Kapitel 3 ~ Reinheit
Ellie
Drei Wochen hat Hermine nicht mit mir gesprochen. Deshalb überrascht es mich, sie heute wieder an unserem Tisch vor dem Eingang zur für sie verbotenen Abteilung der Bibliothek.
„Hallo", sage ich schüchtern und sie blickt von ihrem Buch auf.
„Elizabeth", sagt sie ruhig. „Ich weiß, dass es nicht leicht für dich ist und es tut mir leid. Es ist nur so unglaublich schwer mit dir befreundet zu sein. Harry und Ron, nun ja, sie kennen dich nicht und es tut mir weh, wenn sie dich mit solchen Idioten wie Malfoy auf eine Stufe stellen. Doch auch wenn ich eure Freundschaft nicht nachvollziehen kann, nur weil ich nicht sehen kann, was du in ihm siehst, heißt es nicht, dass ich mir darüber ein Urteil erlauben darf. Verzeihst du mir?"
Bevor ich etwas antworten kann, nehme ich aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahr und drehe den Kopf der Quelle zu. Hinter einem Regal steht Holly Sharrow, ein unscheinbares Mädchen aus Slytherin, welches sich in letzter Zeit ständig an Draco klettet.
„Bitte, Lizzie", murmelt Hermine, aber in meinem Kopf überschlagen sich die Gedanken. Holly Augen werden immer größer, sie versteht langsam, was sie hier sieht. Eine neue Entschlossenheit blitzt in ihnen auf und ich schüttle nur meinen Kopf. Nun folgt auch Hermine meinem Blick und wird bleich wie ein Laken.
„Denk nicht einmal dran, Holly", sage ich kraftlos. „Lass es mich erklären, ich dachte wir beide wären Freunde..."
Doch sie funkelt mich nur böse an und zischt: „Freunde? Freunde?" Mit ihren zarten Fingern zeigt sie auf mich. „Ich bin nicht mit jemandem befreundet, der seine Freunde mit so was verrät. Du bist nichts anderes als ein Blutsverräter, Black!"
Mit diesen Worten macht sie auf dem Absatz kehrt und rennt aus der Bibliothek. Hermine sieht mich nur verwundert an und ich fühle mich so leblos wie noch nie zuvor in meinem Leben.
Kurz darauf rauscht Draco in die Bibliothek, krallt wortlos seine Finger in meinen Arm und zerrt mich zu unserem geheimen Platz: einen wunderschönen, alten Baum auf dem Außengelände mit einem atemberaubenden Blick über den See, den ich an meinem ersten Wochenende entdeckt habe.
Nicht einmal 'auf Wiedersehen' habe ich Hermine sagen können, so schnell war alles geschehen. Doch ich habe Dracos abwertenden Blick gesehen, mit dem er Hermine bedacht hatte und nun würde sie nicht mehr an unserer Freundschaft festhalten können.
Draco ist sehr still. Weder spricht er mich an, noch sieht er mich an. Als wir den Schatten des Baumes, der mittlerweile seine Blätter verloren hatte, erreichen, gibt er meinen Arm frei und setzt sich. Noch immer sieht er mich nicht an, sondern schaut auf den See hinaus. Schweigend setze ich mich neben ihn und warte.
Irgendwann beginnt er zu reden: „Ellie... Ich kann dich nicht verstehen. Hier gibt es so viele Studenten, so viele mit einer annehmbaren Familie und Blutstatus und was machst du? Du freundest dich hinter meinem Rücken mit diesem Schlammblut Granger an! Was zur Hölle hast du dir nur dabei gedacht? Bist du jetzt auch dicke mit Potty, deinem alten Windelfreund? Oder gibst du dich lieber mit dem Wiesel ab?"
Sanft berühre ich seine Schulter und sage leise: „Draco, bitte hör auf. So... so einfach ist es nicht"
Langsam dringen meine Worte zu ihm durch und kühlen seine Wut ab.
