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Kapitel 72

Unruhig knabbere ich auf meiner Unterlippe herum, während mir eine Stimme in meinem Kopf zuflüstert, dass das eine mehr als schlechte Idee ist. Doch warum sollte ich auf das zynische und vor allem vernünftige Ding hören, wenn mich alle meine anderen Sinne dazu ermutigen, ihrer garstigen Mitbewohnerin einen Tritt in den Hintern zu verpassen? Tja, die Antwort darauf habe ich auch noch nicht gefunden, aber meine Entscheidung steht sowieso fest. Ich werde Daimons Wunsch nachkommen und ihn am Pavillon treffen. Zum einen, weil ich kopflos wie ich bin sowieso schon zugesagt habe und zum anderen, weil ich das brauche.

Irgendetwas an seiner Gegenwart sorgt dafür, dass ich mich weniger allein und dafür mehr verstanden fühle und bei dem ganzen Chaos, das seit gestern losgebrochen ist, kann ich das dringender gebrauchen als in meinem Zimmer Gedankenkarussell zu spielen. Da sind mir mögliche Konsequenzen und schlechte Entscheidungen für einen Abend einfach mal egal. Und sogar die Tatsache, dass ich seiner Bitte vor wenigen Wochen sicherlich nur mit einer militärischen Eskorte nachgekommen wäre, lässt mich in diesem Moment kalt.

Was uns zu dem Punkt der Gegenwart bringt, an dem ich den Pavillon schon von weitem sehen kann und meine Gedanken wieder einen Ausflug in die magische Lotterie des ewigen Kreiseziehens machen. Bedeutet also, dass mein Hirn sich aus der riesigen Fundgrube ein wahllos ausgewähltes Thema aussucht und sich dann darauf stürzt wie ein Rudel hungriger Löwen. In dieser Runde fällt die Wahl auf die geheimnisvolle Organisation und mein weiteres Vorgehen, was genauso wie alles, was mein Gehirn seit heute in meinem Inneren aufploppen lässt, eigentlich schon geregelt ist.

Jedenfalls so halbwegs, denn obwohl ich entschieden habe erneut mit ihnen Kontakt aufzunehmen, bin ich mir noch nicht ganz sicher, wie ich das genau anstellen will. Es ist ja nicht so als hätten sie mir eine professionell gestaltete Visitenkarte zugesteckt, auf der ich eine Adresse oder einen anderen Weg finde, um sie zu kontaktieren. Zwar meinte Smaragdglupscher, dass sie mich finden werden, wenn ich mich dazu entscheide sie aufzusuchen. Doch leider lässt das meinen glorreichen Plan, einfach irgendwie das Schlossgelände zu verlassen und darauf zu warten, dass plötzlich ein Paket mit Antworten auf meinen Schoss fällt, auch nicht vernünftiger wirken. Und dabei habe ich noch nicht mal erwähnt, dass es mir bisher schleierhaft ist, wie und wann ich mich vom Acker machen möchte, ohne dass es auffällt.

Es ist ja schließlich nicht so als könnte ich mich einfach auf Daimons Bike schwingen und losbrausen – jedenfalls, wenn das oberste Ziel meiner To-Do-Liste nicht heißen soll ,,Als blutiger Fleischbatzen auf dem Asphalt enden und den Straßenreinigern eine Menge Arbeit aufhalsen". Denn – Newsflash – ein Führerschein gehört definitiv nicht zu den Dingen, die für ein Mädchen, das eigentlich nicht mal aus dem Haus darf, nötig ist. Denn obwohl ich mich nie um diese Regel gekümmert habe, finde ich es ein wenig verdächtig, wenn meine ansonsten eher geringen Ausgaben plötzlich um mehrere Tausend in die Höhe schießen oder Anzeichen von Ratenzahlung aufweisen. Das Risiko wollte ich damals einfach nicht eingehen, weshalb ich bis heute ohne Führerschein oder anderweitige Fahrerfahrung da stehe.

