
Kapitel 16 ~ Erwachen
Ellie
Benommen schlage ich die Augen auf und brauche eine Sekunde, um mich an das warme Licht in der Welt der Lebende zu gewöhnen. Die Decke ist unglaublich steril und schlagartig wird mir bewusst, dass jemand meine Hand hält. Als ich mich aufrichten möchte, drücken mich zwei Hände bestimmt zurück ins Kissen und Madam Pomfreys Stimme ermahnt mich streng es nicht zu übertreiben. Dennoch drehe ich neugierig den Kopf und starre mit offenem Mund in das erleichterte Gesicht meines Dads.
Mit einem Ruck setze ich mich auf und ernte einen strengen Block von Madam Pomfrey. In meinem Kopf beginnt sich alles zu drehen und sobald ich klarsehen kann, registriere ich die anderen, die sich um mein Bett versammelt haben. Der Anblick ist schlicht grotesk. Neben Dad stehen Harry, Ron und Hermine. Auf der anderen Seite des Bettes stehen Onkel Lucius und Tante Cissy hinter Draco. Beide Fronten werfen sich böse Blicke zu und ich verdrehe die Augen. Aber immerhin belassen sie es mir zuliebe bei Blicken. Am Fußende meines Bettes stehen Severus, Dumbledore und Remus.
„Was ist passiert?", frage ich verwirrt und schaue sie einem nach dem anderen an.
„So viel, dass man ein Buch darüber schreiben könnte", scherzt Harry und ich lege den Kopf schief. Mit mehr Nachdruck verlange ich nach einer Erklärung, aber Madam Pomfrey drückt mich energisch zurück in die Kissen. Irritiert sehe ich zu ihr auf und klammere mich fester an Dads Hand. Sie will, dass sie gehen. Sanft streicht Dad mir eine lose Haarsträhne aus dem Gesicht.
„Es ist alles gut, Helena", wispert er beruhigend. „Ich werde dir alles erklären, sobald dein Körper es verkraften kann. Aber jetzt brauchst du Ruhe"
Als ich zum Protest ansetze, schiebt Madam Pomfrey mir einen Löffel in den Mund und ich spüre sofort, wie der Schlaftrank meine Sinne benebelt.
„Geh nicht wieder fort", flüstere ich, dann versinke ich in absoluter Dunkelheit.
Als ich das nächste Mal zu Bewusstsein komme, ist es mitten in der Nacht und Dad schläft im Bett neben mir. Mein Verstand ist noch immer benebelt von dem Schlafmittel. Wie lange war ich weg? Vorsichtig setze ich mich in meinem Bett auf und erinnere mich, was vor meiner Reise in die Schattenwelt geschehen ist. Irgendjemand hatte mir Gift ins Frühstück gemischt und ich bin noch in der großen Halle zusammengeklappt.
Meine Kehle ist vollkommen trocken. Als ich nach dem Glas greife, welches auf dem Nachtisch steht, bemerke ich, wie stark meine Hand zittert. Rasch stütze ich den Inhalt des Glases in einem Zug hinunter, dann setzte ich es vorsichtig zurück an seinen Platz. Im nächsten Augenblick fallen meine Augen auch schon wieder zu.
Noch zwei weitere Tage dämmere ich zwischen Träumen und Wachen. Dann ist die Wirkung des Gegengiftes voll entfaltet und ich darf langsam das Bett verlassen. Am dritten Tag beantwortet Dad meine Fragen und am Ende bin ich vollkommen perplex. Nun verstehe ich Harrys Aussage. Man könnte wirklich ein Buch über die Dinge schreiben, die ich verpasst habe.
„Was ist mit Peter?", bohre ich nach und Dad lehnt sich nachdenklich auf seinem Stuhl zurück.
„Sie haben ihn gefangen genommen, aber er konnte ihnen in letzter Sekunde entwischen", berichtet er tonlos. „Ich verstehe nicht, wie sie auf seinen alten Trick noch einmal hereinfallen konnten. Auf jeden Fall ist er irgendwo da draußen – nur sucht ihn jetzt das ganze Ministerium"
Ich kann mir ein verächtliches Schnauben nicht verkneifen. Sofort grinst Dad mich schief an. Ja, mit der Zuverlässigkeit des Ministeriums haben wir beide keine guten Erfahrungen gemacht.
Summend binde ich meine Krawatte, bis mir der Knoten gefällt, dann trete ich dramatisch hinter dem Spiegel hervor. Dads Blick bleibt sofort auf dem Schlangenemblem hängen und meine gute Laune ist wie fortgeblasen. Nervös zupfe ich am Saum meiner Bluse.