„Nicht so einfach? Ellie, bist du verrückt? Was glaubst du denn würden meine Eltern zu deiner neuen Freundschaft sagen? Ich hab ihnen schon nicht verraten, dass du immer noch diesen Fred Weasley magst, aber das ist einfach zu viel", meint er und mit jedem Wort klingt er trauriger. In mir breitet sich Panik aus. Nein, wenn sie das wüssten...
„Dray, sie würden mich nie wieder hierher zurückkommen lassen. Bitte hör mir endlich zu!", rede ich auf ihn ein. „Ich habe es doch nicht gewollt oder geplant! Aber je mehr ich versucht habe sie von mir abzuschotten, desto hartnäckiger wurde sie. Es war schön sich mit jemanden über den Stoff unterhalten zu können und mit jemandem zusammen zu sein, der genauso hart lernt wie ich..." - „Du musst doch noch nicht mal lernen, Ellie! Du bist die Einzige hier, die doch so gut wie alles kann! Du wirst nie etwas vergessen und ich... weißt du, wie schwer es ist dich zu beschützen? Keiner unserer Freunde wird sie akzeptieren, noch nicht mal unsere eigene Familie und auch ich kann es einfach nicht zulassen. Ich kann dich nicht verlieren, Ellie und ich spüre, wie du mir immer mehr wie Sand durch die Finger rinnst. Du weißt doch was sie mit denen machen, die nicht ins Schema passen... ich...", seine Stimme bricht und er flüstert verzweifelt meinen Namen. Jetzt wurde er wieder zu meinem Dray ohne seine vorgetäuschte Arroganz und all die Mauern, die unsere Gefühle zurückgehalten haben, brechen zusammen. Ich brauche ihn nicht anzusehen, um zu wissen, dass ihm wie mir gerade die Tränen aus den Augen rannen. Fest schlinge ich meine Arme um ihn und atme seinen einzigartigen Geruch ein.
„Dray", flüstere ich und wische ihm die Tränen vom Gesicht. „Ich werde dich niemals allein lassen. Vergiss das niemals"
Eine Weile sehen wir gemeinsam auf den See hinaus, dann beginne ich mich zu erklären, aber er unterbricht mich sofort und schüttelt den Kopf.
„Ich weiß, dass ich eifersüchtig und total überreagiert habe.", spricht er. „Du hast plötzlich aufgehört mit mir zu reden und als Holly zu mir kam... Du fehlst mir, Ellie. Ich weiß, dass ich manchmal dieses selbstsüchtige Arschloch bin, aber ich kann das Ende sehen und am Ende werden wir uns verlieren, wenn du nicht aufhörst und wie soll ich dich nur jemals gehen lassen?"
„Du hast mir auch gefehlt, aber ich sehe wie du dich immer weiter von mir entfernst", sprudelt es einfach aus mir heraus.
„Sie ist es nicht wert, alles zu verlieren, Ellie", meint er, bevor er mich noch einmal in den Arm nimmt. „Ich hab geschworen dich zu beschützen, glaub mir"
Ich schließe meine Augen und weiß, dass Hermine es wert ist. Dieser Gedanke gibt mir die Kraft weiter zu kämpfen.
„Du irrst dich, Draco. Sie ist die Erste, die in mir mehr sieht als die Tochter von Sirius Black. Sie wird dich nie ersetzen, aber bitte, es muss eine andere Lösung geben"
Lange studiert Draco nur mein Gesicht tief in Gedanken versunken. Mir ist bewusst, dass ich viel von ihm verlange. Aber er kennt mich besser als jeder andere.
„Okay, aber nur unter einer Bedingung", grummelt er. „Lass mich nicht fallen, Ellie, ich brauche dich"
„Niemals", flüstere ich in sein Ohr und gemeinsam laufen wir zurück zum Schluss.
