bin. Hab die Hitze auf meiner Haut gespürt. Dann haben mich irgendwelche Männer weggetragen. Ich hab nicht gewusst, was los war, aber ich hab dich gesehen. Dein Gesicht. Ganz deutlich." Jetzt durchdringen mich seine Augen. Wollen irgendein Anzeichen der Erinnerung aus mir herauskitzeln. „Ich erinnere mich ans Sterben, aber ich lebe noch. Die Flammen haben unser Haus bis auf die Grundmauern niedergebrannt. Alles war weg, von der einen Sekunde auf die andere. Ich weiß noch, wie es sich angefühlt hat, als sich das Feuer in mein Fleisch gefressen hat. Zuerst dieses unerträgliche Brennen. Die Schreie meiner Geschwister, die ich nicht von meinen eigenen auseinander halten konnte. Ich weiß noch, wie die Taubheit plötzlich eingesetzt hat. Ich hab verlernt zu denken, hab nichts mehr gesehen, hab nichts mehr gespürt. Und dann, nach gefühlten Jahren, hat jemand an meiner Schulter gerüttelt. Gesagt, dass ich aufwachen muss. Ich weiß nicht mehr, wem die Stimme gehört hat.
Aber ich erinnere mich an dein Gesicht, Jenn. Und endlich habe ich dich gefunden."
„Du spinnst." Ich schlucke den Kloß hinunter, der sich in meinem Hals gebildet hat. „Ich hab keine Ahnung, wer dir ins Hirn geschissen hat, aber du solltest verschwinden oder ich rufe die Polizei."
„Es ist wahr, Jenn." Seine Worte tragen so viel Verzweiflung in sich, dass er um ein Hundertfaches glaubwürdiger wird. Er klingt gebrochen. Ich vermeide es, ihn anzusehen.
„Wann soll das gewesen sein?", krächze ich, zu meiner Überraschung heiser.
Henry schließt die Augen. „Vor zweihundertzehn Jahren." Und er presst die Lippen aufeinander.
„Okay", höre ich mich selbst murmeln. Ob ich ihm glaube, weiß ich nicht. Ob ich ihm misstraue, weiß ich nicht. Mein Kopf ist leer. Blank.
„Ich bin zweihundertsiebenundzwanzig Jahre alt. Deshalb hab ich meinen Namen irgendwann geändert." Ein kleines, schüchternes Lächeln nimmt auf seinen Lippen Platz. Auf beiden Gesichtshälften bilden sich kleine Grübchen.
„Okay."
„Wenn man so viel Zeit hat, wie sie mir gegeben wurde, braucht man irgendein Ziel. Sonst verliert man den Verstand."
„Okay."
„Du warst mein Ziel, Jenn." Schnell setzt er nach: „Und antworte jetzt bitte nicht nochmal mit Okay."
„Ich kann dir keine Antworten geben, Henry. Tut mir leid."
„Ich weiß", sagt er.
Ich nicke.
-
I'm still trying.
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