Kapitel 65
Unsere Lippen streifen sich und es fühlt sich an wie eine dunkle Verheißung, die meine Nervenenden mit einem Ruck unter Spannung setzt. Mich überläuft erneut ein Hitzeschauer, während mein Körper die Kontrolle übernimmt, bevor mein Kopf auch nur irgendetwas zu melden hat. Doch obwohl mich eine prickelnde Sehnsucht zu seinen Lippen hinziehen möchte, gewinnt doch ein anderer Drang meinen inneren Kampf: der Reflex zusammenzuzucken, weil etwas sich schlagartig ändert und mein Herz vor Überraschung höher schlagen lässt.
Ungewollt löse ich meine Lippen von seinen, wobei es sich eher anfühlt als würden wir beide gleichzeitig zurückschrecken, beinahe so als hätten wir uns aneinander verbrannt. Unsere Gesichter sind sich immer noch so nahe, dass ich seinen Atem über meine Haut streichen höre und spüre wie warme Luft über meinen Mund streichelt.
Obwohl in meinem Verstand immer noch undurchdringbarer Nebel herrscht, dämmert mir langsam wieder, welche Information mir mein Gehirn gemeldet hat, bevor sich Daimons und meine Lippen lösten und ich in einen Zustand träumender Sehnsucht verfiel. Dunkelheit, ist das erste, was mir einfällt und es ist auch das einzige, was ich brauche, um die Welt wieder bewusst wahrzunehmen.
Schwarzes Nichts – beschreibt meine Sicht wohl gerade am besten. Und leider ändert sich dieser Zustand auch nicht, als ich kurzum den Kopf ein wenig nach rechts drehe und damit höchstwahrscheinlich an dem Prinzen vorbeisehe. Mein Herz springt hörbar in meiner Brust, als ich mich endlich vollständig von meinem Wattestadium lösen kann und kurz darauf in den Überlebensmodus springe.
Wer hat das Licht ausgeschaltet? Ist das ein Angriff? Gibt es hier eine Notstromversorgung? Wie kann es sein, dass man nicht mal mehr seine eigene Hand vor Augen sehen kann? Erst da erinnere ich mich wieder an die Bauweise dieses Rathauses, die an der Baukunst der Renaissance angelehnt ist. Was bedeutet, dass sie zwar, die dafür typische Kuppel als Dach aufweist, sich dafür aber durch sehr wenige und vor allem kleine Fenster auszeichnet. Wenn man dann noch die Uhrzeit und die winterliche Zeit miteinberechnet, in der es schon früh dunkel wird, gibt meine Kurzsichtigkeit durchaus Sinn.
>>Sieht so aus, als hätte unsere Chemie das Stromnetz lahmgelegt<<, flüstert mir Daimon mit rauer Stimme zu und auch ohne ihn richtig mustern zu können, weiß ich, dass sich gerade ein überhebliches Grinsen auf seinen Lippen ausbreitet. Diese unglaublichen, vollen Lippen, denen ich ein weiteres Mal gefährlich nahe gekommen bin, was wahrscheinlich einen weiteren Schritt in Richtung Abgrund gleich kommt. Denn wenn ich ganz ehrlich mit mir selbst bin, dann muss ich mir eingestehen, dass ich diese Herausforderung ohne diesen Stromausfall wahrscheinlich verloren hätte.
>>Rede keinen Quatsch. Wenn wir wirklich so eine Wirkung auf die Elektrizität hätten, dann wäre bei unseren letzten tausend Streitereien sicherlich schon eine Sicherung durchgebrannt<<, meine ich eben so leise wie er, während ich mich selbst zur Ordnung rufe. Mein persönliches nicht-existentes Drama kann warten, jetzt muss ich erstmal herausfinden, was hier gerade vor sich geht. >>Das mein-<<
>>Psst. Sei still<<, unterbreche ich ihn scharf, während ich schon dazu übergegangen bin, den Raum mit meinem Gehör nach ungewöhnlichen Geräuschen zu durchforsten. Bisher sind keine Schreie, sondern nur aufgeregtes Gemurmel, sowie Stimmen des Unverständnisses zu hören. Würden sie nicht sofort angreifen, wenn das ein Angriff wäre?, frage ich mich, schüttle aber kurz darauf den Kopf. Ich habe zu wenige Anhaltspunkte, um eine detailliertere Theorie aufzustellen, da kann ich eine Vermutung nicht gleich vom Tisch fegen, nur weil sie nicht der üblichen Vorgehensweise entspricht. Vielleicht umzingeln sie uns erst. Möglicherweise haben sie aber auch ein bestimmtes Ziel und sie wollen es so unauffällig wie möglich über die Bühne bringen.