In den folgenden Wochen konnte ich Hermine nur in unseren gemeinsamen Stunden sehen, denn sie begann nur noch viel Zeit mit Harry Potter und dem kleinen Wiesel zu verbringen, während ich meistens bei Draco war. Doch nicht einmal Professor Snape fällt auf, dass irgendetwas mit mir nicht stimmt. Am Ende meiner Verwandlungsstunde platzt eine Drittklässlerin aus Slytherin, Nancy McKimmy, zu mir und reicht mir ein Brief. Professor McGonagall raunzt Nancy an, sie solle gefälligst warten, bis der Unterricht beendet sei. Doch Nancy schnaubt nur und verlässt den Raum. Offensichtlich hatte sie ihren Job jetzt getan. Heimlich öffne ich den Brief.
„Von wem ist der?", fragt Draco neugierig und beugt sich zu mir rüber. Leise raune ich zurück, dass Severus mich nach der Stunde sofort in seinem Büro sehen will. Nach einem Blick auf mich will Draco wissen, ob er mich begleiten soll, doch ich schüttle nur den Kopf. Was auch immer er von mir wollte, schlimm kann es jedenfalls nicht sein. Sobald es geklingelt hat, springe ich von meinem Stuhl und eile in den Keller. Professor Snape macht mir sofort auf und bittet mich einzutreten. Ich nehme auf einen der Sessel am Kamin Platz, Severus setzt sich mir gegenüber.
„Also, Ellie, ich habe lächerliche Gerüchte über dich gehört und würde einfach gern von dir bestätigt bekommen, dass an nichts daran wahr ist", beginnt er und als ich bestätigend nicke, fährt er fort: „Bist du mit dieser nervigen Muggelstämmigen Granger befreundet?"
Ich schlucke kurz, dann schüttle ich den Kopf. „Nein, wir haben uns ab und zu in der Bibliothek getroffen und wir haben uns recht gut während des Lernens verstanden, mehr nicht"
Seine schwarzen Augen ruhen auf mir, dann nickt er schließlich.
„Du musst dich deswegen nicht schlecht fühlen, Liz. Es wird immer Slytherins geben, die so etwas nicht verstehen werden. Aber ich werde dir helfen. Wie könnten wir dein Image besser aufbessern, als wenn du unsere neue Sucherin wirst?", fragt er und hebt eine Augenbraue hoch. Ich blinzle.
„Sucherin? Professor, ich verstehe nicht ganz...", stammle ich, aber Severus winkt ab.
„Willst du den Ruhm ganz diesem Potter überlassen? Er fliegt gut, aber du bist besser. Das Spiel gegen Gryffindor haben wir verloren, aber mit dir, Lizzie... Mr. Rochester ist zurzeit krank und wir brauchen dringend jemand, der ihn gegen Ravenclaw ersetzt. Was denkst du, Miss Black?"
„Sir", sage ich lächelnd. „Ich werde Sie nicht enttäuschen"
„Gutes Mädchen. Lucius hat dir bereits deinen Besen geschickt", erwidert er. „Du bist für den Rest des Tages vom Unterricht freigestellt. Geh jetzt in die große Halle, dein Captain, Marcus weiß bereits Bescheid"
Leiser murmelt er, dass er früher auch einmal eine Muggelstämmige zur Freundin gehabt hätte.
„Was ist passiert, Professor?", frage ich und bereue im selben Moment gefragt zu haben, doch Professor Snape sieht nur ins Feuer und murmelt: „Ich habe sie verloren, während ich mich selbst verloren habe"
Damit bin ich entlassen und mache mich auf den Weg zur großen Halle.
„Und, was wollte Severus?", sprudelt es sofort aus Draco heraus, sobald ich den Slytherintisch erreiche. Ich lächle breit und antworte: „Vor dir steht die neue Sucherin Slytherins. Hast du etwa etwas anderes erwartet?"
Mit einem Freudenschrei springt Draco vom Tisch auf und wirbelt mich einmal durch die Luft.
„Hey, sachte, sachte", murmle ich. „Es muss doch nicht gleich jeder erfahren, dass..."
