Kapitel 53
Mürrisch und kampfbereit stapfe ich neben Dean her, wobei das Wort ,,stapfen" nur treffend zu meiner Laune und zu der Gangart passt, die ich gerade bevorzugen würde. In Wirklichkeit schleiche ich nämlich konzentriert den Flur entlang, während die Kampfgeräusche aus dem Epizentrum vor der Treppe immer noch laut und deutlich zu hören sind.
Ich bin immer noch mehr als unzufrieden mit dem Ausgang dieser Diskussion. Schließlich hätte ich mich allein auf den Weg zur Bekämpfung des Feuers machen sollen – nicht mit einem meiner engsten Freunde im Schlepptau, der schneller an einer Rauchvergiftung sterben wird, als dass ich die lebensgefährliche Situation überhaupt realisieren kann. Doch mein wichtigstes Argument kann ich wohl kaum laut aussprechen, denn mit einem ,,Hey, Dean weder der giftige Rauch noch das Feuer können mir etwas anhaben, deshalb sollte ich alleine losziehen" wird es wohl kaum getan sein.
Dabei würde ich in diesem Moment nichts lieber tun, als ihm mit dieser Tatsache zu überrollen und ihn davon abzuhalten, sein Leben nutzlos aufs Spiel zu setzen. Denn obwohl ich noch keine Ahnung habe wie ich das Feuer bekämpfen soll, wäre die schlimmste Sache, die mir passieren könnte zu versagen und auf ewig unter dieser Schuld zu leiden. Ein Resultat das mir weitaus weniger schlimm erscheint, als Dean ins Verderben laufen zu lassen.
Trotzdem bleiben meine Lippen verschlossen. Nicht nur aus Gewohnheit, sondern auch weil ich weiß, dass wir uns nach dieser Aussage nur in Erklärungen und Ungläubigkeit verheddern werden. Und dafür haben wir schlichtweg keine Zeit, denn das Feuer breitet sich immer weiter aus und wird dies auch weiterhin tun, wenn ich es nicht stoppe. Dass ich Dean nicht überreden konnte mich alleine gehen zu lassen ist natürlich eine unglückliche Fügung, aber ich weigere mich schlichtweg mit ihm weiter zu diskutieren, während das Schloss im Ostflügel bald nur noch ein Haufen Schutt und Asche sein wird.
Stellt sich nur noch die Frage, was wir gemeinsam gegen den Brand unternehmen wollen. Leider kann ich es nicht einfach mit meinen Fähigkeiten löschen – nicht nur, weil mein Geheimnis dann mit Sicherheit auffliegen würde, sondern weil ich schlichtweg nicht dazu in der Lage bin. Ich kann nicht einfach einmal mit der Hand wedeln und die Flammen sind wie vom Erdboden verschluckt. Genauso wenig, wie es mir möglich ist, den Brand an seiner Ausbreitung zu hindern.
Mir gehorcht nur mein eigenes Feuer und auch die Möglichkeit mein Eis gegen diese Katastrophe einzusetzen kann ich von der Liste der potenziellen Lösungen streichen, da ich es in den letzten neunzehn Jahren noch nicht mal geschafft habe eine winzige Kerzenflamme einzufrieren. Es scheint mit den Naturgesetzen einfach nicht vereinbar zu sein, dass ich daran rumschraube und sie nach meinen eigenen Wünschen verdrehe. Und so stehen mir nur die Mittel zur Verfügung, mit denen jeder andere in dieser Situation auch bedacht wäre: seinem logischen Denken und seiner Kreativität.
Dean meinte, es gäbe in allen Bereichen des Schlosses eine Sprinkleranlage, die bei dem kleinsten Anzeichen von Rauch sofort anspringen würde. Deshalb liegt nahe, dass der Maulwurf mal wieder am Werk war und die Anlage so manipuliert hat, dass sie bei Feuer nicht anspringt. Ich hoffe, er/sie/es/Alien hat sie einfach nur ausgeschaltet und ihr nicht vollständig den Garaus gemacht, ansonsten scheinen unsere Chancen auf Rettung in den Keller zu rutschen.
