Kapitel 29
Ich hatte Recht. Die Bettdecken riechen nach Desinfektionsmittel. Obwohl ich noch nie in meinem Leben ein richtiges Krankenhaus betreten habe, ist mir der Geruch nicht fremd. Schon oft musste Rocelyn, ein aufgeschürftes Knie oder einen feinen Messerschnitt desinfizieren und ich erinnere mich immer noch haargenau daran, wie ich anlässlich des beißenden Geruchs, jedes Mal die Nase verzogen habe.
>>Du hast richtiggelegen. Der Schnitt ist wirklich nicht allzu tief<<, reißt mich Macens Stimme aus meinen Kindheitserinnerungen, zurück in die Realität. Eine Wirklichkeit, in der ich vor kurzem noch ein paar Soldaten gegrillt habe und anschließend meiner Mutter das Elterndasein gekündigt habe. Kann der Tag noch seltsamer werden?, frage ich mich und beobachte den Prinzen dabei ,wie er ein orangenes Erste Hilfe Set von der Wand nimmt.
Ich für meinen Teil sitze auf einer der polarweißen Betten und lasse die Beine über den Boden pendeln, während meine Gedankenwelt einem Wollknäuel Konkurrenz macht. Die Taubheit scheint die Bilder des Kampfes und der Toten immer noch auszublenden. Trotzdem frage ich mich immer häufiger wie lange der Schutzwall die Schuldgefühle noch zurückhalten kann, bis mich das alles ein für alle Mal in den Abgrund reißt.
Dazu kommt meine Sorge, dass Daimon doch Verdacht schöpft und sich insgeheim schon einen Plan zu Recht legt, wie er mein Lügennetz am besten aufdecken kann. Vielleicht spricht da aber auch nur die Paranoia aus mir und er will einfach nur sicher gehen, dass ich ihn wegen dieses gemeinsamen Kampfes nicht für einen neu errungen Freund halte. Falls das der Fall sein sollte, werde ich ihn zweifelslos beruhigen können, denn obwohl Mr. Arrogant mir heute ein paar Mal wie ein edler Retter zur Seite stand, wiegt das nicht seine verworrene Persönlichkeit oder sein provokantes Verhalten mir gegenüber auf.
Und dann wären da natürlich auch noch der Streit mit Linda und das endgültige Ende unserer Beziehung. Falls man das Wort in Zusammenhang mit fehlender Zuneigung und einer Kommunikation ,bestehend aus Streitgesprächen überhaupt grammatikalisch richtig verwenden kann. Eines ist jeden falls sicher, ich fühle mich freier als jemals zuvor. Denn obwohl sich meine Gefühle in meinem inneren Chaos schlecht deuten lassen, kann ich trotzdem eine Art Erleichterung in mir fühlen. So als hätte ich durch diesen Schlussstrich ein Teil meines Seelenfriedens erlangt.
Doch ich habe mich nicht nur endlich von meiner Mutter befreit, sondern auch dem Rest meiner Familie endgültig den Mittelfinger gezeigt. Ich bin keine Montgomery mehr und wenn ich so darüber nachdenke, war ich das auch nie. Keiner in meinem engeren Familienkreis hat mich als Familienmitglied akzeptiert. Josh, mein Ex-Vater, hat mich ganze neunzehn Jahre ignoriert und für Trish und Linda bin ich nicht gut genug, um mir das Statussymbol einer Montgomery zu Eigen zu machen.
Auf dem Papier werde ich wohl immer als Fait Montgomery bekannt sein, doch im Herzen trage ich den Namen meiner richtigen Familie. San Rosa.
Rocelyn hat mich von Anfang an wie ihre eigene Tochter geliebt und ich bin mir sicher, dass sie mir in der stillen Namensänderung zustimmen würde. Ein tiefer Schmerz der Sehnsucht bohrt sich in mein Herz und nicht zum ersten Mal seit meiner Ankunft im Schloss, wünschte ich, sie würde wieder neben mir stehen und liebevoll eine verirrte Haarsträhne hinter mein Ohr streichen.