Doch in diesem Moment kommt Marcus Flint, mein Quidditchcaptain, zu mir und befiehlt, dass ich jetzt erst mal essen und dann sofort aufs Feld soll. Ich nicke und als ich während des Essens aufsehe, treffen sich Hermines und mein Blick. Sie blinzelt ertappt, dann sieht sie sofort weg. Draco stupst mich unauffällig an und raunt mir ins Ohr, dass ich langsam mal mit ihr reden sollte. Doch ich schüttle nur den Kopf, sie würde es nicht verstehen können, aber Dray lacht nur bei diesem Argument.
„Wenn du es nie versuchst, Ellie, dann wirst du es nie erfahren"
Mein Besen ist sehr gut und ich habe es schon immer geliebt zu fliegen. Marcus ist sehr zufrieden mit mir, auch wenn er skeptisch ist, ob ein Mädchen wirklich geeignet sei. Der Rest des Teams besteht nur aus großen, kräftigen Jungs, die mich vorher keines Blickes gewürdigt haben, weil ich ihnen zu jung bin. Nun scherzen sie mit mir. Es ist seltsam eine ganze Kabine für mich zu haben. Mit Draco habe ich immer Quidditch gespielt, so gut wie es eben mit nur zwei Spielern funktioniert.
Gegen Ende der Woche ist Marcus beeindruckt und wird immer besser gelaunt. Er gibt mir weniger Befehle und lässt mich auch während der Pausen immer mehr in Ruhe.
Ziemlich schwer dagegen entwickeln sich meine Chancen auf ein Gespräch mit Hermine, da sie immer von Harry und Ron umgeben ist. Doch am Freitag Abend, einem Tag vor dem Spiel gegen Ravenclaw, nehme ich all meinen Mut zusammen, passe sie in der fast leeren großen Halle ab und spreche sie an: „Hermine, können wir reden? Bitte"
Sofort baut sich Harry Potter vor mir auf und fragt mich warum. Das Wiesel springt ihm bei und guckt mich böse an.
„Heute gar nicht mit deinem Malfoy unterwegs?", provoziert das Wiesel. Kühl antworte ich, dass es sicher nicht mein Malfoy sei und sehe ihn herablassend an.
„Wow", murmelt Harry. „Eigentlich dachte ich, diesen Blick hat nur Malfoy drauf, dass Black den auch kann.."
Drohend fauche ich, ob er den Satz wirklich beenden will. Hermine drängt sich an den Jungs vorbei und sagt ich solle mitkommen, also folge ihr zu einem stillen Ort im Schloss.
„Also, was ist so wichtig?", fragt sie und ich beginne ihr einfach alles zu erzählen. Je mehr ich ihr von den Malfoys und ihren Ansichten erzähle, desto breiter wird ihr Lächeln. Schließlich will sie wissen, warum ich denke, dass dies ihre Meinung von mir ändere.
„Sie sind die einzige Familie, die ich noch habe", murmle ich. „Ich weiß, dass sie ganz sicher nicht perfekt sind. Aber sie sind gute Menschen tief in ihrem Inneren und ich liebe sie"
Hermine nickt und meint, dass es für sie okay wäre. Wir müssten ja offiziell nicht beste Freundinnen sein, wir können uns ja auch nur wenn es etwas wichtiges zu besprechen gäbe, irgendwo unauffällig treffen.
„Dann machen wir das so", meine ich begeistert und mache mich auf den Weg zurück in meinen Gemeinschaftsraum.
„Viel Erfolg morgen", ruft sie mir hinterher
Das Spiel nehme ich wahr wie im Rausch. Blitzschnell weiche ich Klatschern aus, bis ich schließlich den Schnatz in den Händen halte. Wir haben tatsächlich gewonnen, ich habe es geschafft. Unsere grüne Fankurve johlt und langsam fliegen wir gemeinsam zurück auf den Boden.
