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Zwölf

»Hier wären wir«, verkündete Helen vergnügt, als wir am nächsten Abend auf einem Parkplatz in der Innenstadt Brightfields hielten. Mit ihren neunzehn Jahren hatte sie schon seit einem Jahr ihren Führerschein in der Tasche und liebte es, immer wieder zu betonen, dass sie deshalb meine typische ältere Freundin werden könnte, die mich überallhin fuhr.

Ich öffnete die Beifahrertür und trat nach draußen, wo mich sogleich die bunt blinkenden Lichter der Stadt in Empfang nahmen. Einige Straßenlaternen säumten unseren Weg durch die kühle Abendluft. Wir passierten modernen Bürogebäuden, aber auch typischen englischen Wohnblöcken mit schwarzen Zäunen und Türklopfern in Form eines Löwenkopfes, ehe die Flaniermeile in Sicht kam. Nachdem ich mich geweigert hatte, ins Schwimmbad zu gehen, hatte Helen vorgeschlagen, einen Film anzusehen. Allerdings mussten wir für unser Vorhaben in die nächstgrößere Stadt Brightfield fahren, da Gloamwood nicht über ein eigenes Kino verfügte.

Mittlerweile hatte ein leichter Nieselregen eingesetzt. »Wir sollten uns beeilen«, drängte Helen. »Wir sind schon fast zu spät und ich hab echt Schiss, dass mein Make-Up verläuft.«

Ich nickte zustimmend und verfiel in einen leichten Trab. Zu spät zu kommen, würde nur unnötig Aufmerksamkeit auf uns ziehen – Aufmerksamkeit, die ich mir wenn möglich ersparen wollte.

Nach wie vor quälten mich die Sorgen wegen des angeblichen Stalkers und meinen eigentlich unmöglichen Kräften. Hinzu kamen seit gestern noch Samanthas Andeutungen. Durch rationales Denken hatte ich einen Großteil ihrer Theorien widerlegen können, aber eben nur die meisten. Einige Zufälle hatten mich trotz aller guten Vorsätze zum Grübeln gebracht.

Entschlossen zog ich mir die Kapuze meines schwarzen Parkas tiefer ins Gesicht. Heute würde ich meine Sorgen hinter mir lassen, auch wenn es nur für ein paar Stunden war. Ich konnte nicht mein ganzes Leben von der Angst bestimmen lassen.

Das Kino lag an einer Straßenbiegung, die in eine kleine Seitengasse führte. Das Gebäude musste irgendwann in den Achtzigern erbaut worden, denn es bestand aus schlichtem, hässlichem Beton. Die Leuchtziffern über der Tür wechselten so schnell ihre Farbe und ihr Bewegungsmuster, dass mir ganz schwindelig wurde. Ein wenig deplatziert wirkte das Kino deshalb zwischen all den altertümlichen Geschäften, die jedem Harry-Potter-Fan einen vergnügten Aufschrei entlockt hätten.

Vor dem Eingang hatten sich bereits einige Menschentrauben zusammengefunden. Eine der vielen Glastüren war geöffnet, die breite Fensterfront hell erleuchtet. Leise Musik drang heraus und mischte sich unter die Stimmen der Besucher.

Aus einer Gruppe löste sich jemand heraus und kam auf uns zu geschlendert. Ich kannte den Jungen nicht, doch er schien zweifelsohne zu Helen zu gehören, denn nur einen Moment später zog er sie fest an sich, wirbelte sie herum und drückte ihr einen schmatzenden Kuss auf die Stirn. Das Geräusch war sogar über das Stimmengewirr um uns herum unüberhörbar.

»Hey Jason, das ist Jules. Sie ist meine frischgebackene Kollegin, von der ich dir erzählt habe. Jules, das ist Jason, mein Freund«, machte uns Helen miteinander bekannt, nachdem sie einen Schritt zurückgetreten war.

»Hi Jules.« Jason überragte Helen um kaum einen Zentimeter. Sein krauses dunkles Haar bildete winzige Locken auf seinem Kopf und unterschied sich in seiner Farbe kaum von seinem Hautton. Er trug ein rotes T-Shirt, auf dem das Logo irgendeines australischen Surfclubs prangte. Das Lächeln auf seinen Lippen war echt, dennoch er wirkte etwas zurückhaltend. Seltsamerweise machte ihn mir genau das gleich sympathisch.

Der Rest der Meute war nun ebenfalls auf uns aufmerksam geworden und kam auf uns zugelaufen. Ich gab mir einen Ruck und setzte ein Lächeln auf, während Helen uns einander vorstellte.