Ich sollte wirklich damit aufhören mir über alles und jeden den Kopf zu zerbrechen. Außer eine zum Tiefpunkt sinkende Laune, bringt mir mein Gedankenkarussell nun wirklich keine neuen Erkenntnisse, rüge ich mich und lasse meinen Blick endlich durch den Schutzbunker wandern. Zum Teil um mich abzulenken, aber auch weil ich mich an Orten unwohl fühle, die ich nicht aufs Äußerste inspiziert habe.
Schnell muss ich feststellen, dass meine Vorstellung eines Sicherheitsraums genauso von der Realität abweicht, wie meine erträumte Version eines Geheimgangs. Altes Gemäuer sucht man hier nämlich genauso vergeblich, wie Staubablagerungen, stattdessen strahlen einem weiße, saubere Wände entgegen, die anscheinend noch keinen einzigen Dreckpartikel gesehen haben. Außerdem besteht eine große Abteilung des Raumes aus einer Sofaecke und unzähligen Sesseln, die natürlich alle farblich aufeinander abgestimmt sind, so dass sich elfenbeinfarbene Bezüge mit roséfarbenen Kissen vermischen. Alles in allem wirkt es so, als wolle man die gesamte Oberschicht des Landes auf einen Gesellschaftsabend einladen, denn es ist nicht nur genug Platz, auf kleinen Beistelltischen türmen sich auch alle möglichen Zeitschriften und Magazine, was der Szene etwas skurriles verleiht.
Doch das Sahnehäufchen an der ganzen Farce sind die Erwählten, die es sich alle auf eben diesen Polstern bequem gemacht haben und nun schnatternd und lauthalslachend ihr Leben genießen, während andere Leute draußen gerade abgeschlachtet werden oder um ihr Leben kämpfen. In meiner Kehle steigt Galle auf und am liebsten würde ich von dem Bett aufspringen und diese falsche, scheinheilige Welt für immer hinter mir lassen, doch die Tür des Schutzbunkers ist fest verschlossen und ich glaube kaum, dass Cassie oder Macen so begeistert davon wären, wenn ich mich noch mal ins Kampfgetümmel werfen würde.
Schnell wende ich den Blick von den Mädchen in diesen furchtbar eleganten Morgenmäntel ab, um kurz darauf an einem Kleidungsständer hängen zu bleiben, der mit eben diesen bestückt ist. Von rosarot bis zu babyblau scheint jede Farbe vorhanden zu sein und zum ersten Mal kommt mir in den Sinn, welches Bild ich wohl abgeben muss. Ein Blick an mir herunter sagt mir, dass ich ausnahmsweise mit meiner Vorstellung richtig liege. Ich sehe aus als würde ich demnächst die Hauptrolle in einem Zombiefilm spielen.
Meine Kleidung ist blutverkrustet, aber auch ohne die Blutsprenkeloptik macht mein selbsternannter Schlafanzug nicht gerade den gepflegtesten Eindruck. In Wirklichkeit handelt sich es bei meinem Pyjama um die Lieblingsleggins und das Lieblingstop meines vierzehnjährigen Ichs, das ich in dieser Kombination ungefähr täglich zum Training getragen habe. Demnach ist beides nicht nur ziemlich eng und an manchen Stellen ein wenig kürzer als früher, sondern auch relativ abgetragen. So ist der Aufdruck des Oberteils nur noch schwer zu entziffern und beide Kleidungsstücke haben altersbedingte Löcher und etwaige Messerschlitze aus dem Training davon getragen. Aber was soll ich sagen? Ich hänge an den Teilen und außerdem habe ich ein Problem damit Dinge wegzuschmeißen, weshalb ich sie irgendwann zur Nachtwäsche umgewandelt habe.