Beinahe lautlos richte ich mich auf, wobei ich mir auch ohne meine Sehkraft darüber im klarem bin, dass Daimon es neben mir gleich tut, wie ein gehorsamer Hund. Zuerst möchte ich ihm zu zischen, dass es besser ist, wenn er hier sitzen bleibt, doch dann besinne ich mich eines Besseren. Denk daran, Fait. Auch wenn bis jetzt nichts eindeutig dafür spricht, könnte es sich immer noch um einen Angriff handeln, predige ich mir vor. Was dann folglich bedeutet, dass sich jeder Bösewicht mir einer Nachtsichtbrille an den Prinzen heranpirschen kann, ohne dass ein Wachmann es bemerkt.
Tja, und wie es der Zufall so will, bin ich in dieser zwielichtigen Situation natürlich schon wieder in seiner Nähe, was mich automatisch zu seiner inoffiziellen Beschützerin macht. Einer bisher unbewaffneten Ersatzwachfrau um genau zu sein, aber durch meine Eisfähigkeiten, kann ich das in Sekundenschnelle ändern. Die Frage ist eher, was ich verdammt noch mal tun will? Das ganze Rathaus in Brand stecken, damit wir wieder etwas Licht zur Verfügung stehen haben? Sicherlich nicht! Auch wenn das mit der Flamme keine schlechte Idee ist, jedenfalls wenn ich Herrn von und zu unausstehlich davon überzeugen kann, dass ich zufälligerweise ein Feuerzeug in meinen Stiefeln oder meinem BH versteckt halte.
Wenn ich so genau darüber nachdenke, vergessen wir das lieber. Mittlerweile haben sich meine Augen zumindest ein wenig an die Dunkelheit gewöhnt, so dass ich mehrere Umrisse ausmachen kann. Doch die Frage nach dem ,,Was nun?" bleibt. Verdammt, ich kann keine zwei Meter weit sehen, jeder hier könnte urplötzlich von einem Feind abgestochen werden und ich stehe hier wie ein nutzloses halbblindes Huhn ohne jegliche Informationen. Ich hasse das.
>>Ich glaube nicht, dass es ein Angriff ist<<, äußert sich Daimon und beugt sich dafür natürlich unnötigerweise zu meinem Ohr hinab, so dass mich ein weiterer Schauder durchläuft. Mittlerweile spiele ich sogar stark mit dem Gedanken mich auf die Suche nach dem Lichtschalter zu machen, um zu überprüfen, ob nur jemand den falschen Knopf gedrückt hat, doch die Tatsache, dass ich keine Ahnung habe, wo sich dieser befindet hält mich davon ab.
>>Tja, das bedeutet aber nicht, dass wir uns in Sicherheit wiegen können<<, erwidere ich zwischen zusammengepressten Zähnen. Ich muss doch irgendetwas tun können... Plötzlich zerreißt ein Schrei die Luft wie ein greller Blitz und ich mache reflexartig einen Satz nach vorne, um auf die Frau zu zurennen - egal gegen wie viele Gegenstände ich stoße oder ob ich in meiner Hektik unelegant vom Podium stürze.
Doch bevor ich auch nur einen Schritt weiter machen kann, wird sie schon von einer anderen Stimme beruhigt. >>Hey, ich bin es nur. Da ist niemand<< Nur fünf Herzschläge meines mit Adrenalin gefüllten Organs und ein lautstarkes ,,Oh, tut mir leid. Falscher Alarm" ist zu vernehmen und ich habe das Gefühl, dass jeder in diesem Raum lautstark aufatmet. Noch immer ist sanftes Stimmengewirr zu vernehmen, das die Dezibelschwelle des gesamten Abends aber nicht überschreitet.
