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R A C H E L
Krampfhaft unterdrücke ich ein schmerzerfülltes Seufzen und verfluche all die männlichen Wesen auf dieser Erde. In meinem Uterus wütet ein kleines Biest und schickt alle zehn Minuten stechende Schmerzen durch meinen Unterleib. Gott, manchmal nervt es eine Frau zu sein.
„Schätzchen, soll ich dir noch mehr Süßigkeiten holen?" Val mustert mich von unserer kleinen Kochnische aus besorgt und neigt ihren Kopf schief. Blonde Strähnen umranden ihr zartes Gesicht. „Es hilft zwar nichts gegen die Krämpfe, aber es gut für deinen seelischen Zustand."
„Wenn wir noch welche haben, nur her damit. Und bitte sag, dass Schokolade da ist.", bettle ich jämmerlich von der Couch aus, wo ich mich vor einer halben Stunde unter der Decke zusammengerollt habe.
Val kramt im Schrank herum, während sie auf Zehenspitzen balanciert um an das Fach zu kommen. Nach ein paar Sekunden ruft sie freudig aus. „Jap, Volltreffer."
Als ich sehe, dass sie eine Packung Reeses auf mich zuwirft, lächle ich breit. „Kommt zu Mama." Ich fange sie auf und reise sofort die Packung auf.
Es ist Montagabend und der erste Unitag nach den Winterferien. Fitz und ich sind am Freitag von Virginia zurückgekommen und haben noch ein gemütliches Wochenende verbracht. Es tat richtig gut noch ein paar Stunden mit ihm zu verbringen, ohne sich nicht gleich wieder in die Uni Kurse zu stürzen.
Fitz ist heute Abend mit Curtis losgezogen um sich auf ein paar Bier zu treffen. Aber so wie ich die beiden mittlerweile kenne kann ich mit hundertprozentiger Sicherheit sagen, dass ein paar Bier nicht ausreichen werden. Und Curtis hat eine ungesunde Vorliebe für Shots, das weiß ich nun.
Aber mir war es mehr als Recht, dass mein Freund heute etwas mit seinem Kumpel unternimmt. Wäre er hier bei mir, wäre die Gefahr zu groß, dass ich ihm die Augen auskratze und ihn dafür in die Hölle schicke, dass er ein Mann ist. Jetzt muss Val meinen Ärger und mein Fauchen abbekommen. Und außerdem habe ich meine Oma-Unterwäsche hervorgeholt, diesen Romantik-Killer schlechthin muss Fitz nun wirklich nicht entdecken.
Dennoch atmete ich heute Morgen am Klo erleichtert aus. In den letzten Tagen schob ich dezent Panik, da sich meine Periode etwas verspätete. Und da wir es letztens ohne Kondom getan haben, kam ich etwas ins Straucheln, auch wenn ich die Pille nehme. Man weiß ja nie.
„Du tust mir echt leid. Ich bleibe von solchen Unterleibskrämpfen verschont, ich bekomme dafür Megakopfschmerzen, die mich außer Gefecht setzten.", meint Val und setzt sich zu mir auf die Couch. Sie startet Netflix und drückt auf die nächste Folge von Haus des Geldes. Diese spanischen Serien haben es wirklich drauf. So sehr, dass Val und ich süchtig geworden sind. Und wir haben noch nicht mal die erste Staffel hinter uns.
„Ich weiß gerade nicht, was beschissener ist.", murmle ich mit vollgestopften Mund. „Bauchkrämpfe, dass du meinst ein Kind zu gebären oder Kopfschmerzen, dass du nicht mal bis drei zählen kannst."
„Hast Recht.", sagt sie. „Wo waren wir stehengeblieben?"
Ich schlucke die Süßigkeiten hinab. „Der Professor ist gerade Raquel im Bett gelandet. Ich wusste es, dass das passieren würde."
„Es war so offensichtlich.", stimmt sie mir mit einem Kopfschütteln zu und drückt auf Play.
Gespannt und völlig in dieser Welt gefangen, verfolgen wir das Geschehen auf dem Bildschirm. Val stopft sich Popcorn hinein und ich leere in beachtlicher Geschwindigkeit die Packung Reeses. Da werden wieder ein paar Stunden mehr Yoga nötig sein. Oder ich gehe mit Fitz eine Runde joggen, aber vermutlich blamiere ich mich da bloß. Und mit seinen langen Beinen ist er auch viel schneller als ich.
