Kapitel 74
>>Können wir kurz draußen unter vier Augen miteinander sprechen?<<, frage ich an Rocelyn gewandt und werfe ihr einen Blick zu, der hoffentlich einen überzeugenden Eindruck macht. Denn um ehrlich zu sein, bin ich mir nicht sicher, ob mein jetziges Ich noch eine weitere Eröffnung ertragen kann. Aber was soll ich sagen? Ich liebe es anscheinend mich selbst zu quälen oder zumindest ist das meine Platz-eins-Theorie für diese Bitte. Eine andere Möglichkeit wäre natürlich, dass ich einfach meine Neugierde nicht meine Kehle runterdrücken kann und ein paar Antworten, in dem ganzen Fragenwirrwarr, wirklich ganz nett wären.
>>Was? Jetzt?<<, kommt Dylan ihr mit seiner Reaktion zuvor, >>Du hast uns gerade eröffnet, dass einer der Prinzen mit den Koslowern zusammenarbeitet. Die, um sich nochmal ganz klar auszudrücken, fast das gesamte Schloss abgefackelt hätten. Warum sollte einer der Söhne des Königs so etwas tun? Und vor allem, welcher der Drei ist es? Bitte, du kannst uns jetzt doch nicht nach diesem winzigen Informationsbrocken einfach so zurücklassen!<< Offensichtlich völlig verblüfft wirft Smaragdglupscher wild seine Hände durch die Luft, wobei es echt einem großen Wunder gleichkommt, dass keine davon in Raves Gesicht landet.
Diese ist übrigens außerordentlich still und scheint die Mitteilung zu verarbeiten, in dem sie wie paralysiert auf einen Punkt über mir starrt und die Augen zu Schlitzen verengt. Ohne ihn zu beachten wende ich mich nun voll und ganz Rocelyn zu und sehe ihr damit, seit ihrem Auftauchen an der Tür, das erste Mal wieder in die Augen. >>Bitte<<, wiederhole ich und endlich scheint ein Ruck durch sie zu fahren, denn sie nickt ein paar Mal und legt dabei ihre Hand auf meinen säbelfreien Arm. >>Natürlich, Schätzchen<<, erwidert sie und macht sich daran aufzustehen und sich durch die große Öffnung im Van zu schieben.
Als sie draußen steht, wende ich mich doch noch einmal kurz den Geschwistern zu, die mich nun beide mit großen, durchdringenden Augen anstarren und scheinbar auf weitere Informationen zu warten scheinen. >>Okay, passt auf Leute. Ich weiß ihr habt Fragen und ich kann euch nur sagen, dass ich auch noch mindestens hundert im petto habe, aber es ist spät und wenn unser Plan funktionieren soll, darf niemand bemerken, dass ich das Schloss verlassen habe. Wir wollen schließlich nicht, dass irgendjemand beginnt misstrauisch zu werden und ich aus dem Casting geworfen werde, oder? Denn das wäre es dann mit euren Exklusivinformationen und Chance auf eine gravierende Veränderung<<
Eine Kunstpause einlegend schaue ich von einem zum anderen, während sich meine Gedärme bereits bei dem Gedanken verknoten zum Palast zurückzukehren. Vielleicht war mein Plan während der abrupten Flucht , niemals wieder einen Schritt in diese Richtung zu machen, doch das waren nur die irrationalen Gedanken einer Flüchtigen, dessen Urteilvermögen von Panik und Schock getrübt wurden. Jetzt sieht die ganze Sache schon wieder ein wenig anders aus, auch wenn die Angst noch wie ein zweiter Herzschlag durch meinen ganzen Körper pulsiert. Aber ich habe durch dieses Gespräch und die Umlenkung meiner Aufmerksamkeit auf andere Themen wieder meine Fassung zurückerlangt und damit genug Abstand zum Geschehen erlangt, um die einzig logische Entscheidung zu treffen: Ich muss wieder zurück.
Und dabei ist es egal wie viel Mühe sich der Kloß in meinem Hals gibt mir bei diesem Gedanken jedes Mal die Luft abzudrücken oder dass mir ein großer Teil meines Selbst sagt, dass das eine verdammt schlechte Idee ist. Ich muss wieder die Kontrolle über die Situation erlangen und das kann ich nur, wenn ich vor Ort bin. Vielleicht sind meine Mühen ja vergeblich und Daimon hat mich schon an eine wütende Meute oder gar die Koslower verraten, aber auch dann ist es wichtig, dass ich darüber Bescheid weiß. Außerdem ist seit meiner Flucht nur eine Stunde vergangen, da kann man noch hoffen, das Schlimmste abzuwenden.