>>Klinge ich arg zynisch, wenn ich sage, dass ich nicht sicher war, ob du kommst<<, reißt mich plötzlich Daimons Stimme aus meinen Gedanken und mir wird erst jetzt bewusst, dass meine Füße mich bis zum Pavillon getragen haben, ohne dass ich meiner Umgebung überhaupt Beachtung schenken musste. Innerlich unterdrücke ich ein Grinsen, da ich mir ziemlich sicher bin, mir erst gestern geschworen zu haben mich endlich im aufmerksamen Geradeauslaufen zu üben. Tja, als besonders wachsam kann man meine Aktion definitiv nicht bezeichnen, aber immerhin scheint sich meine Begeisterung gegen lebendige Dinge zu laufen, irgendwie gelegt zu haben.

>>Oh glaube mir, ich bin von meiner Anwesenheit hier auch mehr als überrascht, da kann ich dir unmöglich einen Strick aus ein paar negativen Gedankengängen drehen<<, erwidere ich leicht abwesend, während meine Augen an der ausgebreiteten Picknickdecke hängen bleiben, die mit ein paar Kissen und einer großen Decke bespickt ist. Es sieht wirklich gemütlich aus, weshalb ich nicht lange zögere und mich neben ihn plumpsen lasse, wobei mein Blick wie von selbst nach oben, zu dem sternenübersäten Himmel, wandert, den wir schon bei diesem seltsamen Gruppendate gemeinsam beobachtet haben.

>>Das beruhigt mich irgendwie<<, beginnt der Prinz neben mir melancholisch und lässt sich in eine liegende Position sinken, bei der er lässig die Arme hinter seinem Kopf verschränkt, >>Den Himmel zu beobachten meine ich. Es klingt vielleicht albern, aber wenn ich all diese Sterne sehen, dann fühlt es sich so an, als würden sie zu mir zurückblicken. Als ich klein war habe ich mir immer vorgestellt, dass das alles meine Freunde sind und sie mich bei allem unterstützen, wenn ich mir nur die Zeit nehme sie zu beobachten. So als wäre es ein Geben und Nehmen. Ich schenke ihnen die Beachtung, die sie verdienen und sie sind dafür mein offenes Ohr, mit denen ich all meine Gedanken nachts vor dem Schlafengehen teilen kann<< Gefangen in seinen Worten mache ich es mir auf dem Rücken bequem, während ich kein einziges Mal den Blick vom Himmel nehme, obwohl ich es mir erlaube gelegentlich nach links zu linsen. Und auch er starrt gedankenverloren nach oben, doch als die letzte Silbe seiner wunderschönen Worte verklingt, schauen wir uns gleichzeitig in die Augen.

Trotz der gedämpften Lichtverhältnisse sehe ich wieder diesen Sturm. Die gleißende Wut, die sich orkanartig darin bewegt. Die Verzweiflung, die sie ein wenig dunkler färbt, genauso wie der Himmel kurz vor einem Gewitter. Die Trauer, die seinem Blick etwas Schweres verleiht und mich daran erinnert, wie es sich anfühlt an einem regnerischen Tag aus dem Fenster zu starren und sich von düsteren Gedanken vollkommen einnehmen zu lassen. >>Das ist nicht albern<<, flüstere ich zurück, bevor ich überhaupt darüber nachdenken kann, wie man auf das Teilen einer solch persönlichen Information reagiert.

>>Es klingt sogar sehr schön, auch wenn ich ja immer davon ausgegangen bin, dass du mehr der Typ bist, der sich Bäume als fiktive Freunde hält<< Die liebevolle Stichelei geht mir leicht von den Lippen und erinnert mich an die vielen Schlagabtäusche, die wir beiden schon hinter uns haben, obwohl diese wohl nicht mit den gehässigen Kommentaren vergleichbar sind, die wir uns am Anfang gegenseitig gegen den Kopf geworfen haben. Es fühlt sich mehr an wie ein aufheiterndes Lächeln. So eines, das man einsetzt, wenn sich die Mundwinkel einfach nicht in einer Geste von wahrhaftiger Echtheit hochziehen lassen, weil man von negativen Gefühlen niedergedrückt wird.

>>Aber es hat auch etwas furchtbar Trauriges an sich<<, fahre ich fort, >>,weil das alles wahrscheinlich bedeutet, dass sonst niemand da war, der dir zugehört hat und dem du deine Sorgen anvertrauen konntest<< Für einen Augenblick ist es still und ich frage mich, ob ich mich zu weit vorgewagt habe, doch dann dreht Daimon seinen Kopf vollständig zu mir und ein kleines, trauriges Lächeln schleicht sich auf seine Lippen.