„Wow.", stößt Val aus, als die Folge zu Ende ist und der Abspann über den Bildschirm flackert. „Also die Spanier sind ja mal geil."
Ich brumme zustimmend, werde aber abgelenkt als eine Nachricht auf meinem Handy aufleuchtet. Sie ist von Fitzy. Es ist gerade mal elf Uhr.
Fitz: Wie geht's meinem armen Baby zuhause?
Ich: Eine Packung Reeses hat gerade daran glauben müssen, aber alles okay soweit.
Fitz: Dann komme ich heute zu dir ins Bett und dann geht's dir besser.
Ich: Unterleibskrämpfe und mein betrunkener Freund im Bett? Nein danke, Babe. Schlaf deinen Rausch lieber zuhause aus J
Fitz: Und wenn ich mit noch mehr Süßigkeiten vor der Tür stehe?
Ich: Dann hast du bald eine übergewichtige Freundin.
Fitz: Und somit noch mehr von deinem sexy Körper J
Ich: *seufz* nein danke. Grüße Curtis von mir und viel Spaß euch beiden
Fitz: Danke Babe. Ich melde mich später.
„Ihr seid ja schlimmer als Romeo und Julia. Schafft ihr nicht mal einen Abend ohne einander?", grault Val neben mir auf und wirft den Kopf in den Nacken.
„Was? Woher weißt du das es Fitzy war?"
„Weil du dann immer so rote Wangen bekommst und wie eine Durchgeknallte grinst. Schätzchen, du bist leicht zu lesen.", murmelt sie und wirft mir einen vielsagenden Blick zu.
Okay, erwischt.
„Schreibt ihr da Sexnachrichten?"
Ich werfe das Handy zwischen Couch und Decke in den Spalt und kuschle mich wieder unter die Decke. „Wir haben nur kurz geschrieben. Und nein, nichts Versautes. Heute nicht.", verteidige ich mich mit einem schwachen müden Lächeln.
Kopfschüttelnd lächelt sie und verdreht die Augen. „Ich wusste ja, dass Fitz versaut ist. Aber du?"
Grinsend halte ich mir die Decke bis unter die Nase um nicht zu verraten. Aber ich entkomme Val nicht. „War mir auch nicht klar. Aber ich denke daran ist Fitz schuld. Er macht das mit mir."
„Wo ist er heute?"
„Er ist mit Curtis unterwegs. Keine Ahnung wo sie hin sind, er sagte nur in eine Bar in Boston.", meine ich und schiele zu dem letzten Stück Reeses in der Packung. Böse lächelt es mich an. Fiese Dinger.
„Du vertraust ihm sehr, was?", sagt Val und durchkreuzt meinen kaltblütigen Schlachtplan für das letzte Stück Schokolade.
Mein Blick schießt zu ihr und ich mustere sie mit zu schlitzen gezogenen Augen. „Ja, das tue ich.", murmle ich. „Hätte ich einen Grund es nicht zu tun?"
Val schüttelt sofort den Kopf, zuckt aber dann mit den Schultern. „Naja, Fitz sieht gut aus und er geht alleine mit seinem Kumpel in eine Bar."
Automatisch schüttle ich den Kopf. „Nein, ich mache mir keine Sorgen, dass in dieser Bar etwas passieren würde.", stelle ich klar. „Ich vertraue ihm."
Val nickt langsam und wendet dann den Kopf ab. „Okay."
Klar, Fitz sieht gut aus und ich bin nicht das einzige Mädchen, dass seine Tattoos und seine grünen Augen anziehend findet. Dennoch vertraue ich ihm, wir sind zusammen und bisher wäre mir nie etwas verdächtig vorgekommen, dass er sich anderswertig umschaut. Die Fragen von Val verunsichern mich plötzlich und ich schweife während der nächsten Folge immer wieder ab. Sprechen sie gerade mit Mädels? Wird Fitz angebaggert? Geht er darauf ein?
Argh, es ist erbärmlich. Seit wir zusammen sind hatte ich mir solche Gedanken nie gemacht. Aber mit einem Mal füllen sie meinen Kopf, so dass ich mir zu fest auf die Unterlippe beiße und die Serie regelrecht an mir vorbeiflimmert, ohne dass ich wirklich kapiere was los ist.