Dass die Feuerwehr gleich mit heulenden Sirenen auftaucht und uns alle rettet ist ebenfalls reine Utopie, denn selbst wenn einer der Bewohner dieses Hauses tatsächlich zum Hörer gegriffen hat, wird das Fahrzeug wohl nicht zeitnah eintreffen. Nach Deans Aussage liegt die nächste Feuerwehrstation nämlich in Solia – meiner Heimatstadt – die ganze zwei Stunden entfernt liegt. Tja, da scheint sich der Kopf hinter dieser Sache wohl zu sehr auf die Modernisierung einer Sprinkleranlage verlassen zu haben.
Jetzt bleibt Dean und mir nur noch übrig seiner ungefähren Erinnerung an den Standort des Kontrollraumes zu folgen und danach die Sprinkleranlage erfolgreich wieder anzuschalten – kein besonders aussichtsreicher Plan, wenn ihr mich fragt, immerhin gibt es viele Dinge, die bei dieser Sache schief gehen können. Aber da ich auch keinen besseren Vorschlag habe, müssen wir uns wohl mit dieser mittelmäßigen Strategie abgeben.
In diesem Moment vernehmen meine geschärften Soldatensinne plötzlich das Geräusch von rennenden Schritten, die mit zunehmender Geschwindigkeit auf uns zukommen und meine Hand, versteift sich sofort ,um meinen mit Blut getränkten Säbel. Irgendjemand muss uns gefolgt sein, denke ich düster und wappne mich für einen erneuten Kampf. Währenddessen hat auch Dean den verdächtigen Laut bemerkt, so dass sich unsere Augen in einem wissenden Hochziehen der Augenbrauen kreuzen. >>Abwarten und locker bleiben<<, formt mein Wachmann stumm mit den Lippen, worauf ich nur mit einem stummen Nicken antworte.
Ich hasse diese Strategie, doch ich weiß genau, dass sie am sinnvollsten ist, wenn man dem Gegner zahlenmäßig überlegen ist. Wegrennen könnte einige Schwierigkeiten verursachen, wenn der Feind schneller als du läuft und sich einfach auf dich stürzt. Außerdem hat er als Jäger mehr Vorteile, die er gegen dich einsetzen kann. Meine Sprintaktion mit Daimon war also nicht ungefährlich, bildete damals aber die einzige Chance, die ich gesehen habe. Jetzt ist das anders. Jetzt muss ich es nur schaffen nicht über meine Schulter zu linsen und damit das Überraschungsmoment zu zerstören - und wir sollten nach Kampfverhältnissen auf der sicheren Seite sein.
Die Schritte kommen näher und ich kann sogar hören wie sich ein angestrengtes Keuchen unter das klackernde Geräusch von Schuhen mischt. Ich kann nicht anders, mein Kopf schaltet automatisch auf einen angespannten Countdown, der meine Nerven zum Reißen gespannt hält. Kurz bevor ich die null erreiche und sich schon die Präsenz eines Körpers hinter mir breit macht, wirble ich mit erhobener Waffe herum, um dem Übeltäter im nächsten Moment meinen Säbel gegen die Kehle zu drücken. Ich nehme ein erschrockenes Japsen wahr, das mich nur dazu bringt die Klinge ein wenig näher an seinen Hals zu drücken. Er darf es nicht schaffen mich und Dean von unserer Mission abzubringen.