>>Nein, wir müssen erst überprüfen, ob es sicher ist ihm zu vertrauen. Woher willst du wissen, dass er den Koslowern hilft und dich nicht nur in eine Falle lockt?<< Der autoritäre Ton, den Rave in diesem Moment an den Tag legt, sollte mich eigentlich davon überzeugen, ihr Rede und Antwort zu stehen, doch in diesem Moment lässt es mich kalt. Ich bin so müde, dass mir gleich die Augen zu fallen könnten und die Anspannung, die seit einer Stunde in meinem Körper herrscht, fordert gerade seinen Tribut und lässt mich fühlen, als hätte mich über Nacht eine Grippe erwischt.
Deshalb stehe ich unbeeindruckt auf und begebe mich zur offenen Vantür, bevor ich mich doch noch einmal umdrehe. Ich sollte unsere frische Partnerschaft vielleicht nicht nach den ersten fünf Minuten schon auf die Probe stellen. >>Er hat es mir selbst gesagt. Außerdem decken sich seine Informationen damit, dass er den Knopf zum Einschalten der Sprinkleranlage beim Feuer so schnell ausfindig gemacht hat. Und nur damit auch dein Bruder zufrieden ist, ich habe keine Ahnung, warum Daimon seine Eltern so sehr hasst, dass er mit dem Feind sympathisiert, aber ich werde es vielleicht herausfinden, wenn ich versuche ihn für diese Organisation abzuwerben<< Mit diesen Worten steige ich aus dem Auto und versuche mich von meinen Gefühlen nicht überwältigen zu lassen.
Allein bei dem Gedanken Daimon nach den Ereignissen des Tages gegenübertreten zu müssen, möchte ich zurück in den Van steigen und mich bis ans andere Ende der Welt fahren lassen, doch diesen Luxus genieße ich nach meinem neuen Plan nicht mehr. Ich weiß nicht, wie ich es schaffen soll ihn davon zu überzeugen gerade mir zu helfen, doch ich kann nicht einfach so tun als wüsste ich nichts von seiner Partnerschaft mit den Koslowern. Ich möchte nicht mitverantwortlich sein, wenn sie das Land übernehmen und alles was hier gut und fair ist mit ihren Methoden ins Chaos stürzen. Das kann ich vor meinem Gewissen nicht verantworten, genauso wenig wie ich das drängende Bedürfnis ignorieren kann dieser Gruppierung zu helfen.
Ich habe mich immer danach gesehnt Teil von etwas Größerem zu sein und Gerechtigkeit einzufordern und gerade wird mir diese Chance beinahe auf dem Silbertablett serviert. Na ja, wenn man außer Acht lässt, dass ich dafür einer meiner größten Ängste gegenübertreten muss und mein Leben damit wahrscheinlich auf ein ganz neues Niveau von Tohuwabohu hebe... >>Es tut mir so leid, dass ich es dir nicht früher gesagt habe, Herzchen. Ich hätte es ansprechen sollen, als du für deinen Besuch zu mir gekommen bist, aber die Zeit hat gedrängt und ich...<<
>>Wie lange schon?<<, unterbreche ich sie, >>Seit wann verschweigst du mir das schon?<< Mein Tonfall hat einen leicht anklagenden Unterton, der hier eigentlich rein gar nichts zu suchen hat, aber ich schaffe es einfach nicht meine Stimme neutral klingen zu lassen. Wir haben uns immer alles gesagt, jedenfalls hat sie das immer getan, während ich ihr einen wichtigen Teil meines Lebens verschwiegen habe. Und genau diese Tatsache sorgt gerade dafür, dass ich mir wegen meiner missglückten Neutralität ein wenig schäbig vorkomme. Immerhin bin ich diejenige von uns beiden, die jahrelang etwas vor der anderen geheim gehalten hat. Ich habe nicht das Recht dazu mit dem nackten Finger auf sie zu zeigen und ihr das mitten in der Nacht vorzuwerfen.