Bin ich wirklich los leicht aus dem Konzept zu bringen?
„Wie waren eigentlich deine Feiertage? Du hast gar nichts erzählt.", reißt mich Val aus meinen Gedanken, als die Folge zu Ende ist. Wir haben beschlossen es bei zwei Folgen zu belassen, damit wir nicht zu schnell durch sind. Wir wollen von dem Professor und seiner Gang noch länger was haben.
„Oh ja richtig.", murmle ich abwesend. „Okay soweit."
Die Untertreibung des Jahrhunderts. Mein bester Freund gestand mir, dass er für mich etwas empfindet, meine Eltern haben meinen Freund kennen gelernt und wir hatten Sex, während meine Eltern neben an schliefen.
Völlig normale Winterferien also.
Val mustert mich still und beäugt mich etwas skeptisch. „Hört sich ja nicht sonderlich erholt an.", merkt sie an. Sie richtet die Decke neu und wendet ihren Oberkörper mehr mir zu. Dann bettet sie ihren Kopf auf die Rückenlehne der Couch und sieht mich an. „Ist was passiert?"
Seufzend wende ich den Blick ab. „Naja, eigentlich lief alles gut." Ich weiß nicht, ob ich heute den Nerv dazu habe, meine Ferien nochmal aufleben zu lassen.
„Eigentlich?"
Ich schäle mich etwas aus meiner Deckenhöhle und überlege, ob ich es Val erzählen sollte. Könnte nicht schaden ihre Sicht der Dinge zu wissen, schließlich ist sie erfahrener und ihre Meinung ist mir in solchen Dingen mittlerweile wichtig. Also denke ich kurz nach wo ich anfangen könnte. „Du erinnerst dich doch bestimmt noch als ich meinen Bruder und meinen besten Freund zu Semesterbeginn dahatte?"
Vals Gesicht leuchtet mit einem Mal auf und sie nickt entschlossen. „Dein heißer Bruder und dein noch heißerer bester Freund? Klar kann ich mich an die beiden noch erinnern."
Ich hole tief Luft und erzähle ihr die ganze Story meiner Winterferien, lasse aber die paar schmutzigen Details mit Fitzy aus. Val hört sich jedes Wort an, nickt ab und zu oder formt ihren Mund zu einem O. Besonders an der Stelle als ich Colin in der Küche zur Rede stellte.
„Ach shit.", entfährt es ihr als ich fertig bin. „Und jetzt?"
Ich zucke gleichgültig mit den Schultern. „Nichts und jetzt. Wir haben darüber gesprochen und er will seinen Abstand. Es ist scheiße, weil unsere Freundschaft darunter leidet, aber ich will mich daranhalten, wenn er das von mir verlangt."
„Das ist echt mies.", sagt sie und verzieht ihre vollen Lippen. „Fitz hast du das aber nicht erzählt oder?"
Ich presse meinen Mund zu einer schmalen Linie zusammen und nicke resigniert. „Doch."
„Echt?" Mit einem Mal richtet sie ihren Oberkörper auf und starrt mich an. „Was hat er gesagt?"
„Ich wollte es ihm anfangs nicht erzählen, aber er hat gemerkt, dass etwas nicht stimmte. Also konnte ich nicht mehr aus und habe es ihm gesagt. Und Fitz reagierte ... ruhig. Ja, er war vollkommen ruhig bei der Sache und sagte mir, dass er mir vertraute. Ich dachte er würde eine Szene machen oder so."
Val spitzt ihre Lippen und nickt schwach. „Punkt für Fitz. Der Kerl hat doch mehr Eier in der Hose als ich dachte.", murmelt sie nachdenklich und schüttelt den Kopf. „Aber ist doch gut, dass er dir dabei vertraut. Ich meine du betrügst ihn ja nicht oder so."
Hastig schüttle ich den Kopf. „Nein, würde mir nie in den Sinn kommen. Unsere Beziehung läuft gut, das würde ich nicht so einfach in den Sand setzen.", erkläre ich mich hastig. „Und außerdem empfinde ich für Colin nicht auf diese Weise."
„Dann solltest du daraus keine große Sache machen.", rät mir Val.
Gedankenverloren nicke ich und gähne.
„Willst du noch einen Film sehen?", fragt sie mich.