Wie paralysiert schaue ich auf seinen Hals und den weißen Rundausschnitt seines Shirts. Ich möchte sein Gesicht nicht sehen, weil ich weiß, dass ich dem gleich ein Ende bereiten muss. Und es ist nun mal leichter ein Menschenleben zu beenden, wenn sich sein Gesicht nicht in dein Gedächtnis brennt, wie ein unauslöschliches Brandzeichen. >>Flämmchen, nimm bitte das Messer runter<<, wispert eine angestrengte Stimme und ich hätte fast die Waffe fallen gelassen, als ich den altbekannten verhassten Kosenamen höre. Daimon?! Jetzt zuckt mein Blick doch ein wenig höher und tatsächlich springen mir sogleich dunkles Haar und markante Gesichtszüge ins Gesicht.
>>Was machst du hier?<< Meine Stimme hat einen harschen Tonfall, der sich immer in meine Stimme schleicht, wenn mein Gehirn die Informationen noch nicht richtig verarbeiten konnte und ich trotzdem ein paar Antworten hören möchte. Er sollte nicht hier sein, schießt es mir durch den Kopf und ich frage mich, wie hoch die Chance ist, dass er sich auch während dieses Angriffes außerhalb seines Zimmers herumgetrieben hat.
>>Kannst du vielleicht erstmal die Klinge von meiner Kehle nehmen? Das ist wirklich nicht angenehm<<, würgt er hervor und ich bin beinahe beeindruckt von der Tatsache, dass ihm selbst diese angestrengten Worte mit einer düsteren Gelassenheit von der Zunge gehen. Schnell senke ich meinen Arm und Daimom atmet ein paar Mal tief durch. Sein Atem geht von seinem Sprint und der durch meine Bedrohung entstandene Panik immer noch schneller, so dass er mir nicht sofort antwortet.
Ich werfe ihm einen ungeduldigen Blick zu, während ich schon mal einen Plan aushandle um ihn loszuwerden. Nicht nur, dass wegen seiner Anwesenheit Bilder des Gruppendates mein Hirn fluten –allem voran seine vor Wut glühenden Augen. Nein, es ist auch viel zu gefährlich für ihn, außerhalb des Schutzbunkers herumzulungern. Er darf dem Tod auf keinen Fall so nahe kommen wie beim letzten Mal. Immerhin können schwierige Situationen nicht immer mit einem Happy End enden.
>>Adrien. Er ist nicht im Bunker und bisher auch nicht auffindbar. Ich weiß nicht... Vielleicht hat ihm irgendjemand etwas Schlimmes angetan. Ich muss ihn suchen gehen. Ich darf ihn einfach nicht verlieren und d -<<
>>Soll das etwa heißen, dass du bereits in Sicherheit warst und dann kopflos und unbewaffnet einfach aus dem Schutzbunker gerannt bist?<<, unterbreche ich ihn völlig außer mir und das Bedürfnis ihm eine ordentliche Schelle zu verpassen war noch nie größer. Dieser verdammte hirnlose Idiot, fluche ich, während meine Wut wegen ihm mal wieder auf 180 schießt. Schnell wende ich mich Dean zu, um ihn zu bitten ihn zurück zu den anderen zu bringen – ein Plan, der mir mehr als in die Hände spielt, weil ich dann endlich auf eigene Faust losziehen könnte. Ohne jemand anderes in Gefahr zu bringen.
Erst jetzt realisiere ich den Inhalt von Daimons Satz und mein Herz zieht sich schmerzvoll zusammen. Adrien ist nicht im Schutzbunker. Die Information dringt nur sehr langsam vollständig zu mir durch, um mir kurz darauf ein Horrorszenario nach dem anderen durch den Kopf zu jagen. Erstochen. Entführt. Verbrannt. Sofort stellen sich in meinem Inneren Schuldgefühle ein und das endlose Ticken in meinem Kopf wird lauter. Ich muss weiter, bevor der Brand noch mehr Menschen in den Tod reißt.
