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F I T Z
„Dean?"
Von irgendwo her vernehme ich meinen Namen. Als würde ihn jemand aufgebracht und aufgelöst rufen. Bilde ich mir das ein? Meine Sinne spielen im Moment nicht ganz mit.
Nochmal. „Fitz?"
Blitzschnell hebe ich meinen Kopf und sehe meine Freundin auf mich zu eilen. Ihre Haare haben sich fast zur Gänze aus dem Zopf gelöst, und sie trägt bloß eine einfache Jean und einen dicken Parka. Hinter ihr ein besorgter Blake, bloß in Collegejacke und Jeans.
„W ... Was macht ihr hier?", bringe ich lächerlich schwach über meine Lippen, als wäre ich derjenige, der auf einer Trage hier reingebracht wurde. Eigentlich interessiert es mich gar nicht, wie sie mich gefunden haben. Ich bin nur froh, dass sie hier sind. Fuck, bis eben war mir nicht klar, wie gut es tut ein vertrautes Gesicht zu sehen. Es erinnert mich auch daran, dass das hier real ist. Wie eine kalte Dusche klatscht diese Erkenntnis auf mich herab. Es ist kein beschissener Albtraum, es passiert wirklich. Und ich mitten drin.
Meine süße Rachel eilt auf mich zu, während sich ihr besorgter Blick in mich bohrt. „Geht's dir gut?"
Nein. „Ich hab nichts. Alles okay Baby.", versichere ich ihr leise, als sich ihre Arme um mich schlingen. Wie ein beruhigender Schutz legt sich das Gefühl über mich, als ich ihren warmen Körper an mir spüre. Wohltuend presst er sich an mich und ich atme wie ein Irrer ihren vertrauten Lavendelduft ein, während ich mein Gesicht in ihrem Haar vergrabe. Sie sind feucht und das Duschgel klebt auf ihrer wärmenden Haut.
„Hey, Fitz. Was ist passiert?" Blake gesellt sich neben uns und ich löse mich von Rachel.
Ich sehe in sein verwirrtes und zugleich besorgtes Gesicht, und sofort stürzt der Bach der Erinnerungen an den heutigen Abend in mir los. Meine Finger werden kalt, meine Brust schnürt sich schmerzhaft zusammen und ich zwinge mich dazu, einen tiefen Atemzug zu nehmen. Klappt nur halbwegs.
„Wir" Ich räuspere mich und sehe zu Boden. „Wir waren bloß was trinken, ein Bier nicht mehr. Als wir raus sind ist Curtis plötzlich neben mir zusammengebrochen. Das wars. Ich habe keine Ahnung was mit ihm los ist."
Rachel umklammert meine Hand so fest, dass es schon leicht schmerzt und ihre Knöchel weiß hervortreten. Sie schert sich nicht darum. Das Wissen und das Gefühl, das ihre Berührungen auslösen, überbieten es. Also bliebe ich still, stütze mich auf meinen Knie ab und schließe die Augen.
„Shit.", murmelt Blake. „Hat schon jemand mit dir gesprochen?"
Stumm schüttle ich kaum merklich den Kopf.
„Ich hole dir was zu trinken, okay? Ich bin gleich wieder hier.", flüstert Rachel neben mir und lässt meine Hand los. Sie drückt mir einen eiligen Kuss auf die Schläfe und mir fehlt jegliche Kraft, sie zurückzuhalten. Ich lasse los, lauschen ihren Schritten, die den Flur hinabeilen und presse meine Lippen aufeinander.
Ein Rascheln neben mir und ich spüre, wie sich Blake auf den Stuhl neben mir fallen lässt. „Kumpel, du bist kreidebleich. Du solltest nach Hause und schlafen.", murmelt er leise, mit hörbarer Vorsicht in der Stimme. Er hat sich vorgelehnt und ebenso wie ich die Ellbogen auf den Knie abgestützt.
Schwach schüttle ich den Kopf. „Nein, ich gehe nirgendswo hin. Erst wenn ich mit ihm gesprochen habe."
„Fitz..."
„Nein, verdammt.", platzt es aus mir heraus. Ich sehe zu ihm auf und starre ihm direkt in die Augen.