>>Ich glaube, ich habe das Wichtigste zusammen <<, meint Macen und kommt beladen mit ein paar Utensilien wieder zu mir zurück. >>Geht es dir wirklich gut?<<, fragt er zum weiderholten Mal und mustert mich mit besorgter Miene. Eine Tatsache, die mir ein entnervtes Stöhnen entlockt, das ich ohne darüber nachzudenken entweichen lasse. >>Hör auf so überfürsorglich zu sein. Mir geht es gut. Es ist schon schlimm genug, dass es hier aussieht wie in einem Damensalon mit Zuckerwattenmotto, da musst du mir nicht auch noch mit besorgten Mienen den letzten Nerv rauben<<, gebe ich zurück und schaue ihn eindringlich an, so als wollte ich ihm das Versprechen abnehmen, sich ab jetzt nicht mehr um mich zu sorgen.
>>Zuckerwattenmotto?<<, hakt er belustigt nach, >>Eigentlich wollten unsere Vorfahren eine gemütliche Atmosphäre schaffen, aber deine Auffassung trifft es weitaus besser<<
Vorsichtig legt Macen seine errungenen Materialien neben mich aufs Bett und macht sich daran, eine durchsichtige Flüssigkeit auf ein Stück Baumwollstoff zu verteilen, während ich meine Augen abermals durch den Raum schweifen lasse. Stets darauf besinnt die ,,gemütliche Atmosphäre" zu enttarnen, die sich scheinbar vor mir zu verstecken scheint, denn alles was ich sehe, ist ein Tisch mit allen möglichen Lebensmittelvorräten und Getränken auf der anderen Seite der Sitzecke und ein mit einem Vorhang abgetrennten Bereich, in dem sich wohl das Königspaar versteckt hält. Passend zu dem restlichen Establishment des Bunkers sind die Vorhänge in einem brombeerrot gehalten, das noch einmal unterstreicht, dass die Raumausstatterin wahrscheinlich eine Frau gewesen ist. Oder, dass irgendwer dachte, er würde einen Damensalon verschönern, setzt eine andere Stimme in meinem Kopf hinzu.
>>Gemütlich? Soll das ein Witz sein? Ein Schutzbunker sollte nicht besonders bequem oder farbenfroh eingerichtet sein, sondern lediglich dem Schutz von Personen dienen. Das ist keine riesengroße Übernachtungspartie mit Klatsch, Tratsch und Schokomuffins, sondern eine ernsthafte Sachlage. Doch das scheint hier drin ja niemand wahrzunehmen, stattdessen malen sie sich ihre Hochzeit aus oder geben vor ihren Freundinnen an, während dort draußen gerade Menschen sterben, damit sie weiterleben können. Und anstatt Respekt für diese Menschen aufzubringen, genießen sie einfach weiter ihr Luxusleben ohne die Opfer überhaupt zur Kenntnis zu nehmen<<, empöre ich mich, während Macen wie vom Donner gerührt neben mir steht.
>>Was?<<, pampe ich ihn ausversehen an, weil ich seinem unergründlichen Blick nicht länger standhalten kann. Es ist nur so, es gibt Ungerechtigkeiten in diesem Land, über die alle hinwegsehen und die mich so unglaublich wütend machen, dass ich mir die Seele aus dem Leib schreien könnte. Doch ich scheine eine der Wenigen zu sein, die es nicht am eigenen Leib verspüren, aber trotzdem die Wahrheit erkennen. >>Nichts. Ich bin bloß von der Art und Weise beeindruckt wie du die Dinge siehst. Es ist so anders als das , was man mir mein Leben lang gelernt hat und was für mich normal erscheint<<, meint er, während ich mit den Schultern zucke, da ich nichts darauf zu erwidern weiß.
Zwischen uns breitet sich Stille aus und für einen kurzen Moment hängen wir einfach nur unseren eigenen Gedanken nach. >>Okay, ich bin so weit. Das könnte jetzt etwas brennen<<, erklärt der Prinz fachmännisch und beginnt damit, den durchtränkten Stofffetzen vorsichtig über meine Wunde zu tupfen. Tatsächlich entfacht sich bei jedem Tupfer ein heißer Schmerz, den ich mit zusammengebissenen Zähnen ertrage.