>>Es scheint als wüsstest du wie sich so etwas anfühlt<< Seine Worte verursachen einen Strom warmer Luft, der ein angenehmes Kribbeln auf meiner Haut hinterlässt, doch ich verbiete es mir meinen Kopf ebenfalls in seine Richtung zu drehen, denn ich fürchte, dass ich mein Vorhaben dann nicht mehr umsetzen könnte. Ich möchte nämlich ausnahmsweise mal ein wenig offen sein und mich in dem Moment treiben lassen ohne ständig auf der Hut zu sein oder meine Worte perfekt abzuwägen. Und da mir Daimon gerade eben ein großes Stück seiner Wahrheit gegeben hat, finde ich es nur richtig, dass ich ihm etwas zurückgebe. >>Na ja, eigentlich darf ich mich nicht beklagen<<, erwidere ich, >>Schließlich hat mir Rocelyn immer ein offenes Ohr geschenkt und sie ist die beste Ersatzmutter, die ich mir wünschen kann. Doch trotzdem gibt es da dieses eine Thema über das ich nie mit ihr gesprochen habe, weil ich einfach zu viel Angst davor hatte, alles kaputt zu machen. Ich liebe sie und ich weiß das tut sie auch, doch ich kann mir trotzdem nicht sicher sein, ob das auch noch der Fall ist, wenn sie es jemals herausfindet<<

Einen kurzen Moment bin ich geschockt von den Worten, die gerade über meine Lippen gekommen sind. Ja, beinahe schon fassungslos, dass ich hier mit Daimon auf einer Picknickdecke liege in den Himmel starre und Dinge erzähle, die ich normalerweise in der hintersten Kammer meines Herzens aufbewahre und niemals an die Oberfläche treten lasse. Manchmal versuche ich mich sogar selbst vergessen zu lassen, dass es sie gibt. Dass meine Fähigkeiten ein Grund dafür sein könnte, dass die wichtigste Beziehung in meinem Leben mit einem Fingerschnips den Bach runter geht. Dass all diese Komplexe und Unsicherheiten in meinem Inneren wallen und darauf warten, dass ich es nicht mehr schaffe mich zu verstecken und sie das Kommando übernehmen.

Ich habe diese Worte nie ausgesprochen, doch seltsamerweise fühle ich mich nicht schwach oder verletzlich oder gar so, als würden sie mich jeden Augenblick holen kommen, um mich unter sich zu begraben. Nein, ganz im Gegenteil. Ich fühle wie Stärke durch mich pulsiert, weil ich endlich den Mut gefunden habe das zu tun, was längst überfällig war. >>Ich bin mir sicher es würde ihr nichts ausmachen - egal, was es auch sein mag. Denn vergiss' nicht, ich habe euch beide gesehen wie ihr euch in den Armen lagt und wie sehr ihr euch gefehlt habt. Ihr seid eine Einheit. Mutter und Tochter, im Blute getrennt, aber in euren Herzen vereint. Und ich bin mir durchaus bewusst, dass ich einen Klischeespruch nach dem anderen raushaue, aber ich weiß nicht wie ich dir sonst verklickern soll, dass diese Frau nicht dazu fähig ist dich nicht zu lieben<<

Mein Mund klappt auf und wieder zu, während ich die Worte immer und immer wieder auf mich wirken lasse. Es rührt mich irgendwie, dass Daimon so hoch von unserer Beziehung spricht, doch das bedeutet nicht, dass mich plötzlich die Hoffnung und der Mut durchströmen, um es ihr zu sagen. Denn obwohl er möglicherweise richtig liegen könnte, reicht mir dieses Vielleicht nicht. Es gibt zu viel, was ich dadurch verlieren könnte. Und genau deshalb kann ich das alles nicht einfach auf einer wackligen Vermutung aufbauen und hoffen, dass mich der Turm nicht sofort unter sich begräbt. Tja, und ganz ehrlich frage ich mich auch manchmal, ob ich es überhaupt irgendwann schaffen werde, es ihr ins Gesicht zu sagen.