„Gut gemacht, Kleine", meint Marcus und ich lächle in mich hinein. Der Rest der Saison kann kommen. Draco kommt auf mich zugerannt und schreit jedem, der es hören will oder nicht, zu, dass wir Slytherins nun ein viel besseren Sucher besäßen als Gryffindor. Doch bevor er mich erreichen kann, nehmen mich Marcus und Adrien Puecey, ein Jäger im dritten Schuljahr, auf die Schultern und tragen mich hinauf ins Schloss. Noch lange sitzen wir im Gemeinschaftsraum zusammen, noch ist niemand wirklich nach Feiern zu mute, aber wenigstens haben wir jetzt wieder eine Chance auf den Pokal. Der arme Terence Higgs, der gegen Harry den Schnatz nicht fassen konnte, lehnt in einem Sessel und starrt mich traurig an.
„Was ist los mit dir, Higgs?", raunzt Marcus, dem Terences Starren aufgefallen ist. Doch Terence schüttelt nur den Kopf.
Ich schaue ihm fragend tief in die Augen und schließlich seufzt er tief.
„Sie hat sehr gut gespielt. Besser als ich", murmelt er. „Sie sollte im Team bleiben"
Zu meiner Überraschung nickt Marcus: „Ja, wir können die Kleine wirklich nicht mehr hergeben. Vielleicht kriegt sie sogar Potter klein"
Noch eine Weile sitzen wir gemeinsam am Feuer und schweigen. Dann steht einer nach dem anderen auf und geht schlafen. Schließlich sind nur noch Adrien und ich übrig. Lange sagt er nichts und als ich schon selber aufstehen will, hält er mich am Arm fest.
„Am Anfang hatte ich meine Zweifel, als Snape dich vorgeschlagen hat, kleine Black", beginnt er. „Aber du bist wirklich gut. Aber wie ich Flint kenne, wirst du dir ständig deinen Platz bei uns verdienen müssen, deshalb möchte ich dir diesen Rat geben: Egal wie hart er dich rannimmt, gib nicht auf. Keiner von uns kann auch nur annähernd so gut fliegen wie du, also lass dich nicht von uns Jungs unterkriegen. Gute Nacht"
Damit steht er auf und lässt mich allein zurück. Dann erhebe auch ich mich aus meinem Sessel und trete an eines der Fenster, die nichts anderes als den See zeigen. Diese wundersame grüne Welt, die sich so an unsere schmiegt, fasziniert mich seit ich das erste Mal einen Blick auf sie erhascht habe. Man könnte meinen, dass man jedes Mal das Gleiche sehen würde, wenn man aus einer der Scheiben blicke, doch verändert sie sich jeden Augenblick. Ob man eine Fisch, eine neue Pflanze oder sogar einen der den See bewohnenden Wassermenschen entdeckt, kann man nur durch einen weiteren Blick hinaus herausfinden. Behutsam lege ich meine Hand an die Scheibe in der Erwartung auf kühles Glas zu treffen, doch fühlt es sich anders an als jedes Glas, das ich je gespürt habe. Weicher, wärmer, unnachgiebiger. Mit einem mal bin ich froh, dass wir Weihnachten nicht in Hogwarts verbringen werden. So gern ich auch diese fremde, grüne Welt beobachte und mich in sie hinein träume, so gern würde ich auch einfach wieder Schneeflocken an meinem Fenster tanzen sehen.
Doch als ich im Abteil neben Draco sitze, fühle ich mich so verloren wie schon lange nicht mehr. Ich betrachte die an uns vorbeirasende Landschaft und wünsche mir, dass meine Eltern am Bahnhof auf mich warten würden und wir gemeinsam nach Hause gehen würden. Wie sehr ich mich nach diesem Leben sehnte. Traurig schloss ich die Augen und stellte mir vor, wie wir vier gemeinsam am Esstisch säßen und einfach nur zusammen wären. Wie eine glückliche Familie.
Ob Draco versucht hat mich aus meiner eigenen Welt zu reißen oder ob er erkannte, dass jeder Versuch zwecklos sein würde, weiß ich nicht. Aber als ich die Augen wieder öffnete, war er fort. Hastig wische ich mir eine Träne fort und stehe auf. Mit einem Quietschen kommt der Zug zum Stehen und ich schnappe mir meinen Koffer. Nun eilt auch Draco herein, nimmt seinen und grinst mich an.