Also verbanne ich den Gedanken an Adriens Verbleib, zusammen mit dem Kloß in meinem Hals und öffne abermals den Mund, um Dean die entscheidende Frage zu stellen, bevor ich meinem großen Bedürfnis Daimon eine gehörige Standpauke zu halten, vielleicht doch noch nachgebe und wertvolle Zeit verschenke. Doch bevor ich überhaupt einen Ton herausbringen kann, unterbricht mich auch schon eine andere Stimme aus der Ferne, die mehr als angepisst klingt. >>Hoheit, ich muss Sie sofort wieder in Sicherheit bringen und es ist mir verdammt nochmal egal wie Sie das finden!<<, zischt ein heavensentischer Soldat, der gerade ebenfalls auf uns zugerannt kommt.
Überrascht ziehe ich beide Augenbrauen hoch und meine Bitte bleibt mir im Hals stecken. Verdammt, halten wir jetzt etwa keine zehn Meter von einem intakten Schlachtfeld einen Freundetreff ab oder was geht hier vor?, frage ich mich, während der Mann Anfang vierzig langsam zu uns aufschließt. Die Anspannung in meinem Körper steigert sich, weil sich die tickende Uhr in meinem Gehirn nicht mehr länger verdrängen lässt und in mir ein Gefühl der Enge auslöst, auf das ich ganz gut verzichten könnte.
Diese Angelegenheit ist gleich erledigt, rede ich mir gut zu, doch das Gefühl einfach blind los zu sprinten, um diesem Feuer ein für alle Mal ein Ende zu bereiten, ist fast übermächtig. >>Ich werde nicht mit Ihnen mitgehen bis ich meinen Bruder gefunden habe oder wenigstens irgendetwas zur Verteidigung dieses Schlosses beigetragen habe<<, knurrt Daimon seinen nahenden Babysitter an und macht damit ein für alle Mal klar, dass er ihn schon außer Gefecht setzen müsste, um ihn zum Bunker zurück zu schleppen.
Doch ich werde definitiv nicht zulassen, dass sich der Wunsch des Prinzen durchsetzt. Ich habe nämlich keine Lust ihn schon wieder um Haaresbreite vom Abkratzen zu bewahren. Dieses Mal wird er wohl nach meinen Spielregeln tanzen müssen. >>Ihr beide bringt ihn zurück in Sicherheit. Ich kümmere mich solange um das Feuer. Es scheint nämlich so, als würde sich dieser Querschläger nicht kampflos zurückführen lassen<<, meine ich, um diese Störung so schnell wie möglich zu beenden. Zum Glück schwingt in meiner Stimme genug Autorität mit, dass beide Wachmänner zustimmend nicken, obwohl es für sie wahrscheinlich eine vollkommen neue Erfahrung ist, Befehle von einer Frau anzunehmen. Doch eigentlich interessieren mich solche Gefühle wie Überraschung und Stolz gerade herzlich wenig, da nur zwei Dinge in Endlosschleife durch meinen Kopf dröhnen. Feuer löschen. Daimon schützen. Feuer...
Ich wende mich zum Gehen, auch wenn Daimon seine Stimme schon zum Protest gehoben hat und es die zwei Männer sicherlich nicht einfach mit ihm haben werden. Doch ich kann mich dieses Mal nicht um ihn kümmern. Nicht so lange der Brand eine akute Bedrohung für alle Bewohner darstellt und ich die Einzige bin, die die Flammen gefahrlos bekämpfen kann.
>>Oh nein, das Prinzchen wird nirgendwo hingehen. Unser Befehlshaber würde sich nämlich sicher über ein zusammengeschlagenes Kerlchen freuen, das Chancen hat, irgendwann den Thron zu besteigen<< Die gehässige, triumphierende Stimme lässt mir sofort einen Schauer über den Rücken laufen und bevor mein Gehirn eine richtige Gefahrenmeldung aussenden kann, habe ich mich schon mit erhobenem Säbel umgedreht. Vor uns stehen drei koslowische Soldaten und ich komme nicht umhin mich zu fragen, wie wir ihre Anwesenheit so lange übersehen konnten.
