Kapitel 19
Wie vorhersehbar, denke ich, als Daimon eine Rechts-links-Kombination versucht, die ich jedoch beide Male so abblocke, dass ich ihn genauso habe, wie ich ihn haben will: mit einem mir schutzlos ausgelieferten Standbein. In einer fließenden Bewegung ziehe ich ihm den Boden unter den Füßen weg und sehe dabei zu wie er frontal auf die Matte gleitet. >>War das schon alles?<<, frage ich breit grinsend und sauge den Anblick des am Boden liegenden Daimons in mich auf. Wir haben gerade erst angefangen, trotzdem ist meine Laune so gut wie schon lange nicht mehr. Gegen jemanden anzutreten, den man nicht leiden kann, ist eben noch eine ganz andere Klasse, als mit Dean zu rangeln. >>Das hättest du wohl gern, Prinzessin<<, erwidert er mit einem unverändert, arroganten Grinsen auf den Lippen. Ich verdrehe die Augen. Prinzessin – etwas Unpassenderes hätte er sich nicht ausdenken können.
Wie Daimon immer noch so selbstsicher zu mir hochgrinsen kann ist mir ein Rätsel. Nach drei Niederlagen sollte man eigentlich meinen, dass sein Hochmut etwas abnimmt, doch er strahlt immer noch die gleiche Überheblichkeit aus wie zuvor. Nicht zu vergessen, dass er bisher keinen einzigen Treffer bei mir gelandet hat, sondern von mir innerhalb von wenigen Minuten zu Boden befördert wurde.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich Mr. Großkotz noch nicht lange am Boxen versucht. Dafür wirken seine Angriffe nicht routiniert genug. Außerdem vergisst er ständig seine Abwehr, so dass mir ununterbrochen die Möglichkeit geliefert wird ihn mit einem einzigen Schlag außer Gefecht zu setzen. Eine Tatsache, die ich natürlich nicht ausnutze. Das Letzte, was ich gebrauchen kann ist, bestraft zu werden, weil das Prinzlein einen blauen Fleck oder eine aufgeplatzte Lippe davonträgt. Nein, dafür gibt es andere Methoden den Kampf zu gewinnen.
Schwerfällig richtet er sich auf. Durch meine jahrelange Kampfausbildung sehe ich ihm an, dass er es nicht gewohnt ist auf dem Boden zu landen. Ich wage sogar soweit vorzugreifen, um zu sagen, dass er noch nie mit einer anderen Person gekämpft hat. Das würde jedenfalls die miserablen Ausweichversuche erklären. >>Ich muss zugeben, du bist besser als ich gedacht habe<<, äußert sich Daimon kalt und mir wären in diesem Moment fast die Augen herausgefallen. Hatte er gerade...? Nein, er würde doch nicht....
>>Kannst du das wiederholen?<<, frage ich breit grinsend. Ich hätte nicht gedacht diese Anmerkung schon nach drei Kampfrunden aus ihm rausgeprügelt zu bekommen. Oder überhaupt jemals. >>Bilde dir bloß nichts darauf ein. Du bist und bleibst die kleine Kämpferin für mich<<, spielt er seine vorherige Bemerkung locker herunter. Alles andere würde auch seinem Ego schaden, denke ich. >>Ich zeige dir schon noch wer hier klein ist<<, kontere ich und starte einen erneuten Angriff, in dem ich auf seinen Bauch ziele.
Nur Zentimeter von meinem Ziel entfernt wird meine Hand jedoch von ihm gepackt und im Augenwinkel bemerke ich wie sich Daimon geschickt wegdreht und dabei meine Hand loslässt. Durch seinen Schwung aus dem Gleichgewicht gebracht, lande ich, bevor ich überhaupt weiß wie mir geschieht, in seinen Armen. Überrascht schaue ich in seine haselnussbraunen Augen, die mich amüsiert anfunkeln. Wo kam dieses Manöver denn plötzlich her? >>Ein Tänzchen gefällig?<<, flüstert er amüsiert und zieht meinen erstarrten Körper in eine aufrechte Position. Bevor ich überhaupt daran denken kann zurückzuweichen, zieht er mich, eine Hand noch immer auf meinem Rücken, näher an sich heran und hebt unsere Arme zur typischen Walzerposition an.