„Na, ausgeschlafen?", fragt er und ich lächle nur müde zurück.
„Lass uns gehen", murmle ich. „Wir sollten deine Eltern nicht warten lassen. Immerhin ist Weihnachten"
Draco lacht und erzählt mir irgendwelche Geschichten, während wir den Zug verlassen.
„Ist wirklich alles in Ordnung mit dir, Ellie?", fragt mich Tante Cissy nun zum hundertsten Mal, seit wir wieder in Malfoy Manor angekommen sind. Entschlossen löse ich mich vom Fenster und schüttle den Kopf. Früher habe ich mich in diesem großen Haus ganz verloren gefühlt, doch mittlerweile wird es mir hier einfach zu eng. Es gibt kaum noch verborgene Winkel, die es gemeinsam mit Draco zu entdecken gibt. Seltsam wie einem das eigene Zuhause klein erscheint, sobald man sich in Hogwarts zurechtfindet.
An jedem Fenster bleibe ich stehen und betrachte diese Landschaft. Es fühlt sich an, als wäre ich ewig fort gewesen. Wie gern würde ich nach draußen laufen und durch den schneebedeckten Park spazieren.
Später vielleicht, wenn wir das Dinner vorbei ist, vielleicht kann ich dann noch eine kurze Zeit lang im Park umherstreifen. Vielleicht würden wir uns auch alle gemeinsam an den Kamin setzen und alte Geschichten erzählen. Vielleicht würden wir einfach eine Familie sein. Oder vielleicht würde es wieder so werden wie letztes Jahr, dass jeder für sich sein wird, dass jeder von uns auf seine Weise allein in diesem Haus sein wird.
Weihnachten fehlte mir meine richtige Familie immer am meisten. Manchmal glaubte ich das Gesicht meines Dads in den Flammen zu erkennen, auch wenn ich wusste, dass dies unmöglich ist.
Ob sich jemand an meinen Dad erinnert? Ob viele Schüler überhaupt wussten, wer mein Vater ist? Wie wohl mein Leben verlaufen wäre, wenn die Lily und James nicht verraten worden wären? Den Malfoys bin ich sehr dankbar, dass sie mich bei sich aufgenommen hatten. Dennoch spüre ich jeden Tag diese unsägliche Last auf meinen Schultern ruhen, die Reinblutfamilien auf sich gezogen haben. An manchen Tagen frage ich mich, weshalb ich nicht ausbreche – wie mein Dad damals. Doch dann erscheint immer Drays Gesicht und ich weiß, dass ich ihn nicht allein lassen kann.
Es ist ein sehr gut gehütetes Geheimnis, dass Reinbluteltern wie die Malfoys nicht nur sehr strikt in der Erziehung ihrer Kinder sind, sondern dass sie auch vor manch umstrittenen Erziehungsmethoden nicht zurückschrecken. Ein einziges Mal haben sie den Cruciatusfluch an mir angewandt, um mir richtiges Benehmen beizubringen. Draco bringen sie öfter zum Schreien. Meist nur, weil er versucht mich zu beschützen. Früher haben sie ihn dafür bestraft, dass er zu Fremden zu freundlich gewesen ist – auch zu Muggeln. Narcissa wäre nie in der Lage uns so etwas anzutun, aber Lucius... zwar ertrug er es nie länger als zehn Sekunden, aber dennoch war er überzeugt uns damit zu helfen.
Draco und ich wissen mittlerweile, dass sie nur das Beste für uns wollen. Immer wieder haben sie uns den verstümmelten Familienstammbaum gezeigt und uns verdeutlicht, was sie uns antun müssten, wenn wir uns nicht anzupassen lernten. Nur dadurch konnten wir lernen sie zu verstehen. Dennoch fühlt es sich von Zeit zu Zeit so an, als ob ich niemals hier reinpassen könnte.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro