Kapitel 6
>>Ich kann nicht fassen, dass du schon wieder gewinnst<<, stoße ich fassungslos aus, als Dean seine letzten Karten auf den Tisch legt. Auch Miri, die neben mir in einem Sessel sitzt, stöhnt entnervt auf. >>Tja, was soll ich sagen? Ich ziehe Glück einfach magisch an<<, behauptet Dean gespielt eingebildet. Darauf verdrehe ich nur die Augen. Wir spielen jetzt bereits die fünfte Partie Skat und bisher war weder mir noch Miri das Glück hold.
Nachdem ich mich wieder von der betörenden Weichheit meines Bettes gelöst hatte, haben wir gemeinsam entschieden die Zeit mit Kartenspielen zu überbrücken. Bis ich mich mit den Prinzen bekannt machen muss dauert es schließlich noch ein bisschen. Außerdem ist das eine gute Gelegenheit die beiden näher kennenzulernen, obwohl die beiden lieber lustige Schlossgeschichten zum Besten geben, als über ihr eigenes Leben zu reden.
>>Mir fällt ein, dass ich dich noch in den Sicherheitsvorkehrungen unterweisen muss<<, meint Miri als ich gerade dabei bin die Karten zu mischen. >>Dann schieß los<<, antworte ich. >>Also, da wir unseren Erwählten nicht rund um die Uhr betreuen können, müssen alle Erwählten wissen, wie man im Falle eines Angriffs zum königlichen Schutzbunker gelangt<<. Miri wirft mir daraufhin einen bedeutungsvollen Blick zu, um zu überprüfen, ob ich ihr auch wirklich gut zuhöre. >>Falls es also während der Nacht zu einem Angriff kommen sollte, wird ein Alarm ausgelöst. Danach ist es wichtig, dass du sofort deinen Kleiderschrank öffnest. Dort drin befindet sich nämlich eine versteckte Tür, die dich durch versteckte Gänge bis zum Bunker führen wird. Mach dir keine Sorgen den Weg bis dahin nicht zu finden. Es ist gut ausgeschildert. Falls es ansonsten zu Angriffen kommen sollte wird Dean oder ein anderer Wachmann da sein um dich zu verteidigen<<, erklärt sie und ich nicke verstehend.
Ich hatte auch schon von den Angriffen aufs Schloss gehört. Der König versucht zwar, das so gut wie möglich geheim zu halten, doch in unserem Königreich verbreiten sich Informationen rasend schnell. Die Angriffe gehen von Koslow aus, einer unserer Nebenländer. Früher war Koslow mal ein recht kleines Land, doch von Zeit zu Zeit nahm es immer weitere Nationen ein. Und genau das versuchen die Koslower nun auch bei Heavensent. Natürlich hat das Militär an der Grenze Posten aufgebaut und versucht die Soldaten des anderen Landes so gut wie möglich zurückzuhalten, doch entweder haben sie dort Sicherheitslücken oder die Koslower versuchen über andere Landesgrenzen in unser Königreich zu gelangen.
Während ich über unsere Angreifer nachgedacht habe, muss Dean mir den Stapel aus der Hand genommen haben, denn als ich wieder aus meinen Gedanken auftauche, ist er gerade dabei diese auszuteilen.
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Ich stehe mitten in meinem persönlichen Albtraum. Erst vor wenigen Sekunden habe ich den Damensalon betreten, in dem wir darauf warten sollen die Prinzen kennenzulernen. Der verhältnismäßig kleine Raum ist geschwängert von den verschiedensten Düften, die unangenehm in meiner Nase brennen und überall kichern, schwärmen und unterhalten sich die anderen neunundzwanzig Mädchen. Ich seufze, dass könnte eine lange Wartezeit werden. Vor allem, da sich nach den abwertenden Blicken nach zu urteilen, sich niemand um ein Gespräch mit mir reißen wird. Dieses Problem scheint Trish nicht zu kennen, um sie scharen sich die Mädchen bereits und schauen sie, mit bewundernden Blick und Sabber im Mundwinkel zu ihr auf.
