Kapitel 51
Kämpf mit mir Flämmchen. Die Worte hallen in meinem Inneren nach. Wandern einmal von meinen Zehenspitzen wieder zurück in mein Gehirn, wo sich dann langsam ein Gefühl der Verwunderung ausbreitet. Ich muss ehrlich sagen, dass ich das nicht erwartet hätte. Es scheint gleichzeitig zu dem Prinzen zu passen, den ich kennengelernt habe und dann auch wieder nicht. Eigentlich hatte ich vermutet irgendeine Mutprobe durchstehen zu müssen, bei der mein größter Feind mein Kopf gewesen wäre, der mir ständig eintrichtern möchte, was für eine Schnapsidee das Ganze ist. Selbst ein Kuss hätte ich in seinem angetrunkenen Zustand als Aufgabe in Erwägung gezogen, doch das ist nicht nur auf eine Art überraschend.
>>Na gut. Lass das Jackett aber besser an. Wir wollen ja keine Grasflecken in das weiße Hemd machen<<, meine ich, bevor ich ihm ein letztes herausforderndes Lächeln schenke und ihn dann mit den anderen Erwählten am Tisch alleine lasse. Mein Ziel ist natürlich das Stück Wiese, das sich neben den Kieselwegen erstreckt und das bis auf die wenigen Sofas leer steht.
Ich habe mit Dean noch ein paar Mal unter freiem Himmel trainiert und ich muss sagen, dass ich den Rasen dem Trainingsraum immer noch vorziehe. Denn obwohl das Zimmer im Schloss ein umfassendes Arsenal an Übungsmitteln beherbergt, ist das Outdoortraining meiner Meinung nach realitätsgetreuer. Die Wiese ist nicht immer vollständig trocken und es können Steine, Stöcke oder andere störende Gegenstände im Weg liegen. Eine Tatsache, die unter den perfekten Voraussetzungen im Trainingsraum natürlich nicht der Fall sind.
Hinzu kommt die Dunkelheit, die in der Natur zur richtigen Uhrzeit selbstverständlich ist, während sie drinnen erst durch das Ausschallten des Lichts herbeigeführt werden muss. Da es mittlerweile schon nach 20 Uhr ist und der Tag-Nacht-Zyklus trotz der fehlenden Jahreszeiten immer noch intakt ist, wird auch dieser Kampf unter schlechten Lichtverhältnissen stattfinden. Sofort muss ich lächeln. Nicht nur, dass ich gegen einen Gegner kämpfe, den ich noch nicht so wohlstudiert habe wie Dean, jetzt kann ich auch meine Lektion im Dunkelkämpfen wieder auffrischen. Es klingt so, als würde dieses Gruppendate doch noch eine nette Wende nehmen, denke ich, während ich mit meinen Schuhen teste, wie rutschig das Gras ist.
Erst gestern gab es einen längeren Regenguss, doch mittlerweile ist der Boden schon fast wieder getrocknet, weshalb ich mir keine allzu großen Sorgen darum mache, ausversehen auszurutschen. Ungeduldig drehe ich mich zurück zum Pavillon, der im Gegensatz zu dem Wiesenstück hellerleuchtet ist, so dass ich ganz genau erkennen kann, dass sich Daimon noch keinen Millimeter vom Fleck bewegt hat. >>Was ist jetzt? Kommst du? Oder hast du etwa Angst? Du musst das nicht durchziehen wenn dein Herz schon zu schnell in deiner Brust auf- und abschlägt. Wir können mich auch einfach sofort zur Siegerin erklären<<, meine ich, >>Und du darfst dann natürlich den Titel des feigen Huhns tragen<<
Beim letzten Satz wird mein Lächeln noch breiter und ich hoffe, dass genug Licht aus dem Pavillon auf mich fällt, dass er es sehen kann. Verdammt, fühlt sich so eine Retourkutsche gut an, stelle ich fest, während ich meine Lederimitatjacke aus Stoff ein wenig an den Ärmeln hochkremple. Ich weiß gar nicht, was ich lieber hätte, dass er jetzt aufgibt und ich ihn sein Leben lang damit aufziehen kann oder einen netten Kampf im Dunklen auszufechten.