Wir waren insgesamt zu sechst, da einige kurzfristig abgesprungen waren. Das hatte den Vorteil, dass die Anzahl an unbekannten Gesichtern ein wenig verringert wurde. Da ich mein Gedächtnis gut kannte, machte ich mir gar nicht die Mühe, mir alle Namen zu merken, doch ich konnte mich entsinnen, dass das eine blonde Mädchen, das sich gleich zu Duncan und Helen gestellt hatte, Catherine hieß. Sie machte einen recht erwachsenen Eindruck, wodurch sie mir gleich Jahre älter erschien. Während wir ins Innere des Kinos hasteten, ließ sie sich zurückfallen und verwickelte mich sogleich in ein Gespräch über meine Lieblingsfilme.

Trotz ihrer Präsenz fühlte ich mich in der Vorhalle des Kinos nicht wohl. Es lag an den Menschen – definitiv zu viele Menschen, die sich in der langen Schlange vor dem Popcorn- und Getränkestand tummelten, schwatzend in Grüppchen zusammenstanden oder sich panisch einen Weg zur nächsten Toilette bahnten.

»Wer hat Lust auf Popcorn?«, fragte Jason in die Runde und wedelte mit seinem Geldbeutel. »Am besten stellen wir uns nicht alle an, damit es nicht so lange dauert.«

Die anderen riefen sofort ihre Getränkewünsche in den Raum, bis Jason sein Handy herausholte und sich hektisch alles notierte. »Was willst du, Jules?«, fragte er mich schließlich.

Um ehrlich zu sein, hatte ich mir darüber noch gar keine wirklichen Gedanken gemacht. Essen hatte bei mir keine oberste Priorität und das schon gar nicht im Kino. »Ich denke, ich nehme eine Cola«, sagte ich deshalb schnell.

»Und was zu essen?«, hakte Helen nach.

»Ich möchte nichts essen.«

»Nicht einmal ein bisschen? Wir könnten uns eine Packung Popcorn teilen«, schlug sie vor.

Ich rang mit mir. Wenn ich heute Abend wirklich ein normaler Teenager sein wollte, dann sollte ich wohl auch Dinge machen, die normale Teenager taten. Also nickte ich. »Gute Idee.«

»Perfekt.« Jason, Duncan und der Junge, dessen Namen ich nicht kannte – es war irgendein Künstlername mit einem J gewesen – stellten sich in die Schlange. Solange beschlossen Helen, Catherine und ich, draußen unter dem Vordach noch einmal frische Luft zu schnappen.

»Jules, hältst du kurz die Karten?«, bat Helen mich und drückte mir die aneinanderhängende Reihe Kinokarten in die Hand, ehe ich überhaupt antworten konnte. Während sie sich bückte und die Schnürsenkel ihrer Boots fest nach oben zog, sprach sie weiter. »Catherine, hab ich dir eigentlich schon erzählt, was im Café letzte Woche abgegangen ist? Nee, stimmt, hab ich nicht. Wann auch? Jedenfalls muss irgendwer die Scheibe im Lagerraum eingeschlagen haben. War doch so, oder, Jules?«

»Ja...«, sagte ich lahm, doch ich spürte, wie mir alle Farbe aus dem Gesicht wich. Warum musste sie ausgerechnet jetzt das Thema anschneiden?

»Warum habt du und Duncan eigentlich nicht die Polizei alarmiert?«

Panik stieg in mir auf. Ich hatte schon geahnt, dass es früher oder später darauf hinauslaufen würde, aber insgeheim hatte ich mir dabei Duncans Unterstützung erhofft. Der stand jetzt jedoch mit den anderen in der Schlange und uns trennten nicht nur eine Glastür sondern auch eine riesige, laute Menschenansammlung voneinander. Ich hatte keine Ahnung, was ich den beiden erzählen sollte. Nicht auszudenken, was geschehen mochte, wenn auch er unabhängig von mir gefragt wurde, und ihnen eine völlig andere Ausrede lieferte.

Aber ihnen die Wahrheit zu sagen, war ausgeschlossen. Duncan hatte es geglaubt, ja. Allerdings hatte er alles mit eigenen Augen gesehen. Helen und Catherine hingegen würden womöglich dafür sorgen, dass ich schneller meinen früheren Psychiater wiedertraf, als ich Netflix sagen konnte.

Mir wurde schwarz vor Augen, doch ich fürchtete keine Panikattacke, keine Flashbacks. Nein, was mir drohte, war weitaus schlimmer. Denn es ließ sich nicht einmal erklären. Als bereits bunte Muster vor meinen Augen tanzten, hatte ich jegliche Hoffnung verloren, dass ich ein weiteres Desaster würde abwenden können. Panisch umfasste ich meine Hände miteinander und hielt sie so fest umklammert, dass meine Fingernägel schmerzhaft in die Haut meines Handtellers schnitten. Bloß keine Aufmerksamkeit erregen; einfach so tun, als wäre alles okay.

»Jules?« Die Stimmen drangen nur langsam in mein Bewusstsein. Ich konnte nicht antworten. All meine Körperfunktionen schienen heruntergefahren worden zu sein, um meine Energie zu bündeln und auf die Kraft in meinem Inneren zu konzentrieren. Mein Blut pulsierte heftiger denn je in meinen Ohren, meinem Hals, meinem Herzen. Der Druck wurde so groß, dass ich befürchtete, meine Adern könnten jeden Moment platzen, damit sich die rote Flüssigkeit endlich nach draußen drängen konnte. Jetzt spürte ich doch die Panik in mir aufkommen, während der Druck in meine Hände wanderte.