In Blakes Gesicht ist nichts als Verständnis zu lesen. Ich weiß, dass er helfen will. Das will er immer. Aber ich bewege mich kein Stück von hier weg. Denn ich muss Gewissheit haben, ich muss wissen was mit Curtis los ist. Das schlimmste was passieren kann ist, dass meine Befürchtungen sich bewahrheiten. Und wenn es so ist, muss ich das wissen. Diese Ungewissheit nistet sich wie ein Parasit in mir ein und zerfrisst mich innerlich.
„Ich bleibe hier, auch wenn es noch Stunden dauern würde. Ich. Bleibe.", fauche ich meinen besten Freund an und frage mich im selben Moment, warum ich das tue. Aber diese Wut, diese Erinnerungen machen mich zu einem Menschen, den ich selbst hasse. Ich verabscheue ihn, aber ich kann aus meiner eigenen Haut nicht flüchten. Ich bin machtlos gefangen.
Betrübt nickt er langsam, als wir uns anstarren. „Okay. Wir warten."
Meine Schultern sacken wieder in sich zusammen, während meine vor Müdigkeit brennenden Augen auf meine zitternden Hände starren.
Rachels leise Schritte erklingen wieder auf dem grauen hässlichen Linoleumboden. „Hier." Sie hält mir eine Flasche Wasser hin und lässt sich ebenfalls neben mich fallen. Doch ich schüttle bloß den Kopf und verweigere das Wasser. Als sie näher rückt, springe ich von meinem Platz auf und entferne mich ein paar Schritte von den beiden. Bevor ich überlegen kann, landet meine Faust mit einem dumpfen Knall auf der gegenüberliegenden Wand.
„Fuck."
Der Schmerz auf meinen Knöcheln breitet sich aus. Im Augenwinkel merke ich, wie Rachel auf ihrem Platz zusammenzuckt und kleiner wird. Wie benommen und schwer atmend stütze ich mich an der Wand ab und frage mich, wie lange ich noch warten kann. Ich bin kurz davor, diese Station hier zusammen zu brüllen, um endlich Antworten zu bekommen.
Als hätten die Schwestern und Ärzte mein Fluchen gehört, nähert sich uns jemand.
„Sind Sie der Begleiter von Curtis Lee Cooper?" Eine tiefe männliche Stimme lässt mich aufschrecken. Ich sehe einem älteren Mann mit Glatze und Bart in die Augen, die von einer schwarzen schlichten Brille umrandet werden. Er sieht aus, als hätte er einen überdurchschnittlichen IQ, aber ich weiß jetzt schon, dass das was er mir erzählen wird, nur Bullshit ist. Bullshit, den ich nicht hören will. Ich kenne diese Gesichtsausdrücke der Ärzte, wenn sie dir eine Scheißnachricht überbringen müssen. Ich kenne sie zu gut. Im Grunde ist es leicht sie zu lesen.
Ferngesteuert nicke ich. „Ja. Was ist mit ihm? Kann zu ihm zu ihm?"
Bevor er den Mund aufmacht, weiß ich die Antwort bereits. „Es tut mir leid, aber er braucht Ruhe. Wir haben bereits seine Eltern verständigt."
„Aber ich muss ihn sprechen.", bringe ich hervor. Wieder dieses Zittern in meinen Händen und diese unerträgliche Enge in meiner Brust.
Nochmals ein Kopfschütteln. „Wenn Sie in keinem direkten Verwandtschaftsverhältnis zu ihm stehen, kann ich Sie nicht zu ihm lassen. Tut mir leid."
„Aber Sie können mir doch sagen, was ihm fehlt?"
„Auch das nicht. Es handelt sich um eine ernste Angelegenheit und ich kann meine ärztliche Schweigepflicht nicht außer Acht lassen. Ich kann Ihnen keine Auskunft geben."
Ernste Angelegenheit.
Das ist alles was hängen bleibt. Blasse Haut, kahler Kopf, eingefallene Augen und sein dünner schlaksiger Körper. Eine ernste Angelegenheit.
Mein Blick fällt langsam hinab und ich spüre zwei große Hände auf mir. Der Flur verschwimmt, die Konturen verblassen und diese vertrauten Stimmen um mich geben mir das Gefühl zu träumen. Träume ich? Ich muss träumen, eine andere plausible Erklärung gibt es für diese Scheiße hier nicht.