>>Keine Sorge, Flämmchen. Du bekommst dein kleines Duell noch früh genug. Ich wollte mir nur noch einen kurzen Drink genehmigen<<, antwortet er und ich muss ärgerlicher Weise feststellen, dass meine Worte sein arrogantes Lächeln nicht geschmälert haben. Im Gegenteil, er scheint es jetzt als seine neue Mission zu sehen, mich mit dieser totbringenden Warterei in den Wahnsinn zu treiben, denn er flirtet noch eine lange Zeit ausgiebig mit den anderen Damen, während er nach und nach seinen frisch eingegossenen Drink leert.
Dieser Mistkerl, denke ich heute bestimmt nicht zum ersten Mal und beginne mich an das zu erinnern, was meinem damaligen Ich, bei unserem letzten Kampf aufgefallen ist. Zum einen bevorzugt er unbewusst eine Rechts-links-Kombination, was es einfach macht seinen ersten Zug vorauszuahnen. Des Weiteren sind ihm die Bewegungen noch nicht in Fleisch und Blut übergegangen, was entweder bedeutet, dass er unkontrolliert drauflosschlägt oder zu lange braucht, um seinen nächsten Treffer zu koordinieren. Auch seine Abwehr hat letztes Mal ein wenig zu wünschen übrig gelassen, so dass ich mir sicher bin, dass ich den Kampf mit einer guten Deckung und durchdachten Schlägen für mich entscheiden kann.
>>Und hier bin ich auch schon<<, flüstert mir plötzlich eine Person ins Ohr und bevor mein Gehirn Zeit hat, die Stimme gegebenenfalls zu identifizieren, aktivieren sich meine Soldateninstinkte. Der erste Schlag mit dem Ellenbogen trifft genau in den Bauch des Menschens, was demjenigen einen unsittlichen Fluch entlockt, der sofort erlischt, als ich im zweiten Schritt das gleiche Körperteil einsetze, um von unten gegen sein Kinn zu schlagen. Normalerweise hätte ich dem Störenfried mit einer Hammerfaust noch den letzten bösen Gedanken ausgetrieben, doch mittlerweile hat mein Gehirn erkannt, dass es sich dabei nicht um irgendeinen Kleinkriminellen sondern nur um Prinz Daimon handelt, der sich fluchend das Kinn reibt.
>>Verdammt Fait. Der Kampf beginnt erst auf ,,Los" und nicht in dem Moment, in dem der Gegner das Feld betritt<<, murrt er, was mir für eine Sekunde ein schlechtes Gewissen bereitet, bevor mir wieder einfällt, was an diesem einen speziellen Ballabend vorgefallen ist und das Gefühl erlischt. Dieser überraschende Stirnkuss gepaart mit meinem vernichteten Sieg, ist meiner Meinung nach ein echter Gewissenskiller, denn ab diesem Moment habe ich nur noch eine spöttische Miene für ihn übrig.
>>Du solltest dich nicht nachts an eine Frau heranschleichen. Es gibt Gegenden, da steht hinter dir nicht ein arroganter Kotzbrocken mit einem imaginären Krönchen, sondern ein Vergewaltiger<< Meine Stimme nimmt bei diesem Thema automatisch einen dunkleren Ton an, denn obwohl ich die Unterschicht im Allgemeinen liebe, hat sie doch einige Tücken. Eine davon ist die hohe Kriminalitätsrate, die in Heavensent herrscht, was eine Auswirkung von vielen verschiedenen Dingen sein könnte. Zum einen ist die Armut hier wirklich hoch, auch wenn es auf den ersten Blick nicht den Anschein macht. Denn für viele werden die dunklen Seiten dieses Königreiches und die Ungerechtigkeiten einfach von dem großen Reichtum der Oberschicht überstrahlt, was wahrscheinlich schon, dem ein oder anderen Einwanderer das Genick gebrochen hat.