Elegant beginnen seine Füße in den charakteristischen Drei-Viertel-Takt zu verfallen und lassen mich als unfähiges, stolperndes Nervenbündel zurück. Verdammt, das hat er bestimmt die ganze Zeit geplant. Jetzt weiß ich auch, warum er auf die Boxhandschuhe verzichten wollte. Ein tiefes Knurren, sowie dem Bedürfnis ihm mit meinem Knie für immer zu kastrieren steigt in mir auf, doch ich unterdrücke Beides. Ersteres weil ich ihm diese Genugtuung auf keinen Fall geben will und Letztes, weil seine Eltern gelinde gesagt nicht froh darüber wären, wenn er keine Nachkommen mehr zeugen kann.
>>Du bist eine noch miserablere Tänzerin als ich es von jedem gehört habe<<, lacht er von dieser Darbietung deutlich amüsiert und tanzt weiterhin mit mir im Kreis, wobei man meine Bewegungen wohl eher als stolpern bezeichnen könnte. Doch wen wundert das, immerhin nimmt dieser unerträgliche Idiot mit seinem schnellen Tanztempo ja auch keinerlei Rücksicht auf meine fehlenden Fähigkeiten. Oh, du wirst noch ein blaues Wunder erleben, verspreche ich ihm in Gedanken, bevor mein Körper endlich in Bewegung kommt. In Sekundenschnelle greife ich mit meiner freien Hand nach seinem Arm, der bisher ruhig auf meinem Rücken gelegen hat und zwinge ihn in die Höhe. Fast zur selben Zeit drücke ich mein rechtes Bein von hinten gegen seine Kniekehle und bringe ihn damit und mit ein wenig Hebelwirkung zu Fall. So schnell kann es gehen, denke ich und mustere zufrieden Daimons überraschtes Gesicht, als er regestiert, dass sein Hintern schon wieder Bekanntschaft mit der Matte gemacht hat.
>>Ich finde wir sollten für heute Schluss machen. Nach dem vierten Mal wird es tatsächlich schon langweilig dich zu besiegen<<, behaupte ich und rümpfe abschätzig die Nase. Doch nicht mal nachdem der Prinz sein eigenes, kleines Spielchen mit mir verloren hat, macht er den Anschein in irgendeiner Weise Niederlage zu empfinden. Im Gegenteil, sein verdammtes Grinsen ist nur noch breiter geworden. >>Ich schätze wir sehen uns dann morgen beim Tanzduell. Du musst mir auf jeden Fall einen Tanz mit dir reservieren. Das Versagen anderer Leute schaue ich mir gerne aus der ersten Reihe an<<, kontert er und zwinkert mir provozierend zu. Dieser, dieser... Für so viel Unverschämtheit finde ich nicht mal die passenden Worte.
Dennoch ist eine Sache klar. Ihm werde ich es zeigen und wenn es mich Stunden kostet. In meinem ganzen Leben ist mir noch niemand begegnet der mich so sehr in den Wahnsinn getrieben hat wie Daimon Sinclair. Er ist die spottende Menge, die hinter einem unpassierbaren Stein auf deinem Lebensweg steht. Er ist jemand der dich jedes Mal von neuem an deine Grenzen bringt, einfach weil ihn sein Leben langeweilt.
Und weil ich eben nicht irgendjemand anderes, sondern Fait Montgomery bin, lege ich mit den Worten ,,Das werden wir ja sehen" einen macenreifen Abgang hin, während ich innerlich schon eine Nachricht an Macen verfasse, um sein Angebot doch anzunehmen.