Um mich abzulenken mustere ich Macens Gesicht, das nur eine Handbreit von meinem entfernt ist. Sofort landet mein Blick auf seinen strahlenden Augen, in denen das Blau mit dem Grün um die Wette funkelt. Tatsächlich fallen mir erst aus dieser Nähe Details auf, die ich zuvor noch nie wahrgenommen habe, wie zum Beispiel die Tatsache, dass sich die beiden Farben an keiner Stelle vermischen. Das Grün windet sich einfach nur um das Blau, wie ein Blumenkranz um einen Haarschopf. Nein, wie das Meer um eine grüne ,leicht rundliche Glasscherbe, die jedermanns Blicke auf sich zieht, verbessere ich mich schließlich, bevor ich den Blick abwende, um nicht beim Starren erwischt zu werden.
>>Fertig. Willst du noch ein Pflaster?<<, fragt Macen beiläufig, während er die Utensilien wieder in den Erste Hilfe Kasten räumt. >>Nein, danke<<, lehne ich ab, >>aber es gibt etwas anderes bei dem du mir helfen könntest<<
Auffordernd zieht Macen eine Augenbraue in die Höhe und ich räuspere mich verlegen, bevor ich mich endlich dazu durchringen kann, die Worte aus meinem Mund zu quälen. >>Warum hat mir dein Bruder bei dem Streit mit meiner Mutter geholfen? Ich meine, er ist doch sonst nicht so<<, frage ich und komme mir dabei noch blöder vor, als in meiner Vorstellung, doch die unumstößliche Wahrheit ist, dass es mich unter den Fingernägeln juckt, seinem Verhalten ein Motiv zuzuordnen. Es ist einer dieser seltsamen Ticks, die man entwickelt, wenn man hinsichtlich seiner Fähigkeiten öfters mal die Kontrolle verliert. Man möchte in anderen Lebenslagen unbedingt die Überhand behalten, um den Verlust im anderen Bereich auszugleichen.
Kurz gesagt, ich muss dem Handeln von Personen Gründe zuordnen, so wie andere unbedingt ihr Müsli in ihre Bestandteile zerlegen müssen. Es ist eine Gepflogenheit, die sich so sehr verfestigt hat, dass ich sie erst gar nicht loswerden will.
>>Ach, das muss keinen speziellen Grund haben. Er... Man macht einfach manchmal Dinge, die man sonst nie getan hätte, ohne überhaupt darüber nachzudenken und ich glaube in diese Kategorie fällt dieser Akt. Du solltest dir keine Gedanken darüber machen und dich stattdessen ein wenig ausruhen. Du siehst aus, als ob du gleich einschlafen würdest<<, brabbelt der Prinz vor sich hin, um sich kurze Zeit später mit einem gemurmelten Abschiedsgruß auf und davon macht.
Irgendetwas stimmt hier doch nicht, denke ich. Meine Alarmglocken besagen eindeutig, dass Macen dieses Thema viel zu nervös gemacht hat, als dass er Daimons Aktion nur für ein Aufschwappen von Spontanität halten würde. Nein, da steckt sicher mehr dahinter und ich bin gewillt herauszufinden was es ist.
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>>Fait, Fait. Wach auf. <<, dringt eine Stimme in mein verschlafenes Bewusstsein, das gerade noch vor Augen hatte, wie eine Gothic Fee meine Mutter in ein grünes Stinktier verwandelt. Nicht bereit, meinen Schlaf und Lindas fellbewachsenen Schreckensausdruck gehen zu lassen, kuschle ich mich tiefer in den weichen Untergrund. Mein Körper fühlt sich viel zu unausgeschlafen an, um auch nur ans Aufstehen zu denken, doch der Quälgeist über mir lässt sich nicht von meinem unkooperativen Verhalten beirren, sondern rüttelt einfach weiter an meinen Schultern.