Heavensent ist bekannt für seine reiche Wirtschaft und sein gesittetes Leben – für ein kleines Stück Mittelalter, obwohl das mittlerweile auf viele Länder zutrifft, weil Altes nun einmal doch nicht unbedingt etwas Schlechtes heißt. Auf dem Papier ist die Kriminalitätsrate eine kleine Zahl, doch die Schwarzzahlen übersteigen wahrscheinlich das Denken jedes Oberschichtlers, der am Morgen entspannt die Zeitung aufschlägt. Denn wenn du zu der untersten Schicht gehörst stehen deine Möglichkeiten auf eine Anzeige denkbar schlecht, da die heutige Polizei nicht genug Personal hat, um jede Beschwerde durchzukauen.
Deshalb werden meist nur die berücksichtigt, die auch etwas obendrauf zahlen können und das sind nun mal meistens reiche Leute, die viel seltener mit Kriminalität in Berührung kommen als Normalbürger.
Wie gesagt, Soldaten sind in diesem Land schon lange Mangelware, da es zu viele Orte gibt an denen sie gebraucht werden. An den Grenzen, des Königreichs zu der Zurückdrängung der Koslower, als königliche Leibwachen und als Polizisten in den Städten. Das alles zählt unter diesen Beruf und bildet zusammen die drei Fachgebiete, von denen ich am liebsten das erste belegen würde, doch jetzt ist wahrscheinlich nicht die richtige Zeit um über so etwas nachzudenken. Immerhin liegt heute Abend noch ein Kampf vor mir.
>>Wollen wir anfangen?<<, frage ich, auch wenn Daimon auf meine letzte Aussage immer noch nichts erwidert hat. Er scheint wie ich in seinen eigenen Gedanken versunken zu sein, während er seine Hände in einem unruhigen Tanz immer wieder zu Fäusten ballt, um sie kurz darauf wieder zu lockern. >>Natürlich, Flämmchen. Wenn es dir nichts ausmacht würde ich aber dieses Mal das Signal geben<< Mit einem frechen Lächeln reibt er sich ein letztes Mal über das Kinn, um auch den gemütlichsten Gehirnzellen in meinem Kopf klarzumachen, auf welches Ereignis sein Kommentar abzielt.
Gleichzeitig gehen wir in Position, während Daimon mir ein letztes Lächeln schenkt, das plötzlich nichts mehr mit der Arroganz oder der Provokation zu tun hat, die er ansonsten zur Schau stellt. Es ist einfach nur freudlos. Freudlos und wütend, so als würde das alles nicht auf seinen Wunsch geschehen, sondern als würde ein ganz anderes Wesen hier gerade die Fäden ziehen und ihn gegen seinen Willen nach seiner Pfeife tanzen lassen.
>>Los<<, meint Daimon und es ist kaum ein Flüstern, das nur aufgrund des geringen Abstandes bei meinen Ohren ankommt. Sofort schaltet mein Körper vollständig auf Überlebensmodus und ich würde lügen, wenn ich sage, dass das nicht mein Lieblingsteil am Kämpfen ist. Der Moment, in dem sich alles in dir auf dein Gegenüber fokussiert und das Adrenalin langsam durch deine Adern rauscht, bis es immer schneller wird.
Der erste Schlag des Prinzen kommt überraschend. Er bricht aus seiner gewöhnlichen Startkombination aus und würde einen blutigen Anfänger sicher gehörig ins Straucheln bringen, doch ich hab in meinem Leben genug Übung erhalten, um dem Schlag erfolgreich auszuweichen. Sofort ziele ich auf seinen Bauch – genau auf die Stelle, die ich zuvor auch getroffen habe, doch Daimon überrascht mich damit, dass er unaufhörlich weiterschlägt, anstatt sich die Zeit für einen starken, kontrollierten Schlag zu nehmen. Mein Angriff missglückt, da ich zu beschäftigt bin, die auf mich regnenden Fäuste mit der Außenseite meiner Unterarme abzublocken oder gegebenenfalls geschickt auszuweichen.