>>Danke<<, flüstere ich zurück, weil ich irgendwie das dringende Bedürfnis habe diese zwei Silben auszusprechen, >>Aber was ist mit dir? Gab es wirklich niemanden, der dir beistand? Dein ganzes Leben lang nicht? Was ist mit dieser Elaine? Ich weiß, dass sie dir viel bedeutet<< Vielleicht sollte ich darüber nachdenken immer ein Pflaster mit mir zu führen, um es immer dann auf meinen Mund zu kleben, wenn ich gerade in der Phase bin, in der ich Sachen sage, die besser in meinem Kopf bleiben sollten. >>Sorry, das hätte ich nicht fragen sollen. Aber dieser Austausch von Persönlichem hat wohl meinen Verstand gestohlen... Oder ich bin von der Nachtluft einfach high geworden<<

>>Ich bin mir ziemlich sicher, dass Sauerstoff nicht unter dem Bereich Drogen kategorisiert ist, aber möglicherweise sollte das irgendein Wissenschaftler noch mal überdenken. Das würde immerhin erklären, warum ich jetzt nicht abblocke... Und du hast Recht, sie hat mir viel bedeutet, aber sie war auch keine der Personen, mit der ich groß über mein Innenleben redete. Ich weiß auch nicht ganz genau wieso. Immerhin waren wir beste Freunde, doch ich dachte wohl, dass es besser wäre, wenn sie einige Dinge nicht weiß. Was sie aber trotzdem nie davon abgehalten hat für mich da zu sein. Sie hatte einfach die Fähigkeit zu wissen, was ich gerade brauchte ohne, dass sie die Ursache für meine schlechte Laune kannte. Tja, und jetzt...<< Kurz hält er inne und als ich zu ihm schaue, kann ich sehen wie er mit abwesendem Blick in den Himmel starrt. >>...ist sie nicht mehr hier<<

Was ist denn mit ihr passiert?, frage ich mich, doch zum Glück bleibt mein Mund dieses Mal stumm. Schließlich spielt es eigentlich keine entscheidende Rolle, ob sie fortging, entführt wurde oder gar durch ein Unglück gestorben ist, sie ist nicht mehr an Daimons Seite und diese Tatsache scheint ihm Tag für Tag ins Herz zu schneiden. Impulsiv taste ich nach seiner Hand und drücke sie leicht, als ich sie zwischen unseren Körpern gefunden habe. Ich weiß nicht warum ich es tue, da es unter die Dinge im Leben fällt, die sich einfach richtig anfühlen und keinen genauen Grund brauchen. Vielleicht will ich ihm damit einfach nur zeigen, dass mir sein Verlust leid tut ohne den verdammten Satz aussprechen zu müssen, den er sicherlich schon tausend Mal gehört hat und der seinen Schmerz mit keinem Mal gemildert hat. Oder wenigstens dein Unterbewusstsein hat geschnallt, dass du für ihn da sein möchtest und das genau der richtige Weg ist, um das zu vermitteln.

Schnell scheuche ich die Stimme davon, während Daimon meinen Händedruck erwidert und ich entspannt die Augen schließe. Ob irgendwann wohl ein Gerät entwickelt wird, mit denen man solche Momente einfach einfrieren kann? Die so eine Art Zeitblase um einen erschaffen und den nahenden Sonnenaufgang oder das Erwachen aus einem schönen Traum einfach ausschließen und zulassen, dass man ganz zeitunabhängig entscheiden kann, wann man bereit ist einen Moment zu verlassen? Ich weiß nicht, woher diese skurrile Idee plötzlich kommt, aber irgendwie gefällt sie mir.

>>Kann ich dich was fragen?<<, durchbricht Daimon plötzlich wieder die Stille und mir fällt nicht zum ersten Mal auf wie sehr er sich von demjenigen unterscheidet, den ich damals auf dem Ball getroffen habe. Der einzige Unterschied ist jetzt nur, dass es für mich nicht mehr aus dem Bild des arrogante, spöttischen Prinzen heraussticht wie ein roter Farbklecks auf einer leeren Leinwand, sondern dass es sich zu einem harmonischen Motiv zusammengefügt hat. Er besteht eben nicht nur aus einem winzigen Spektrum an Eigenschaften, sondern aus ganz vielen, die sich manchmal sogar ein wenig wiedersprechen, weil er aus mehreren Facetten besteht.