>>Weiß irgendjemand bereits, warum das Licht ausging?<<, kommt es urplötzlich laut aus meinem Mund, was wahrscheinlich meiner Verkabelung zu verschulden ist. Und meinem impulsiven Handeln. >>Ich stehe an einem der wenigen Fenster, Miss und ich kann ihnen sagen, dass das Licht außerhalb des Gebäudes überall noch an ist. Wir sind also entweder als einziges von einem Stromausfall betroffen oder...<< Der Mann, der sich irgendwo aus dem schwarzen Nichts gemeldet hat, beendet seinen Satz nicht, doch wir sind wohl alle schlau genug, um ihn im Kopf zu beenden.
Das Gemurmel wird lauter und ich frage mich, ob einige der Gäste bereits zum Ausgang gestürmt sind. Auch darüber habe ich kurz nachgedacht, doch das ist nicht immer eine gute Methode, da die Feinde auch genauso gut draußen auf einen lauern können und nur darauf warten, dass ihre Einschüchterungstaktik anschlägt. >>Es gibt keinen Grund zur Aufregung. Wir haben die verfügbaren Wachmänner in drei Teams aufgeteilt, die einen werden nach dem Auslöser des plötzlichen Lichtentfalls suchen. Die anderen umschwärmen das Gebäude und sichern es für eine Evakuierung, da noch nicht sicher ist, ob dort ein Hinterhalt auf uns wartet. Wir bitten Sie deshalb noch in diesem Raum zu verweilen. Das dritte Wachteam hat sich hier im Rathaus verteilt und ist sofort zur Stelle, falls sich diese Unannehmlichkeit als Angriff herausstellt. Versuchen sie sich einfach möglichst ruhig zu verhalten, ich bin sicher, dass die Kronleuchter gleich wieder für uns strahlen<<
Nach der Ansprache des Wachmanns beruhigt sich die Situation wieder, doch die Anspannung ist deutlich zu spüren. Auch meine Muskeln sind dazu bereit jederzeit einen Schlag auszuteilen oder einem Angreifer das Knie zwischen die Beine zu rammen. >>Entspann dich, Flämmchen<<, flüstert mir Daimon in diesem Moment zu, >>Lass' die Drecksarbeit ausnahmsweise die Profis machen. Und bis dahin tust du genug, wenn du dem weinerlichen Prinzen das Händchen drückst und sofort einspringst, wenn sich jemand dazu entscheidet seinen attraktiven Körper ins Leichenschauhaus befördern zu wollen<<
Aus irgendwelchen Gründen muss ich bei seinen Worten lächeln. Auch wenn ich diese Reaktion trotz der Dunkelheit sofort verstecken möchte, indem ich meine Zähne leicht in meine Unterlippe grabe. Woher weiß er, dass mich dieses verdammte Nichtstun so sehr in den Wahnsinn treibt, wenn ihm nichts außer spärliche Menschenkenntnis und dem Geräusch meines Atems bleibt, um mich zu beurteilen?, frage ich mich. In diesem Moment spüre ich wie Daimon in der Dunkelheit nach meiner Hand tastet und sie mit seiner verschränkt, auch wenn es einige Sekunden dauert, bis er seinen Weg zu ihr gefunden hat.
>>Ich dachte, das mit dem Händchendrücken war einer deiner vielen schlechtgelungenen Witze<<, stichele ich, wobei ich keine Anstalten mache mich aus seinem Griff zu lösen. Das ist nichts Besonderes, rufe ich mir ins Gedächtnis. Das ist nur einer der vielen Male, in der die Situation verlangt, dass wir zusammenbleiben und das ist nun mal der sicherste Weg, sich nicht zu verlieren. Und ja, ich bin mir selbst bewusst, dass das die armseligste Begründung ist, die ich je fabriziert habe, aber das ist mir in diesem Moment mehr als egal.