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>>Schön, dass du dich doch noch dafür entschieden hast dir von mir helfen zu lassen<<, begrüßt mich Macen am nächsten Tag lächelnd. Obwohl ich schon den ganzen Morgen von Ms. Swan durch diverse Choreographien und den Ablauf des heutigen Tanzduells gedrillt wurde, bin ich dennoch bereit den Versuch des Tanzes mit Macen zu wagen. Oh Gott, habe ich das gerade wirklich gedacht. Wer sagt heutzutage denn noch ,,den Versuch des Tanzens wagen"? Okay, mir würden da schon einige Personen einfallen, allen voran Ms. Swan. Ich schätze, dass sich ihr schlechter Einfluss so langsam in meiner Sprache bemerkbar macht. Echt, gruselig wenn ihr mich fragt. Nicht dass ich in der nächsten Woche auch noch damit anfange mit den Sätzen wie ,,Das schickt sich nicht", um mich zu schlagen.
>>Schön, dass du dir die Zeit für mich nimmst<<, erwidere ich und schenke ihm ebenfalls ein zartes Lächeln. >>Also wie um Gottes Willen möchtest du mir das Tanzen vor heute Abend beibringen?<<, frage ich immer noch ein bisschen skeptisch. Ich weiß, Macen ist als Prinz meine beste Möglichkeit diese Herausforderung zu meistern, trotzdem fehlt es mir weiterhin an Vertrauen in meine Tanzfähigkeiten. >>Na ja, ich dachte, ich übersetzte dir die Sprache des Tanzes einfach in eine Sprache, die du verstehst<<, antwortet Macen mir augenbrauenwackelnd. Überfordert runzle ich die Stirn. >>Was?<<
>>Also, ich meine, du sollst versuchen den Walzer nicht als Tanz, sondern als Kampf zu sehen. Beim charakteristischen Walzerschritt macht der Mann den ersten Schritt und die Frau weicht aus, so wie du beim Kampftraining. Verstehst du?<< Zögerlich nicke ich. Das ist zwar einer der verrücktesten Pläne, die ich je gehört habe, dennoch denke ich, dass es funktionieren kann. Außerdem, was habe ich schon zu verlieren? Noch schlechter kann ich im Walzertanz eigentlich gar nicht mehr werden.
Und tatsächlich schlägt der Plan des Prinzens bei mir an. Schon eine halbe Stunde später kann ich den einfachen Walzerschritt schon beinahe im Schlaf tanzen und Macen beginnt damit, mit mir noch einmal die verschiedenen Choreografien durchzugehen. Auch hier mache ich jetzt, da ich mir die Schritte als Kampftechniken zu Recht lege, große Vorschritte. Wer hätte das gedacht? Walzertanzen ist doch nicht unmöglich und kann tatsächlich sogar Spaß machen.
Gut, das könnte auch an Macen liegen, der mich neben seinen Ratschlägen auch noch wunderbar unterhält - sei es mit Geschichten aus seiner Kindheit oder mit seinen Versuchen Ms. Swan nachzuahmen. Es gibt immer etwas zu lachen.
>>Weißt du eigentlich, dass ich wegen deiner Entscheidung mir ein weiteres Date zu verweigern ,eine echte Horrorverabredung hatte<<, beginnt Macen, als zwischen uns ein kurzes Schweigen entsteht. >>Ach wirklich? Wenn du mich schon neugierig machst, musst du mir jetzt aber auch die Geschichte dazu erzählen<<, bestimme ich interessiert, während wir uns weiter zur Musik bewegen.
>>Na schön, immerhin sollst du wissen, in was für eine Lage du mich gebracht hast<<, erwidert der Prinz mit einem schelmischen Grinsen auf den Lippen. Auffordernd ziehe ich eine Augenbraue hoch, um ihn zum Erzählen zu bewegen. Ich habe es schon immer geliebt, wenn mir Leute Geschichten aus ihrem Leben erzählt haben. Vor allem, wenn mir Macen diese Geschichte erzählt. Wie ich nämlich seit seiner ersten Erzählung feststellen musste, ist er ein großartiger Erzähler. Eine Tatsache, die mich immer von neuem dazu bringt, erfüllt an seinen Lippen zu hängen. Okay, das kann man jetzt auch falsch verstehen...
Nur fürs Protokoll, das war rein bildlich gemeint! Ich würde nicht mal darüber nachdenken... Ach, wisst ihr was? Warum rechtfertige ich mich überhaupt vor euch? Das ist mein Leben. Meine Gedanken. Außerdem kann es mir egal sein, was ihr von mir haltet. Also weiter im Programm...