Der arrogante Typ mit dem spöttischen Lächeln, mit denen man sich Wortgefechte bis zum abwinken leisten kann. Der Junge mit der gebrochenen Seele und einem alles verschlingenden Sturm in den Augen und zu guter Letzt die Seite, die ich am wenigsten an ihm erwartet hätte: Eine Persönlichkeit mit der man gerne befreundet ist und über alles reden kann. Doch natürlich ist das nur ein grober Aufbau, der seinem komplexen Bewusstsein nicht so ganz gerecht wird, aber ich glaube für heute Nacht belasse ich es mal dabei.

>>Klar<<, antworte ich, während unsere Finger immer noch miteinander verschlungen sind und Daimon damit beginnt sanfte Kreise auf meinem Handrücken zu ziehen. >>Wusstest du schon einmal nicht, wie es jetzt weiter gehen soll? Was richtig und was falsch ist? Was Lüge und was Illusion? Denn irgendwo in diesem Strudel bin ich gefangen und ich weiß nicht, welche Tür ich wählen soll<< Nachdenklich fixiere ich einen besonders hellen Stern und spiele mit meinen Zähnen an meiner Unterlippe herum. Warum fragt er das? Nein, bessere Frage. Wie konnte es überhaupt so weit kommen, dass wir so große Teile unserer Wahrheit an den anderen weiterreichen ohne uns unbehaglich zu fühlen? Ich kann es wirklich nicht sagen, noch kann ich so richtig einordnen, wann ich das Vertrauen dazu gefasst habe. Denn genau das vermittelt diese gesamte Situation: den Glauben daran, dass der andere einen versteht und keine Vorurteile über einen fällt.

Sofort heben sich meine Mundwinkel, wenn ich daran denke, wie ungläubig mein Vergangenheits-Ich jetzt schauen würde. Sie hätte sicher einiges gegen diese Situation einzuwenden und würde mir die Tirade meines Lebens halten, um mich wieder zur Besinnung zu bringen. Aber das war es ja gerade, ich wollte nicht mehr vernünftig sein. Nicht, wenn es um Daimon ging und da war es egal, dass ich vor nicht allzu langer Zeit Pläne schmiedete, um mein Innerstes vor ihm zu schützen. Denn jetzt war es sowieso zu spät und ich hätte niemals gedacht, dass sich der Schritt über die Mauer so gut anfühlen würde.

>>Ja, das kann ich nachvollziehen. Nur hatte ich damals nicht besonders lange Zeit, um eine Entscheidung zu treffen<<, flüstere ich leicht erstickt, als die Bilder des Feuers wieder vor meinen Augen tanzen, das von meinen Händen in riesigen Ausmaßen auf die Soldaten überspringt und sie knisternd in Brand setzt. >>Wie hast du dich entschieden? Hast du einfach auf dein Bauchgefühl gehört, Schnick-schnack-schnuck mit dem Schicksal gespielt und wusstest dann was zu tun ist? Und noch viel wichtiger, würdest du dich anders entscheiden, wenn du auf die Situation zurückblickst?<< Sein bitter angehauchter Tonfall, gepaart mit seiner letzten Frage, lassen ein Echo in meinen Kopf entstehen und ich erinnere mich daran, wie oft ich mir diese Frage schon gestellt habe.

>>Na ja, die Zeit hat gedrängt. Ich konnte mir keine Partie Schere-Stein-Papier mit dem Schicksal leisten, also habe ich einfach kurz in mich hineingehorcht, bevor ich meine Entscheidung einfach umsetzte. Also, kann ich dir eigentlich nur raten, dich nicht von deinen Ängsten beeinflussen zu lassen, sondern unabhängig davon darauf zu hören, was dein Innerstes sagt. Außerdem gibt es manchmal einfach keinen richtigen Weg, denn obwohl ich mich jedes Mal gleich entscheiden würde, wünsche ich mir trotzdem, dass es noch eine andere Möglichkeit gegeben hätte<<

Die Worte hängen zwischen uns in der Luft, während jeder von uns von seinen eigenen Gedanken eingenommen zu werden scheint. Meine stranden irgendwo in dieser Erinnerung, die mich einfach nicht loslassen will – vor allem jetzt nicht, da die Bilder vom Video noch so frisch sind und sich in einem grausamen Tango mit den anderen vermischen. Für einen winzigen Moment sehen die Sterne sogar aus wie sprühende Funken, bevor ich die Realität wieder betrete und sie wie Schutzengel auf mich herableuchten. Irgendwie kann ich schon verstehen, warum sich Daimon gerade weitentfernte Himmelskörper als Freunde und Gesprächspartner ausgesucht hat. Sie strahlen etwas Vertrautes, aber auch Allmächtiges aus, das einem das Gefühl gibt, sich den weisesten und ältesten Geschöpfen der Welt zu offenbaren.