Die Dunkelheit ist wie ein Schleier, der sich um die Schicksale jedes einzelnen Menschen legt und ihm hilft sein Geheimnis für einen anderen unsichtbar zu machen. Und vielleicht gilt das auch für einen selbst und man vergisst die Schwächen, die man in den dunkelsten Stunden zu Tage befördert. >>Wir wollen doch nicht, dass du dich unnütz fühlst, solange niemand einen Anschlag auf mich verübt <<, flüstert er mir zu und unsere Gesichter sind uns ganz plötzlich wieder so nahe, wie noch vor einigen Minuten auf der Couch. Was mich wiederum in die Position bringt, entweder zu meinem alten Ich zurückzufinden und meine Hand mit einem bissigen Spruch aus seiner zu ziehen oder einfach abzuwarten. Als ich mich eine Sekunde später immer noch keinen Zentimeter bewegt habe, scheine ich meine Wahl getroffen zu haben. Doch ich komme nicht mehr dazu die Konsequenzen zu tragen, denn in diesem Moment springen die Kronleuchter auf einen Schlag wieder an.
Das helle Licht blendet mich und ich kneife sofort die Augen zusammen, während ich reflexartig einen Schritt zurücktrete und dabei meine Hand wieder für mich beanspruche. Licht wird oft als Erhellung der Sinne gesehen. Als die Glühbirne über den Köpfen der Menschen, die einen plötzlichen Einfall anzeigt oder als das Gegenstück zu der verführenden Dunkelheit. Tja, es sieht so aus, als würden alle klischeehaften Vorurteile gerade auf meine Situation zutreffen. Ich hätte meine Hand schon viel früher zurückziehen sollen, wird mir klar. Doch anscheinend hat meine fehlende Sehstärke auch meine klugen Entscheidungen unsichtbar werden lassen. Denn ich hatte beim Runterfahren meiner Barrieren weder daran gedacht, dass er mich vor nicht allzu langer Zeit noch ohne eine einzige Antwort hat stehen lassen, noch daran, dass ich mich eigentlich von ihm fernhalten wollte.
Ein überlebenswichtiges Vorhaben – wie sich gerade ja herausgestellt hat, da die Kombination Dunkelheit und Daimon wohl dafür sorgt, dass mein Gehirn zermatscht, wie eine modrige Birne. So kann es nicht weitergehen. Wo ist die Fait hin, die mit Daimon einzig und allein einen arroganten Schnösel assoziiert hat, der ihr gehörig auf die Nerven geht und den sie nicht mal mit der Kneifzange anfassen würde? Ein Teil von mir ist das sicherlich immer noch, doch es gibt auch noch einen anderen Part von mir, der beinahe einer... Nein, das werde ich nicht mal gedanklich aussprechen. Das ist sowieso Quatsch. Außerdem gibt es Wichtigeres als meine nachtaktive Schwäche.
Nachdem ich einen Blinzelanfall eines mittleren Ausmaßes überwunden habe, um die plötzliche Helligkeit zu verarbeiten, kann ich endlich wieder klar sehen und ich wende mich der Menge zu, um zu überprüfen, ob es irgendwelche Verletzte gibt. Vom dem leicht erhöhten Podium habe ich eine gute Sicht, doch ich kann trotzdem nichts Ungewöhnliches ausmachen. Vielleicht war es wirklich nur ein seltsamer interner Stromausfall und wir alle sind nur zu paranoid, um etwas anderes als einen Angriff in Erwägung zu ziehen, überlege ich. Doch dann fällt mir doch etwas Sonderbares auf: die überrascht aufgerissenen Augen einiger Gäste, die genau in meine Richtung sehen.
>>Oh mein Gott, was ist das?<<, fragt eine hohe Stimme, die mir irgendwie bekannt vorkommt, weshalb ich vermute, dass es sich um eine der übrigen Erwählten handelt. Das erste, was mir in den Kopf schießt, ist der Gedanke, dass ich ausversehen meine Kräfte aktiviert habe und ich jetzt als flammendes Inferno vor ihnen stehe, doch ein kurzer Blick an mir herunter, lässt mich die Theorie wieder verwerfen.