Würde ich nicht so hartnäckig versuchen mich gegen ihn zu behaupten, würde mir sofort durch den Kopf gehen, wie sehr sich sein Kampfstil vom letzten Mal unterscheidet. Damals hatte er eine bessere Technik und setzte seine Schläge kontrollierter ein, auch wenn er durch die fehlende Übung keinen Treffer bei mir landen konnte. Jetzt sind seine Angriffe viel aggressiver und scheinen beinahe wahllos von statten zu gehen, was sie einerseits schwer zum Abwehren macht und andererseits einen Angriff auf Brusthöhe verkompliziert.
Alles was hingegen unter seiner Gürtellinie passiert, denke ich und positioniere im selben Moment mein Bein hinter seinem, ist für ihn nicht abwehrbar, da er zu beschäftigt ist seine Fäuste spielen zu lassen. Mit einem kleinen Ruck setze ich mein Bein so ein, dass sein Standbein nicht mehr stabil stehen kann, was kurz darauf eine Reihe von Ereignissen auslöst, bei der er schlussendlich das Gleichgewicht verliert und zu Boden geht.
Sofort setze ich ihm nach und setze mich wie auf einem richtigen Straßenkampf auf seine Brust, um ihm vom Aufstehen abzuhalten. >>Schachmatt würde ich sagen<<, meine ich und grinse von oben auf die schweratmende Gestalt unter mir. Die hohe Frequenz seiner Faustschläge muss ihn reichlich erschöpft haben, kommentiert mein Hirn und muss beinahe die Augen darüber verdrehen, dass er sich schon wieder von mir hat zu Fall bringen lassen. Er scheint aber auch nie aus seinen Fehlern zu lernen und darauf zu achten, was ich mit meinem Bein mache, anstatt sich voll und ganz auf meine Schläge zu konzentrieren. Aber das ist wohl eine ganz natürliche Nebenwirkung bei jemand, der normalerweise nur mit seinen Fäusten auf einen Boxsack eindrescht.
>>Nicht wenn wir nach meinen Regeln spielen<<, flüstert er und ehe mein Gehirn richtig schalten kann, hat er uns beide schon so über den Boden gerollt, dass er es sich nun auf mir bequem macht. Sofort spüre ich sein Gewicht auf mir, da er es sich scheinbar zur Aufgabe gemacht hat, mich unter sich zu begraben. Habe ich eigentlich mal erwähnt, dass das die schlimmste Position ist, in die du als Frau geraten kannst? In solchen Momenten stehen deine Chancen selten gut und normaler Weise hätte ich mit sofortiger Wirkung auf seine Weichteile gezielt, doch in der leisen Vorahnung, dass er unter seiner Anzughose keinen Tiefschutz trägt, lasse ich es lieber. Schließlich habe ich ihm heute schon genug Schmerzen bereitet, da sollte ich wenigstens seine Kronjuwelen verschonen.
Stattdessen versuche ich also anderweitig gegen ihn anzukommen, doch er ist anscheinend im Bilde davon, was ich machen möchte, denn er ist nicht kleinzukriegen. Verdammt, denke ich und hätte am liebsten geknurrt wie ein bösartiger Hund. Kann jemand bitte mal kurz die Schwerkraft um ein paar Newton verringern, damit ich diesen blöden Prinzen von mir runterkriege?, frage ich mich, als mir endlich wieder die passende Technik in den Sinn kommt. Mit einem unschuldigen Lächeln donnere ich mein Knie mit voller Wucht gegen seinen Rücken, so dass Daimon in einer schnellen Bewegung nach vorne fällt. Sofort ziehe ich eine seiner Hände weiter weg von unseren Körpern, um ihn noch näher zu mir zu bringen. Denn desto mehr Nähe man in diesem Fall zum Feind gewinnt, desto einfacher wird es, den Spieß wieder umzudrehen und die Oberhand zu gewinnen. Das ist eine der wichtigsten Grundlagen, die man bei dieser Art des Bodenkampfes beachten muss.