»Scheiße, Jules! Was ist los?« Unverkennbar Helens Stimme.

»Hörst du uns? Sollen wir reingehen?« Nicht Helen, jemand anders. Catherine vielleicht?

Ich zwang mich, tief durchzuatmen. Meine Angst machte alles nur schlimmer.

Ein. Eins, zwei, drei, vier.

Halten. Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben.

Und aus. Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht.

Ein. Eins, zwei, drei, vier.

Halten. Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben.

Und aus. Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht.

Mit jedem Atemzug entwich der Druck ein wenig.

Ein. Eins, zwei, drei, vier.

Halten. Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben.

Und aus. Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht.

Mein Sichtfeld klärte sich nach und nach und gab den Blick auf Helen und Catherine wieder frei. Beiden stand der Schock ins Gesicht geschrieben. Mittlerweile hatten sich auch weitere Kinobesucher zu uns umgedreht. Schließlich brach das letzte Bisschen der kribbelnden Energie mit einem leisen Ploppen in meinen Ohren aus meinen Fingern heraus. Der Windstoß, den dies verursachte, war kaum zu spüren, doch er reichte gerade aus, um mir die Kinokarten aus den Fingern zu wehen. Sie tänzelten einen Moment lang durch die Luft, ehe sie im Sturzflug zu Boden rasten und dabei immer weiter weg getrieben wurden. Ich riss mich aus meiner Schockstarre und hechtete geistesgegenwärtig nach vorne. Längst hatten die Karten mit dem dreckigen Pflaster Bekanntschaft gemacht und wurden durch Pfützen, Matsch und getrocknete Kaugummis gezogen. Der Vorplatz des Kinos war so voll, dass ich mehrere Male kurz davor war, sie aus den Augen zu verlieren, während ich mich panisch zwischen den Passanten hindurchschlängelte. Nicht einmal Zeit für eine Entschuldigung blieb mir. Eine rätselhafte Kraft schien die Karten immer weiter von mir zu entfernen, denn jedes Mal, wenn ich ein Stück näher kam, fegte ein weiterer kaum merklicher Windstoß mit einer solchen Intensität durch die Straße, dass die Karten mehrere Meter nach vorn geweht wurden. Wie zwei gleiche Pole, die sich abstießen. Erst als sie längst die Menschenmassen hinter sich gelassen hatten, kamen die kleinen Papiere in der Straßenrinne zum Liegen.

Erleichtert überbrückte ich die letzte Distanz und streckte die Hand aus. Doch wie es schien, war ich es, die den Wind heraufbeschwörte. Zumindest der Druck, der entwich, war Antrieb genug, denn mit einem Mal setzten sich die Karten wieder in Bewegung. Nur einige Fuß, aber dennoch bis zum nächsten Rost des Abwasserkanals. Ich erstarrte. Die Eintrittskarten schwebten gefährlich über den Ritzen des Metalls. Nur eine Ecke des Papiers erzitterte im Wind wie ein Abenteurer am Rande einer Schlucht.

Hinter mir erklangen Stimmen und Schritte auf dem Asphalt, doch ich beachtete sie gar nicht. Meine Konzentration galt einzig und allein der Kinokarte. Ich biss fest die Zähne zusammen und näherte meine Hand ganz langsam dem Ticket. Wenn ich es vorsichtig versuchte, konnte es mir vielleicht gelingen. Meine Hand zitterte. Ich blendete die ganze Welt um mich herum aus, bis meine Ohren wie in Watte gehüllt waren. Die Karten bebten noch immer, aber sie machten keine Anstalten, sich von mir wegzubewegen, während ich näherkam. Innerlich stieß ich einen Freudenschrei aus. Nur noch wenige Zentimeter trennten meine Finger von den Tickets.

»Jules!« Die Stimme war so laut, dass ich sie nicht ignorieren konnte. Jemand schrie direkt neben meinen Ohr. Ich erschrak so heftig, dass ich nach vorne taumelte und stolperte. Schon sah ich den Boden auf mich zurasen und streckte die Hände aus, um mich abzufangen. Ein schmerzhafter Ruck ging durch meine Arme, als meine Handflächen auf der harten Straße aufkamen.

Die Geräusche um mich herum gewannen wieder an Lautstärke und vereinten sich zu einem großen Ganzen, das so unerträglich war, dass ich mir am liebsten die Hände auf die Ohren gepresst hätte. Aber ich musste Prioritäten setzen. Und die waren eindeutig die Eintrittskarten. Ich rollte mich zur Seite, bis ich mit dem Hintern auf dem Asphalt saß und rutschte auf das Rost zu.

Die Tickets waren weg.

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