>>Nicht lange. Es war etwa ein oder zwei Wochen nachdem das Casting begonnen hat, da kamen Dylan und Rave unter Decknamen zu mir und gaben sich als Journalisten aus. Sie sagten, sie würden Hintergrundinformationen über dich sammeln wollen, um einen Artikel in einem bekannten Magazin zu veröffentlichen. Das kam mir von Anfang an sehr komisch vor, da ich mir nicht vorstellen konnte, dass Oberschichtler Bedienstete nach ihrer Meinung fragen. Das ganze verstärkte sich noch als gehäuft Fragen zu deiner politischen Einstellung auftauchten. Ich habe nur jede Einzelne davon beantwortet, weil mir mein Instinkt gesagt hat, dass es das Richtige ist und die beiden mir nicht wie die zwielichtige Art Reporter vorkamen, die alles zu deinen Ungunsten drehen würden. Einige Tage später kamen sie wieder und erzählten mir von dieser Organisation. Da erfuhr ich auch den wahren Grund für die vielen Fragen: Sie hatten wegen deiner rebellischen Art ein Auge auf dich geworfen und wollten herausfinden, ob du dich als Spionin und Anhängerin eignen würdest. Tja, und dann führte irgendwie eines zum anderen. Zuerst erklärte ich mich nur bereit ihnen dabei zu helfen dein Vertrauen zu gewinnen, doch je mehr ich von dieser Organisation sah, desto bewusster wurde mir, dass ich mehr tun möchte als das<<
Der Schmerzensstich, den ich bei dem Erkennen ihres Geheimnisses empfunden habe, ebbt fast vollständig ab, während mein Herz durch ihre Worte noch ein bisschen schwerer wird. Sie hat es nicht verdient, dass ich etwas vor ihr verheimliche, denke ich, während ich betrübt auf meiner Unterlippe herumkaue. Nicht, wenn sie mir ihres nur nicht erzählte, weil sie in den wenigen Minuten Wiedervereinigung schönere Dinge ansprechen wollte. >>Nein, du musst dich nicht entschuldigen. Ich meine, wann hättest du es mir schon sagen sollen?<<
Der Versuch ein aufmunterndes Lächeln auf mein Gesicht zu pflastern scheitert anscheinend kläglich, denn Rocelyn kommt noch ein Stückchen näher, um mir mitfühlend einen Arm auf die Schulter zu legen und die steile Sorgenfalte auf ihrer Stirn damit noch mehr in Szene zu rücken. >>Ist alles gut, Liebes? Du wirkst als ob dich schon etwas vor dieser Zusammenkunft in Aufruhr versetzt hat. Ist es weil du herausgefunden hast, dass Daimon für die Koslower spioniert?<<, fragt sie in ihrem gewohnt feinfühligen Tonfall, der sofort ein Gefühl von Geborgenheit in mir auslöst. Ich erinnere mich daran, diese sanfte Stimme schon während der schlimmsten Momente meiner Kindheit und Jugend gehört zu haben. Als meine Eltern mich nach unten ins Erdgeschoss verbannten. Als sie sich weigerten mit mir das Winterfest zu feiern. Als eine Freundin von mir einen Arbeitsunfall hatte und sie ins Krankenhaus musste. Sie hat mir bei all dem beigestanden und ausgerechnet jetzt hält mich das Einzige, was je zwischen uns stand davon ab, ihr die ganze Wahrheit zu erzählen.
>>Ja, das hat mich ziemlich mitgenommen<<, flüstere ich und senke meinen Kopf, weil ich Angst davor habe, dass sie durch einen Blick in meine Augen erkennen kann, was eigentlich dahintersteckt. Eine völlig lächerliche Reaktion, wenn ihr mich fragt. Schließlich sind die Lichtverhältnisse hier wirklich nicht das Gelbe vom Ei. Und selbst wenn über mir eine Megawattbirne leuchten würde, wäre ihre erste Vermutung sicherlich nicht, dass meine Laune in den Keller gesackt ist, weil ich mit meinen magischen Fähigkeiten vor Daimon ein Stück Rasen in Brand gesetzt habe. Meine Unsicherheit ist absoluter Irrsinn.
>>Ach, Süße. Ich weiß, dass ich dir erst vor kurzer Zeit geraten habe in seiner Gegenwart vorsichtig zu sein, doch das lag keineswegs daran, dass er mir nicht vertrauenswürdig vorkam. An diesem Tag sind einfach meine Ängste mit mir durchgegangen. Immerhin lebst du in einem Gebäude mit dem König, der diese unschuldige Frau und viele weitere ermordet hat und tauchst dann plötzlich mit einem seiner Söhne auf, ohne etwas von alldem zu wissen... Aber ich hatte keinerlei Recht ihn als Gefahr zu betrachten. Schließlich sollte man einen Menschen nie nach seinen Wurzeln beurteilen. Und wäre ich an diesem Tag nicht von Sorge getrieben gewesen, würdest du schon längst wissen, dass ich in seinen Augen erkannt habe, dass er ein guter Junge mit einer zerstörten Seele ist und nicht nur ein Spross der Sinclairs. Also, sprich' mit ihm und lass' ihn vor allen Dingen ausreden. So wie ich dich kenne, hast du ihm eine verpasst, bevor er dir überhaupt einen seiner Beweggründe nennen konnte<<
Sofort verziehen sich meine Mundwinkel zu einem traurigen Lächeln, als ich mal wieder eine von Rocelyns vielen Weisheiten erhalte. Wahrscheinlich hat sie Recht und ich sollte mich diesbezüglich nochmal mit ihm unterhalten, - Immerhin ist das nicht der Grund, warum sich meine Innereien bei dem Gedanken an ihn verknoten – doch die gleiche Sache kann ich nicht von meinen Fähigkeiten behaupten. Ich weiß noch nicht, wie ich alles meistern soll ohne ihm Gelegenheit dafür zu geben mir mit seiner Reaktion das Herz zu brechen und all meine Ängste wahr werden zu lassen, aber ich werde es schaffen. Das muss ich einfach...