>>Also. Ich habe Rosalie Winters wie versprochen an ihrer Zimmertür abgeholt, weil ich sie mit meinen Plänen fürs Date überraschen wollte. Schon während dem Weg ging sie mir gehörig auf die Nerven, da sie sich wie ein Äffchen an mich klammerte und in eine Tour über Mode quasselte. Kurz gesagt, ich habe nach den ersten fünf Minuten abgeschaltet. Sie schien ja sowieso nicht an einem Gespräch interessiert zu sein, wenn sie meinen Gesprächsanteil auf ein kurzes ,,Aha" hier und da kürzte. Jedenfalls sind wir dann beim königlichen Streichelzoo angekommen<<, erzählt er, doch ich unterbreche ihn, während ich mich langsam um mich selbst drehe und versuche dabei so elegant wie möglich auszusehen.
>>Es gibt einen königlichen Streichelzoo?<<, frage ich mit funkelnden Augen und sofort kommt die Erinnerung an meinen sechsten Geburtstag hoch, an dem ich mit Rocelyn einen Tierpark besucht habe. Ich habe an diesem Tag mehr Tiere live gesehen, als zuvor in meinem ganzen Leben und wir beide haben eine geschlagene Ewigkeit damit verbracht von einem Gehege zum anderen zu laufen. Sofort durchfährt mich bei dem Gedanken wie lange wir uns nicht mehr gesehen haben ein kleiner Stich, doch ich schiebe die dunklen Wolken beiseite, die meine Laune verregnen wollen. Stattdessen konzentriere ich mich wieder darauf nicht aus dem Takt zu geraten und gleichzeitig Macens Geschichte zu lauschen.
>>Genau, mit dieser freudigen Reaktion habe ich auch gerechnet. Ich dachte immer, alle Mädchen lieben Tiere, doch ich habe mir natürlich genau die Erwählte ausgesucht, auf die diese Behauptung nicht zu trifft. Jedenfalls dachte sich mein früheres, ahnungsloses Ich: ,,Jetzt wird sicher alles besser". Die einzige Veränderung, die jedoch eintraf war, dass ihr Gerede über Mode plötzlich zur Meckerei über – Ich zitiere – unhygienischen Viecher wurde. Trotzdem dachte ich: ,,Kein Problem, das kriege ich hin. Nach diesem Tag wird sie Tiere lieben". Und nach einer halben Stunde hatte ich sie tatsächlich soweit, dass sie ein junges Kaninchen gestreichelt hat. Da saß ich also zufrieden neben ihr und habe ihr zugesehen, bis sie tatsächlich meinte: ,,Schenkst du mir das Kaninchen? Es würde sich sicher ganz großartig für meine nächste Taschenkollektion machen". Natürlich glaubte ich bis dato an einen Scherz, weshalb ich ihre Worte von vorher aufgriff und fragte, ob das nicht zu unhygienisch sei. Den bitteren Ernst der Lage habe ich glaube ich erst begriffen, als sie mit Grabesstimme sagte: ,,Glaub mir, mit Teppichreiniger kriegt man so einiges hin" und anschließend anfing dem Kaninchen zuzusäuseln, was für eine hübsche Tasche es doch abgeben würde. Das war dann glaube ich der Moment in dem es dem Tier endgültig zu viel wurde und es Rosalie seine Schneidezähne in den Finger rammte. Das Date endete also mit einer hysterisch, heulenden Erwählten auf der königlichen Krankenstation <<, endet er mit einem Seufzer, der klar macht, dass er sich das Ganze etwas anders vorgestellt hatte.
Sprachlos sehe ich Macen an. Sein Rendezvous war ja noch schlimmer, als ich erwartet habe. Ich weiß nicht, wer mir mehr Leid tun soll, der Prinz oder das arme Geschöpf, das zu einer blöden Designerhandtasche verarbeitet werden sollte. Ich meine, wie kann man nur einen Gedanken, daran verschwenden aus dem süßen Häschen Hackfleisch zu machen?