Mag sein, dass hier alle derselben gesellschaftlichen Schicht angehören, aber dennoch kann man jetzt schon erkennen, dass sich in mitten diesem bunten Stoffgewirr kleine Grüppchen bilden. Je nachdem wie reich und erfolgreich man selbst oder die Familie ist, da ist es klar, dass sich Trish als Star der ganzen Mädchen herauskristallisiert. Immerhin gehört unsere Familie zu einer der Reichsten von ganz Heavensent. Mal abgesehen, dass Trish nicht nur hier sondern auch im Ausland ein berühmtes Model ist. Schnell wende ich den Blick ab und suche stattdessen nach einer Beschäftigung.
In einer Ecke erkenne ich eine Reihe von Stühlen, die aber bisher unbesetzt sind. Trotzdem bewege ich mich darauf zu. Vielleicht finde ich ja irgendwo eine Zeitschrift durch die ich blättern kann? Kaum habe ich mich auf einer der Stühle plumpsen lassen, werden die ersten Mädchen lauthals aufgerufen und in einen anderen Raum geführt. Enttäuscht stelle ich fest, dass die Tische, die unregelmäßig zwischen den Stühlen stehen, leer sind. Tja, dann heißt es jetzt wohl abwarten und Däumchen drehen.
Ich will mich gerade meinem traurigen Schicksal hingeben, als jemand mit einem beinahe lautlosen Plumps auf den Stuhl neben mir gleitet. >>Na, gehörst du auch zu der Schicht der Ausgestoßenen?<<, spricht mich jemand von rechts an. Als ich von dem grauen Marmorboden aufsehe, blicke ich in ein hübsches Gesicht mit zwei olivgrüne Augen, die durch die süßen hellbraunen Korkenzieherlöcken noch mehr betont werden. >>Jap<<, antworte ich und schenke ihr ein aufmunterndes Lächeln. Die Erwählte sieht nämlich nicht so aus, als würde die Ablehnung gegen ihre Person sie kalt lassen. Nein, ich bilde mir sogar ein einen dünnen Tränenschleier auf ihren Augen zu erkennen.
>>Ich bin übrigens Fait<<, stelle ich mich vor. >>Fait. Das mysteriöse Mädchen über das so gut wie nichts bekannt ist und das nach der Verkündung ihres Namens nicht aufgetaucht ist?<<, fragt sie mit großen Augen. >>So könnte man es auch sagen<<, murmle ich. Oh man, ich hoffe die Presse würde das nicht allzu sehr aufbauschen. Immerhin möchte ich nach meinem Rausflug, mein Leben ganz normal weiter leben und zwar ohne Paparazzies im Garten. Das kenne ich nur zu genüge von meiner Familie und auf die Erfahrung, das am eigenen Leib zu spüren, kann ich getrost verzichten.
>>Ach so. Ich bin übrigens Cassie. Cassie Hunter. Das Mädchen, das niemand in diesem Raum kennt<<, stellt auch sie sich mit einem Hauch Bitterkeit in der Stimme vor. >>Oh mein Gott<<, stoße ich hervor. >>Was?<<, fragt Cassie sichtlich verwirrt. >>Du bist Cassie Hunter!<<,rufe ich begeistert aus. >>Du bist die Autorin meiner absoluten Lieblingsreihe<<, stelle ich quietschend fest. Ihr werdet gerade Zeuge einer der wenigen Momente in denen ich mich wie ein ganz normales Mädchen verhalte. Beim Waffen kaufen und beim Reden über geniale Buchreihen.
>>Du weißt wer ich bin?<<, fragt sie überrascht. >>Natürlich. Ich liebe ,,Chroniken von Feuer und Eis" einfach. Und es wäre mir eine absolute Ehre, wenn du mir während unseres Aufenthalts ein Autogramm geben würdest<<, meine ich und merke wie sich ihre Laune deutlich hebt. Während der nächsten Minuten fragt Cassie mich über meine Lieblingsstellen und Personen im Buch aus. Und als wir gerade über unsere anderen Lieblingsbücher sprechen wollen, werden unsere Namen aufgerufen. Anscheinend sind wir jetzt an der Reihe den Prinzen einen Besuch abzustatten.