>>Hast du dich eigentlich schon gefragt, warum ich dich heute Nacht hierher gebeten habe?<<, durchbricht der Prinz erneut die Stille und streicht in sanften Bewegungen über mein Handgelenk, was mich dazu bewegt meinen Kopf doch in seine Richtung zu drehen. Unwillkürlich bleibe ich an seinen Augen hängen, denn auch er hat mir sein Gesicht zugewand. Sein Atem streift über meine Lippen und mein Blick senkt sich wie von selbst auf sie herab, während mich die Erinnerungen an unseren letzten Kuss durchströmen.

In diesem Moment übernimmt mein Körper das Kommando und ich lehne mich noch weiter vor, so dass unsere Lippen nur noch wenige Zentimeter trennen. >>Mhh, vielleicht ja deswegen...<<, flüstere ich, bevor mein Kopf sich komplett ausschaltet und meine Lippen leicht über seine streifen. Sofort macht sich ein angenehmes Kribbeln in mir breit und obwohl mein Körper nach mehr dürstet, warte ich mit einer hochgezogenen Augenbraue auf seine Reaktion. >>Da könntest du recht haben... Zumindest habe ich neben einem guten Ratschlag darauf gehofft...<<, haucht er und wie als hätte er damit einen Stein losgetreten, treffen sich unsere Lippen ein weiteres Mal ohne ausmachen zu können, von wem der erste Schritt dieses Mal ausging.

Der Kuss wird schnell hungriger und ich verliere mich in dem einzigartigen Tango, den wir mit jeder einzelnen Bewegung vollführen. Mein Körper presst sich wie automatisch an seinen und irgendwie landet meine Hand in seinen Haaren, denn ich spüre weiche Strähnen unter meinen Fingern. Währenddessen wandert die seine in meinen Nacken, um unsere Münder noch näher zu einander zu bringen. Und ich muss ein Stöhnen unterdrücken, als seine Zunge über meine streicht. In mir scheint ein Feuerwerk gezündet zu werden und meine Gedanken sind ausnahmsweise mal so gnädig den Schnabel zu halten, so dass ich mich voll und ganz auf meine Empfindungen konzentrieren kann.

Vorsichtig beiße ich ein bisschen in seine Unterlippe, was den Kuss noch ein Stückchen aufheizt und Daimon einen knurrenden Laut entlockt, der irgendwo tief aus seiner Kehle zu kommen scheint. Wieder streichen unsere Zungen übereinander und in diesem Moment wünsche ich mir, dass der Kuss nie endet, doch jeder Augenblick geht irgendwann zur Neige und in diesem Fall verlässt unser Atem uns gleich mit. Also lösen sich unsere Lippen wieder voneinander und wir lehnen schwer atmend unsere Stirn aneinander.

Für ein paar Sekunden füllt nichts als unsere Atemgeräusche die Stille der Nacht und es fühlt sich an als würden Daimons Lippen noch immer auf meinen liegen. >>Ich kann das nicht<<, haucht der Prinz urplötzlich, wobei er sich ein Stück weit zurückzieht und mir damit einen besseren Blick auf seine Augen gewährt, die vom Verlangen noch dunkel verfärbt sind, von Sekunde zu Sekunde aber immer eine größere Verzweiflung ausstrahlen. Perplex starre ich ihn an, während mein schwammiges Gehirn versucht seine Worte richtig aufzunehmen und zu verstehen.

