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F I T Z
Ich sauge die stickige Stadtluft von Boston in mich auf und fühle mich sofort erleichtert. Die Sonne lässt sich an diesem Spätsommernachmittag blicken und zwingt mich dazu, die Sonnenbrille aufzusetzen. Meine linke Hand baumelt aus dem offenen Fenster meines alten Jeeps und ich klopfe im Takt von Dennis Lloyd Nevermind auf dem dunklen Blech mit. Auch wenn ich den ganzen Sommer in Boston verbracht habe, bin ich froh, dass die Uni bald wieder losgeht. Ich war schon immer ein Stadtkind. In Boston geboren und aufgewachsen. Ich kenne nichts Anderes, zumindest nichts was ich zuhause nennen könnte.
Der Sommer ohne meine Jungs war scheiße. Ich sage es wie es ist, es war verdammt scheiße langweilig. Ich bin nicht der perfekte Student, der sich in jeder Vorlesung blicken lässt, wozu auch, aber zuhause wo meine Eltern leben, bin ich schon länger nicht mehr willkommen. Und ich will auch nicht zurück, denn es ist erdrückend und anstrengend. Also sind meine Freunde, die auf die ich zähle. Und auf die drei kann man zählen.
Als ich an einer Ampel zum Stehen komme, werfe ich einen kurzen Blick auf mein Handy und stelle fest, dass bereits alle Jungs wieder im Haus sein müssten. Ich wohne mit drei weiteren Kerlen in einem Haus außerhalb des Campus und nun ja wie soll ich sagen, es ist allemal besser als in einem Studentenwohnheim. Klar, wir müssen uns selber putzen und alles in Schuss halten, aber da Cameron einen Ordendlichkeitsfummel hat, geht es ganz gut. Cam übernimmt gerne mal die Mama im Haus und da wir anderen uns manchmal wie Vollpfosten aufführen, ergänzen wir uns ganz gut.
Verdammt, ich freue mich schon die Jungs wieder zu treffen. Den ganzen Sommer über habe ich sie nicht gesehen, weil alle aus Boston raus sind, bis auf mich. Ich habe den Sommer über in einer Bar mitten in Boston gearbeitet. Ich will mich nicht beschweren. Ich habe gutes Geld bekommen, hauptsächlich von Frauen, die meinten mit ein wenig extra Trinkgeld ein paar Gefälligkeiten zu bekommen. Das habe ich schnell gelernt, worauf sie wirklich aus waren. Aber ich nahm brav das Trinkgeld, lächelte entschuldigend ihnen zu und ging nur ab und zu mit einer mit nach Hause. Ja, der Sommer war nicht schlecht, aber ich hatte bessere.
Ich parke den Jeep in unserer Auffahrt, neben zwei weiteren Autos. Ich ziehe den Schlüssel und die Musik verstummt mit einem Mal. Doch stattdessen summt leiser Bass aus dem Haus zu mir hindurch. Ich blicke kurz auf die Uhr und runzle die Stirn. Es scheint, als haben die Jungs bereits um fünf Uhr Nachmittag mit der Party begonnen. Na, da ist ja jemand gut gelaunt.
Ich schüttle grinsend den Kopf und ich frage mich, wie ich den Sommer ohne ihre dummen Sprüche und den gemeinsamen Partys überstehen konnte.
Die Wohnungstür fliegt auf und der Bass schallt mir mit voller Wucht entgegen. Doch bevor ich überhaupt nur ins Haus vordringen kann, werde ich aufgehalten. Der erste der sich auf mich catcht ist Blake Westbrook. Mein bester Freund. Und der größte Idiot den ich kenne.
„Fitz, du Penner!", ruft er aus und strahlt mich breit an, als wäre ich ein Heiliger, der ihm gerade die frohe Botschaft überbringt. „Wir haben schon mal ohne dich angefangen."
Seine blonden Haare stehen etwas ab, während mir seine braungebrannte Haut direkt unter die Nase reibt, dass der Kerl den Sommer nur am Strand verbracht hat und seine Arsch so gut wie nie bewegt hat. Auf den Bahamas. Dieser verdammte Glückspilz.