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Kaum schließe ich meine Schranktür hinter mir, sehe ich mich im Zimmer um – immerzu darauf gefasst, dass mich gleich ein Soldat mit einem Schwert attackiert und dann bis zu meiner Verbrennung auf dem Scheiterhaufen in den Kerker sperrt. Meinen Säbel habe ich für meine Eisfortbewegung zwar wieder verschwinden lassen, doch während ich durch die Geheimgänge strich, erschien wie von selbst ein weiterer in meiner Hand. Das letzte was ich will, ist ein leichtes Ziel abzugeben oder wegen einer zu naiven Haltung mein Leben einzubüßen, also lasse ich mir für beide Schwächen keinerlei Raum bis ich nicht hundertprozentig sicher bin, dass mein Geheimnis bei Daimon sicher ist.
Auf den ersten Blick scheint die Luft rein zu sein und meine erschöpften Glieder entspannen sich ein wenig, doch ich bleibe weiterhin wachsam, auch wenn ich mich am liebsten einfach ins Bett geworfen hätte ohne misstrauisch nach rechts und links zu sehen. Aber das Leben ist nun mal kein Wunschkonzert. Also lasse ich meinen Blick weiterhin aufmerksam durch mein Zimmer gleiten. Es scheint nichts verschoben worden zu sein und Personen kann ich auch keine darin erkennen, doch vielleicht trügt die sanfte Dunkelheit im Raum mein Auge bloß.
Leise mache ich einen weiteren Schritt in den Raum und fühle mich dabei in meinen eigenen vier Wänden wie eine Einbrecherin. Du bist einfach nur paranoid! Hier ist niemand, raunt mir eine innere Stimme zu, die sofort wieder verstummt, als mein Blick am Bett hängen bleibt. Sofort schalten meine Sinne wieder auf Überlebensmodus und meine Hand greift den Säbel noch fester, während ich auf die Person zugehe, die es doch tatsächlich gewagt hat, es sich auf meiner Matratze bequem zu machen. Ein Plan formt sich vor meinen Augen und ich spüre nicht zum ersten Mal an diesem Tag wie das Adrenalin durch meine Adern pumpt und meinen müden Knochen zusätzliche Energie verleiht.
Durch die Dunkelheit und meinen seitlichen Blickwinkel kann ich nicht viel erkennen, mal abgesehen davon, dass die Person tiefe Atemzüge nimmt, auf dem Rücken liegt und den Kopf in einem seltsamen Winkel von mir weggedreht hat. Also kann ich nur Theorien darüber aufstellen, wer hier Dornröschen spielt, aber die Angst, dass der schlafende Körper jederzeit noch oben schnellen und ein Messer nach mir werfen kann, ist allgegenwertig. Und genau deshalb handle ich ohne genauere Nachforschungen an das Wer anzustellen und beuge einem Angriff mit einem Satz vor.
Zuerst berührt mein rechtes Knie die Matratze und sorgt dafür, dass der linke Arm der Person zwischen meinem Bein und seinem eigenen Körper eingeklemmt da liegt. Dann schwinge ich mein anderes in einer fließenden Bewegung auf die andere Seite und mache damit den zweiten Arm unschädlich, während meine Hand mit dem Säbel vorsichtshalber seine Kehle bedroht, falls dieser jemand auf dumme Gedanken kommen sollte. Als letzten Schritt setze ich mein Körpergewicht so ein, dass ich rittlings auf der Brust des Unbekannten sitze, ohne ihm dabei die Luft abzudrücken.