Mit Cassie an meiner Seite kämpfe ich mich durch die Menge. Als wir am anderen Ende angekommen sind, werden wir zusammen mit Trish, die mich keines Blickes würdigt, von der Dame im grauen Buisnessdress, zu einem Raum gegenüber vom Damensalon geleitet. Dort sitzen die Prinzen jeweils an einem Tisch vor dem ein leerer Stuhl steht. Während Cassie und Trish nur Augen für die Prinzen haben, die mit den Rücken zu uns sitzen, werfe ich dem Kamerateam einen beunruhigenden Blick zu. Natürlich wird auch das erste Kennenlernen für die Öffentlichkeit festgehalten. Wie soll es auch anders sein?
Stumm lasse ich mich von der Dame mit dem strengen Blick zum ersten der drei Tische dirigieren, während Cassie am letzten Platz nehmen soll. Kurz wirft sie mir ein aufgeregtes Lächeln zu und auch ich verziehe meinen Mund zu einem Lächeln. Dann lasse ich mich gegenüber vom ersten Prinzen fallen. Das Erste was mir auffällt sind seine blauen Augen, die eine angenehme Ruhe auszustrahlen scheinen. Außerdem besitzt er um die Mundwinkel herum süße Grübchen und sein Haar besitzt einen sanften Karamellton. >>Du musst...<<, unauffällig wirft er ein Blick auf das Blatt vor sich, >>...Fait Montgomery sein. Ich hoffe es ist okay, wenn wir uns duzen. Ich bin übrigens Adrien<< >>Freut mich<<, antworte ich und gebe ihm höflich die Hand.
>>Also es wird jetzt folgender Maßen ablaufen. Ich werde dir ein paar Fragen stellen, die ich mir zuvor notiert habe und wenn wir fertig sind, wirst du zum nächsten Prinzen gehen und dort läuft es dann genauso ab. Verstanden?<<. Ich nicke bestätigend und Adrien fängt an Fragen zu stellen. Die Fragen sind nicht zu persönlich, weshalb ich immer wahrheitsgemäß antworte. Adrien ist ein toller Gesprächspartner, der sich wirklich für das zu interessieren scheint, was man von sich gibt. Auch sonst ist seine Gesellschafft sehr angenehm. Mein erster Eindruck sagt mir, dass er die reife, höfliche Art Prinz ist, dessen Gegenwart eine immense Ruhe und Gelassenheit ausstrahlt.
Viel zu schnell ist die Zeit mit ihm um und die Erwählten werden aufgefordert einen Platz nach rechts zu rücken. Adrien und ich werfen uns ein letztes Lächeln zu, bevor ich den Stuhl vor ihm räume und mich vor dem nächsten Prinzen niederlasse.
Der Anblick von haselnussbraunen Augen, dunklen fast schwarzen Haaren und einem markanten Kinn lässt mich für kurze Zeit in eine Schockstarre gleiten. >>Du?<<, rufen wir beide fassungslos aus. >>Wer hat dich denn erwählt?<<, raunt er mir mit hochgezogenen Augenbrauen zu. >>Die bessere Frage ist wohl, wie jemand mit so wenig Manieren ein Prinz sein kann<<, feuere ich zurück. Ich kann es einfach nicht glauben, dass ich gestern Nacht gleich auf zwei Prinzen getroffen bin. Und noch weniger kann ich glauben, dass in diesem Idioten wirklich königliches Blut fließt. Mittlerweile habt ihr bestimmt erraten, dass der Rempler von der Ballnacht vor mir sitzt. Das Glück ist heute wirklich nicht auf meiner Seite, erst verliere ich haushoch beim Kartenspielen und jetzt das!