Wenn ich daran denke, dass das in gewisser Weise meine Schuld ist, komme ich nicht umhin mir betroffen auf die Unterlippe zu beißen – eine Reaktion, die ausschließlich für Momente vorbehalten ist, in denen ich mich auf irgendeine Art unwohl fühle. Ob das mit einer peinlichen Situation zusammenhängt oder mir mein Gewissen mal wieder die Hölle heiß macht, ist dabei eher nichtig.
>>Es tut mir wirklich leid, was du durchmachen musstest, aber immerhin weißt du jetzt, wer als deine Frau eher ungeeignet wäre. Das ist doch schon ein Fortschritt<<, versuche ich ihn aufzumuntern und dabei gleichzeitig meinen Schuldgefühlen den gar aus zu machen. Ich habe das richtige getan. Schließlich konnte ich ja nicht wissen, dass dieses Date Chancen hat, in die diesjährigen Top zehn, der schlimmsten Verabredungen aufzusteigen. >>Aber was ist, wenn ich schon jemanden gefunden habe, der als meine Frau in Frage kommt<<, flüstert er und mit einem Mal schlägt die ungezwungene Atmosphäre in ein Aufknistern von Gefühlen um. Besonders als Macen mir noch ein bisschen näher kommt und mich damit zur Eissäule werden lässt. Erst jetzt fällt mir auf, dass wir uns gar nicht mehr zu dem aus dem CD-Player dringenden Orchester bewegen. Trotzdem liegt seine Hand noch immer auf meinem Rücken, während meine Hand ruhig auf seiner Schulter liegt und unsere Hände miteinander verschlungen sind.
Für einen Augenblick verliere ich mich in seinen blau-grünen Augen, die mir hoffnungsvoll entgegenstrahlen. Dann befreie ich meine Hände und trete einen Schritt zurück. Ich darf Macen auf gar keinen Fall falsche Hoffnungen machen, rüge ich mich. Das hat er nicht verdient. >>Denkst du ich bin bereit für heute Abend?<<, frage ich, um einen lockeren Tonfall bemüht. Auf keinen Fall möchte ich die Szene mit einem unbeholfenen Schweigen noch unangenehmer gestalten, als sie eh schon ist. Selbst wenn ich auf diese Weise für den Prinzen empfinden würde, wäre es mein letztes Anliegen, in die königliche Familie einzuheiraten und meine ganze Existenz lebenslang aufs Spiel zu setzten. Die Gradwanderung, die ich mit meinen Fähigkeiten die letzte Woche über geführt habe, reicht mir da schon völlig aus.
>>Ja, ich denke du wirst das heute Abend rocken, Fait<<
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Nervös streiche ich über den schwarzen Stoff meines Kleides. Das Tanzduell wird jede Minute beginnen und ich fühle mich wie ein aufgeregtes, nervliches Wrack. >>Keine Sorge, Fait. Du machst das schon<<, spricht mir Cassie gut zu, obwohl ihre Augen ebenfalls nervös glänzen. Ich seufze. >>Du hast leicht reden. Ms. Swan hat dich in jeder Tanzstunde mehrmals gelobt. Zurecht, immerhin siehst du beim Walzertanzen aus, als wärst du eine Elfe, die nur so über den Boden hinwegschwebt, während ich heute zum ersten Mal erfolgreich den Grundschritt absolviert habe<<, rechtfertige ich meine Sorgen.
>>Ja, aber jetzt kannst du es. Alles andere zählt nicht<<, meint sie aufmunternd. Ich hoffe, dass sie Recht hat und ich den Walzer nun wirklich beherrsche. Es ist schließlich was ganz anderes seinem Partner beim Training im Drei-Viertel-Takt auf die Füße zu treten, als es dann tatsächlich bei der Prüfung zu wiederholen. Das erinnert mich irgendwie an den normalen Schulunterricht. Solange man in der Lernphase ist findet man es okay Fehler zu machen, doch sobald die Klassenarbeit ansteht möchte man das Thema am liebsten im Schlaf beherrschen. So ähnlich ist es jetzt auch.