Mittlerweile habe ich durch die Statur erkannt, dass es sich um einen Mann handeln muss, aber das tiefe, grummelnde Geräusch, das bei meiner Aktion aus seiner Kehle dringt, verdeutlicht sein Geschlecht noch mal mit Extraleuchtkraft. Sofort schnellt mein Blick zu dem Gesicht des männlichen Dornröschens, was meinem Herzen erstmal einen kompletten Ausfall beschert, da vor mir kein geringerer als Daimon gerade flatternd die Augen öffnet.
Mist, schießt es mir durch den Kopf, während mir meine gesamte Luft aus den Lungen gezogen wird. Das ist zu früh. Ich kann die Begegnung mit ihm nicht so aus dem Stehgreif bewältigen. Ich dachte, ich hätte noch Zeit mir eine ausgeklügelte Vorgehensweise zu überlegen! Wie erstarrt schaue ich auf ihn nieder und würde ihm dabei am liebsten eine Vase über den Kopf ziehen, damit ich dieses Gespräch wie geplant morgen mit ihm führen kann.
In diesem Moment schlägt er, nach anfänglichem Geblinzele, vollständig die Augen auf und es ist als würde sich sein Blick direkt in mein Herz bohren. Erst jetzt fällt mir auf, dass ich auf ihm sitze und ihm dabei noch zusätzlich eine Klinge an seine Kehle drücke, doch ich kann mich keinen Millimeter rühren. Und auch er starrt mich einfach nur an wie ein Reh im Scheinwerferlicht. Krieg die Situation endlich in den Griff!, ruft mich eine Stimme in meinem Kopf zur Ordnung und ich ziehe mit einem Mal alle Mauern um mich herum, die ich überhaupt in meinem Repertoire besitze. Denn was nicht zu mir durchdringt kann mich nicht verletzen und was ich von mir wegstoße kann mich nicht zerstören – so einfach ist die Sache.
Und genau deshalb setze ich gerade alles daran, den Daimon aus meinem Gedächtnis zu löschen, für den ich angefangen habe Gefühle zu entwickeln. Ich verdränge den Sturm in seinen Augen und unsere gemeinsame Bitterkeit, genauso wie unser Date unter den Sternen inklusive all unserer leidenschaftlichen Küsse. Er ist der arrogante Prinz, den ich auf einem Ball getroffen und danach niemals näher kennengelernt habe. Er ist ein leeres Stück Papier, das ich nicht mit Wissen und Gemeinsamkeiten füllen will. Er ist nur irgendein Kerl in meinem Schlafzimmer, der mir nichts bedeutet.
>>Na, Dornröschen. Schön geschlafen?<<, frage ich in diesem speziellen Tonfall, der nur für Feinde und Schnösel reserviert ist. Zwei Sachen, die eigentlich nicht auf ihn zutreffen, flüstert es in meinem Verstand, doch ich sperre die Stimme genauso wie alles andere in ein Kästchen, ganz weit hinten in meinem Bewusstsein. Er ist nur ein potenzieller Verbündeter, den ich auf meine Seite ziehen will. >>Möchtest du mir nicht erzählen, was du in meinem Bett machst? Ich kann mich nicht daran erinnern dich zu einem Probeliegen eingeladen zu haben<<
>>Gerne<<, erwidert der aus dem Stadium der glotzenden Leichen erwachte Daimon und zieht dabei spöttisch eine Augenbraue hoch, >>Aber nur, wenn du endlich das Messer von meinem Hals entfernst. Das zerdrückt beim Sprechen so unangenehm meinen Kehlkopf<< Sofort verfestigt sich mein Griff um das Heft der Klinge noch ein bisschen, während ich versuche etwas aus seinem Blick herauszulesen. Hat er Angst vor mir? Denkt er, ich würde ihm wirklich etwas tun? Hält er mich für ein Monster? Die Fragen springen aus meiner überfüllten Kiste und kreisen durch meinen Kopf wie Kometen auf Ecstasy und ich bin mir nicht sicher ob ich sie stoppen kann. Da hilft es auch nicht, dass ich in diesem Moment auch noch registriere wie sexy Daimons raue Eben-erst-aufgewacht-Stimme klingt.
Warum musstest du nur so blöd sein hier auf mich zu warten?, denke ich und kämpfe den Instinkt nieder ,erschöpft meine Augen zu schließen. >>Ich glaube nicht, dass du in der Position bist hier Forderungen zu stellen. Aber ich bin bereit für einen Deal... Ich lasse dir ein wenig mehr Platz für deinen armen Kehlkopf und du beantwortest mir dafür ohne Widerworte meine Fragen<< Dieses Mal bin ich diejenige, die ihre Augenbraue bis zum Anschlag nach oben zieht, während ich darauf achte, ansonsten ein perfektes Pokerface zu wahren. Er darf auf keinen Fall erfahren, wie groß das Chaos ist, das in mir wütet und dass ich gerade mehr Angriffsfläche biete als ein schutzloses Zeltlager.