Müde schüttle ich den Kopf und sehe auf die Uhr. Es ist fast halb eins. „Nein, ich gehe besser ins Bett. Beim Schlafen kann ich diese Schmerzen besser ignorieren."
„Touché.", sagt sie und lächelt.
Ich schäle mich aus der Decke, was ein paar Sekunden dauert und erhebe mich. In letzter Sekunde schnappe ich mir noch mein Handy und schreibe Fitz, dass ich jetzt ins Bett gehe und wir uns morgen sehen.
Aber seine Antwort lässt auf sich warten. Also gehe ich vorher noch duschen. Das warme Wasser lockert die Krämpfe etwas und ich entspanne mich. Mit dem Handtuch um den Körper gehe ich zurück in mein Zimmer und just in dem Moment leuchtet mein Handy auf.
Fitz: Ich bin im Krankenhaus, ich melde mich.
Ich lese die Worte und wieder. Aber sie ergeben immer das Gleiche und nach mehreren Sekunden kommen sie in meinem Kopf an. Fitz ist im Krankenhaus.
Meine Atmung bekommt eine ungesunde Schnelligkeit, meine Hände beginnen zu zittern und meine Finger tippen hastig auf dem Display herum. Ich halte es mir ans Ohr und schicke ein Stoßgebet in den Himmel, dass er abhebt. Meine Hoffnung verpufft, als die Mailbox rangeht. Ich versuche es noch einmal. Und ein drittes Mal.
Nein, nein, nein.
Alle möglichen Szenarien bilden sich bildgetreu in meinem Kopf und wollen nicht mehr verschwinden. Sie nisten sich ein und versorgen meinen Körper mit Adrenalin.
Ich renne aus meinem Zimmer, das Handy fest umklammert. „Val?"
Sie sitzt noch auf der Couch und blickt von ihrem Handy hoch. Erschrocken sieht sie mir entgegen. „Was ist?"
„Weißt du ob einer der Jungs mit Fitz und Curtis unterwegs ist?", frage ich sie und rede so schnell, dass sie einen Moment braucht um meine Worte zu verstehen.
Langsam und unsicher schüttelt sie den Kopf. „Nein, Blake ist zuhause, weil er morgen Vormittag ein Spiel hat. Von Cam und Parker weiß ich nichts."
„Fuck.", stoße ich aus und checke mein Handy, aber ist nichts.
„Was ist denn los?" Val Stimme mischt sich zu meinem Gedankenchaos hinzu. Sie kommt auf mich zu.
„Fitz ist im Krankenhaus. Ich weiß nicht was passiert ist.", erkläre ich hastig und probiere es noch einmal. Nichts.
„Was?"
„Ich muss Blake anrufen, vielleicht weiß er was. Vielleicht hat er mit ihm gesprochen." Ich suche Blakes Namen und tippe auf anrufen. Vermutliche wecke ich ihn, aber das hier ist ein Notfall. Dieses Wissen sitzt mir tief in den Knochen.
„Ja?" Eine tiefe Stimme meldet sich. Und er hört sich nicht verschlafen an.
„Blake? Ach Gott sei Dank.", stoße ich aus. „Hast du in der letzten Stunde etwas von Fitz gehört?" Ich schiebe einen Blick zu Val, die mich besorgt mustert. Nervös beißt sie auf ihrem Fingernagel herum.
„Nein ... warum?" Im Hintergrund vernehme ich Geräusche.
„Er hat mir gerade geschrieben, dass er im Krankenhaus ist. Er ist mit Curtis unterwegs, aber ich habe keine Ahnung, was passiert ist. Ich erreiche ihn nicht."
„Fuck, scheiße.", flucht er. „Jungs, macht mal leise." Die Hintergrundgeräusche erstarren mit einem Mal. „Weißt du wo sie sind? Hat er was gesagt?"
Immer wieder schüttle ich den Kopf und schlucke den Kloß in meinem Hals hinab. Tränen kündigen sich an, aber dafür habe ich jetzt keine Zeit. Ich muss konzentriert bleiben. „Nein, er sagte nur sie gehen in eine Bar in Boston.", erkläre ich ihm und schlucke wieder. „Ich muss rausfinden wo er ist."