„Hey, Blake.", begrüße ich ihn grinsend. Ich stelle meine Tasche im Flur ab und streife mir die Jeansjacke ab.
Bevor ich mich wieder an Blake wenden kann, hält mich eine vertraute Stimme davon ab.
„Fitzgerald is in the House!", brüllt Cameron mit seiner tiefen Stimme und kommt auf mich und Blake zu. Der muskulöse stämmige dunkelhäutige Kerl trägt in einer Hand zwei Flaschen Bier. Dann umarmt er mich und klopft mir brüderlich auf die Schulter. „Fitzy, du hast mir gefehlt."
„Aber fang jetzt nicht zu heulen an.", warne ich ihn, grinse aber breit.
Er weiß genau auf was ich anspiele. Und zwar auf die letzte Party vor den Sommerferien, als Cam hacke dicht war und uns unter Tränen gestanden hat, dass er uns alle sehr liebhat und wir wie Brüder für ihn sind. Brav wie wir sind haben wir alles aufgenommen. Aber davon weiß der Idiot nichts.
„Ich doch nicht.", winket er eilig ab.
„Wie lange seid ihr schon hier? Deine Alkoholfahne rieche ich bis hier her.", meine ich zu Blake.
„Seit Mittag."
„Wo warst du? Dachte du bist hier, wenn wir hier einfallen."
„In der Bar. Den Lohn abholen und mit Johnny noch ne Runde trinken.", meine ich. „Er meinte ich kann jeder Zeit kommen und aushelfen, wenn ich Geld brauche."
„Wie wars? Ich meine in der Bar?", fragt mich Cam.
„Gut. Anstrengend aber okay. Geld war in Ordnung.", sage ich. „Wo ist Parker?"
Bevor ich überhaupt weiter ins Haus vorkomme, brüllt Cam in den oberen Stock: „Hey, Spiderman! Deine Anwesenheit wird gewünscht."
Ja richtig, Spiderman ist sein inoffizieller Spitzname. Denn seine Eltern haben ihn tatsächlich Peter Parker genannt. Eigentlich Peter Matthew Parker, aber wer achtet schon besonders auf zweite Vornamen? Wir haben alle unsere eigene Theorie, warum seine Eltern ihm diesen Namen gegeben habe. Ich denke, dass sie zu der Zeit noch nie etwas von Spiderman gehört haben. Blake hingegen ist der Meinung, dass er als Baby so hässlich war und sie ihm durch den Namen irgendwie cool wirken lassen wollten.
Im nächsten Moment taucht der große Kerl mit langen dunklen Haaren und Bart auf der Treppe auf und gesellt sich zu uns.
„Scheiße, was ist mit dir passiert?", entfährt es mir, ohne wirklich darüber nachzudenken.
Als ich Parker zum letzten Mal sah, hatte er kürzere Haare und bloß ein bisschen Bart. Aber jetzt könnte er Jesus Bruder sein.
Cam kichert, Parker wirft mir einen vernichtenden Blick zu und Blake klopft ihm auf die Schulter. „Ich habe mich auch erschreckt. Aber man gewöhnt sich an seinen neuen Look. Ja, vielleicht kommt das bei den Mädchen besser an."
„Wenn sie mit Jesus ins Bett steigen? Na das will ich sehen.", meine ich.
„Aber er sieht männlicher aus, findest du nicht? Jetzt ist er nicht mehr uns Nesthäkchen im Haus."
„Das stimmt. Du siehst echt um einiges Älter aus.", stimme ich Blake zu.
„Jetzt haltet die Klappe.", meint Parker aber ich kann ein Lächeln unter dem Bart entdecken, wenn das überhaupt möglich ist.
Cam räuspert sich lautstark und sieht uns an. „Parker hat Recht. Man macht sich über das Aussehen von anderen nicht lustig. Wenn ihm das gefällt, soll er doch so rumlaufen. Mich stört es nicht."