>>Das soll ein Deal sein?<<, schnaubt er, >>Komm schon, dass kannst du doch besser, Flämmchen. Wie wäre es, wenn wir das Spiel von unserem Date einfach weiterspielen und dabei einfach nur die Joker rausnehmen? Und die Klinge kannst du dir sowieso schenken, da ich auch ohne, nicht die leiseste Chance gegen dich hätte. Außerdem bin ich nicht dein Feind, Fait. Ich will einfach nur ein paar Antworten auf die Fragen, die ich mir stelle seit du nach diesem... unvorhergesehenen Ereignis die Flucht ergriffen hast <<
Misstrauisch sehe ich auf ihn herab, während in meinem Inneren ein weiterer Amok ausbricht. Es ist viel schwerer so zu tun als wäre Daimon nur ein unbekannter Irgendwer, wenn er damit beginnt Erinnerungen in mir wach zu rufen, an die ich gerade keinen einzigen Gedanken verschwenden will. Aber wer hat gesagt, dass die ganze Sache einfach werden würde? Schließlich ist es unmöglich die guten Eigenschaften eines Charakters von jetzt auf gleich aus seinem Gedächtnis zu löschen.
Darüber hinaus hat der Idiot natürlich auch noch Recht. Ich brauche diesen Säbel nicht, um ihn im Schach zu halten, sondern klammere mich einfach nur an das kalte Eis, um mich sicherer zu fühlen. Und genau das wird er sich auch zusammenreimen, wenn ich nicht endlich die Klinge von seinem Hals nehme. Doch das macht mir die Entscheidung keineswegs einfacher, denn obwohl ich in der Situation klar die Zügel in der Hand halte, fühlt es sich so an, als könnte der Prinz sie mir schneller entreißen als dass ich ,,Stopp" sagen kann.
>>Na schön. Keine Klinge<<, lenke ich ein und im nächsten Moment sauge ich das Eis zurück in mein Innerstes, was mir einen überraschten Blick von Daimon einbringt, >>Aber das bedeutet nicht, dass ich mich auf deinen Deal einlasse. Ich bin nicht hier, um dir meine Lebensgeschichte aufzutischen, sondern um etwas Wichtiges mit dir zu klären und dafür brauche ich zuerst ein paar Antworten von dir<<
>>Das ist also dein Plan? Mir jegliche Information aus der Nase zu ziehen, aber selbst nichts von dir Preis zu geben? Ist das dein Ernst? Weißt du eigentlich, wie es ist, wenn von einem Moment das Gras vor einem brennt und es keine logische Erklärung dafür gibt? Ich meine, was bist du? Ein Alien? Irgendeine Art Superwaffe? Eine künstliche Intelligenz mit integriertem Flammenwerfer? Ich habe dir ein Teil meiner Wahrheit gegeben und ich bin bereit dir all deine Fragen zu beantworten, wenn du mir den gleichen Gefallen tust. Also, was ist? Steht der Deal oder willst du mich erst mit einem weiteren Säbel bedrohen, der von einer Sekunde auf die andere verschwindet <<
Ich kann nicht ist das erste, was mir durch den Kopf schießt. Ich kann dir nicht ein Stückchen von meiner Wahrheit geben, ohne einen Teil meines Selbst zu offenbaren, den ich vor jedem versteckt halte. Weißt du eigentlich wie lange mich das Thema rund um meine Kräfte schon beschäftigt? Dass ich Jahre damit zugebracht habe eine tiefsitzende Angst davor zu entwickeln, wie Leute darauf reagieren werden? Nein, dass weißt du nicht und ich möchte auch nicht, dass du es tust. Denn vielleicht bin ich nicht eine dieser Personen, die sich nie schön fühlen wird, weil sie jeden Tag vor dem Spiegel steht und die Stellen an ihrem Körper begutachtet, die sie am meisten hasst. Aber dafür bin ich das Mädchen, das von ihren Eltern, wegen abartigen Fähigkeiten verstoßen wurde und von da an in eine Spirale aus Selbsthass fiel. Ich hatte niemanden mit dem ich darüber reden konnte, weil ich es nie geschafft habe dem Menschen, dem ich am meisten vertraue die Wahrheit zu sagen. Ich war all die Jahre allein mit meinem Kopf, der damit begann mich als Monster zu verteufeln und das Schlimmste ist, dass ich das bis heute noch glaube. Weil niemand mir je sagte, dass es anders sei. Weil ich ein seltsamer Einzelfall bin. Weil ich mit meinem Feuer tötete und mir damit ein für alle Mal den Beweis lieferte. Also hör auf Dinge von mir zu verlangen, die ich dir einfach nicht geben kann!