Obwohl da noch ein paar andere Faktoren sind, die zu meiner Aufregung beitragen, allen voran das beißende Gefühl des Ehrgeizes, das mich seit dem Gespräch mit Daimon befallen hat. Normalerweise schenke ich der Meinung anderer keine Beachtung, trotzdem gibt es einen Teil in mir, den sofort das Gefühl packt, jemandem etwas beweisen zu müssen, sobald mich jemand provoziert. Das ist wahrscheinlich einer meiner größten Schwächen. Vor allem weil ich nicht nur anderen sondern auch mir beweisen will, dass ich es besser machen kann, dass ich über mich herauswachsen kann.
>>Fait, es geht los<<, flüstert mir meine Freundin zu und tatsächlich wird in diesem Moment die Tür zum Tanzsaal geöffnet. Mädchen mit Kleidern in allen Farben des Regenbogens stürmen in den Raum zu ihren Füßen, Cassie und ich eingeschlossen. Heute sticht keine der Erwählten besonders aus dem Einheitsmeer hervor, da jede von uns heute dasselbe Kleid trägt. Na ja, von Größe und Farbe mal abgesehen. Während also meine Kleidung in einem unverkennbaren obsidianschwarz erstrahlt, ist Cassies Kleid von einer hellblauen Farbe, die mich vage an einen wolkenlosen Tag im Freien erinnert.
Als wir den Raum betreten ist das Erste, was mir ins Auge sticht die vor uns aufgereihten Mitglieder der Leibgarde alias unsere heutigen Tanzpartner. Jedenfalls die meiste Zeit. Nach Ms. Swans Angaben – und ja ich habe ausnahmsweise mal zugehört – haben die Prinzen die Möglichkeit nach dem ersten Tanz eine beliebige Erwählte zum Tanz aufzufordern, die sie dann vor der nächsten Runde wieder ihrem Wachmann übergeben. Insgesamt soll es acht Tanzrunden geben, danach werden sich die Prinzen wieder beraten und am Ende des Abends steht wie immer die Verkündung an.
Ich schenke Cassie noch ein letztes ,,Viel Glück", das sie mit einem aufmunternden Lächeln erwidert, bevor ich auf Dean zu gehe, der den Göttern sei Dank wieder gesund ist. Gestern hatte ich da noch so meine Zweifel, doch er scheint sich nur eine Ein-Tages-Grippe eingefangen zu haben. Das bedeutet, dass sein Fieber schon gestern Abend zu neige ging, weshalb ihn keine zehn Pferde dazu bringen konnten sich noch einen weiteren Tag auszuruhen und mich in die Hände einer anderen Wache zu geben. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich keinen großen Versuch gestartet habe ihn umzustimmen, da mich der Gedanke mit jemand Fremden zu tanzen höchst verunsichert. Mich als Tanzanfänger in der Prüfung mit einem Neunen zu versuchen würde wahrscheinlich nicht gut gehen. Vor allem nicht für seine Zehen.
Trotzdem frage ich, sobald ich vor Dean zum Stehen gekommen bin, nach seinem Wohlbefinden. >>Mir geht es gut, Kleine. Wie oft denn noch?<<, murmelt er genervt vor sich hin. Ich will gerade etwas darauf erwidern, als eine Stimme um Aufmerksamkeit bittet. Macen, hallt es mir durch den Kopf. >>Es ist schön Euch alle zu einem weiteren Ereignis begrüßen zu dürfen. Da Euch Ms. Swan bereits alle wichtigen Mitteilungen überbracht hat, halte ich mich kurz. Ich bitte alle Tanzpaare ihren Platz im Kreis einzunehmen. Der erste Tanz wird in Kürze beginnen, danach läuft alles nach Plan<<, erklärt der Prinz, inmitten des auf den Boden gezeichneten Kreises.