Doch die Antwort ist eigentlich ganz einfach: Die kleine Abzweigung in einen anderen Flur liegt in einem ungünstigen Winkel. Die Öffnung liegt einige Meter vor unserem genauen Standort und durch eine mächtige, sicherlich antike Kommode und einen engzulaufenden Gang, ist die Sicht darauf weitestgehend verstellt. Dennoch ist das keine Entschuldigung für eine derartige Unaufmerksamkeit. Das war die perfekte Möglichkeit für einen Angriff, doch alle vier von uns haben diese Tatsache entweder nicht bewusst wahrgenommen oder waren zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt.
So oder so stehen uns jetzt drei Soldaten entgegen, die uns alle hämisch grinsend entgegenblicken. Sofort beziehen Dean, ich und der Neuankömmling vor dem Prinzen Stellung und in meinem Blut baut sich ein weiteres Mal eine Menge Adrenalin auf, das durch meine Adern rauscht und mein Herz laut in meinen Ohren klingen lässt. Dann – ohne ein richtiges Startsignal rasen alle Koslower gleichzeitig auf uns zu, fast so als hätten sie diesen Schachzug lange Zeit geübt.
Wir stoben etwas auseinander, um genügend Platz zum Kämpfen zu haben, aber dennoch keinen Zugang zu der Zielperson zuzulassen. Ich übernehme den Soldat in der Mitte. Er schwingt eine Waffe in beiden Händen, was mich darauf schließen lässt, dass es sich dabei um ein Zweihänderschwert handelt. Ich schlucke, während sich mein Herzschlag nochmal um ein paar Frequenzen beschleunigt. Ich habe noch nie gegen einen Mann mit solch einer Waffe gekämpft, da diese Art nur noch sehr selten benutzt wird, obwohl sie die Reichweite eines Speers, die Vorzüge eines Schwerts und einen Hauch jener Schlagkraft in sich vereinen, die sonst nur Äxte liefern. Doch dieses Kampfgerät braucht auch wahnsinnig viel Übung, weshalb ich nicht nur Angst vor diesem überdimensionalen Schwert haben sollte, sondern auch vor dem Profi dahinter.
Der erste Angriff erfolgt schnell und ich weiß, dass mich nur ein Ausweichmanöver retten kann, da meine Verteidigung die Wucht eines zweihändigen Schlages nicht bewältigen könnte. Also springe ich einen Schritt schräg nach hinten und entgehe damit der wuchtigen Schneide der Waffe mit einem handbreiten Abstand. Schnell starte ich ebenfalls einen Angriff und versuche die Frequenz meiner Schläge dabei so hoch wie möglich zu halten. Wenn ich diesen Kampf gewinnen will, darf ich mich nicht in die Defensive drängen lassen.
Doch obwohl ich von Dan gelernt habe, dass Zweihänder wegen ihrer Schwere einen Nachteil in der Defensive haben, ist der Koslower erprobt genug, um all meine Schläge abzuwehren. Ich versuche mich davon nicht entmutigen zu lassen und weiterhin so schnell wie möglich meine Zielstelle zu wechseln, um vielleicht irgendwann einen Treffer zu erlangen, doch ich weiß, dass ich diese Prozedur nicht lange durchhalten werde. >>Fait bring' Prinz Daimon von hier weg. Wir übernehmen ab hier<<, brüllt mir Dean vor wilder Entschlossenheit zu, doch ich weiß, dass dieser Plan erst möglich ist, wenn einer von uns seinen Gegner außer Gefecht gesetzt hat. Ansonsten wird der dritte Angreifer mir und Daimon nachsetzen und uns gegebenen falls töten, bevor wir auch nur annährend genug Abstand zu ihm aufbauen können.