Tränen steigen in meine Augen, doch ich blinzele sie achtlos weg und bin gleichzeitig froh über die schlechten Lichtverhältnisse. Das letzte, was ich jetzt gebrauchen kann ist, dass Daimon meine aufkommenden Tränen sieht, während ich verzweifelt versuche einen emotionalen Abstand zu ihm zu gewinnen. Die Frage ist bloß, was ich auf seine Forderung erwidern soll, denn meine innere Rede beinhaltet all das, was ich ihn nicht wissen lassen will.
>>Du denkst wohl, dass du die Situation in der Hand hältst, nicht wahr?<<, beginne ich und versuche meiner Stimme dabei diese berechnende Überlegenheit einer Raubkatze zu verleihen, >>Ich meine, die gute alte Meine-Antworten-im-Austausch-für-deine-Vorgehensweise gepaart mit deiner provokanten Art kann man durchaus als intelligente Taktik bezeichnen und doch gibt es eine Kleinigkeit an der sie scheitern wird. Ich bin nicht halb so interessiert an deiner Wahrheit wie du an meiner. Vielleicht finde ich die Frage nach dem Warum hinsichtlich deiner Koslow-Zusammenarbeit ganz interessant, aber ich brauche diese Information nicht, um zum eigentlichen Gesprächsthema zu kommen. Pass auf, es gibt da eine -<<
>>Hör auf damit<<, knurrt Daimon plötzlich und unterbricht damit meinen Plan das Thema sofort auf die Organisation zu lenken, >>Hör auf so zu tun, als würde dich das Ganze nicht emotional mitnehmen. Seit du mich aus dem Schlaf gerissen hast, bist du wie ein Roboter, der dazu erschaffen wurde das zu bekommen, was er will, aber ich habe dein Gesicht gesehen, als ich dir von meiner Zusammenarbeit erzählte. Ich habe den blanken Horror in deinem Blick bemerkt, als plötzlich die Flammen zwischen uns auftauchten. In dir herrscht Chaos und aus irgendwelchen mir unerfindlichen Gründen hast du dich dazu entschieden es von mir abzuschirmen und mich stattdessen so zu behandeln als wäre ich irgendein fremder Geschäftspartner, den du schnellstmöglich zu einer Unterschrift bewegen willst. Aber das bin ich nicht! Ich bin der Kerl, den du nach einem leidenschaftlichen Kuss und einer unangenehmen Eröffnung einfach mit tausend Fragen im Kopf stehen gelassen hast. Ich weiß nicht, ob du mich für das hasst, was ich getan habe oder ob du bereits darüber hinweg gekommen bist und diese Tatsache zerreißt mich fast noch mehr, als nicht zu wissen, was mit dir nicht stimmt<<
Was nicht mit dir stimmt, echot eine Stimme in meinem Bewusstsein und lässt eine Art Nadelkissen auf mein Herz los, denn ich fühle mehrere Stiche in meiner Brust, die rein gar nichts mit physiologischen Bedingungen zu tun haben. Ich weiß gar nicht, warum sich mein Magen bei diesen Worten überhaupt verkrampft, denn ich habe schließlich nichts anderes erwartet, als dass er mich genauso wie meine Eltern, für eine fehlerhafte Anomalie hält. Aber das mindert den Schmerz nicht im Mindesten und auch die Wut, die wie ein alter Freund durch mein System rast, fühlt sich nicht so an, als wäre sie von meiner Hoffnungslosigkeit besänftigt worden.
>>Also, ist es dir lieber, wenn ich dich anschreie und dir sage, dass ich nicht glauben kann, dass du dich mit dem Feind verbündet hast? Dass ich nicht verstehe, wie du die Zustände in Koslow einfach außer Acht lassen kannst? Sie führen eine verdammte Diktatur dort. Alles wird überwacht und ist streng geregelt, während es Ungleichheiten und fehlende Fairness nur so hagelt. Mir ist durchaus bewusst, dass Heavensent seine Fehler hat. Und zwar viel mehr als man auf den ersten Blick sehen kann, doch das ist der falsche Weg! Aber es -<<
>>Denkst du das weiß ich nicht? Ich laufe nicht mit Scheuklappen durchs Leben, Fait, aber das ist die einzige Möglichkeit, die sich mir geboten hat und ich habe sie trotz meiner Zweifel dankbar ergriffen. Denn ich konnte nicht einfach in diesem Wissen weiterleben und dabei brav die Füße stillhalten. Sie sind einfach zu weit gegangen... Und ich... Ich hatte nun Mal keine Wahl!<< Ein Schnauben entweicht mir, weil ich einfach nicht fassen kann, dass er so überzeugt von seiner Ich-ersetze-etwas-Schlechtes-durch-etwas-Furchtbares-Methode ist. Wie kann man nur so verblendet sein?!