Am anderen Ende der Leitung ist für einen Moment still, in der ich mein Herzwummern vernehme. Es schlägt so laut, dass es vermutlich Val auch hören kann. Dann höre ich wie Blake mit jemanden redet. „Okay, warte mal. Ich stell dich auf Lautsprecher.", informiert er mich. „Parker kann sein Handy orten, dann wissen wir wenigstens in welchem Krankenhaus er ist."
Okay, das ist ein Anfang.
„Wie lange dauert das?"
„Nicht lange, gib mir eine Minute.", höre ich Parkers Stimme. Tastengeräusche eines Laptops sind zu hören, und irgendjemand atmet laut. Erst als mir Val eine Hand auf die nackte Schulter legt, fällt mir auf, dass ich das bin. Ich stehe immer noch mit bloßem Handtuch in unserem Wohnraum. Schwach zittere ich, weiß aber nicht ob es die Kälte oder die Sorge um Fitz ist. Verdammt, was ist, wenn ihm tatsächlich etwas Schlimmeres zugestoßen ist?
Diese Minute zieht sich wie zäher Schleim dahin, sie will einfach nicht vergehen. Mir ist noch nie etwas so lange vorgekommen, wie diese sechzig Sekunden. Ich wünsche dieses Gefühl keinem.
„Okay, hab ihn."
„Wo ist er?"
„Das Krankenhaus ist nicht weit von hier. Maximal zwanzig Minuten mit dem Auto.", erklärt Parker. Im Moment liebe ich ihn für seine Fähigkeiten am Laptop.
„Ich fahre hin.", höre ich Blake entschlossen.
„Ich fahre mit.", verkünde ich.
„Okay, ich bin gleich bei dir."
Und das ist er tatsächlich. In Windeseile habe ich mich angezogen, irgendwelche Sachen übergeworfen und mein Handy geschnappt. Blake überhört die Geschwindigkeit, gibt Gas bevor die Ampeln auf Rot umspringen und ich wähle immer wieder Fitzys Nummer. Es wie eine Regelmäßigkeit, die meine Hände eingenommen haben und nach dem zehnten Anruf, erwarte ich gar nicht mehr seine Stimme zu hören.
„Hey, mach dir keine Gedanken. Es ist bestimmt halb so schlimm was wir gerade annehmen. Fitz geht's gut." Blake wirft mir einen Blick zu und ich sehe Hoffnung darin. Nur zäh springt sie auf mich über und ich tippe mir weiterhin in Sekundenschnelle mit dem Finger auf den Oberschenkel. In meinem Wangeninneren schmecke ich bereits Blut, aber das ist mir egal.
Ich höre erst dann damit auf, wenn ich bei Fitz bin und weiß, was mit ihm ist.
„Ich hoffe es.", flüstere ich. „Danke Blake."
Er lächelt nur schwach und konzentriert sich wieder auf die dunklen Straßen vor uns. Die Worte hängen zwischen uns, aber sie nehmen mir kein Stück meiner Unruhe und aufflammenden Panik. Ich will Blake bitten, schneller zu fahren, aber er fährt bereits ein deutlich überhöhtes Tempo. Blaulichter eines Streifenwagens würden nur uns Zeit kosten. Zeit, in der mich Fitz braucht.
Aber warum ruft er mich dann nicht an?
Sobald Blake den Wagen hält, springe ich raus. Blake ist mir auf den Fersen und wir steuern die junge Frau hinter der Aufnahme an. Müde lächelt sie uns an.
„Wurde in den letzten Stunden jemand mit dem Namen Dean Fitzgerald eingeliefert?", überrumple ich sie außer Atem und starre sie an.
Sie reagiert sofort und richtet sich dem Computer vor ihr zu. Blake atmet ebenfalls schwer hinter mir und im Moment bin ich froh, dass er hier ist. Alleine würde ich wahrscheinlich komplett neben mir stehen und nicht wissen, wo hin mit mir.
„Nein, tut mir leid. Dieser Name scheint nicht auf.", meldet sich die Frau hinter dem Computer. Zögerlich wirft sie einen Blick zu Blake.
Was? Das kann nicht sein.
Blake tritt neben mir hervor und stützt sich auf die schmale Fläche, die uns von der Frau trennen. „Und was ist mit Curtis Lee Cooper?"
Die Frau tippt wieder, kräuselt die Stirn und nickt schließlich. „Ja. Er wurde vor einer Stunde eingeliefert."