>>Verstanden<<, erwidere ich trotzdem durch zusammengepresste Zähne und versuche mich nicht von meiner Zielperson ablenken zu lassen. Doch meine Angriffe verlieren schon ihre Geschwindigkeit, weil mein Körper die Kraft verlässt und mein Arm mit dem Säbel immer schwerer wird. Mein Feind sieht mir meine Erschöpfung natürlich an und ergreift die Initiative, um seinerseits einen Angriff auszuüben. Ich muss wieder zurückweichen, was dafür sorgt, dass meine Schlagkombination kurz aussetzt.
Mein Herz setzt einen kurzen Schlag aus, als sein mächtiges Schwert von oben auf mich zu saust und da ich keine Möglichkeit sehe rechtzeitig auszuweichen, begehe ich einen fatalen Fehler und hebe meinen Säbel in der Hoffnung eines Blocks. Die Klingen stoßen laut klirrend aneinander und ich werde von der Wucht des Aufpralls nach hinten geworfen. Bevor ich mein Gleichgewicht in irgendeiner Art und Weise finden kann, schlägt mein Hintern schon auf dem Boden auf und lässt mir einen stechenden Schmerz durchs Steißbein schießen.
Panik flammt in mir auf, als ich realisiere, dass ich mich in der schlechtesten Position bei einem Kampf befinde. Mit einem siegessicheren Lächeln schreitet der Soldat auf mich zu. Sein Schwert liegt schon in der richtigen Position in seiner Hand, um sie mir durchs Herz zu jagen und selbst wenn ich es schaffen würde aufzustehen, würde ich diese Aktion mit meinem Leben bezahlen. Mir bleibt also nichts anderes übrig, als meinen Säbel für ein Minimum an Schutz zu heben und mich mit der freien Hand nach hinten zu ziehen – außerhalb seiner Reichweite.
Mein Atem geht schneller. Ich will nicht sterben, schießt es mir durch den Kopf, doch wenn ich mir die große, vor mir aufragende Gestalt und die kolossale Waffe so ansehe, werde ich das wohl in wenigen Minuten sein: Tot. Verzweifelt versuche ich mich weiter rückwärts zu kämpfen, doch der Koslower ist gehend einfach schneller als ich und hat den Rückstand in wenigen Sekunden wieder aufgeholt. >>Du hättest dich hier draußen nie aufhalten sollen, Schätzchen. Auch wenn du eine Waffe bei dir trägst, bist du doch keine Soldatin. Also verabschiede dich von deinem Leben<<, meint der Soldat, während ich, in einem letzten Aufbegehren von Hoffnung, meine Beine mit größtmöglicher Kraft gegen seine schnellen lasse.
Er geht zu Boden. Am liebsten hätte ich erleichtert aufgejauchzt, doch dafür lasse ich mir keine Zeit. So schnell wie möglich stürze ich nach vorne auf mein Knie, um mich im nächsten Moment auf seinen Bauch zu schwingen und meinen Säbel in einer schnellen Bewegung nach unten sausen zu lassen. Blut spritzt, als sich meine Klinge senkrecht durch seine Kehle bohrt und ihn tot zurücklässt. Fahrig wische ich mir über mein Gesicht, um die roten Tropfen grob abzuwischen. Dann quäle ich mich auch schon vom Boden hoch, ohne dem Gesicht des Toten allzu große Beachtung schenke.
Je schneller wir hier wegkommen desto besser, denke ich und sprinte den kurzen Weg auf Daimon zu, der festgefroren und mit leerem Blick unser eigenes kleines Schlachtfeld betrachtet. >>Komm mit<<, meine ich, während ich kurz aus dem Augenwinkel wahrnehme, dass die Kämpfe der anderen nach wie vor laufen. Gut. Das sollte uns die Möglichkeit geben zu verschwinden ohne, dass uns ein feindlicher Soldat folgen kann. Schnell greife ich mit meiner freien Hand nach Daimons, die sich unter meinen Fingern ein wenig kalt anfühlt und schleife ihn, ohne auf eine Erwiderung zu warten, einfach hinter mir her.