Ich stoße ein unfreundliches Knurren gefolgt von einem ,,Mhpff, Mhpff, Mhh, Mhh, Mhh" aus, das hoffentlich annährend wie ein ,,Lass mich in Ruhe klingt", doch die Nervensäge versteht wohl kein Murrisch-trifft-verschlafen, denn es fängt daraufhin wieder an mit seinem dummen Mund Wörter zu formen. >>Kleine, mach es mir doch nicht so verdammt schwer. Ich dachte, du würdest dich freuen mich zu sehen<<
Der Kosename scheint in mir irgendetwas in Bewegung zu bringen, denn auf einmal öffnen sich meine Augen von ganz allein. Seltsamer Weise ist das Kissen unter mir weiß und besteht nicht aus dem goldfarbenen, seidigen Stoff, an den ich mich die letzten Wochen gewöhnt habe. Auch der Geruch ist vollkommen anders und beißt eigenartig in der Nase, doch bevor ich mich eine Sekunde länger fragen kann, an welchem Ort ich mich befinde, stürmen die Bilder letzter Nacht auf mich ein. Da ist dieser schrille Alarmton, der beruhigende Griff eines Säbels und mein kräftig pumpendes Herz. Dann das Geräusch einer Klinge die auf Fleisch und Muskelmasse trifft, sowie eisige Konzentration die meinen Kopf füllt. Und zu guter Letzt, ein flammendes Inferno das aus meinem Inneren strömt und der Geruch nach verbranntem Fleisch.
>>Fait?<<, erklingt es noch einmal und dieses Mal höre ich nicht nur die Stimme einer Nervensäge, sondern die von... Mit einer ruckartigen Bewegung springe ich so schnell von meinem Schlafplatz auf, dass mir ganz schummrig wird, doch das spielt in diesem Moment keine Rolle für mich, da ich mich schon in Deans breite Arme gestürzt habe. Beinahe verzweifelt umklammere ich seinen muskulösen Rücken und trotz der Erschöpfung in meinen Gliedern, fühle ich mich auf einmal hell wach. Oh Gott, er lebt, denke ich. Dean lebt!
Tränen füllen zum wiederholten Mal meine Augen, doch ich schäme mich nicht für die einzelnen Wassertropfen, die über meine Wangen laufen. Durch die Erleichterung fühlt sich mein Herz für einen Augenblick so leicht an, dass ich gar nicht anders kann, als meinen Gefühlen kurzerhand freien Lauf zu lassen.
>>Ganz langsam, Kleine. Ich freue mich zwar auch, dass es dir gut geht, aber das ist noch lange kein Grund mich zu zerquetschen<<
>>Himmel, ich bin so froh, dass es dir gut geht<<, flüstere ich ihm, ungeachtet seines Kommentares, leise zu, während er damit beginnt mir behutsam über den Rücken zu streicheln. Plötzlich kommt mir eine andere wichtige Tatsache in den Sinn und ich schiebe Dean so weit von mir, dass ich ihm ins Gesicht sehen kann. >>Was ist mit Miri? Geht es ihr gut?<<, frage ich atemlos und halte angespannt die Luft an, während ich Dean auf jegliche verräterische Gefühlsregungen durchleuchte. Ihr muss es einfach gut gehen, denke ich. Etwas anderes kommt gar nicht in Frage.
>>Ja, es ist alles in Ordnung mit ihr. Sie konnte sich rechtzeitig in den Schutzbunker retten, aber sie ist vor Sorge um dich fast krank im Kopf geworden. Wie ich gehört habe ja nicht ganz unberechtigt. Es heißt, dass du während des Angriffs außerhalb deines Schafzimmers gewesen wärst und du dich zusammen mit Prinz Daimon bis zu den Schutzbunkern durchgekämpft hast. Und deinen Klamotten entnehme ich mal, dass an der ganzen Sache etwas dran ist. Also, was ist passiert?<<, will Dean wissen, doch das ist mir im Moment erstmal herzlich egal. Viel wichtiger ist die Tatsache, dass auch Miri den Angriff unbeschadet überstanden hat und ich nun all meine Freunde in Sicherheit weiß. Ein riesengroßer Stein fällt von meinem Herzen und ich fühle mich gleich um ein paar Kilo leichter.