Okay, das bedeutet, dass ... es bedeutet, dass es Fitz gut geht. Aber Curtis nicht. Curtis liegt im Krankenhaus. Welches kranke Spiel wird hier gespielt?
F I T Z
Es ging alles viel zu schnell.
Ich handelte einfach, ich dachte nicht nach was hier gerade passierte. Vielleicht wollte ich auch nicht darüber nachdenken, weil mir solche Situationen zu sehr vertraut sind.
Aber nach drei Stunden nervösen Herumsitzen und Grübeln im Krankenhaus wird es mir langsam klar, was vor der Bar passiert ist.
Curtis ist vor meinen Augen zusammengesackt.
Und ich habe immer noch keine Ahnung, was mit ihm los ist. Es läuft zwar ständig eine Schwester geschäftig an mir vorbei, aber niemand will mir sagen, was mit meinem Kumpel ist. Vor zwei Stunden haben sie ihn auf der Trage in einen Raum gebracht, seitdem habe ich mich kein Stück mehr bewegt. Wie gelähmt sitze ich da. Das Personal hier hat Glück, dass ich im Moment keine Energie habe, sonst würde ich herumwütend und lauthals nach einer Antwort verlangen.
Wir haben nicht viel getrunken. Wir hatten uns gut unterhalten, gelacht und unser Bier getrunken. Kurz nach zwölf Uhr sind wir dann raus, weil wir beide nicht übertreiben wollten und morgen Früh Kurse haben. Wir traten in die kalte Nachtluft Bostons, Curtis griff haltesuchend nach meiner Schulter und sah mich mit dunklen Augen an. Er fragte mich, ob irgendetwas in dem Bier war und im nächsten Moment, bevor ich überhaupt antworten konnte, gab sein Körper nach und er kippte zusammen.
Gerade noch habe ich ihn aufgefangen, damit er nicht mit voller Wucht auf dem harten Asphalt aufprallte. Er lag schwer und leblos in meinen Armen und ich starrte auf sein fahles blasses Gesicht. Irgendjemand trat neben mich und fragte ob alles okay sei, aber ich brüllte den Kerl nur an und sagt er soll den Krankenwagen rufen.
Dem Sanitäter erklärte ich bloß, dass wir nicht viel getrunken hätten und ich auch nichts wüsste, ob es ihm schlecht ginge. Glücklicherweise durfte ich im Transport mitfahren. So oder so hätte ich mich davon nicht abwimmeln lassen. Auf keinen Fall wollte ich Curtis alleine lassen.
Und jetzt sitze ich hier. Starre auf meine Füße, ignoriere das erbärmliche Zittern in meinen Händen und versuche meine Atmung voranzutreiben. Aber mein Brustkorb fühlt sich eng an, viel zu eng um normal atmen zu können. Curtis taucht immer wieder vor meinem geistigen Auge auf, sein lebloser schwerer Körper, sein eingefallenes Gesicht und diese blasse Haut.
Fuck.
All das hatte ich verdrängt. Stundenlang im Krankenhaus zu sitzen, ahnungslos vor mich hin zu starren und das drängende Bedürfnis hinab zu schlucken auf die nächst beste Wand einzuschlagen.
Liv hatte dasselbe eingefallene Gesicht und dieselbe blasse Haut. Gott, scheiße, so vieles hier erinnert mich an damals. Mein Körper fühlt sich an, als hätte er wie damals nicht mehr die Kraft etwas zu tun. Ich fühle mich hilflos und gleichzeitig gehe ich gedanklich jede bietende Möglichkeit durch, was ich tun könnte.
Aber ich muss abwarten.
Bis ich eine Antwort habe was mit ihm los ist. Im Moment kann ich nur warten, die weiße Wand mir gegenüber anstarren und hoffen, dass ich Curtis bald wieder lachen sehe.
Ohne es zu wollen rattert es in meinem Kopf los. Seine kurz geschorenen Haare, sein dünner schlaksiger Körper, seine blasse Haut. Und diese verdammte Leere in seinen Augen. All das kenne ich. Ich kenne es zu gut aber ich weigere mich, das zu glauben. Nein, das darf nicht sein. Curtis ist gesund, er muss es einfach sein.
Nochmal stehe ich das nicht durch.
„Dean?"
Was meint ihr wie es weiter gehen wird? Lasst mir gerne eure Meinung da, freue mich. Bis bald,
eure SummerOF_Love
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