>>Warum nicht? Was meinst du überhaupt damit?<<, frage ich, während ich versuche den verwirrten Unterton in meiner Stimme zu bändigen. Das ergab doch alles keinen Sinn! >>Ich belüge jeden einzelnen... Und dieses Video... Verdammt, ich... Das kann nicht so weiter gehen. Aber sie sind auch nicht besser... Dieses Feuer... Mein Bruder... Ich kann dich nicht küssen, wenn ich weiß, was ich getan habe. Wenn ich nicht weiß, ob ich damit aufhören werde... Ich bin es. Verstehst du das, Fait? Ich bin der Maulwurf<<

Die Worte hallen unangenehm in mir nach und mein Gehirn schaltet sofort auf Überforderung. Einzig und allein mein Körper ist zu einer Regung fähig – oder scheint überhaupt zu verarbeiten, was der Prinz mir eben eröffnet hat. In einer abrupten Bewegung schieße ich in eine aufrechte Sitzposition und Daimon tut es mir mit einiger Zeitverzögerung gleich. >>Was soll das heißen?<<, kommt es mir über die Lippen, während mein Gehirn wie leer gefegt ist und einfach nicht verstehen will. Die Worte kommen nur gehaucht über meine Lippen und es überrascht mich, dass er mich überhaupt versteht.

>>Genau das was ich dir eben gesagt habe. Ich bin der Maulwurf der Koslower. ICH leite Informationen an sie weiter, die ihnen das Eindringen erleichtert. ICH habe die Sprinkleranlage abgestellt, während ein anderer den Brand legte. ICH bin dafür verantwortlich, dass so viele Menschen durch ihre Hand starben. Und ich bin mir nicht sicher, ob ich diese Kooperation beenden will<< Seine Worte sind wie ein Schlag ins Gesicht und meine Gedanken sind mit einem Mal wieder eingeschaltet. Er ist mit Schuld an dem Brand, den ich unter großen Schmerzen in mich aufnahm. Er hätte gar nicht durch mein Feuer gerettet werden müssen, weil er mit diesen machtgierigen, brutalen Menschen einen Handel eingegangen ist und für sie spioniert.

Ohne dass ich die Bewegung bewusst steuere, trifft meine flache Hand auf seine Wange und es erklingt ein lautes Klatschen. >>Wie konntest du nur?<<, schreie ich ihn an, während ich ihn hart an der Brust treffe, so dass er nach hinten fällt. Natürlich fängt sich der unverbesserliche Kotzbrocken rechtzeitig mit seinem Arm ab. >>Beruhig dich, Fait und hör mir zu<<, knurrt er, während er sich wieder in eine sitzende Position begibt, >>Denkst du ich habe das zu meiner Freude gemacht? Ich hatte verdammt gute Gründe und ich... ich brauche dich<<Verzweiflung tritt in seinen Blick und ich frage mich, ob er gerade die Zeit für ein paar Minuten zurückdrehen möchte.

>>Nein<<, schleudere ich ihm entgegen, während mir Tränen in die Augen treten. Ich glaube, das einfach nicht! Er... Das Feuer... Die Angriffe... So viele Menschen sind gestorben! Unschuldige, die nur zur falschen Zeit am falschen Ort waren. Soldaten, die einfach nur ihren Job erledigt haben. Ich selbst habe meine wichtigsten Leitsätze für ihn über Bord geschmissen und Soldaten auf die schlimmste Art und Weise getötet. Mit einem Ruck stehe ich auf und drehe mich um, damit ich zurück zum Schloss gehen kann.

Ich halte es keinen Moment länger in seiner Gegenwart aus! Bilder von langen Recherchen, um etwas über den Maulwurf zu erfahren, schießen mir durch den Kopf. Wir hatten nie eine richtige Spur oder eine reelle Chance ihn zu finden. Und dabei war er immer direkt vor meiner Nase und hat spöttisch auf mich herabgelächelt, obwohl Menschenleben auf seinem Gewissen lasten! Vielleicht hat er selbst keine Klinge in ihren Körper gestoßen, aber das bedeutet nicht, dass er nicht mitschuldig ist.

Wie konnte ich nur so blöd sein?, frage ich mich. Ich habe diesen Kerl geküsst. Ihm ein Stück weit vertraut! Gott, ich habe gesehen wie er zielstrebig den Knopf drückte, um die Sprinkleranlage zu betätigen und trotzdem nie Verdacht geschöpft. Warum auch? Er hat doch so unglaublich traurige Augen! Plötzlich steigt Wut in mir auf, die sich noch zusätzlich aufheizt, als Daimon versucht mich aufzuhalten. >>Fait, bleib stehen! Du musst mir zuhören! Ich...<<

Plötzlich spüre ich seine Hand, die sich auf meinen Ellenbogen legt und mich zurückhält. Fuchsteufelswild schieße ich zu ihm rum und nehme dabei am Rande wahr, dass die Picknickdecke schon ein gutes Stückchen entfernt liegt, obwohl ich mich nicht erinnern kann gerannt zu sein. Doch was tut das jetzt schon zur Sache? Energisch schüttle ich seine Hand ab und trete mehrere große Schritte zurück, um so viel Abstand wie möglich zwischen uns zu bringen.