Erst Deans bohrender Blick bringt mich zurück in die Realität. Und seinem Gesichtsausdruck zu urteilen, wird er nicht weggehen bis er mir jede Einzelheit entlockt hat.
Nicht aus ungezügelter Neugierde oder um die Ereignisse für einen Bericht über die Attacke fest zu halten, sondern weil er selbst dort draußen war und dem Tod und der herzlosen Brutalität gegenüber stand. In seinem Blick liegt eine Mischung aus Mitleid und Sanftheit, so als ob er in mir eine Glasfigur sehen würde, die bei dem leisesten Druck zusammen bricht. Und vielleicht gebe ich in diesem Augenblick wirklich dieses Bild ab. Etwas in mir ist zerbrochen, doch das muss nicht bedeuten, dass man es nicht wieder zusammensetzen kann. Eine Neubau mit ein paar Narben, aber aus dickerem Glas – das ist das Ziel, doch der Weg dorthin wird nicht einfach und das Wiederzusammmenbauen definitiv nicht schmerzfrei werden.
Still mustere ich meine nackten Zehen, die ebenfalls an ein paar Stellen getrocknetes Blut aufweisen. Ich weiß, was der Hauptgrund dafür ist, dass Dean die Erzählung aus meinem Mund hören will. Er ist ein Wachmann, ein ausgebildeter Soldat und kein Narr, der glaubt, dass ein Krieg ohne Opfer möglich ist. Er weiß, wie die Dinge laufen und deshalb ist er sich im Klaren über meinen derzeitigen Zustand. Die verschiedenen Verarbeitungsschritte, die jeder Soldat in seinem Leben mindestens einmal durchläuft, sind auch für ihn kein Neuland. Er kennt das Gefühl, das in einem aufsteigt, wenn man jemanden die Kehle aufschlitzt ,oder das dumpfe Aufprallen eines toten Körpers hört.
Hilflos öffne ich den Mund, um darüber zu sprechen, was ich getan habe. Mit jemanden zu reden, der mich bis in die tiefsten Schatten meiner Seele verstehen kann. Jedoch bewegen sich meine Lippen nicht und kein Ton löst sich von meiner Zunge. >>Ich kann nicht. Ich kann es einfach nicht. Jedenfalls noch nicht. Verstehst du das?<<, meine ich mit hohler Stimme und blicke ihm, in der Hoffnung auf Verständnis, in die Augen.
Ein stummes Nicken erfolgt. >>Natürlich verstehe ich das. Es ist okay, wenn du Zeit brauchst<<, versichert er mir, >>Du solltest bloß nicht zu lange warten<< Der plötzlich düstere Tonfall lässt mir einen Schauder über den Rücken jagen, doch von Dans Erzählungen weiß ich, dass Dean Recht hat und ich mich schnellstmöglich damit auseinandersetzen sollte.
>>Aber jetzt ein anderes Thema. Ich muss dir was wirklich Wichtiges erzählen und dafür solltest du dich am besten wieder setzen<<, verkündet Dean unheilvoll und lässt sich auf die Matratze des Krankenhausbettes nieder, in dem ich vor ein paar Stunden wohl eingenickt bin. Das Letzte woran ich mich erinnern kann ist, dass ich meine Waffen auf den Boden gelegt habe, um mich ein wenig auszuruhen. Kurze Zeit später müssen mir sicherlich schon die Augen zugefallen sein, da ich mich nicht daran erinnern kann, mir noch den Kopf über irgendetwas zerbrochen zu haben.