>>Nicht so stürmisch, Süße<<, haucht Daimon leise auf meine Lippen. Und mir wird erst in diesem Moment so richtig bewusst wie nah unsere Gesichter sich mittlerweile tatsächlich stehen. Durch seine geflüsterten Worte kann ich ganz klar den Alkohol riechen, der in seinem Atem liegt und auch sein Geruch nach frisch gefallenem Regen dringt jetzt zu mir durch und ich erwische mich dabei, wie ich einmal tief durch die Nase einatme. Verdammt, warum muss er unbedingt so riechen wie mein Lieblingsduft? Ausgerechnet er! Kann ich diesen Geruch nicht auf jemanden übertragen, der etwas netter und nicht so grauenvoll überheblich ist?
Plötzlich kann ich trotz der spärlichen Beleuchtung sehen, wie Daimon schwer schluckt und mich mit funkelnden braunen Augen durchbohrt, was aus unerklärlichen Gründen dafür sorgt, dass mir auf einmal so heiß wird, wie ich es nur von meinen Feuerfähigkeiten kenne. >>Ich - <<, beginnt er und sein warmer Atem streicht über meine Lippen, während etwas durch seinen Blick huscht, das ich nicht identifizieren kann.
>>Du?<<, frage ich mit einem leicht genervten Unterton, da dieser Moment nicht seltsamer sein könnte und sein Gewicht mir langsam aber sicher die Luft abstellt. >>Ich sollte nicht hier sein<<, endet er und steht mit einem überraschenden Ruck auf, der mich für einen kurzen Moment sprachlos zurücklässt. Ob es daran liegt, dass ich endlich wieder frei atmen kann oder mein Gehirn einfach nicht in der Lage ist Daimons seltsame Stimmungswechsel zu verstehen, weiß ich nicht, aber was ich weiß, dass bei dem Prinzen irgendetwas im Busch ist. Irgendetwas ist heute anders als sonst und ein Teil von mir – der neugierige Part meinerseits – will unbedingt herausfinden, was es damit auf sich hat.
>>Verdammt. Warum funktioniert es nicht?<<, knurrt Daimon und läuft geradewegs auf ein Sofa zu, das er mit einem gezielten Kick drangsaliert. Dann nochmal. Und noch einmal. Immer weiter, bis ihm eigentlich langsam der Fuß wehtun sollte, doch das scheint ihn gerade reichlich wenig zu kümmern. Sofort springe ich auf, um zu ihm zu eilen. Alle anderen scheinen ja zu überrascht oder ängstlich zu sein, um sich an den tobenden Prinzen heranzuwagen. Seine Bodyguards stehen alle weiter weg und bekommen in ihrer Plauderstunde so gut wie nichts von dem Treiben des Gruppendates mit, obwohl ihre einzige Aufgabe darin bestehen soll den Prinzen und die restlichen Damen zu beschützen. Befehl nicht ausgeführt, würde ich da sagen.
Und die anderen Erwählten sind so wieso keine Hilfe, da sie viel zu beschäftigt damit sind, sich in einer entsetzten Geste die Hand vor den Mund zu schlagen. Also bleibe wohl oder übel nur noch ich übrig, die Daimon gerade mit all der Kraft, die ich aufbringen kann, von dem Sofa wegstößt. >>Sag mal, hast du sie noch alle?<<, fahre ich ihn an und eine Welle des Zorns überrollt mich wie eine kräftige Wagenladung voller Streichhölzer.
>>Was ist dein verdammtes Problem? Na was? Du lässt dich einfach volllaufen und schlägst dieses hirnrissige Spiel vor, das nicht mal Sinn machen würde, wenn wir alle sturzbetrunken wären. Dann entscheidest du dich wie aus dem Nichts dafür, dass du mit mir kämpfen willst, um kurz darauf die Regeln zu ändern, davon zu stürmen und eine Couch zu tyrannisieren. Also, was ist mit dir?<< Meine Stimme wird bei jedem Wort lauter, doch das interessiert mich gerade herzlich wenig, denn ich habe endgültig genug von seinen dummen Spielchen. Ich weiß nicht, was der Grund dafür ist, dass er so verdammt verkorkst ist, aber so langsam frage ich mich, ob es überhaupt eine Erklärung gibt, die das alles rechtfertigen würde.