>>Fass mich nicht an<<, zische ich, >>Weißt du eigentlich wie viel Schaden du angerichtet hast? Dass ich angefangen habe dir zu vertrauen? Aber ich hätte es besser wissen müssen, obwohl ich selbst zu der Zeit, als ich noch am liebsten auf dich gespuckt hätte, nicht geglaubt habe, dass du der Maulwurf sein könntest... Gott, wie konntest du nur?!<< Meine Stimme wird immer lauter und wütender, was ziemlich genau zu meiner innerlichen Stimmen passt, denn ich brodle so sehr, dass ich glaube jeden Moment von dem Gefühl versengt zu werden.

>>Flämmchen...<<, flüstert er sanft und geht einen Schritt auf mich zu, doch ich weiche sofort einen zurück. >>Bleib weg von mir!<<, knurre ich, doch er geht noch einen weiteren Schritt, während er beruhigend die Hände hebt und seine Miene ein Farbenspiel aus Schmerz darstellt. >>Hör mir...<<, beginnt er, doch ich lasse ihn nicht ausreden. >>Ich sagte, bleib weg von mir!<< Meine Stimme nimmt einen kraftvollen, bedrohlichen Tonfall an und während mir Tränen über die Wange fließen, passiert das undenkbare: Ich verliere die Kontrolle.

Das Feuer schießt aus meinem Inneren, da ich inmitten meines Gefühlschaos gar nicht daran dachte, dass mein aufbrandender Zorn eine Gefahr für mein Geheimnis darstellt, doch jetzt ist es sowieso schon zu spät. Die Flammen ziehen einen knisternden Streifen zwischen Daimons und meinen Füßen und für einen Moment bin ich zu geschockt, um etwas anderes zu sehen als das rote Hell. Dann schießt mein Blick zu dem Gesicht des Prinzens, das eine Grimasse aus Fassungslosigkeit und Entsetzen darstellt, die von dem Feuer in ein warmes Licht getaucht wird.

Das darf nicht passieren, denke ich. Das ist nicht echt, versuche ich es mir einzureden, doch egal wie oft ich blinzele das Bild bleibt das gleiche. Panik brandet in mir auf und mein Atem wird ein wenig schneller, während meine Hand in einem Ausdruck aus Überforderung über meine Stirn streicht. Was mache ich jetzt? Wird er es jemandem verraten? Die Gedanken schießen nur so durch meinen Kopf und bilden einen unaufhaltsamen, dunklen Strudel, der von einem Gefühl unterbrochen wird: meinem Fluchtinstinkt.

Mit einem letzten Blick auf das Chaos, das ich angerichtet habe, drehe ich mich um und stürze mit vernebeltem Verstand los. Rennen, einfach nur rennen, denke ich, während weitere Tränen aus meinen Augen fließen und endlich meine Soldatensinne schalten. Mein Kopf verstummt und auf einmal gibt es nur noch meinen rasselnden Atem und das Geräusch meiner flachen Stiefel, die in kurzen Abständen auf den Boden donnern...

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Oh mein Gott, ich bin soooo gespannt was ihr zu diesem Kapitel sagt!

Erstmal, seid ihr überrascht, dass Daimon der Maulwurf ist? Drei/Vier von euch haben ja schonmal auf ihn getippt, aber in den nächsten Kapitel wieder jemanden anderen verdächtigt, weshalb ich das nie als richtige ,,Bedrohung" für meinen Plottwist gesehen habe...

Zweitens, warum habe ich das Gefühl, dass mich einige von euch wegen diesem Cliffhanger und allgemein dem Ausgang dieses Kapitel killen wollen? ^^

Drittens, wie fandet ihr es allgemein so? Ich muss ja sagen, dass ich mich auf diese Szene riesig gefreut habe...

Na ja, bis zum nächsten Mal! Haltet die Ohren steif ^^

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