Hört, hört, die Mutter hat gesprochen.
„Vielen Dank, Cam."
„Gern, Schwester."
Ich schüttle lachend den Kopf. „Jungs, schön euch wieder zu sehen."
„Und jetzt komm schon rein und schnapp dir ein Bier.", sagt Blake und läuft in die Küche. Sie ist geräumig und gar nicht mal so klein. In der Mitte des Raums steht ein länglicher Esstisch mit fünf Stühlen und einem Hocker. Den sechsten Stuhl hatten Blake und ein Freund von ihm letztes Semester bei einem dämlichen Trinkspiel kaputt gemacht.
Wir anderen folgen ihm und schon halte ich ein Bier in der Hand. Blake stellt sich feierlich an den Tisch und hält die Flasche hoch. „Lasst uns anstoßen. Auf ein neues Semester, auf Freunde, auf eine geile Zeit und auf ..."
„Auf die heißen Mädchen?", hilft ihm Cam nach. Denn wenn Blake anstoßt, ist es entweder auf eine gute Saison Eishockey oder auf die Girls.
Doch Blake schüttelt den Kopf. „Nein, nicht dieses Semester. Ich habe beschlossen kürzer zu treten. Ja, belanglose One-Night-Stands gehen mir auf den Sack. Im wahrsten Sinne des Wortes."
Wir drei lassen die Hände mit dem Bier sinken und starren den Kapitän der Eishockeymannschaft an. Man sollte vielleicht erwähnen, dass Blake Westbrook der King des One-Night-Stands ist. Nein, er ist der Kings des gesamten verfluchten Colleges. Die weiblichen Geschöpfe der Uni stehen Schlange und werfen sich ihm an den Hals als wäre er das letzte männliche Wesen auf dieser Erde. Manche von ihnen bekommen schon ein feuchtes Höschen, wenn er sie nur mit dem typischen Hundertdollar Westbrook-Lächeln ansieht. Aber ich muss gestehen, mit diesem Lächeln bekommt er wirklich alles was er will. Einmal gab ich nach und hab statt ihm das Bad geputzt, obwohl er dran war. Nach einer Party bei uns zu Hause und er hat bloß gelächelt, der Penner.
„Haben sie dich kastriert?", frage ich allen Ernstes.
„Jetzt tut nicht so.", meint er kleinlaut.
„Ist was vorgefallen im Sommer?", meint Parker, ebenfalls irritiert.
Doch Blake schüttelt nur den Kopf und winkt ab. „Nein, ich ... sollte einfach etwas kürzertreten. Das ist alles."
Noch ist es still im Haus, doch dann brechen wir anderen in schallendes Gelächter aus. Cam stellt sein Bier wieder ab und setzt sich an den Tisch. Er hält sich den Bauch, während Parker und ich ausgelassen lachen. Als ich mich langsam wieder einkriege, sehe ich meinen besten Freund an, der grimmig aus seiner Eishockeyjacke sieht.
„Rede keinen Scheiß, Mann. Sex ist für dich wie Essen. Du brauchst es, sonst wirst du unausstehlich.", sage ich.
„Fitz hat recht. Es ist wie wenn eine Frau ihre Tage bekommen würde.", meint Parker. „Du bist unausstehlich, ziehst nur eine Scheißgrimasse den ganzen Tag und wirst zur Furie."
„Ihr seid scheiße, Leute.", murrt Blake, und ist sichtlich angeknackst.
Ich nicke ihm kurz zu. „Komm schon, was ist der wirkliche Grund."
Er lässt beschämt die Schultern hängen. „Mein Alter meinte, wenn dieses Semester wieder so mies läuft wie letztes, dreht er mir den Geldhahn zu. Und außerdem muss ich den Schnitt halten, damit ich nicht aus der Mannschaft fliege und wenn meine Mannschaft merkt, dass ich schlechte Noten habe, wählen sie mich heuer nicht als Kapitän. Also ..." Er zuckt ärmlich mit den Schultern. „Keine Girls, kein Sex."