Auch seine Brüder sind schon anwesend – Adrien mit einem warmen Lächeln auf den Lippen und Daimon mit seiner typischen arroganten Miene. Bei seinem Anblick verzieht sich mein Mund prompt zu einem gefährlichen Lächeln. Wer zuletzt lacht, lacht am besten, denke ich in seine Richtung gewandt und warte darauf, dass er meinen bohrenden Blick bemerkt. Wenige Sekunden später treffen sich tatsächlich unsere Blicke und ich komme nicht umhin ihn mit herausfordernder Miene zu mustern. Ein Gesichtsausdruck, den er nur zu gern mit einem provozierendem Grinsen erwidert. Warte es nur ab, Prinzchen. Vielleicht wirst du heute noch von mir überrascht.
Keine fünf Minuten später stehe ich zusammen mit Dean an unserem Platz im Kreis. Gemeinsam mit den anderen Paaren sollen wir unseren Walzer, um die Prinzen herum tanzen, die bereits in der Mitte der geometrischen Form stehen. Später werden die Thronfolger mit den von ihnen erwählten Damen auf der großen Fläche in der Mitte tanzen. Im Zentrum aller Aufmerksamkeit, denke ich. Da bleibt nur zu hoffen, dass Macen nicht verrückt genug ist mir das zuzumuten.
Allein schon bei den vielen Kameras, die um uns herum verteilt sind, dreht sich mir der Magen um. Die Hauptbasis befindet sich auf dem Balkon nahe der verzierten Saaldecke. Normalerweise ist diese Erhöhung für das Orchester vorbehalten, doch heute stehen dort mehrere Kameras samt Moderatorin, um unsere Tanzkünste aus der Vogelperspektive zu filmen. Aber auch ansonsten kann ich einige Männer mit Kameras ausmachen, die im Saal verteilt auf den Beginn des ersten Tanzes warten.
Das große Orchester, das in einer Ecke des Raumes untergebracht wurde, stimmt die ersten Töne an. Es erklingt eine wehleidige, teilweise aber auch fröhliche Melodie. Im richtigen Moment setzt Dean seine Füße mit allen anderen in Bewegung und ich weiche ihm gekonnt aus, genauso wie ich es gelernt habe. Ich versuche mich auf die Musik einzustimmen, da es mir trotz der vielen Übungsstunden immer noch schwer fällt den richtigen Takt zu finden, was größtenteils an den fehlenden Bässen der Stücke liegt. Dean lächelt mich verblüfft an. >>Wer hätte gedacht, dass ich es mal erleben werde, dass du zu einer guten Tänzerin aufsteigst. Überraschender Weise bist du meinen armen Zehen bisher kein einziges Mal zu nah gekommen<<, lobt mich mein Leibwächter und ich kann mir ein breites Lächeln nicht verkneifen.
Ich tanze gerade wirklich Walzer – und das sogar passabel. Wenn mich Rocelyn jetzt sehen könnte, wäre sie sicher unheimlich stolz auf mich, schießt es mir durch den Kopf. Sie wollte schon immer, dass ich das Tanzen erlerne. Mein früheres Ich hielt davon aber nie besonders viel, anders als mein Jetztiges. Ich genieße es mittlerweile irgendwie über den Parkett zu gleiten und selbst die Geige, die immer noch ungehindert im Hintergrund dudelt, macht mir viel weniger aus als zuvor.
Und so bin ich reichlich überrascht, als das Musikstück plötzlich ein Ende findet. Suchend sehe ich mich nach Cassie um, um sicher zu stellen, dass bei ihr alles gut ist. Seit diesem Vorfall auf dem Laufsteg neige ich zur Überfürsorglichkeit, was ihre Person betrifft. Dabei möchte ich einfach nur, dass ihr nicht wieder so etwas Schreckliches wiederfährt, wie vor einigen Tagen.
>>Darf ich um diesen Tanz bitten?<<
>>Nein, darf ich um diesen Tanz bitten?<<
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Heyho
Kurze Frage. Sind euch im Laufe der Geschichte irgendwelche Logikfehler aufgefallen? Wenn ja, schreibt sie gerne in die Kommentare, damit ich sie verbessern kann.
Als Erschaffer der Geschichte fällt es einem nämlich oftmals schwer diese zu sehen.
Vielen Dank, schon mal im voraus <3
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