Der Mann in dem weißen Kittel, der immer wieder den Kopf schüttelt und trotz seines IQ's nur Bullshit labberte, entfernt sich von mir. Er verschwimmt vor meinen Augen, aber meine Augen sind so trocken, dass es brennt. Ständig frage ich mich, ob das hier real ist. Ob ich in einem Albtraum gefangen bin? Und falls es real ist, warum wiederholt es sich? Warum?
„Fitz?"
Meine Füße taumeln zurück, mein Rücken prallt auf eine kühle Wand. Jemand schlingt einen Arm um mich und ich starre darüber hinweg. Plötzlich wird mir der Geruch bewusst, der mich umgibt. Es riecht nach Desinfektionsmittel, nach Putzmitteln und nach all diesen Dingen, die mich nach alle den Jahren und Stunden neben dem Krankenbett unter Strom versetzten. Die meinen Körper in einem Ausnahmezustand bringen und ich hilflos dabei zu sehe, wie ich falle. Und immer weiter falle.
„Blake?" Ich glaube, dass es er ist der mich umarmt hat. Zumindest war er gerade noch hier.
„Ja, Kumpel?" Seine Stimme dringt klar zu mir hindurch.
„Kannst du mich hier raus schaffen? Ich bekomme keine Luft.", bringe ich schwach hervor und starre an ihm vorbei.
„Klar, komm mit. Ich hab dich."
Ich weiß nicht, wie wir zum Auto gekommen sind. Ich kann mich an den Weg nicht erinnern. Alles war weiß, überall derselbe Geruch. Wie ein Geist folgte ich Blake und klammerte mich an Rachels Hand, die mich irgendwann erreichte.
Boston zieht an uns vorbei, hinterlässt bunte Lichter im Dunklen. Aber es fühlt sich an als würde vor meinen Augen alles wie in einem Film ablaufen. Ich sehe es, aber ich nehme es nicht wahr.
Als wäre ich stiller Zuschauer und Marionette zugleich in dieser verkorksten Welt.
Vor mir wird die Haustüre aufgesperrt und im nächsten Moment schieben sich Parker und Cam in mein verworrenes Blickfeld. Ihre fragenden Blicke erreichen mich, aber ich hoffe, dass Blake oder Rachel diesen Erklärungsscheiß übernehmen.
„Was ist los?"
„Ihr seht alle drei richtig benommen aus."
Hinter mir wird die Türe zugestoßen und der Laut durchzuckt meinen Körper. Plötzlich kommt mir jeder Laut, jede Stimme um mich herum viel zu laut vor. Als hätte ich Verstärker in meinen Ohren.
„Curtis ist zusammengebrochen. Wir wissen nichts Genaueres.", informiert sie Blake leise.
„Sie konnten Fitz keine Auskunft geben, da er mit ihm ja nicht verwandt ist.", höre ich Rachel dicht neben mir.
„Fuck, das ist ja scheiße.", murmelt Cam.
Ruhe beherrscht den Raum und langsam merke ich, wie sich alle Augenpaare auf mich richten. Starr und stumm mustern sie mich, aber sie sind ahnungslos. Sie haben keinen blassen Schimmer, dass ich mich in einer Endlosspirale befinde.
„Wollen wir hochgehen?" Rachel tritt an mich heran und tastet zart nach meiner Hand.
„Ich will alleine sein." Mein Mund ist trocken.
„Bist du dir sicher? Du solltest nicht alleine sein.", sagt sie und mustert mich besorgt.
„Sag mir nicht was, was ich tun soll und was nicht.", fauche ich sie an.
Shit. Ich will diese wuterfüllten falschen Worte zu ihr sagen und schon gar nicht will ich sie anschreien. Aber die Wut ist in mir und ich weiß nicht, wie ich mit ihr umgehen soll. Unkontrolliert entgleitet sie mir und sucht sich ein unschuldiges Ziel. Wenn ich nur das Ziel wüsste, wenn ich nur wüsste, worauf ich diese Wut lenken kann. Aber im Moment irre ich ahnungslos damit herum.
Blake macht regelrecht einen Satz nach vor und schiebt sich zwischen Rachel und mich, die mich entgeistert und überrumpelt mit ihren unschuldigen Rehaugen ansieht. „Fitz, verdammt. Rachel will dir doch bloß helfen. Also fahr jetzt mal runter."