Anstatt mir auf meine rhetorische Frage eine Antwort zu geben, lehnt er sich lässig zurück und mustert mich von oben bis unten. >>Bist du nicht etwas underdressed?<<, fragt er spöttisch und hebt eine Augenbraue. >>Willst du nicht endlich deine Fragen stellen und das Ganze hinter dich bringen?<<, stelle ich genervt eine Gegenfrage. Dieser Kerl versprüht einfach eine Aura, die mich augenblicklich hochgehen lässt, wenn ich ihm zu nahe komme. >>Ich weiß nicht, eigentlich finde ich dich ziemlich amüsant. Auf jeden Fall bist du die komischste Erwählte, die mir bisher untergekommen ist<<, meint er und verzieht die Lippen zu einem provozierenden Grinsen, das ich ihm am liebsten vom Gesicht wischen möchte. Doch stattdessen lehne ich mich raubtierhaft nach vorne und sage: >>Vorsicht, das hat sich gerade fast wie ein Kompliment angehört. Ich finde, du solltest das Ganze einfach mit deiner ersten Frage überspielen<<
>>Na schön, wie wäre es mit, was hast du gestern auf dem Ball zu suchen gehabt? Denn einen Prinzen willst du hier keineswegs erobern, sonst würdest du mir wegen gestern den Dreck von den Schuhen lecken<<
>>Wenn du das glaubst, ist deine Menschenkenntnis noch schlechter als ich gestern dachte. Selbst wenn ich hier jemanden erobern möchte, würde mich dein Charakter von vorne rein abschrecken. Aber um deine Frage zu beantworten, ich wollte mir einen Traum erfüllen<<, gebe ich wohl überlegt von mir. Auf keinen Fall will ich bei diesem Kotzbrocken ein Wort zu viel über meine persönlichen Angelegenheiten verlieren. >>Einen Traum? Welchen denn? Einen der Prinzen nackt zu sehen?<<, fragt er und schlägt dabei schon wieder diesen spöttischen Tonfall an, der mir so auf die Nerven geht.
>>Igitt, nein! Nur weil du solche Träume hegst musst du mir sowas Ekliges doch nicht unterstellen<<, stoße ich fassungslos aus. Darauf scheint er keine Antwort zu wissen, denn mal abgesehen von einem wütenden Schnauben ist nichts von ihm zu hören. Innerlich grinse ich. Eins zu null für Fait, denke ich, werde aber von Mister Kotzbrockens Stimme aus meinem inneren Siegestanz gerissen. >>Wie heißt du eigentlich?<<, fragt er nun. >>Geistreiche Frage. Es ist ja nicht so als würde vor dir eine Liste mit den Namen aller Erwählten samt deinen Notizen liegen. Sie mal an, da sind ja sogar kleine Bildchen<<, meine ich und drehe meinen Kopf so, dass ich einen besseren Blick auf seine Unterlagen habe. Verärgert knallt er seine Ellenbogen auf den Tisch und versperrt mir damit die Sicht auf den Blätterstapel. >>Ich wollte einfach aus deinem Mund hören, dass es wahr ist<<, presst er hervor. >>Was? Dass ich meinen Namen aussprechen kann? Ja, das ist wahr. Es wird sogar gemunkelt, dass ich deswegen einen Preis gewinne<<, ziehe ich das Ganze ins Lächerliche, obwohl ich genau weiß, was er wissen will.
Adrien, Cassie, ja sogar Miri und Dean waren beide so freundlich, diese Frage nicht zustellen, obwohl ich in ihren Augen sehen konnte, dass es ihnen unter den Nägeln brannte mir Fragen über meine Familie zu stellen.
>>Nein, ich meine, ob du und Trish wirklich verwandt seid<<, eröffnet er mir und schenkt mir ein wissendes Lächeln als ich bei der Frage kurz zusammenzucke. Vielleicht besitzen alle anderen hier, so viel Anstand die Fragen über meine Familie auszulassen, doch er scheint es richtig zu genießen, dass ich plötzlich unruhiger werde. Schnell erlange ich meine Fassung zurück und setze die unbeteiligte Maske auf, die ich über die Jahre perfektioniert habe. >>Ja, wir sind Schwestern, aber wir haben kein besonders gutes Verhältnis<<, sage ich leicht hin, als hätte sich der Schmerz von meiner gesamten Familie verstoßen worden zu sein, nicht tief in meine Brust gegraben. Ich war seit meiner Geburt ihr dunkelstes Geheimnis, existierte nur auf dem Papier, dafür hatten mehrere Bestechungen und die Verkündung über mein Ableben kurz nach meiner Geburt gesorgt.
Bis jetzt, dachten die Medien, dass das namenslose Baby der Montgomerys tot ist, doch es wird nicht mehr lange dauern bis sie die Wahrheit erfahren oder meine Eltern eine viel schlimmere Lüge erfinden....
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