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Was mache ich jetzt mit ihm?, frage ich mich, während ich und Daimon den Gang entlangsprinten und die Geräusche des Schlachtfeldes zu einem Minimum verstummen. Mittlerweile scheint der Prinz aus seiner Starre erwacht zu sein, denn seine Beine bewegen sich ohne zu stolpern im Einklang mit meinen. Seine Hand lasse ich trotzdem nicht los. Wer weiß, ob er sich nicht einfach absichtlich zurückfallen lässt, um anschließend auf eigene Faust und vollkommen unbewaffnet seinen Bruder zu suchen.
Wir rennen weiter. Unser beider Atmen geht bereits rasselnd und ich weiß, dass wir dem Feuer immer näher kommen, da ich das leichte Raucharoma bereits in der Luft riechen kann. Ich kann ihn nicht einfach der Gefahr des Feuers aussetzen, fällt mir ein. Doch genauso so wenig scheint es ein guter Plan zu sein, ihn allein zurück zum Bunker zu schicken. Schließlich kann man nie wissen, wo sich die Koslower überall aufhalten.
In diesem Moment kommen wir an einem mächtigen Schrank vorbei, der so wie ich den Dekorationssinn des Schloss bereits kenne, sicherlich nur zur Dekoration gedacht ist. Sofort bildet sich in meinem Kopf der passende Plan und ich lege einen abrupten Vollstop ein. Das wiederum sorgt dafür, dass der ahnungslose Daimon einfach weiterrennt und schließlich von unseren verschränkten Händen zurückgerissen wird und gegen mich stolpert.
>>Verdammt Fait! Sag bitte nächstes Mal einfach Bescheid, wenn du dich dazu entscheidest die Bremse zu ziehen<<, knurrt er mich an, während ich einfach einen Schritt auf den Schrank zugehe, den Schlüssel im Schloss umdrehe und ihn mit einem lauten Knarren öffne. Wie erwartet blickt mir im Inneren gähnende Leere entgegen. Eine Tatsache, die unwillkürlich dafür sorgt, dass sich meine Lippen zu einem entschlossenen Lächeln verziehen.
>>Steig in den Schrank<, meine ich ohne auch nur einen Hauch Freundlichkeit in der Stimme und schaue Daimon fordernd in seine haselnussbraunen Augen. >>Meinst du nicht auch, dass das der falsche Zeitpunkt ist, um eine Knutschsession in einem engen Räumchen abzuhalten?<<, fragt er in seiner üblichen Arroganz, die selbst die Schrecken eines Angriffs nicht von ihm waschen können, während seine Augen amüsiert funkeln. >>Steig in den Schrank<<, fordere ich noch einmal. Dieses Mal mit einer Stimme, die eigentlich keine Widerworte zulassen sollte, doch selbst mein bester Autoritätstonfall scheint bei dem dickköpfigen Prinzen keinen Schalter umzulegen. Stattdessen ist sein überhebliches Lächeln plötzlich wie ausgelöscht und er schaut mir mit einer ernsten Miene entgegen.
>>Du hast vor mich in dieses schäbige Möbelstück zu sperren, habe ich nicht recht? Du willst das genau wie beim letzten Mal alleine durchziehen, um mich zu schützen. Doch dieses Mal nicht, Eisprinzessin. Vielleicht habe ich keine Ahnung wo mein Bruder steckt und kann ihm deshalb nicht helfen, doch ich kann mit dir zusammen diesen Brand aufhalten. Das hast du doch vor oder nicht? Es würde jedenfalls zu deiner Märtyrerart und deinem Rettersinn passen<<
Entschlossen stiert mir Daimon in die Augen und rührt natürlich keinen einzigen Finger, um in diesen verdammten Schrank zu steigen. Unsicher knabbere ich an meiner Unterlippe herum, während das Ticken in meinem Kopf wieder mal zu einem Maximum ansteigt. Ich habe keine Zeit lange herum zu diskutieren, da wir durch das plötzliche Auftauchen der drei Soldaten bereits viel zu viel Zeit verloren haben. Doch ich kann einfach nicht zulassen, dass sich irgendjemand – und sei es eine Person, die ich so wenig leiden kann wie Daimon - in Gefahr begibt.