„Bist du sehr enttäuscht von mir, weil ich nicht nach Gryffindor gegangen bin, wie du es dir für mich gewünscht hast?", frage ich und kann ihm nicht in die Augen sehen. Kurz darauf legen sich seine Arme etwas unbeholfen um mich und seine Hand fährt mir beruhigend über den Rücken.
„Ich habe viele Jahre gebraucht, um zu verstehen, dass Slytherin nicht nur Stolz und Reinheit bedeutet, sondern auch Ehrgeiz", wisperte er. „Ich kenne niemanden, der mehr Ehrgeiz und Durchhaltevermögen besitzt als du. Es ist mir egal, zu welchem Haus du gehörst. Für mich zählen nur deine Entscheidungen und ja, vieles wäre sicherlich einfacher, wenn du in Gryffindor wärst. Aber seit wann lässt du dich vom schwereren Weg zurückschrecken?"
Es liegt mir auf der Zunge nachzuhaken, aber ich genieße es viel zu sehr wieder einen Dad zu haben, der für mich da sein kann und der mich so akzeptiert, wie ich bin. Mehr habe ich mir nie gewünscht.
„Elizabeth!", schreit Pansy begeistert, schubbst die Jungs und ein paar Erstklässler beiseite, dann wirft sie sich mir an den Hals und umarmt mich stürmisch. Als sie mich loslässt, fällt mir die Verwirrung in Dads Gesicht auf. Draco, Blaise, Vincent und Gregory kommen auf uns zu.
„Wie hast du meine Tochter gerade genannt?", fragt er verwirrt und Pansy wirft ihm einen scheuen Blick zu, bevor sie mich Hilfe suchend ansieht. Verlegen streiche ich mir eine Haarsträhne aus der Stirn und erkläre Dad kurz, dass Großmutter glaubte, ein anderer Name würde für mich Sicherheit und eine Möglichkeit zum Neuanfang bedeuten. Missbilligend zieht Dad eine Augenbraue hoch, nickt mir knapp zu und gesellt sich zum Lehrertisch. Als McGonagall ihn entdeckt, breitet sich auf ihrem Gesicht ein breites Grinsen aus. Remus winkt ihn lächelnd auf den freien Platz neben sich.
„Wie geht es dir?", erkundigt sich Draco besorgt und ich lächle ihn beschwichtigend an. Scherzend meine ich, dass ich vor Hunger sterben könnte. Sofort setzen sich meine Freunde in Bewegung und schieben mich auf meinen Platz. In Rekordzeit häufen sie Unmengen an Essen auf meinen Teller und zum ersten Mal in diesem Jahr bin ich vollkommen glücklich.
„Ich kann es nicht fassen, dass heute der letzte Tag ist", meint Pansy verträumt und ich schaue sie überrascht an.
„Versteh mich bitte nicht falsch, ich bin froh, dass du wieder wach bist, aber ich hätte dieses Jahr gern mehr Zeit mit dir verbracht", gesteht sie und fügt hinzu, dass sie das Gefühl hatte mich kaum gesehen zu haben. Sofort meldet sich mein schlechtes Gewissen. Schnell beginne ich zu essen und überlege fieberhaft nach einer Antwort. Aber Pansy und Blaise beginnen bereits mir den neuesten Klatsch und Tratsch unseres Hauses zu erzählen.
„Kommst du in den Ferien zu uns?", will Draco ganz beiläufig wissen und mein Herz setzt einen Schlag aus. Soweit habe ich bis jetzt noch gar nicht gedacht. Aber er hat recht, immerhin ist heute der letzte Tag des Schuljahres. Automatisch suchen meine Augen nach Dad, der gerade McGonagall zum Lachen und Remus zum Erröten bringt, während Severus genervt die Augen verdreht. Als hätte er meinen Blick gespürt, dreht sich Dad zu mir und zwinkert mir verschwörerisch zu. Lächelnd wende ich mich zu Draco.
„Ich komme dich besuchen", verspreche ich und seine Augen leuchten vor Begeisterung auf. Seine Erleichterung überspielend nippt er betont lässig an seinem Tee.
„Du hast mir gefehlt", wispere ich und schlinge meine Arme um ihn. Mit großer Geste stellt er seine Tasse zurück auf den Tisch, dann erwidert er meine Umarmung.
„Ich habe mir so große Sorgen um dich gemacht", haucht er mir ins Ohr und über seine Schulter blicke ich in ein dunkles Augenpaar. In Dads Augen sehe ich nichts als Sorge.
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