>>So eine Frechheit<<, höre ich aus dem schlagartig aufwallenden Stimmengewirr heraus, das zusammen mit einem Meer an überraschten Blicken und deutenden Fingern über den Saal hereinbricht. Verwirrt drehe ich mich um und auf einmal verstehe ich den plötzlichen Aufruhr. ,,Betrüger. Mörder. Abschaum" steht da in schwarzen Lettern, die noch ganz frisch glänzen. Doch auch ohne dieses Detail, wäre mir bewusst gewesen, dass diese Inschrift vorher noch nicht an der Wand direkt unter dem Flachbildschirm geprangt hatte. Was zur Hölle?, frage ich mich. Aber es gibt noch einen kleinen Zusatz zu der kryptischen Aneinanderreihung von Wörtern. ,,Wir wissen was ihr getan habt, Sinclairs. Also gesteht oder seht zu, wie euer Imperium aus Ungerechtigkeit untergeht. Es ist eure Entscheidung"
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Auch einen Tag später gehen mir diese schlampig an die Wand geschriebenen Zeilen nicht aus dem Kopf. Was hat die Königsfamilie getan? Warum haben sie sie als Mörder bezeichnet? Wer ist ,,wir"? Das einzige, bei dem ich mir völlig sicher bin ist, dass der Stromausfall und dieses auffällige Geschmiere miteinander in Verbindung stehen. Außerdem ist es wahrscheinlich, dass sie nicht nur ihre Botschaft an die Sinclairs überbringen wollten, sondern auch die Aufmerksamkeit des Volkes erregen möchten. Immerhin wurde die ganze Veranstaltung live für FTP übertragen und so sensationssüchtig Kamerateams eben sind, haben sie auch während des Stromausfalls und der Enthüllung des Kunstwerkes weitergefilmt.
Was bedeutet, dass dieses Ereignis jetzt ein Top-Thema in den Medien ist und wie ich von Dean erfahren habe, laufen die Ermittlungen bereits, um die Schmierfinke zu finden und zu bestrafen. Auch er glaubt genauso wenig wie ich, dass es sich bei den Tätern um die Koslower handelt. Ihre Vorgehensweise war zwar immer strategisch gut geplant, doch gleichzeitig ist ihr Verfahren von großer Brutalität gekennzeichnet. Sie haben kein Problem damit unschuldige Menschen zu töten, weil sie zur falschen Zeit am falschen Ort sind oder es einfach ihr Job ist, sie am Eindringen zu hindern.
Die Frage ist bloß, wer sonst daran beteiligt sein könnte. Leider habe ich dazu bisher keinerlei Antworten gefunden. Ich habe auf FTP nach weiteren Ereignissen dieser Art gesucht, doch mir wurden keine Ergebnisse vorgeschlagen, die man ernsthaft in Erwägung ziehen kann. Nicht, dass mich die fehlenden Informationen wundern würden. Viele vermuten, dass FTP und das Königshaus eng zusammenarbeiten und da mein Erzeuger der Kopf der ganzen Firma ist, kann ich das trotz unserer mangelnden Kommunikation bestätigen.
Meine leiblichen Eltern dachten zwar, ich würde es nicht mitbekommen, doch ich weiß, dass sie öfters mal ins Schloss berufen wurden und das keinesfalls für irgendwelche Festlichkeiten – obwohl das mitunter natürlich auch der Fall war. Nein, die meiste Zeit ging es ums Geschäftliche, was man allein an der Regelmäßigkeit erkennen kann, in denen sie den Chauffeur baten sie am Schloss abzusetzen und drei Stunden später wieder abzuholen. Und ja, diese Information habe ich neben meiner früheren Vorliebe fürs Spionieren auch meiner Freundschaft mit dem Fahrer zu verdanken.
Jedenfalls bin ich mir sicher, dass mein Vater dem König oder irgendwelchen Vertretern monatlich Auskunft darüber gegeben hat, wieviel Videomaterial erfolgreich von der Fernsehplattform entfernt wurde und ob irgendetwas dem Könighaus davon wirklich gefährlich werden konnte. Tja und da die Inschrift durch die Live-Übertragung bereits auf FTP kursiert, wird jetzt, statt auf Vertuschung darauf gesetzt, die Täter als aufmerksamkeitsheischende Unruhestifter abzustempeln, die mit leeren Worten um sich schmeißen. Doch daran glaube ich nicht...