Denn was passiert, wenn ich sie nicht retten kann? Wenn ich versage, weil ich zu lange zögere? Nein, es sollte nicht jemand zusätzlich zu der allgemein herrschenden Gefahr auch noch sein Leben aufs Spiel setzen, nur weil ich mich dafür verantwortlich fühle den Brand zu löschen.
>>Nein, Daimon. Das wirst du nicht tun, weil du nämlich jetzt in diesen Schrank steigst und mucksmäuschenstill bist, bis -<< ich dich holen komme, will ich eigentlich sagen, doch ich bringe die dafür nötigen Worte einfach nicht über die Lippen, >> - jemand dich dort rausholt. Wenn der Angriff vorbei ist, wird man schließlich nach dir suchen. Hörst du? Ich kann einfach nicht zulassen, dass du dich in die Nähe des Feuers begibst. Das ist viel zu gefährlich und außerdem auch noch unnötig-Leben-aufs-Spiel-Gesetze. Es reicht, wenn ich mich in Gefahr begebe<<
Bittend sehe ich ihn an, während ich ihm weiterhin die Schranktür aufhalte. Mir ist durchaus bewusst, dass ich mit ihm spreche, als wäre er fünf, aber verdammt, wie soll es denn sonst klingen, wenn die Situation beinahe vergleichbar damit ist, einen Nichtschwimmer in einen Fluss mit starker Strömung springen zu lassen. Er könnte das nicht überleben. Er könnte an einer Rauchvergiftung sterben und es wäre meine Schuld, weil ich nachgegeben habe und zugleich nicht fähig bin, mich gegen einen überheblichen Prinzen durchzusetzen.
>>Du bist also tatsächlich so durchgeknallt, allein einen Brand löschen zu wollen<<, stellt Daimon fest und klingt dabei nicht einmal annährend überrascht, >>Tja, dann schätze ich mal, dass du die Sprinkleranlage wieder in Gang setzen willst, die eigentlich sofort hätte losgehen sollen. Doch dafür müsstest du erstmal wissen, wo genau eigentlich der Kontrollraum für diese Technik liegt<< Er wirft mir einen bedeutungsvollen Blick zu, der bewirkt, dass ich meine Lippen verkniffen aufeinanderpresse. Ich hasse die Richtung, die dieses Gespräch einschlägt.
>>Doch irgendetwas sagt mir, dass dir dieses Wissen in deinem grandiosen Plan fehlt. Aber keine Sorge, ich bin schließlich in diesem Schloss aufgewachsen und kenne jedes einzelne Zimmer ganz genau - jedenfalls in den obersten drei Stockwerken. Zu deinem Leidwesen werde ich dir seinen Standort aber nicht verraten... Es sei denn: Du nimmst mich auf deine hirnverbrannte Mission mit. Na, was sagst du Flämmchen? Haben wir einen Deal?<<
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Eigentlich wollte ich das Kapitel anders beenden, aber es dauert mal wieder alles länger als vermutet... Jedenfalls war das mal wieder ein sehr langes Kapitel (*hust fast 4.000 Wörter *hust* und ich hoffe natürlich es hat euch gefallen.
Schreibt mir unbedingt in die Kommentare, was eure neusten Theorien sind. Ich möchte heute nämlich keine Frage stellen, um euer Augenmerk nicht auf Kleinigkeiten zu lenken, die lieber noch ungesehen bleiben sollen *lächelt geheimnisvoll*
Tja, wir lesen uns beim nächten Mal ^^
PS: Extra für dich @evenwind (und für alle anderen, die sonst noch gerne während dem Lesen Musik hören), habe ich oben einen Song eingefügt ;)
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