„Hm, okay das verstehe ich echt.", murmelt Cam nachdenklich. „Was willst du tun?"
„Was wohl? Kürzertreten."
Wir tauschen verdächtige Blicke aus. Parker ist der einzige, der die unausgesprochene Frage stellt. „Aber feiern ist noch drin oder?"
Im nächsten Moment reißt Blake sein Bier wieder in die Höhe um mit uns anzustoßen. „Ach scheiß drauf. Auf ein geiles Leben."
Wir prosten ihm zu und endlich nippe ich an dem kühlen Bier. Jepp, es schmeckt eindeutig besser, wenn ich es mit meinen Jungs trinke.
„Was ist? Laden wir ein paar Leute ein oder gehen wir aus?", meine ich und sehe in die Runde.
„Ich kann mal die Mädels fragen. Meine Schwester ist heute sicher am Start.", sagt Parker und holt sein Handy hervor. „Sie meinte, Val und Bonny sind bestimmt auch dabei."
„Perfekt. Dann treffen wir uns mit ihnen und wir lassen das neue Semester hochleben.", meint Cam, klopft euphorisch auf den Tisch und erhebt sich. „Und das Beste ist. Wenn der Penner hier keine aufreißen will, bleibt mehr für uns."
„Jetzt stell das nicht so hin, als hättet ihr wegen mir nie eine abbekommen.", murrt Blake und wirft einen Blick zu Cam. „Das ist Schwachsinn. Ihr habt ständig eine über Nacht, jeder von euch Wichsern."
„Nein, aber du hast mir im zweiten Semester die kleine Soziologiestudentin weggenommen. Wie hieß sie nochmal?", murrt Cam.
„Hanna Williams?", hilft ihm Blake aus.
„Ja, genau."
„Du weißt ja nicht mal mehr ihren Namen. So schlimm ist es dann wohl nicht.", winkt Blake die Sache ab und nippt an dem Bier.
„Doch, die Kleine war echt süß und du hast nichts getan und trotzdem stieg sie zu dir ins Bett. Ich habe euch die ganze Nacht zugehört."
Blake sieht nachdenklich an ihm vorbei. Ein leichtes schelmisches Lächeln umspielt seine Lippen. „Ja ... sie war laut. Das stimmt."
„Nächstes Mal schlaf ich bei Fitz, der hat sein Zimmer wenigstens am weitesten weg von deinem.", stellt Cam klar, sieht mich aber nicht an als wäre ich komplett damit einverstanden.
„Würde ich nicht. Fitzy schläft nackt.", schaltet sich Spiderman ein, während er eilig am Handy herumtippt.
Ich reiße den Kopf hoch. „Tu ich gar nicht."
Doch niemand scheint auf mich zu hören, denn Blake und Parker grinsen blöd, während mich Cam nachdenklich mustert. Dann nickt er überzeugt. „Okay, nehme ich in Kauf."
„Woher willst du wissen, ob ich nackt schlafe?", wende ich mich an Parker.
Er sieht nun endlich auf und zuckt gelangweilt mit den Schultern. Unter dem Bart kann man echt schwer seine Mimik ausmachen. „Ich war schon oft in deinem Zimmer, während du geschlafen hast. Jedes Mal hast du wie ein Baby gepennt und hattest nichts an."
„Gut, in Zukunft sperre ich ab.", stelle ich klar, aber die anderen lachen bloß. Verräter.
„Egal, ich schlafe trotzdem bei Fitz. Ich habe eh schon oft genug eure Schwänze gesehen, das macht mir nichts. Immer noch besser, wenn ich nicht hören muss, wie die Mädchen Blakes Namen rufen."
Blake grinst dumm und frech, weil er genau, weiß, dass er alle haben kann. Ich bin mal gespannt, wie lange er es schafft tatsächlich kürzer zu treten. Ich gebe ihm drei Wochen. Länger hält er es nicht aus.
„Also die Mädels sind dabei.", verkündet Parker und sieht von seinem Handy hoch.
„Perfekt."
„Wir treffen uns am Abend im Planck's."
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