>>Das geht dich einen Dreck an, Montgomery! Du interessiert dich doch sonst auch nicht für mich, weil du zu beschäftigt damit bist, mir deine Abneigung auf dem Silbertablett zu servieren. Du stiefelst durchs Leben mit deiner albernen Eisköniginneneinstellung und tust so, als wäre bei dir alles in bester Ordnung. Doch soll ich dir etwas sagen? Bei dir ist nicht alles in bester Ordnung, sonst würdest du nicht dieses perfekte Poker Face aufsetzen und nur in deinen verletzlichsten Momenten preisgeben, wie kaputt du eigentlich bist! Diesen traurigen Blick voller Angst und Selbsthass bekommt man nicht von irgendwoher. Ich weiß das! Und wenn ich an diesem einen beschissenen Abend entscheide, dass ich mal nicht so tun möchte als würde mein Leben nur aus einem Haufen Reichtum und Glücklichsein bestehen, dann ist das mein gutes Recht!<<, brüllt er mir entgegen und ich kann auch im spärlichen Licht erkennen, dass in seinen Augen Tränen glänzen.
>>Verdammt, ich hätte für sie da sein sollen! Ich hätte bei ihr sein sollen! Doch wegen diesem verdammten Gruppendate, das mir meine Eltern aufgehalst haben kann ich nicht - << In einem Anfall von hilfloser Wut schleudert er ein Kissen gegen einen Baum mit rauer Rinde, bevor er ein Weiteres gleich hinterherwirft. Währenddessen bin ich einfach zu sprachlos um irgendetwas herauszubringen. Doch selbst wenn mein Mund funktionieren würde, wüsste ich nicht, was ich sagen sollte. Ich weiß nicht einmal wie ich mich nach dieser Ansprache fühlen soll. Am liebsten hätte ich mich einfach umgedreht und wäre zurück zum Schloss gerannt. Hätte das alles einfach vergessen, doch meine Füße haben sich ebenfalls entschieden, sich nicht mehr zu bewegen.
Stumm sehe ich dabei zu, wie Daimon auf dem Sofa zusammensackt und mit leerem Blick in den Himmel schaut. Und trotz der Tatsache, dass ich wahrscheinlich stinksauer auf ihn sein werde, wenn mein Gehirn erstmal in der Lage ist, all seine Worte richtig zu verarbeiten, lasse ich mich neben ihm auf das Sofa fallen und richte meinen Blick ebenfalls in den weiten Horizont voller glitzernder Sterne.
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Seine Worte verfolgen mich. Gestern Abend, über den Mittag hinweg und auch jetzt um halb drei dieses ereignislosen Montags, wobei es mittlerweile schon eher Dienstag ist, da der Zeiger schon vor einer gefühlten Ewigkeit über die zwölf gerutscht ist. Nein, es hat sich definitiv nicht gelohnt früher ins Bett zu gehen, um ein wenig Schlaf nachzuholen, der in den vergangenen Tagen durch meine kreisenden Gedanken etwas zu kurz kam. Denn statt wunderbare zehn Stunden am Stück zu schlafen liege ich jetzt schon seit einer geschlagenen Stunde wach und scheitere bei dem Versuch mein Gedankenkarussell auszuschalten.
Bei dir ist nicht alles in bester Ordnung, schalt seine Stimme mal wieder durch meinen Kopf und ich kann nicht verhindern, dass ein ertapptes Gefühl durch meinen Körper strömt. So sehr ich es auch hasse es zuzugeben, aber Diamon hat ausnahmsweise mal Recht. Mein Leben ist nicht sorglos und geht sicher auch nicht ohne Probleme von statten. Die Tatsache, dass ich mehrere Leute mit meinem Feuer getötet habe hängt mir immer noch nach und auch nur die Anwesenheit meiner Kräfte macht mir jeden Tag zu schaffen, doch deshalb muss ich das doch nicht jedem unter die Nase reiben, oder?