>>Das ist dein Wahnsinnsgrund dafür, dass du dieses Königreich diesen Tyrannen in die Hände drücken willst?<<, frage ich entrüstet, >>Ich meine, all diese unschuldigen Menschen – Wachen, Zofen, Küchenangestellte, Gärtner . Sie sind im Prinzip gestorben, weil es dir an besseren Hilfsangeboten gefehlt hat und dabei - <<
>>Ach, tu doch nicht so, als wäre deine Weste nicht mit Blut getränkt! Diese Soldaten, die du angeblich mithilfe von einer Gasflasche und einem Feuerzeug getötet hast, sind gar nicht deshalb gestorben, oder? Es war dein Feuer. Dasselbe, das heute plötzlich eine flammende Linie zwischen uns gezogen hat und irgendwann nach deiner Flucht mit einem Mal verschwand. Ist es nicht so?<< Mit einem Mal erlischt die durch Wut erzeugte Hitze in meinen Adern und macht einer unbefriedigenden Leere Platz. Es ist so, als hätte jemand meinem Zorn den Wind aus den Segeln genommen und den Rest achtlos zurückgelassen.
Er hat Recht. Ich habe keine Berechtigung dazu ihm Vorwürfe zu machen, wenn ich selbst ein paar Leichen im Keller habe, die meine weiße Weste beflecken. Und obwohl ich jetzt eine Argumentation starten könnte, um nochmals zu betonen, dass ich keine andere Chance gesehen habe, um ihm seinen königlichen Hintern zu retten, lasse ich es bleiben. Für das Beenden von Leben sollte man sich nicht rechtfertigen. >>Ja, so war es<<, bestätige ich, wobei meine Stimme nicht mehr als ein leises Flüstern ist, das in mir das Bild einer Blume mit geknicktem Stängel wach ruft. Und anscheinend schwirren Daimon ähnliche Assoziationen im Kopf herum, denn seine Stimme nimmt sofort einen sanften Tonfall an. >>Fait, ich wollte nicht, dass -<<
>>Nein, schon gut<<, schneide ich ihm das Wort ab, während ich wieder an Kühle und emotionalen Abstand gewinne, >>Es spielt keine Rolle, was du über meine Kräfte denkst oder was ich von deinen Verbündeten halte, denn deshalb wollte ich nicht mit dir sprechen. Hier geht es nicht um uns beide, sondern um etwas weitaus Größeres, sowie deiner Chance vielleicht doch noch umzuschwenken und für ein vielversprechenderes Ende zu kämpfen. Dieses Video, das heute Abend auf FTP losgelassen wurde, stammt von einer Rebellengruppe, die vor kurzer Zeit mit mir Kontakt aufgenommen hat und dessen Ziel ebenfalls darin besteht deine Eltern vom Thron zu stoßen. Ich habe mich dazu entschieden ihnen beizutreten, doch um ihren Plan durchzusetzen, könnten sie noch weitere Hilfe gebrauchen. Und da kommst du ins Spiel<<
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Okay, können wir erstmal darüber reden, wie schwer es war diese Daimon-Fait-Szene zu schreiben? Ihr müsst nämlich wissen, dass das so eine Art Schlüsselszene ist, die den Verlauf des Buches mitbestimmt. Ich hatte also nicht wirklich Vorgaben in welche Richtung es laufen muss. Tja und das habe ich normalerweise eigentlich immer, weshalb mir das hier irgendwie schwer fiel...
Alsooo, wie fandet ihr es? War es realistisch und charaktergetreu? Ich bin mir da ja nicht so sicher, hoffe es aber, weil ich darauf die weitere Entwicklung der Beziehung aufbauen muss...
Ach so und was ich vielleicht auch noch schnell erwähnen sollte: In den nächsten acht bis zehn Wochen könnte es mal sein, dass kein Kapitel kommt, weil ich es zeitlich oder wegen anderen Gründen nicht schaffe. Denn so langsam rollt die Prüfungsvorbereitung an und ich weiß nicht, wie hart es wird... Na ja, wir werden sehen, falls es mal so kommen sollte, gebe ich euch aber natürlich Bescheid...
Dann bis zum nächsten Mal ^^
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