Meine brennenden müden Augen richten sich langsam auf ihn. Trocken nicke ich. „Ich bin schon unten.", murmle ich heißer. Ein Blinzeln, dann wende ich mich ab.
Ferngesteuert schlürfe ich in die Küche, öffne den Schrank und greife nach der Falsche Jack Daniels, die mich regelrecht anlächelt. Ich umklammere den Hals der Flasche fester, als ich den Jungs und Rachel nochmal einen Blick zu werfe.
„Fitz, komm schon. Du weißt noch gar nicht was mit Curtis los ist.", versucht es Blake nochmal, aber sein verzweifelter Versuch prallt bloß auf eine sture Mauer.
Auf der ersten Stufe drehe ich mich ruckartig zu den anderen um. Alle stehen sie da, sehen zu mir hoch und das einzige was ihre Gesichter schmückt, ist pures Mitleid. Ich will kein Mitleid, ich will einen Anruf von Curtis, der mir sagt, dass es ihm gut geht.
Ich sehe Blake an. „Macht euch keine Sorgen um mich, ich komm klar."
„Wie du meinst. Aber gib mir zuerst die Flasche.", kontert er. Sein breiter Körper baut sich vor mir auf, er verschränkt die Arme vor der Brust und sieht mich geduldig an.
Doch ich Schwachkopf weiß es natürlich besser. Ich öffne die Flasche, setzte sie an den Mund trinke einen großen Schluck davon, während ich Blakes Blick eisern standhalte. Enttäuschung blitzt durch seine Augen und er unterdrückt gekonnt ein Seufzen. Ich an seiner Stelle, würde mir die Flasche aus den Händen reißen sie vor meinen Augen an der Wand zerschmettern lassen. Aber er lässt es zu, dass mein Irrsinn siegt und ich damit hoch in mein Zimmer gehe. Meine Hände greifen haltesuchend nach dem Treppengeländer und meine Augen blinzeln mehrmals.
Während ich die Stufen erklimme, höre sie reden. Sie reden über mich, als wäre ich nicht anwesend. Als würde ich sie nicht hören. Nur höre ich jedes Wort davon, während ich völlig neben mir stehe. Mein Geist ist klar, ich sehe und höre klar, bloß die Kraft in mir schwindet. Also ignoriere ich sie und lasse sie hinter mir.
Müde erreiche ich mein Zimmer, lasse die Tür mit einem Knallen zufallen und starre in die dunkle Leere des Zimmers.
Wieder trinke ich an dem Rum. Ich warte auf das benebelnde Brennen, aber es kommt nicht. Also setzte ich sie ein weiteres Mal an. Und nochmal.
Inzwischen liege ich immer noch komplett angezogen auf dem Bett, die Flasche in beruhigender Reichweite und starre vor mich hin, während Erinnerungen über mich herfallen. Doch irgendwann leert sich mein Kopf, mein Körper wird schwerer und die Augen schwach.
Mitten in der Nacht spüre ich einen Körper an mir. Ein zierlicher Körper, der sich an mich drückt und sich sanft an mich schmiegt. Ich schlage meine Augen auf und starre ins Dunkle. Für einen Moment bleibe ich starr liegen, bewege mich keinen verdammten Zentimeter, während Rachel dicht neben mir schläft. Aber ich halte es nicht aus. Denn mit dem Punkt, wo meine Sinne aktiviert werden, häufen sich auf die Erinnerungen an Liv in meinem Kopf.
Als hätte der heutige Abend Liv wieder zum Leben erweckt.
Fuck, ich kann hier nicht liegen bleiben.
Vorsichtig winde ich mich aus ihren Armen und stehle mich aus dem Bett. Mit der Flasche in der Hand lasse ich mich vor dem Bett hinabsinken und lehne mich daran.
Ich will bloß, dass es aufhört.
Leute, es tut mir richtig leid, dass ihr so lange warten müsst. Aber die Uni hat mich zurzeit sehr im Griff. Wünsche euch eine schöne Woche und lasst mir gerne Meinungen da, was mit Curtis passieren könnte. Würde mich interessieren. Bis bald,
eure SummerOF_Love
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