Es ist okay, dass ich mich dafür entschieden habe den zerbrochenen Teil von mir zu versteckten und stattdessen eine Kämpfernatur zu werden, die für ihren Glauben eintritt! Daran ist nichts falsch und von dieser ,,Eisköniginnen"-Einstellung werde ich mich sicherlich nicht abbringen lassen, nur weil Mr. Kotzbrocken angetrunken und offensichtlich stocksauer, einen Haufen Mist von sich gegeben hat!
In diesem Moment erinnere ich mich wieder daran, wie ich nach einer kurzen Zeitspanne, die sich für mich wie eine halbe Ewigkeit angefühlt hat, einfach von der Couch aufgestanden bin und ohne einen Blick zurück in Richtung Schloss verschwunden bin, weil Daimons Worte es geschafft haben durch mein taubes Hirn zu dringen. Die ganze Zeit habe ich seinen Blick auf meinem Rücken gespürt, auch dann noch, als der Pavillon schon lange außer Sichtweite war und es sich dabei nur noch um Einbildung handeln konnte.
Nein, ich werde mir sicherlich nicht von Daimon in meinem Leben herumpfuschen lassen, auch wenn mir seine Anschuldigungen und seine kryptischen Sätze über eine geheimnisvolle Sie, nicht mehr aus dem Kopf gehen wollen. Das ist mein Leben verdammt! Und in diesem ist sicherlich kein Platz für die Meinung irgendeines arroganten Couchtyrannen, der es sich schon von Anfang an zur Aufgabe gemacht hat, mir mein Leben zu erschweren! Wütend schließe ich die Augen, während ich mir felsenfest vornehme ab jetzt keinerlei Gedanken an diesen Mistkerl zu verschwenden und stattdessen endlich ins Land der Träume zu segeln.
Doch gerade als ich auf dem besten Weg bin, meinen Plan in die Tat umzusetzen, wird der sich anbahnende Schlaf von einem plötzlich einsetzenden Geräusch jäh unterbrochen. Der Alarm, rast es mir durch den Kopf, während meine Augen so groß wie Untertassen werden und mein Herz sich, für einen kurzen Moment weigert, weiterhin Blut durch meine Adern zu pumpen. Bevor mein Kopf auch nur richtig schalten kann, bin ich auch schon kampfbereit aus dem Bett gesprungen und sperre die aufkommende Furcht, in den übervollen Raum ganz hinten in mein Bewusstsein.
Sie greifen wieder an. Die Koslower haben wieder einen Weg in den Palast gefunden, denke ich, während sich mein Überlebensmodus mit einem Ruck einstellt. Ich muss zum Bunker, ist mein erster Gedanke, als plötzlich etwas anderes meine Aufmerksamkeit erregt.
Durch die großen Fenster in meinem Schlafzimmer kann ich erkennen, wie einige Gestalten sich einen Weg über den Rasen zum Palast bahnen, doch das ist es nicht, was meine Welt von einem auf den anderen Moment auf den Kopf stellt. Aus einem Fenster in einem weiter entfernten Teil des Gebäudetraktes strahlt ein rot-orangenes Glimmen zu mir herüber, dass zusammen mit dem in der Dunkelheit kaum zu sehenden Rauch, nur einen einzigen Gedanken in meinem Kopf auslöst: Es brennt!
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Und das war die Lesenacht! (*grinst unschuldig, weil sie weiß, dass er Cliffhanger ein klein wenig fies ist*)
Was meint er, warum verhält sich Daimon zu seltsam? Und wer ist die geheimnisvolle Sie? Schreibt es mir gerne in die Kommentare ;)
Ansonsten hoffe ich natürlich, dass es euch gefallen hat und bis zum nächsten Mal ^^
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