Wisst ihr, die meisten, die nach Heavensent kommen, um sich beispielsweise ein Leben hier aufzubauen oder einen besserbezahlten Job zu finden, erwarten ein berauschendes Königreich voller Reichtum und Glückseligkeit, weil nur das von unserem Staat gezeigt wird. Dass die Realität ganz anders aussieht, merkt man als Einreisender sehr schnell – jedenfalls wenn man nicht genug Geld in der Tasche hat, um mit den ganz Großen mitzuspielen. Doch was man nicht so schnell erkennt ist die Vielschichtigkeit der Ungerechtigkeit. Und genau das ist der Grund, warum ich mich frage, ob die vermeintlichen Unruhestifter, nicht wirklich auf etwas gestoßen sind, das ein für alle Mal das Wasser zum Überlaufen bringt.
Unruhig knabbere ich an meiner Unterlippe, was weniger mit der geheimnisvollen Inschrift und vielmehr mit meinem Date mit Daimon zu tun hat, dass in etwa einer Stunde stattfinden wird. Zum Glück konnten wir uns darauf einigen einfach im Heimkino des Schlosses einen Film zu schauen, was mir hoffentlich einen unromantischen, gesprächslosen Abend sichert, bei dem wir einfach nur monoton auf den Bildschirm starren. Denn das letzte, was ich gebrauchen kann ist, das Daimon mir noch näher kommt. Er weiß schon zu viel darüber, was in meinem Inneren vorgeht und ich weiß zu wenig darüber, was wirklich in seinen Tiefen lauert.
Das zwischen uns kann nicht funktionieren. Er ist wie ein Benzinkanister und ich bin das Streichholz, das durch unsere ständigen Streitereien in Brand gesetzt wird und zusammen mit ihm eine tödliche Explosion erzeugt. Gott, dass ich überhaupt schon über so etwas nachdenke, zeigt mir schon, dass ich ihn viel zu nah an mich herangelassen habe. Ich sollte überhaupt nicht darüber nachdenken, ob ein ,,wir" im möglichen Bereich liegt. Daimon ist und bleibt ein arroganter Idiot, der alle Menschen auf seinem Schachbrett herumschiebt wie willenlose Marionetten. Und nur weil es da diesen Kuss und meinen fehlenden Wiederstand gibt, der geringen sexuellen Anziehungskraft, die möglicherweise zwischen uns herrscht, standzuhalten, muss das nicht bedeuten, dass ich mich in ein verliebtes Naivchen verwandeln werde. Denn das werde ich unter keinen Umständen zulassen.
Zuversichtlich nehme ich meinen ewigen Marsch durchs Zimmer wieder auf, der wohl zwischen irgendeinem Gedankengang verklungen ist, als ich plötzlich eine Art Rumsen vernehme. Verwirrt ziehe ich eine Augenbraue hoch. Ich bin allein in meinem Raum, da Miri ausnahmsweise mal woanders herumschwirrt und nicht schon längst saubere Oberflächen putzt. Also muss das Geräusch von außerhalb kommen, auch wenn meine Ohren mir sagen, dass es viel näher geklungen hat. Ich bin kurz darauf die Sache einfach wieder zu vergessen, als ich erneut einen Laut vernehme – dieses Mal ein Klopfen. An sich eigentlich nichts Ungewöhnliches, würde ich den Ursprung des Geräusches nicht in diesem Moment auf das Innere meines Kleiderschrankes deklarieren...
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Ich habe das Gefühl, dass es offensichtlich des Todes ist, was gleich folgen wird, aber ich habe den ,,Cliffhanger", der die Anführungszeichen absolut verdient hat, jetzt trotzdem mal dort hingesetzt.
Trotzdem zwingt mich meine Neugierde natürlich danach zu fragen. Also, was denkt ihr, was gleich passieren wird? Und was sind eure Theorien zu der geheimnisvollen Inschrift?
Jedenfalls möchte ich euch allen noch danken, dass ihr die Rückverwandlung in einen Einteiler so gut aufgenommen habt.
Tja, dann sehen wir uns hoffentlich nächsten Sonntag wieder ^^
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