Wie lange ich wohl geschlafen habe? , frage ich mich, kann jedoch in dem Schutzbunker keine Antwort darauf finden. Mittlerweile ist die Tür zwar geöffnet und der Raum wird neben einem dämmrigen Deckenlicht auch von den Lichtern im Geheingang erhellt, aber durch den Mangel an Fenstern hier drin, lässt sich trotzdem nicht festlegen, ob es bereits Mittag oder noch früh am Morgen ist. Das Einzige, was ich klar erkennen kann ist, dass Dean und ich die Einzigen sind, die sich noch im Raum befinden. Seufzend lasse ich mich neben meinen Wachmann fallen. Ich habe zwar keinerlei Vermutung, worüber er mit mir sprechen will, doch ein Gefühl in meinem Bauch gibt mir eindeutig zu verstehen, dass es mir nicht gefallen wird.
>>Es geht um den Angriff, Fait<<, beginnt er, sobald ich eine bequeme Position gefunden habe. >>Die feindlichen Soldaten kamen völlig unvorhersehbar und nicht weil sie eine Art Blitzkrieg gestartet oder ein unglaubliches Ablenkungsmanöver ausgetüftelt haben. Wir haben sie für unsere eigenen Soldaten gehalten. Du musst wissen, dass es rund um das Grundstück eine Mauer gibt, die wir von außen sowie von innen bewachen. Es wird in vier Stundenschichten gearbeitet und die Schichtwechselzeiten in der Außenpatrouille ändern sich täglich, damit sich für etwaige feindliche Beobachter kein Muster ergibt. Es gibt mehrere Türen in der Mauer, die nur von innen geöffnet werden können und es für die Soldaten einfacher macht, schnell zu ihren Posten zu kommen. Damit die Sicherheit trotzdem erhalten bleibt, gibt es ein geheimes Klopfzeichen, das ebenfalls wöchentlich wechselt. Du siehst also wir gehen kein Risiko ein<<, meint Dean und schaut mich mit durchdringendem Blick an.
>>Doch heute Nacht haben nicht die Außenposten zum Schichtwechsel mit dem geheimen Klopfzeichen um Einlass gebeten, sondern die Koslower. Sie haben die Außenlinien überwältigt. Viele sind tot, einige von ihnen wurden nur bewusstlos geschlagen. Jedenfalls haben alle Pförtner in Aussicht auf ihre Arbeitskollegen das Tor geöffnet. Nur um schließlich vom Feind überwältigt zu werden. Zum Glück konnte einer unser Soldaten durch sein Walkie Talkie ein Notsignal absenden, um die übrigen Wachmänner im Schloss zu informieren, unter denen auch ich war, doch die Koslower waren viel zu schnell hier und es kamen immer mehr<<
Erstickt hält Dean inne. Die Traurigkeit über den Verlust seiner Berufsgenossen ist klar in seinen Augen zu sehen. Mein Gehirn läuft auf Hochtouren und saugt trotz des morgendlichen Nebels in meinem Kopf, alle Informationen auf wie ein Schwamm. Trotzdem braucht es noch ein paar ruhige Sekunden bis mich das Resultat dieser Geschichte mit aller Härte trifft. Auf einmal fühlt sich mein Mund staubtrocken an und es fällt mir schwer den Kloß in meinem Hals soweit hinunter zu schlucken, dass ich fähig bin, überhaupt einen Ton herauszubekommen.
>>Es gibt einen Maulwurf<<, spreche ich das Offensichtliche aus und die Worte hängen wie ein unheilvolles Schwert über uns, während mir Dean ein düsteres Nicken schenkt...
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Und schon wieder ein neues Kapitel ^^ Ich hoffe wie immer, dass es Euch gefallen hat!
Vielleicht habt ihr ja sogar schon eine winzige Vermutung, wer der Maulwurf sein könnte oder ob wir er/sie/es/Alien überhaupt schon kennengelernt haben?
Lasst mir auf jeden Fall Euren Guess da.
Bis zum nächsten Mal XD
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